1 Elemente einer Wissensgeschichte der Architektur

Jürgen Renn, Matteo Valleriani, unter Mitwirkung der Autoren

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DOI

10.34663/9783945561027-03

Citation

Renn, Jürgen and Valleriani, Matteo with contributions of the authors (2014). Elemente einer Wissensgeschichte der Architektur. In: Wissensgeschichte der Architektur: Band I: Vom Neolithikum bis zum Alten Orient. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

Die Wissensgeschichte der Architektur untersucht das Wissen als entscheidenden Faktor für die Entwicklung des Bauwesens, neben seinen materiellen, finanziellen und personalen Ressourcen, sowie seinen repräsentativen und symbolischen Zielsetzungen, wie sie von den traditionellen historischen Disziplinen untersucht werden. Sie betrachtet alle Dimensionen des Wissens, die dem Bauwesen zugrunde liegen. Ihr Ziel ist es, eine langfristige Geschichte dieses Wissens, seiner Struktur, der maßgeblichen Innovationen, sowie seiner Verbreitung und des Austausches mit anderen Wissensformen zu umreißen. Eine weitreichende Spanne von Epochen und geographischen Regionen wurde ergründet: von den ersten Anfängen des Bauens im Neolithikum, über die Hochkulturen in Mesopotamien und Ägypten, die klassische Antike in Griechenland und Rom, über den mittelalterlichen Sakralbau in Nordeuropa bis zur italienischen Architektur der Frühen Neuzeit. Da in allen diesen Epochen das Bauen vorwiegend auf praktischem Erfahrungswissen beruhte, wurden unterschiedlichste Quellen berücksichtigt, wie Architekturtraktate, Bildquellen und Verwaltungsdokumente, überlieferte Werkzeuge, ebenso wie natürlich die Bauten selbst.

1.1 Der Wissensbegriff

Für eine Wissensgeschichte der Architektur sind Fragen nach den verschiedenen Arten von Wissen, nach seinen Existenzformen und nach der Dynamik seiner Veränderung entscheidend. Wissen ist das individuelle oder kollektive Vermögen Probleme zu lösen und die dazu geeigneten Handlungen mental zu antizipieren. Im Falle praktischer und handwerklicher Handlungen gehört zu diesem Wissen auch ein Gespür für Materialqualitäten und –eigenschaften sowie die Fähigkeit zur Handhabung eines Werkzeugs. Unter den verschiedenen Arten von Wissen stößt man zuerst auf das mehr oder weniger universell verfügbare, intuitive Wissen über schwere Körper und ihr Verhalten, über elementare Umweltbedingungen wie zum Beispiel das Verhalten von Wasser auf Oberflächen oder die trocknende Wirkung von Wärme. Dieses Wissen wird oft auch als Alltagswissen bezeichnet und man kann davon ausgehen, dass es von allen Menschen geteilt wird. Diesem Wissen entsprechen kognitive Strukturen, von denen sich einige als mentale Modelle beschreiben lassen. Mentale Modelle erlauben es, komplexe Situationen nach einem einfachen Schema mental zu verarbeiten, das fehlende Informationen durch bereits vorhandenes Wissen ergänzt. Zum Beispiel gibt es offenbar ein elementares Modell von Stabilität, aus dem sich schließen lässt, dass ein schwerer Gegenstand, der nicht durch einen anderen unterstützt oder gehalten wird, herunterfällt, aber auch, dass ein zum Umstürzen neigender Gegenstand durch einen anderen Körper stabilisiert werden kann. Umgekehrt lässt sich aus einem solchen mentalen Modell der Stabilität schließen, dass ein schwerer Gegenstand, der nicht herunterfällt, von einem anderen unterstützt sein muss, auch wenn die Unterstützung nicht direkt sichtbar oder erkennbar ist. Elementare Modelle des intuitiven Wissens bilden einen Hintergrund für die Akkumulation weiteren Wissens, das durch diese Modelle strukturiert wird. So kann zum Beispiel das beschriebene Stabilitätsmodell durch weiteres Wissen etwa über wirkende Kräfte ergänzt werden, ohne seine prinzipielle Wirksamkeit als Wissenshintergrund zu verlieren.

1.1.1 Praktisches Wissen

Eine weitere Art von Wissen, das praktische Wissen, ist an die historisch, kulturell und sozial spezifische Verwendung materieller Mittel gebunden und im Sprachgebrauch oft an der Verwendung technischer Termini zu erkennen. Dieses Wissen kann auch als Erfahrungswissen bezeichnet werden, da es von Menschen im Laufe ihres Lebens erworben und angesammelt wird. Die Weitergabe dieses Wissens ist meist auf die Teilhabe an diesen Erfahrungen angewiesen. Praktisches Wissen wird daher im Allgemeinen durch aktive Mitwirkung am Arbeitsprozess und durch mündliche Weitergabe der Regeln tradiert. Die eigenhändige Teilnahme an der Baupraxis ist auch deshalb geboten, weil sich die manuellen Aspekte der Nutzung der Werkzeuge, das Wissen darum, in welcher Situation welche Verfahrensweise Sinn macht oder das Wissen um Charakter und Qualität von Baumaterialien kaum anders fassen lassen. Genau in dieser mündlichen und handlungspraktischen Vermittlung liegt aber auch die begrenzte Haltbarkeit praktischen Wissens. Es kann durch Nicht-Gebrauch verloren gehen.

