5 Chancen und Risiken der CO2-Speicherung

Michael Kühn

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DOI

10.34663/9783945561188-07

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Kühn, Michael (2011). Chancen und Risiken der CO2-Speicherung. In: Herausforderung Energie: Ausgewählte Vorträge der 126. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e.V. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

5.1 Einleitung

Im Rahmen der Klimapolitik wird die Lagerung von Kohlenstoffdioxid in tiefen Gesteinsschichten als eine potenzielle Maßnahme für die Reduktion der Treibhausgasemissionen und gegen die globale Klimaerwärmung gesehen. Mit dieser entwicklungsfähigen Technologie sind aber auch Ängste der Bevölkerung in den geplanten Zielgebieten verbunden: Ist eine langfristige und sichere Speicherung ohne Gefährdung des Menschen und der Umwelt möglich? Wissenschaft und Technik, unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen vom Forschungsstandort Ketzin, helfen diese Frage zu beantworten [1].

Geologische CO2-Speicherung ist neben der Einsparung von Energie, der Effizienzsteigerung sowie dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien eine wichtige Option im Portfolio der CO2-Vermeidungsstrategien [2].

Trotz des verstärkten und notwendigen Ausbaus der erneuerbaren Energien gehen viele Experten davon aus, dass Kohle auch in der Zukunft einen erheblichen Anteil am deutschen Energiemix einnehmen wird. Die Kohleverstromung ist umweltverträglich jedoch nur möglich, wenn das CO2, das beim Verbrennungsprozess entsteht, minimiert wird oder erst gar nicht in die Atmosphäre gelangt. Neben der Energiewirtschaft sind aber auch die Zement- und Stahlindustrie und die Petrochemie wesentliche Emittenten des Treibhausgases CO2. Diese hier aufgezählten großen Punktquellen sind zurzeit die einzigen Orte, die sich wirtschaftlich gesehen für die CO2-Abscheidung eignen.

Die Technologie der Wahl heißt auf Englisch „Carbon Capture and Storage“ (abgekürzt CCS) und bedeutet auf Deutsch Abscheidung und geologische Speicherung von CO2. Berechnungsszenarien (Abbildung 5.1) zeigen, dass CCS mit ca. 25 % zur gesamten Emissionsreduktion beitragen könnte [3].

Abb. 5.1: Berechnungen des IPCC zeigen, [3], dass geologische CO2-Speicherung neben anderen Klimaschutzoptionen einen wichtigen Beitrag zur Senkung der weltweiten CO2-Emissionen und zur Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration unterhalb von 550 ppm leisten kann.

Abb. 5.1: Berechnungen des IPCC zeigen, [3], dass geologische CO2-Speicherung neben anderen Klimaschutzoptionen einen wichtigen Beitrag zur Senkung der weltweiten CO2-Emissionen und zur Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration unterhalb von 550 ppm leisten kann.

5.2 Geowissenschaftliche Grundlagen

5.2.1 Eingriff des Menschen in den Kohlenstoffkreislauf

Unter dem Kohlenstoffkreislauf versteht man Umwandlungs- und Transportpro- zesse kohlenstoffhaltiger Verbindungen im globalen System. Die Kenntnis dieses Kreislaufs einschließlich seiner Teilprozesse ermöglicht es unter anderem, die Eingriffe des Menschen in das Klima und damit ihre Auswirkungen auf die globale Klimaänderung abzuschätzen und angemessen zu reagieren.

Der jährliche Eintrag von fast 30 Gigatonnen-Gt (30 Milliarden Tonnen) Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre [4] entspricht einer Kohlenstoffmenge von ungefähr 8 Gt. Der Vergleich mit der Gesamtmenge von 800 Gt Kohlenstoff in der Atmosphäre macht deutlich, dass es sich hierbei um einen wesentlichen anthropogenen Beitrag handelt, der das natürliche Gleichgewicht beeinflusst.