Auch dieses praktische Wissen wird zumindest teilweise durch mentale Modelle strukturiert. Ein Beispiel ist das Bogenmodell, das auf der praktischen Erfahrung beruht, dass man eine Gebäudeöffnung durch einen Bogen überbrücken kann, der sich erst dann selbst trägt, wenn der Schlussstein eingesetzt ist. Eine andere Form des praktischen Wissens ist das prozedurale Wissen, wie es zum Beispiel als Wissen über komplexe Fertigungsabläufe der neolithischen Kalkestrichherstellung unterlag. Es besteht in einer relativ stabilen Abfolge wiederholbarer mentaler Operationen, die sich in jeweils neuen Situationen als konkrete Handlungskette realisieren lassen. Sprachlich oder schriftlich expliziert, wird solches Wissen oft auch als Rezeptwissen bezeichnet. Dieses Wissen kann allerdings auch in institutionalisierten Ritualen verkörpert sein und wird dann typischerweise von magischen und religiösen Vorstellungen begleitet, die eine Schlüsselrolle für seine Tradierung spielen können. Praktisches Wissen ist oft das Wissen bestimmter Expertengruppen. Seine Weitergabe erfolgte historisch häufig über Familientraditionen, aber auch im Zusammenhang von Institutionen wie Werkstätten und Zünften. Da dieses Wissen stark an Personen und an interpersonale Traditionen gebunden ist, ist es oft an der Ausprägung von „Stilmerkmalen“ von Artefakten zu erkennen, die ihre Entstehung diesem Wissen verdanken.

1.1.2 Theoretisches Wissen

Schließlich gibt es das theoretische Wissen, das aus dem intuitiven und dem praktischen Wissen durch Reflexion auf diese Erfahrungen hervorgeht und sprachlich artikuliert wird. Während das praktische Wissen an Zwecken von Handlungen orientiert und damit immer in Kontexte eingebunden ist, entsteht das theoretische Wissen aus einer Reflexion über die Mittel von Handlungen, wie etwa die euklidische Geometrie als das Ergebnis einer Reflexion über den Umgang mit Zirkel und Lineal zu verstehen ist. Die Weitergabe von theoretischem Wissen ist im Allgemeinen an die Repräsentation durch schriftliche Texte gebunden. Theoretisches Wissen in diesem Sinne bildet den Kern wissenschaftlichen Wissens, zu dem allerdings auch andere Wissenskomponenten gehören. Auch das theoretische und wissenschaftliche Wissen ist nach wie vor zum Teil durch mentale Modelle strukturiert, ja gewinnt sogar seine empirische Fundierung oft durch die Übernahme mentaler Modelle des intuitiven und praktischen Wissens, wie zum Beispiel das oben angeführte Modell der Stabilität, überschreitet dabei aber typischerweise die Kontextbezogenheit dieses Wissens. Darüber hinaus gibt es aber auch dem theoretischen Wissen eigene mentale Modelle, die erst durch Reflexion entstehen. Ein Beispiel ist das mentale Modell des Schwerpunkts, das erst durch die Identifikation eines schweren Körpers mit einer Waage entsteht, so dass durch diese Identifikation nun jedem Körper ein abstrakter Punkt, der Schwerpunkt eben, zugeordnet werden kann, der dem Fulkrum der Waage entspricht. Beispiele aus dem Bereich des Bauwesens reichen von den schriftlich oder zeichnerisch dargestellten Architekturtypologien (etwa die der römischen Antike in den Traktaten der Renaissance) bis zu Erklärungsmodellen für die Stabilität von Bauten, wie zum Beispiel Galileis Balkenmodell. Theoretisches Wissen lässt sich austauschen, auch ohne dass sich Menschen direkt begegnen, d.h. es lässt sich in andere kulturelle, historische und naturräumlich-geographische Kontexte transferieren.

1.1.3 Weitere Aspekte des Wissens

Die verschiedenen Wissensarten unterscheiden sich also unter anderem durch ihren Grad an Reflexivität, also durch den gedanklichen Abstand von den unmittelbaren Handlungen mit konkreten Objekten. Sobald z.B. das praktische Wissen der römisch-frühneuzeitlichen Bauleute um den Kuppelbau von Carlo Fontana verschriftlicht wird, entfernt es sich von der Baustelle und praxisferne Bezüge, etwa zum antiken Vitruv-Traktat, treten in den Vordergrund.