5.2.2 Optionen der geologischen CO2-Speicherung

Den Speichern in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten, die an Land, aber auch unter dem Meeresboden liegen können, werden große Speicherpotenziale eingeräumt. Um CO2 in den Untergrund einzubringen und es dort langfristig und sicher zu speichern, braucht man poröse Gesteine. Die wichtigsten Speicheroptionen sind:

1Sogenannte saline oder salinare Aquifere. Im Deutschen bezeichnet man sie als tiefe, Salzwasser führende Grundwasserleiter.

2Fast erschöpfte Erdöl- und Erdgaslagerstätten, in denen mit Hilfe des eingebrachten CO2 noch zusätzliche Mengen Erdgas beziehungsweise Erdöl ge- fördert werden können, die ansonsten in den Lagerstätten verblieben. Dies wird meist mit den englischen Ausdrücken „Enhanced Oil Recovery (EOR)“ und „Enhanced Gas Recovery (EGR)“ bezeichnet.

3Erschöpfte Erdöl- und Erdgaslagerstätten bieten Raum für die Einlagerung von CO2, nachdem Erdgas beziehungsweise Erdöl aus ihnen gewonnen wurde (Abbildung 5.2).

National und international betrachtet stellen die Salzwasser führenden Grundwasserleiter das umfangreichste Speicherpotenzial. Nur wenn die Technologie der geologischen CO2-Speicherung in diesen Gesteinsformationen möglich sein wird, können für das Klima relevante Mengen an CO2 gespeichert werden. Für die Bundesrepublik werden die Kapazitäten durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ermittelt. Nach aktuellen Schätzungen aus diesem Jahr beläuft sich die Speicherkapazität in tiefen, Salzwasser führenden Grundwasserleitern auf 6-12 Gt CO2 [5]und jene in Erdgaslagerstätten auf 2,5 Gt [6]. Alle anderen Optionen spielen für die Bundesrepublik Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Aus weltweiter Sicht werden die Speicherpotenziale mit mindestens 2.000 Gt und optimistisch mit 11.000 Gt abgeschätzt [7].

Abb. 5.2: Kohlenstoffdioxid (CO2) kann potenziell in tief liegende, poröse und durchlässige Gesteinsschichten eingebracht werden, wenn sich darüber für CO2 undurchlässige Schichten befinden, die das CO2 daran hindern, sich in Richtung Erdoberfläche auszubreiten. Optionen sind (1) Tiefe Salzwasser führende Grundwasserleiter, (2)/(3) Erdöl- und Erdgaslagerstätten und (4)/(5) nicht abbaubare Kohleflöze. Dargestellt ist die Injektion von CO2 und gegebenenfalls gefördertes Erdgas und Erdöl.

Abb. 5.2: Kohlenstoffdioxid (CO2) kann potenziell in tief liegende, poröse und durchlässige Gesteinsschichten eingebracht werden, wenn sich darüber für CO2 undurchlässige Schichten befinden, die das CO2 daran hindern, sich in Richtung Erdoberfläche auszubreiten. Optionen sind (1) Tiefe Salzwasser führende Grundwasserleiter, (2)/(3) Erdöl- und Erdgaslagerstätten und (4)/(5) nicht abbaubare Kohleflöze. Dargestellt ist die Injektion von CO2 und gegebenenfalls gefördertes Erdgas und Erdöl.

5.2.3 Verhalten von CO2 in den geologischen Speichern

Bei den potenziellen Speichergesteinen handelt es sich im Wesentlichen um Sandsteine, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine ausreichende Porosität und Permeabilität besitzen, so dass CO2 gut in diese Formationen eingebracht werden kann. Kohlenstoffdioxid wird über Bohrungen mit Hilfe von Pumpen in das Gestein injiziert. Dadurch wird der Druck erhöht, weil der durch das Gestein dem CO2-Strom entgegengebrachte Fließwiderstand, je nach Permeabilität des Gesteins, überwunden werden muss.