Ein weiterer Aspekt der Unterschiedlichkeit von Wissen ist dessen Distributivität, das heißt, der Grad, in dem Wissen von Personen, Gruppen und Gesellschaften geteilt wird. Während intuitives Wissen im Prinzip universell ist, wird praktisches Wissen von spezifischen Teilgruppen einer Gesellschaft getragen, es gehört zum Beispiel zur Kompetenz spezialisierter Handwerker. Theoretisches Wissen dagegen war über lange historische Zeiträume hinweg der exklusive Besitz der schreibkundigen gesellschaftlichen Eliten.

Ein dritter Aspekt des Wissens, der entscheidend ist für seine Aneignung, Kommunikation und Weiterentwicklung, ist die materielle oder „externe“ Repräsentation von Wissen, beispielsweise durch Artefakte, Systeme, Sprache und Schrift, aber auch durch regelhaftes soziales Verhalten wie Rituale. Unterschiedliche Arten von Wissen werden auf unterschiedliche Arten repräsentiert, verbreitet und überliefert. Bauwissen kann durch die Gebäude selbst repräsentiert werden, die allerdings meist keinen direkten und vollständigen Aufschluss über die Art und Weise gewähren, in der sie zustande gekommen sind. Praktisches Bauwissen kann auch durch Instrumente und Handwerksregeln repräsentiert werden und wurde zumeist durch direkte Teilnahme an Arbeitsprozessen und durch mündliche Überlieferung weitergegeben. In den hier behandelten frühen Epochen der Architektur und auch darüber hinaus bis in die Frühe Neuzeit erfassen schriftliche Quellen immer nur Teilaspekte des Bauwissens und spielen daher auch für dessen Tradierung eine eher untergeordnete Rolle. Allerdings erlaubte verschriftliches Wissen die Integration verschiedener Wissensbereiche, insbesondere der Architektur, der Mathematik und der Mechanik über die Epochen hinweg.

1.1.4 Systemcharakter des Wissens

Bauwissen ist im Allgemeinen gesellschaftlich geteiltes Wissen. Durch die praktische Bautätigkeit werden verschiedene Wissensformen miteinander in Verbindung gebracht und bilden somit ein Wissenssystem. In den frühen Epochen der Architektur konnte dieses System kaum je als Ganzes expliziert und zum Gegenstand bewussten Nachdenkens gemacht werden. Zwar konnten Teilaspekte dieses Wissens, wie die Formgebung von Gebäuden, die Eigenschaften von Materialien oder bestimmte Aspekte der Arbeitsorganisation, mündlich, schriftlich oder durch Zeichnungen und Modelle artikuliert werden, nicht aber das gesamte Wissenssystem. Vielmehr lässt sich dieser Gesamtzusammenhang nur als handlungsimplizites Wissenssystem beschreiben. Aus der Perspektive der einzelnen Handelnden werden die systemischen Eigenschaften dieses Wissens als Bedingungen ihres je individuellen Handelns erfahren, denen sie sich im Allgemeinen zu unterwerfen haben. Andererseits mussten sich diese Einzelnen ständig auch konkreten Herausforderungen stellen, die oft nur durch eigenständige Problemlösungen zu bewältigen waren. Ob solche Problemlösungen dann zu nachhaltigen Innovationen und damit zu kollektiven Lernprozessen führten, hing in hohem Masse von Resonanzeffekten zwischen solchen Einzelproblemen und der Gesamtstruktur des Wissenssystems ab.

1.2 Dimensionen des Bauwissens

Wie die hier versammelten Beiträge zeigen, können Veränderungen und Entwicklungen desBauwissens unterschiedliche Ursachen haben. Im Prinzip ist jede Dimension des Bauwissens eine mögliche Quelle der Innovation. Anstöße für Entwicklungen des Bauwissens können aus neuartigen Bauaufgaben, der Notwendigkeit unerwartete Probleme zu bewältigen, aus Veränderungen im Bereich des Materialwissens und der Logistik sowie der Bauverwaltung hervorgehen. Sie können aber auch im Wissenstransfer aus anderen Bereichen ihre Ursache haben, wie etwa die Baurechnungsbuchführung im 15. Jahrhundert Verfahren aus dem kaufmännischen Bereich und aus dem Bankwesen übernahm. Besonders aufschlussreich sind jedoch die inneren Entwicklungsprozesse in einem gegebenen Wissenssystem. Solche Entwicklungsprozesse geraten erst in einer epochenübergreifenden Betrachtung in den Blick.

Die systematischen Beiträge zu diesem Werk beginnen jeweils mit einem Überblick über die Rahmenbedingungen der behandelten Epoche. Dazu gehören die naturräumlichen Bedingungen, die Struktur der Gesellschaft und die Standardbauaufgaben, sowie besondere Architekturleistungen der jeweiligen Epoche.