Abb. 5.3: Vier Rückhaltemechanismen sind bei der geologischen CO2-Speicherung zu berücksichtigen, die auf der zeitlichen Skala zu unterschiedlichen Zeiten eine unterschiedliche Bedeutung besitzen (verändert nach IPPC [3]).

Abb. 5.3: Vier Rückhaltemechanismen sind bei der geologischen CO2-Speicherung zu berücksichtigen, die auf der zeitlichen Skala zu unterschiedlichen Zeiten eine unterschiedliche Bedeutung besitzen (verändert nach IPPC [3]).

Die verschiedenen Prozesse, die nach Einbringung des CO2 in das Speichergestein berücksichtigt werden müssen (Abbildung 5.3), sind auf einer logarithmischen Zeitskala von unterschiedlicher Bedeutung [3]. Auf der kürzesten Zeitskala von Jahren, während der Injektion und direkt danach, steigt das eingebrachte CO2 nach oben, weil seine Dichte geringer ist als die des dort ansonsten zumeist vorhandenen Wassers. Das CO2 sammelt sich dann unterhalb des undurchlässigen Deckgesteins, das meistens aus Ton- beziehungsweise Salzgestein besteht.

Auf der Zeitskala von Zehnerjahren kommt es zur Rückhaltung des CO2 durch Kapillarkräfte, wenn die Porenräume so eng sind, dass das CO2 trotz der Dichtedifferenz zum Umgebungswasser nicht mehr aufsteigen kann. Das Gas kann in dem Fall nur durch andere Fluide verdrängt werden, wenn diese unter erhöhtem Druck in die Speicherformation einströmen.

Im Rahmen von Hunderten von Jahren wird darüber hinaus ein wesentlicher Teil des CO2 im Wasser gelöst und es bildet sich Kohlensäure. Die Bindung von CO2 an das Wasser bleibt so lange stabil, wie sich der Druck auf die Lösung nicht verringert, beziehungsweise sich die Temperatur nicht erhöht. Das so mit CO2 angereicherte Wasser hat zudem eine etwas höhere Dichte als das ursprüngliche Wasser und hat so die Tendenz abzusinken.

Langfristig, in etwa auf der Zeitskala von tausend Jahren, werden Anteile des Kohlenstoffdioxids auch durch den Prozess der Carbonatisierung in Form von Mineralen, hier Carbonaten, gebunden. Die Carbonatisierung ist die chemische Umwandlung alkalischer Bestandteile des Gesteins mit der Kohlensäure in einer Neutralisierungsreaktion, die einer gewöhnlichen und allgegenwärtigen Verwitterungsreaktion entspricht. Die Mineralisierung des CO2 führt in Form von Calcit zu einer festen Ablagerung im Gestein und ist dadurch dauerhaft gebunden.

Diese vier Rückhaltemechanismen sorgen in den Schichten des Speichers dafür, dass sich das CO2 mit der Zeit immer stärker ans Gestein bindet und tragen so zur dauerhaften und sicheren Speicherung bei. Denn es ist nur das als freies Gas vorliegende CO2, welches eine Auftriebskraft erfährt und daher tendenziell den Speicher nach oben verlassen könnte. Dieser Anteil geht aber mit der Zeit in den Speichern sehr stark zurück (Abbildung 5.3). Diese Abschätzungen werden durch Untersuchungen an natürlichen CO2-Lagerstätten belegt. Es wird zwar nur der geringere Teil von ca. 18 % langfristig mineralisiert, aber der Großteil des CO2 findet sich im Wasser gelöst und nicht als freies Gas [8].