Daran schließt sich eine Diskussion der Bauverwaltung an. Sie bildet eine der wesentlichen gesellschaftlichen Strukturen, die das Baugeschehen regulieren. Diese Diskussion umfasst die Fragen, wer Aufträge vergab, wie der Bauherr vertreten wurde, wie die Bauausführenden bestimmt wurden, wie die Abstimmung zwischen den Bauherrn und der Bauleitung erfolgte und wie die Leistungskontrolle und Bauabnahme vollzogen wurden. Für einen epochenübergreifenden Überblick ist es besonders relevant, ob die Organisationsform spezifisch für das Bauwesen war oder ein allgemeines Organisationsmodell in der jeweiligen Gesellschaft darstellte. Ebenso bedeutsam ist die Frage nach dem Wissen über Probleme und den Umgang mit ihnen, das in den entsprechenden Organisationsformen verhandelt wurde. Dabei hat sich die Rolle von Gewährleistungsinstitutionen und beaufsichtigenden Behörden und deren Basis wie Gesetze und Bauvorschriften als zentrale Voraussetzung für die langfristige Wissensakkumulation erwiesen.

Eine weitere wesentliche Dimension des Bauwissens, die in den Beiträgen systematisch abgehandelt wird, ist das Planungswissen und sein Niederschlag in sozialen und materiellen Strukturen. Elementare Voraussetzung von Planungswissen ist das Wissen über Umweltbedingungen. Eine wichtige Frage für die Beurteilung des Planungswissens in den jeweiligen Epochen ist die nach der Arbeitsteiligkeit dieses Wissens. Sind Entwurf und Planung Teil des praktischen Bauvollzugs oder gehen sie ihm voraus und werden von anderen Personen als den Bauausführenden durchgeführt? Welche entwurfsleitenden Motive lagen den Planungen zugrunde, hatten sie pragmatische, repräsentative oder sakrale Funktionen? Zum Planungswissen gehört auch die Einschätzung und Berechnung der benötigten Ressourcen. Von Bedeutung ist weiterhin die Frage nach den technischen Hilfsmitteln des Planungswissens, nach der Rolle von Instrumenten, Modellen, Zeichnungen und Texten für seine Repräsentation, Tradierung und Weiterentwicklung. Die Planungstiefe, also der Grad bis zu dem Baudetails vorausgeplant wurden, und der Planungshorizont, also die antizipierende Erfassung der zeitlichen Dimension des Bauprozesses, hängen unter anderem von der Natur dieser Planungsinstrumente ab.

Entscheidend für das eigentliche Baugeschehen und für die Umsetzung von Bauplänen im Rahmen der gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse unter Einschluss der Bauverwaltung ist die Logistik des Bauens. Hier geht es konkret um Materialflüsse und Kooperationsformen, sowie um deren technische Voraussetzungen. Die Logistik bildet daher eine dritte systematisch abgehandelte Dimension der Untersuchung des Bauwissens. Welche Entfernungen konnten mit welchen Techniken zurückgelegt werden? Welche Lasten konnten zu Wasser oder Land transportiert werden? Welche Zugkräfte und Fahrzeuge standen zur Verfügung und was war der Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten eines Bauunternehmens? Wie sahen die räumlichen Strukturen und die zeitlichen Abläufe der Baustellenorganisation aus? Wie wurden Arbeiter versorgt und untergebracht und welche Probleme traten auf? Diese sind nur einige der Fragen, denen in den Beiträgen nachgegangen wird.

Zu den epistemischen Voraussetzungen des Bauens gehört das Wissen um Materialien und deren Eigenschaften, ein Punkt, dem ebenfalls systematisch nachgegangen wird. Dabei geht es immer um Materialwissen im Kontext seiner konkreten Verwendungen und der jeweils zur Verfügung stehenden Verarbeitungsmöglichkeiten. Auch nach den sozialen und ökonomischen Dimensionen dieses Wissens wird gefragt: wer verfügte über dieses Wissen und wie wurde es weitergegeben? Welches Wissen über Materialien war schon vorhanden und welches wurde im Rahmen von Bauvorhaben gewonnen? Vor dem Hintergrund der hier vorgelegten epochenübergreifenden Darstellung wird jedenfalls deutlich, dass Veränderungen des Wissens um Materialien zu den entscheidenden Innovationsfaktoren des Bauwesens gehörten.

Ein weiterer Ansatzpunkt für Innovationen, dem systematisch nachgegangen wird, sind Bautechniken und andere technische Verfahrensweisen einschließlich der jeweils verwendeten Werkzeuge, Maschinen und Hilfsmittel. Diese Techniken umfassen unter anderem Materialbearbeitungstechniken, Hebetechniken, Versatztechniken, Verbindungstechniken, Mauerwerkstechniken und Wölbtechniken. Besondere Aufmerksamkeit wird auch den Planungs- und Ingenieurtechniken wie Aufschnürung, Aufmaß, Stabilisierungs- und Kontrollmaßnahmen gewidmet. Dem Ingenieurbau, also dem Bau von Brücken und Straßen, sowie dem Wasser- und Festungsbau kommt wegen der Abhängigkeit von spezialisierten Kenntnissen beispielsweise über Stabilität oder das Verhalten von Wasser in unserem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu.

Im Zentrum der systematischen Behandlung des Bauwissens stehen die Bauleute und der Bauprozess. Die Bauausführenden waren im Kontext der gegebenen gesellschaftlichen und materiellen Bedingungen die eigentlichen Träger des Bauwissens. Seine Strukturierung dieses Wissens hing jedoch in hohem Maße von der sozialen Organisation des Bauwesens ab. Wie waren in den jeweiligen Epochen Arbeit und Kompetenz verteilt? Wie hierarchisch oder flexibel war die soziale Organisation? Welche Wirkung hatte die Mobilität der Bauleute auf die Verbreitung und Transformation von Bauwissen? Ab wann gab es so etwas wie einen Architektenberuf? Und welche Wechselwirkungen gab es zwischen Veränderungen der sozialen Organisation und anderen Dimensionen des Bauwissens?

1.2.1 Wissenstradierung

Während die Tradierung wissenschaftlichen Wissens weitgehend auf geschriebenen Texten beruht, war in allen Zeiten für die Tradierung des Bauwissens die praktische Ausbildung auf der Baustelle entscheidend. Darüber hinaus wurde Bauwissen aber auch bewusst, z.B. durch Lehraufgaben, wie sie sich in mesopotamischen Keilschrifttexten finden, und gezielte Ausbildung tradiert. Aus dem ptolemäischen Ägypten etwa sind Lehrverträge überliefert. Allerdings ist eine formalisierte Ausbildung erst ab der Frühen Neuzeit nachgewiesen. Im Verlaufe der Geschichte führte das Fehlen einer Ausbildung von Baufachleuten immer wieder zu Engpässen, die nur durch Migration oder durch die Zwangsrekrutierung von Architekten und Bauhandwerkern aus anderen Regionen ausgeglichen werden konnten.

Darüber hinaus hing die Tradierung des im Baugewerbe erforderlichen praktischen Wissens von einer Vielzahl von Medien ab. Einige davon waren zwar nicht primär für die Wissensvermittlung vorgesehen, eigneten sich jedoch effektiv für diesen Zweck. Das prominenteste Beispiel sind die Gebäude selbst. Diese Vielfalt an Medien hat jedenfalls entscheidend dazu beigetragen, architektonisches Wissen zu bewahren, auch dann, wenn eine lebendige Bautradition unterbrochen war. Allerdings besaß die Tradierung über die Bauten selbst zumeist den Charakter einer „Stimulusdiffusion“, bei der die Bautechniken entweder rekonstruiert oder neu erfunden werden mussten. Einmal verlorene Bautechniken, deren Weitergabe im direkten Kontakt von Personen auf der Baustelle unterbrochen wurde, ließen sich oft durch spätere Generationen von Bauleuten nicht mehr 1:1 rekonstruieren. Vielmehr entstehen mehr oder weniger neue Techniken.

Ausschließlich auf den klassischen Traktat von Vitruv gestützt und ohne das Zeugnis der antiken Ruinen hätte die Renaissancearchitektur jedenfalls nicht in der Form, in der wir sie kennen, entstehen können, obwohl die Herstellungstechniken für die wieder belebte Formensprache zum Teil neu erfunden wurden. Die Abhängigkeit der Tradierung von Bauwissen von den Gebäuden selbst wird allerdings nicht nur an diesem wohl bekanntesten Fall sichtbar, sondern galt schon für die Antike. So wurden beispielsweise in Ägypten ältere Grabbauten „studiert“, um deren Verschlussmechanismen zu verstehen. Ähnlich scheint das Wissen über bestimmte Formen keramischer Dachziegel die „dunkle“ Epoche Griechenlands zwischen spätminoischer und archaischer Zeit durch die Konservierung von einzelnen Exemplaren überlebt zu haben. Die Verbreitung des römischen, durch eine Tretmühle betriebenen Krans seit Mitte des 13. Jahrhunderts ist nach einigen Autoren, vermutlich durch eine antike Reliefschnitzerei inspiriert worden, während andere Autoren vermuten, dass die Verwendung dieser Maschinen seit der Antike nie unterbrochen wurde.

Andererseits wurden Formen des beabsichtigten Wissenstransfers über die Beteiligung an Arbeitspraktiken hinaus zwar bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt entwickelt, doch erst vergleichsweise spät fest etabliert. Obwohl Bildung im Bauwissen schon zum Curriculum der Schreiber des pharaonischen Ägyptens gehörte, findet sich eine Institutionalisierung dieser Bildung sonst nirgends bis zur Gründung der Renaissanceakademien. Ebenso episodisch ist die Tradierung von Bauwissen über Schriften. Heute verloren gegangene Texte über die technischen und formellen Aspekte des Bauens wurden von griechischen Architekten bereits Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. verfasst. Sie gehören zu den ältesten Sachtexten der europäischen Geschichte. Obwohl mit Ausnahme von Philons Buch über die Stadtbefestigung ausnahmslos verloren, ist noch erkennbar, dass die Texte bautechnische Fragen, einzelne Bauwerke und formale Fragen der Interpretation des Kanons behandelten, und dass sie sämtlich von praktisch tätigen Architekten geschrieben worden waren. Diese schriftliche Tradierung wurde erst sehr viel später wieder aufgenommen. Die Meister der großartigen Bauwerke des Mittelalters waren typischerweise des Schreibens unkundig. Ein entscheidender Faktor dafür dürfte das Fehlen schulischer Grundausbildung im Mittelalter sein. Sieht man von gelegentlichen Erwähnungen der Architektur in spätantiken und mittelalterlichen Texten, sowie von dem Skizzenbuch von Villard de Honnecourt ab, waren es erst die Traktate der Renaissance, die Bauwissen wieder zum Gegenstand literarischer Behandlung machten.