5.2.4 Sicherheit bei der geologischen CO2-Speicherung

Die wichtigste Frage bezüglich der CO2-Speichertechnologie, die es zu beantworten gilt, ist die nach der Sicherheit für Mensch und Umwelt. Um die Sicherheit der geologischen CO2-Speicherung zum jetzigen Zeitpunkt abzuschätzen, werden u.a. zwei sogenannte Analoge herangezogen. Zum einen sind dies natürliche CO2-Lagerstätten bzw. –quellen und zum anderen Standorte, an denen Gasspeicherung in porösen Gesteinen durchgeführt wird.

Die unterirdische, geologische Speicherung von CO2 ist keine Erfindung des Menschen, sondern ein natürliches Phänomen. Es existieren weltweit natürliche CO2-Lagerstätten seit Tausenden bis Millionen von Jahren, z.B. in Deutschland in der Rhön. Diese natürlichen Speicherstätten belegen, dass Speichergesteine CO2 für geologisch lange Zeiträume aufnehmen und Deckgesteine dieses effizient zurückhalten können.

Auf der kürzeren Zeitskala liefern Erfahrungen aus der Gasspeichertechnik Erkenntnisse für die geologische CO2-Speicherung. Die Technik zur Speicherung großer Erdgasmengen in tiefen unterirdischen Gesteinsformationen zum Ausgleich von saisonalen Bedarfsschwankungen hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Das Speichervolumen der über 40 Gasspeicher in Deutschland beläuft sich auf ca. 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas [7].

Die beiden angeführten Analoge machen deutlich, dass es möglich ist, die Verfahren technisch zu beherrschen und sicher zu betreiben, aber auch, dass CO2 langfristig in den Speichergesteinen verbleibt. Trotzdem muss man sich über mögliche Leckagewege und die mit der Technologie verbundenen Risiken im Klaren sein und sicher stellen, dass keine Gefahr für Mensch oder Umwelt durch die geologische CO2-Speicherung verursacht wird.

In Abbildung 5.4 sind die potenziellen Risiken der geologischen CO2-Spei- cherung zusammengefasst dargestellt. Das CO2 wird unterhalb eines undurchlässigen Deckgesteins in die Speicherformation eingebracht. Hier handelt es sich um ein sogenanntes Multibarrierensystem, in dem sich auch oberhalb des Speicherkomplexes wiederum potenzielle Speichergesteine und Deckgesteine abwechseln. Dies ist auf die geologische Entstehungsgeschichte zurückzuführen. Potenzielle Leckagewege sind zum einen vorhandene Bohrungen. Sowohl aktive als gegebenenfalls auch bereits stillgelegte Bohrungen können Migrationswege sein, weil sie erstens eine direkte Verbindung zwischen der Erdoberfläche und dem Speicher darstellen und zweitens künstliche Materialien enthalten (Verrohrung und Zementierung), die langfristig korrodieren können.

Außer den Bohrungen gibt es auch potenzielle natürliche Leckagewege. Dies sind Fließpfade entlang von Rissen und Trennflächen im Gestein, die als geologische Klüfte und Störungen bezeichnet werden (Abbildung 5.4). Sie können im Speichergestein und Deckgestein sowie in den darüber befindlichen Gesteinsschichten existieren und sind komplexer als Bohrungen, weil es sich um ungleichmäßige Flächen mit variabler Permeabilität handelt. Geologische Störungen können komplett dicht gegenüber Fluiden sein, aber wie natürliche CO2-Quellen zeigen, können sie ebenfalls durchlässig sein für das Gas.

Ein weiterer Effekt, der sehr genau für jeden Standort untersucht werden muss, ist die Salzwasserverlagerung (Abbildung 5.4). Das in das Speichergestein eingebrachte CO2 verdrängt das im Porenraum befindliche Salzwasser. Es muss sichergestellt werden, dass das Salzwasser nicht über Migrationspfade in die Trink- wasserreservoire der flachen Grundwasserleiter gelangt und dort das Trinkwasser kontaminiert.