1.2.2 Wissensdimensionen der Logistik und der Bauverwaltung

Unter Institutionen verstehen wir gesellschaftliche Strukturen, die kooperatives Handeln regeln. Die Koordination von Teilhandlungen im Sinne ihrer Reihenfolge und Ordnung bezeichnen wir als Logistik. Diese Koordination muss nicht bewusst ablaufen sondern sie kann durch natürliche Gegebenheiten, Traditionen oder Rituale vorgegeben sein, sie kann aber auch unter bestimmten Voraussetzungen zum Gegenstand bewusster Planung und ihrer Umsetzung werden.

Wenn die Entscheidung für ein Bauprojekt getroffen worden ist, müssen als nächstes die Voraussetzungen für seine Realisierung geschaffen werden. Diese Voraussetzungen werden durch Handlungen erzeugt, die möglicherweise ihrerseits wiederum Voraussetzungen erfordern, so dass sich ein rekursiver Handlungsbaum ergibt. Der Planungshorizont und die Planungstiefe des Bauens hängen davon ab, bis zu welcher Anzahl von Rekursionsschritten dieser Handlungsbaum im Voraus erschlossen wird. Die Realisierbarkeit tieferer Planung hängt vom akkumulierten Bauwissen und den Möglichkeiten seiner Repräsentation ab. Der Bedarf an Planungstiefe ist wiederum abhängig vom Angebot bereits verfügbarer Handlungsvoraussetzungen (Plateaus), die der Kontext eines Bauprojektes bereitstellt. Sind zum Beispiel Fertigbauteile bereits am Bauplatz verfügbar, bedarf es keiner weiteren Planungen und Mühen diese zu beschaffen. Sind dagegen Baumaterialien nicht verfügbar, müssen diese herbeigeschafft oder sogar produziert werden.

In komplexen Handlungsabläufen stellen sich immer logistische Fragen, d.h. Fragen nach der Reihenfolge und Ordnung von Teilhandlungen. Die Antworten auf diese Fragen sind zum Teil äußerlich vorgegeben, einige müssen jedoch im Verlauf der Umsetzung eines Projektes oder dessen Planung noch gefunden werden. Logistik kann sich also sowohl auf die äußerlich vorgegebene Handlungskoordination, auf die Planung von Handlungskoordination und auf ihre Umsetzung beziehen. Auch wenn alle Teilhandlungen bereits konkret festgelegt sind, liegt in der Möglichkeit, unter ihnen verschiedene Reihenfolgen und Anordnungen herzustellen, ein Optimierungspotential, das sich entscheidend auf die Durchführbarkeit eines Projektes auswirken kann. So kann sich zum Beispiel in einem Bauprojekt die Frage stellen, ob die benötigten Baumaterialien bereits zu Beginn vollständig beschafft werden sollen oder erst schrittweise während des Projektes. Im ersten Fall könnte die Realisierung des Bauprojektes beschleunigt werden, sofern auch eine größere Anzahl von Arbeitskräften zur Verfügung steht, wohingegen im zweiten Fall das Projekt möglicherweise sparsamer mit Ressourcen umgeht. Auch kann es sich als nützlich erweisen, den komplexen Handlungsablauf so in Teilhandlungen zu zerlegen, dass bereits vorhandene Plateaus, also etwa natürliche Transportmöglichkeiten wie Flüsse oder bereits vorhandene Quellen für Material wie Steinbrüche oder Wälder, optimal ausgenutzt werden können.

Erfahrungen mit komplexen Bauprojekten führen zu einer Verfestigung der beteiligten Handlungsabläufe, einschließlich ihrer Reihenfolge und Anordnung. Aus einer solchen Verfestigung können neue Institutionen entstehen, wie zum Beispiel Transport- oder Bauunternehmen, die die Gesamtverantwortung für bestimmte Teilbereiche eines Bauprojektes übernehmen. Sind solche Institutionen einmal vorhanden, können zukünftige Bauprojekte so konzipiert werden, dass sie auf die von diesen Institutionen bereitgestellten Bauleistungen als Plateaus zurückgreifen. Wenn allerdings auf diese Weise Teile der Logistik eines Bauprojektes voneinander abgeschottet werden und nicht mehr einer zentralen Aufsicht unterliegen, steigt der Bedarf an Kontrolle dieser Bauleistungen.

Verwaltungen sind Institutionen, deren Aufgabe darin besteht, das Funktionieren bestehender Institutionen zu ermöglichen und zu gewährleisten. Sie repräsentieren also eine Externalisierung bestimmter Aspekte von Institutionen, wie die Kontrolle darüber, ob individuelle Handlungen den Anforderungen kooperativen Handelns entsprechen. Sie beruhen daher im Allgemeinen auf Möglichkeiten, die Regelung kooperativen Handelns explizit zu artikulieren, etwa durch Verschriftlichung. Zugleich garantieren sie auf diese Weise die langfristige Tradierung der Grundlagen des kooperativen Handelns und bilden damit eine Art institutionelles Gedächtnis. Verwaltungen entstehen typischerweise erst in Gesellschaften mit ausdifferenzierter Arbeitsteilung und in Zusammenhang mit komplexen Kooperationsvorhaben. Bestimmte Formen institutionalisierten Handelns werden aufgrund ihrer Komplexität erst durch Verwaltung möglich, insbesondere wenn es darum geht, die Handlungen einer Vielzahl von Menschen auf eine gemeinsame, über längere Zeit durchzuführende Gemeinschaftaufgabe, wie die Errichtung eines Bewässerungssystems, hin abzustimmen.

Kooperatives Handeln im Neolithikum

Im Neolithikum existierte noch keine feste und ausdifferenzierte Arbeitsteilung, die die Regelung kooperativen Handelns durch eine eigenständige Institution erfordert hätte. In der Alltagsarchitektur waren die späteren Nutzer auch die Erbauer, die ihr kooperatives Handeln durch überlieferte Traditionen und situative Reaktionen auf die Umweltbedingungen regelten. Im Verlauf des Neolithikums kam es zur Errichtung größerer gemeinschaftlicher Bauten, wie zum Beispiel von Versammlungsgebäuden, Terrassierungen, Dorfumfassungsmauern und Speicherbauten. Die Dimensionen dieser Bauprojekte waren wohl eine Konsequenz der Entstehung größerer sozialer Gruppierungen, die sich durch eine stärkere Identität auszeichneten. Größere Bauprojekte durften ihrerseits dazu beigetragen haben, existierende Sozialstrukturen zu verstärken. Darauf weist insbesondere die beträchtliche Anzahl der an diesen Projekten beteiligten Menschen hin, deren Zahl vermutlich bis in die Hunderte ging und Alltagsdimensionen der Kooperation wohl bedeutend überstieg. Die realisierten Bauprojekte verliehen dieser Kooperation einen symbolischen Ausdruck und schufen zugleich neue Interaktionsräume.

Die Errichtung größerer Bauwerke erforderte die Koordination eines komplexen Systems von Teilhandlungen. Die endgültige Gestalt eines Bauwerks wurde erkennbar erst im Verlauf des Bauprozesses genauer festgelegt. Diese Konkretisierung ergab sich Schritt für Schritt aus der Umsetzung eines basalen Ablaufplans, der offensichtlich aus früheren Erfahrungen vertraut war, und der die Auswahl eines Bauplatzes, Bauvorbereitungen und die eigentliche Baurealisierung umfasste. Möglicherweise gab es bereits eine legitimierte gesellschaftliche Instanz, die das Bauverfahren durch direkte Eingriffe in den Handlungsprozess regelte, allerdings ohne auf eine vermittelnde Verwaltung angewiesen zu sein. Andererseits bildeten Rituale und Ritualspezialisten, wie es sie in neolithischen Gesellschaften schon gegeben haben dürfte, Ansatzpunkte für die Ausbildung von Kultinstitutionen als Träger einer Tradierung kooperativer Handlungsmechanismen auch jenseits unmittelbarer, situativ bedingter Anlässe und Notwendigkeiten. Solche Kultinstitutionen könnten langfristig neue Voraussetzungen für die Koordination der Teilhandlungen des Bauens geschaffen haben. Zugleich boten sie Anlässe für die Entstehung ritualspezifischer Gebäude.

Durch Kommunikation unter den Handelnden konnten alternative Zerlegungen des Handlungsnetzes in Teilhandlungen mit Teilzielen gegeneinander abgewogen werden. Dabei vermittelten die Teilziele zwischen der Gesamtfunktionalität des zu errichtenden Bauwerks und den Zwischenstufen und vorhandenen Materialien. Im Rahmen der vorgegeben sozialen Strukturen und auf der Grundlage existierender Traditionen konnten so Optimierungschancen von Aufgabenteilung genutzt werden. Angesichts der Größenordnung von Gemeinschaftsbauten lag eine solche Optimierungschance in der Trennung der Bauvorbereitung von der Baudurchführung. Diese Arbeitsteilung wurde nämlich durch Schnittstellen begünstigt, an denen das materielle Resultat der einen Arbeitsphase zum Ausgangsmaterial der nächsten Arbeitsphase wurde. Die Optimierung dieser Handlungssteuerung stand in engem Zusammenhang mit der Einführung standardisierter Bauteile wie Ziegel.