Abb. 5.4: Schematisches Prinzip der geologischen CO2-Speicherung mit einem Multibarrieren­System. Dargestellt sind außerdem potenzielle anthropogene und natürliche Leckagewege für das CO2. Es handelt sich dabei um aktive als auch bereits stillgelegte Bohrungen (Bohrungen stark vereinfacht dargestellt). Leckagewege natürlichen Ursprungs können gegebenenfalls entlang von Rissen und Trennflächen im Gestein existieren. Darüber hinaus ist der Prozess der gegebenenfalls auftretenden Salzwasserverlagerung abgebildet.

Abb. 5.4: Schematisches Prinzip der geologischen CO2-Speicherung mit einem Multibarrieren­System. Dargestellt sind außerdem potenzielle anthropogene und natürliche Leckagewege für das CO2. Es handelt sich dabei um aktive als auch bereits stillgelegte Bohrungen (Bohrungen stark vereinfacht dargestellt). Leckagewege natürlichen Ursprungs können gegebenenfalls entlang von Rissen und Trennflächen im Gestein existieren. Darüber hinaus ist der Prozess der gegebenenfalls auftretenden Salzwasserverlagerung abgebildet.

Eine generelle Bewertung von Standorten ist im Vorfeld nur sehr schwer beziehungsweise ungenau machbar. Es ist sehr wesentlich, dass eine umfangreiche Erkundung durchgeführt wird. Diese Erkundung ist standortspezifisch und der wichtigste und einzig mögliche Schritt, um eine detaillierte Abschätzung der Risiken durchzuführen und zu entscheiden, ob eine langfristige und sichere geologische CO2-Speicherung durchführbar ist.

5.2.5 Überwachung von geologischen CO2-Speichern

Alle CO2-Speicherstätten müssen aus betrieblichen, sicherheitstechnischen, um- welttechnischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen überwacht werden. Eine Überwachungsstrategie muss definieren, was genau überwacht werden und wie dies erfolgen soll. Erst die Überwachung der Speicherstätte stellt sicher, dass das Hauptziel der geologischen Speicherung von CO2 erreicht wird: Die langfristige Isolierung des vom Menschen erzeugten CO2 von der Atmosphäre.

Die EU-Richtlinie RL 2009/31/EG über CCS, die am 25. Juni 2009 in Kraft getreten ist, schreibt vor, dass das Verhalten des Speichers und auch der natürliche Gashaushalt der Umwelt überwacht werden müssen. Weiter heißt es, dass die Betreiber demonstrieren müssen, dass der Speicherbetrieb den Bestimmungen entspricht und auch in ferner Zukunft noch entsprechen wird. Die umfangreichen Überwachungsmaßnahmen sind notwendig, um Unsicherheiten beim prognostizierten Verhalten der Speicherstätte zu erkennen beziehungsweise zu reduzieren. Die Überwachungsmethoden dienen dem Sicherheitsmanagement. Wie ein Standort überwacht werden kann, wird im nächsten Abschnitt über den Forschungsstandort Ketzin deutlich.

5.3 Pilotstandort Ketzin

5.3.1 Lokation, Infrastruktur und Aufgabenstellung

Die unterirdische, geologische Speicherung von CO2 wird nahe der Stadt Ketzin im Westen Berlins erforscht (Abbildung 5.5, oben). Für die geologische CO2-Speicherung wurden im Jahr 2007 drei neue Bohrungen bis in eine Tiefe von jeweils etwa 800 m niedergebracht. Eine dieser Bohrungen (Ktzi 201) dient zur Injektion des CO2, die beiden anderen (Ktzi 200 und Ktzi 202) werden zur Beobachtung der Injektion und der CO2-Ausbreitung eingesetzt (Abbildung 5.5, unten).

Ketzin umfasst alle Stadien eines Speicherstandortes (Abbildung 5.6): Vorerkundung, Aufbau der Infrastruktur, Erstellen der Bohrungen, die CO2-Injektion, die Reservoirüberwachung, numerische Modellierungen, begleitende Laborarbeiten und die Öffentlichkeitsarbeit. Dabei werden standortspezifische und standortunabhängige Fragestellungen bearbeitet. Diese beinhalten geowissenschaftliche als auch ingenieurwissenschaftliche Forschung. Der Schwerpunkt der Arbeiten in Ketzin liegt auf der Reservoirüberwachung.

Abb. 5.5: Pilotstandort zur geologischen CO2-Speicherung im Havelländischen Ketzin bei Berlin und Potsdam (oben). Luftbild des Standortes mit Injektionsanlage und Bohrungen.

Abb. 5.5: Pilotstandort zur geologischen CO2-Speicherung im Havelländischen Ketzin bei Berlin und Potsdam (oben). Luftbild des Standortes mit Injektionsanlage und Bohrungen.

Abb. 5.6: Ketzin umfasst alle Stadien eines Speicherstandortes.

Abb. 5.6: Ketzin umfasst alle Stadien eines Speicherstandortes.

5.3.2 Geologie und Betrieb

Die geologischen Zielhorizonte für die CO2-Speicherung am Standort Ketzin sind poröse Sandstein-Schichten in 630 m bis 650 m Tiefe [9]. Die Speichersandsteine werden von rund 240 m mächtigen abdichtenden Tonsteinen überlagert (Abbildung 5.7). Bis 2004 wurde am Standort Ketzin ein Untergrundspeicher für Erdgas in einer flachen Sandsteinformation in etwa 280 m Tiefe betrieben. Daher ist der Standort gut untersucht. Seit Juni 2008 wird am Standort Ketzin lebensmittelreines CO2 über die Injektionsbohrung in den Untergrund eingespeist; bis Dezember 2010 insgesamt ca. 43.000 Tonnen.

Abb. 5.7: Schematischer Profilschnitt am Standort Ketzin mit Darstellung der Bohrungen zur Injektion des CO2 (Ktzi 201) und zur Beobachtung der CO2-Ausbreitung (Ktzi 200 und Ktzi 202).

Abb. 5.7: Schematischer Profilschnitt am Standort Ketzin mit Darstellung der Bohrungen zur Injektion des CO2 (Ktzi 201) und zur Beobachtung der CO2-Ausbreitung (Ktzi 200 und Ktzi 202).

5.3.3 Eingesetzte Überwachungsmethoden

Das wissenschaftliche Begleitprogramm ist vor allem auf die Überwachungsmethoden fokussiert [10], [11]. Es werden geophysikalische und geochemische Messungen in der Injektionsbohrung und den zwei Beobachtungsbohrungen durchgeführt. Die Untersuchung der CO2-Ausbreitung erfolgt mittels seismischer und geoelektrischer Methoden von der Erdoberfläche aus. Es werden theoretische Vorhersagemodelle, mit deren Hilfe die unterirdische Ausbreitung des CO2 abge- schätzt und vorhergesagt und die Dichtigkeit und Sicherheit des Reservoirs beurteilt werden können, eingesetzt.

5.3.4 Bisher in Ketzin erzielte Ergebnisse

Der Standort Ketzin wurde im Jahr 2007 durch das Abteufen von drei Bohrungen entwickelt. Ein poröser Sandstein wurde so in einer Tiefe von 630 m bis 650 m erschlossen [12]. Die drei Bohrungen weisen eine gute hydraulische Verbindung auf [13]. Der Injektionsprozess in Ketzin verläuft sicher und verlässlich seit Juni 2008 [10],[11]. Seit dem wurden über 43.000 t CO2 in den geologischen Speicher gepumpt. Die Aufnahmefähigkeit des porösen Sandsteins ist so gut, dass der von den Bergbehörden genehmigte, maximale Verpressdruck signifikant unterschritten wird. Auf Basis der gewonnenen Felddaten und der im Labor bestimmten Gesteinsparameter [14]wird mit Hilfe der numerischen Simulationsprogramme der Injektionsprozess und die Ausbreitung des CO2 im Reservoir nachvollzogen [15]sowie die Sensitivität bezüglich der Heterogenität der hydraulischen Parameter studiert [16].

Die wissenschaftlichen Erfahrungen am Standort Ketzin beruhen insbesondere auf einem geochemischen und geophysikalischen Überwachungsprogramm, das im internationalen Vergleich zum Modernsten und Umfangreichsten zählt. Zentral hierbei ist nicht nur die Kombination der verschiedenen Methoden wie Geoelektrik, Seismik, Temperatur- und Drucküberwachung sowie Fluid- und Gas- proben, sondern auch die Kombination von unterschiedlichen Messanordnungen mit unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Auflösungsvermögen innerhalb der einzelnen Methoden. Diese zusammen haben eine erfolgreiche und für zukünftige Projekte vielversprechende Tomographie des Untergrundes ermöglicht [17],[18]. Mit Hilfe geophysikalischer Messungen lässt sich die Ausbreitung des Kohlendioxids im Untergrund abbilden. Wiederholte seismische Messungen zeigen die Veränderungen elastischer Eigenschaften des Gesteins, die durch den Eintrag von Kohlendioxid entstehen. Wiederholte geoelektrische Messungen zeigen Veränderungen der elektrischen Leitfähigkeit des Gesteins aufgrund der Kohlendioxid-Injektion. Beide Verfahren erlauben eine langfristige Beobachtung des Kohlendioxids in der Injektionsphase und nach Ende der Injektion. Insbesondere kann mit ihnen auch die Dichtigkeit des Deckgebirges ohne Beobachtungsbohrungen überprüft werden.

5.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Der Mensch greift durch seine Kohlenstoffdioxid-Emissionen wesentlich in den Kohlenstoffkreislauf der Erde ein. Im Rahmen der Klimapolitik wird daher die Lagerung von Kohlenstoffdioxid (CO2) in tiefe Gesteinsschichten erwogen. Die Senken, in denen es langfristig gespeichert werden soll, sind tiefe, Salzwasser führende Grundwasserleiter. Oberhalb der porösen Sandsteinspeicher, in die das CO2 eingebracht werden soll, muss eine Deckschicht das aufsteigende Gas zurückhalten. Mit der Zeit werden dann wesentliche Teile kapillar im Porenraum gebunden, als Kohlensäure im Wasser gelöst, beziehungsweise zu Carbonaten mineralisiert. Beachtet werden müssen potenzielle Leckagewege. Es muss in dem Rahmen ausgeschlossen werden, dass der Mensch oder die Umwelt durch zu hohe CO2-Konzentrationen gefährdet werden. Dies wird durch umfangreiche Überwachungsmethoden gewährleistet. Am Beispiel des Standortes Ketzin kann gezeigt werden, dass die geologische CO2-Speicherung im Forschungsmaßstab sicher und verlässlich durchführbar ist.

Danksagung

Mein Dank gilt Birgit Schöbel für die Erstellung der Abbildungen. Das Zentrum für CO2-Speicherung bedankt sich für die gute Zusammenarbeit am Standort Ketzin bei seinen nationalen und internationalen Projektpartnern, zu denen Universitäten, Forschungseinrichtungen, Industriekonzerne und mittelständische Unternehmen zählen. Unterstützung erfahren wir auch durch die Stadtgemeinde Ketzin sowie die Genehmigungsbehörden, die von Beginn an in die Projektentwicklung eingebunden waren. Der Pilotstandort Ketzin hat finanzielle Förderung durch die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie Wirtschaft und Technologie (BMWi), dem Land Brandenburg und der Europäischen Union bekommen, ohne die unsere Arbeiten im Gelände nicht möglich gewesen wären.

Literatur

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