Verwaltungssysteme in Mesopotamien

Im Zusammenhang mit der urbanen Revolution seit Beginn des 4. Jahrtausends entstanden in Südmesopotamien nicht nur die ersten Städte, sondern mit ihnen auch große Institutionen, die die auf dem Land produzierten Überschüsse einsammelten und verteilten. Diese Redistribution schuf zugleich die Grundlage für die Entwicklung und die Aufrechterhaltung einer differenzierten Arbeitsteilung, die ihrerseits die Voraussetzung darstellte für die Realisierung großräumiger Be- und Entwässerungssysteme, durch die die Erwirtschaftung der landwirtschaftlichen Überschüsse wiederum begünstigt wurde.

Aus solchen Redistributionsinstitutionen entstanden im Vorderen Orient und in Ägypten schließlich Verwaltungssysteme, die weiterhin die Redistributionsfunktion wahrnahmen, zugleich aber neue Möglichkeiten kooperativen Handelns eröffneten. Solche Verwaltungssysteme existierten sowohl auf lokaler als auch auf überregionaler Ebene. Miteinander vernetzt und hierarchisch strukturiert bilden sie die Grundlage für die Entstehung von Staaten und Großreichen in dieser Zeit. Sie waren im Allgemeinen nicht bereichsspezifisch differenziert, sondern übernahmen je nach Anlass ganz verschiedenartige Aufgaben, von der Organisation des Militärwesens bis zur Verwaltung von Bauprojekten. Der Ursprung dieser Verwaltungssysteme in Redistributions- und Kultinstitutionen bleibt in ihrem Handlungsspektrum erkennbar, da sie sowohl für Ressourcenverteilung als auch für kultische und politische Legitimation verantwortlich sind.

In der mesopotamischen Kultur wird der Herrscher oft auch als Bauherr portraitiert, der Bauwerke initiiert und durch ihre Realisierung die Götter zufrieden stellt. Neben dieser legitimatorischen Funktion greift er als oberster Vorsteher eines Verwaltungssystems auch direkt in die organisatorischen Abläufe des Bauens ein, wie es etwa Sargon II bei dem Bau der Residenzstadt Dur-Šarrukin tat. Allerdings organisierten antike Verwaltungssysteme Bauvorhaben im Allgemeinen nicht in dem Sinne, dass sie auch das bautechnische Wissen bewahrten, weitergaben und zum Einsatz brachten. Sie beschränkten sich vielmehr auf eine Verwaltung der materiellen und personellen Ressourcen und organisierten die Logistik des Bauens. Sie konnten in jedem Falle regelnd eingreifen, beispielsweise wenn es um die Festlegung eines städteplanerischen Rahmens oder die Dimensionierung von Parzellenhäusern ging. Für das Bauwissen waren Baumeister und Handwerker zuständig, die entweder dauerhaft oder für zeitlich begrenzte Einsätze von der staatlichen Verwaltung eingesetzt wurden. Die Mittelverwaltung lag bei den Schatzmeistern. Die Baumittel, die zum Teil aus Kriegsbeute und Tributen, aber auch aus Krediten privater Verleiher stammen konnten, waren Teil der Gesamtmittel, über die die jeweilige Verwaltung verfügte. Außerdem konnte sie Depots für Baugeräte und Materialien unterhalten. Für staatliche Bauaufgaben hatte das gesamte Land aufzukommen.

Der Schwerpunkt staatlicher Logistik lag auf der Organisation von Ressourcen, während die Arbeitsorganisation im Einzelnen auf unteren Hierarchieebenen festgelegt wurde. Staatliche Großprojekte erforderten langfristige Planung für Bereitstellung, Transport und Vorratshaltung von Materialien. Die ausgedehnte Bautätigkeit der frühen Großreiche führte zur Ausbildung einer Infrastruktur, die einer solchen Planung mehr oder weniger dauerhafte Ressourcen wie Materialquellen, überregionale Transportwege oder Depots zur Verfügung stellte. Auf diese Weise bildete sich ein Netzwerk von Ressourcen (Plateaus) aus, dessen Existenz die Planung und Durchführung neuer Bauprojekte dadurch erleichterte, dass diese bereits auf ein gewisses Plateau flexibel nutzbarer Voraussetzungen zurückgreifen konnten. Das gleiche gilt für die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, deren Rekrutierung durch die hierarchische gesellschaftliche Organisation geregelt wurde. Sie waren in Städten, Garnisonen, Arbeiterdörfern und Gefangenenlagern gruppiert und bildeten ebenfalls ein Netzwerk von Ressourcen, das durch die staatlichen Autoritäten flexibel aktiviert werden konnte.

Die Verwaltung von Bauprojekten ging einher mit einer zunehmenden schriftlichen Dokumentation einiger ihrer Aspekte. Dazu gehörten zunächst die im Schulbereich eingesetzten lexikalischen Listen, in denen auch Begriffe aus dem Bauwissen tradiert wurden. Auch die Initiierung, Finanzierung, Organisation und Kontrolle von Bauprojekten wurden in Mesopotamien ebenso wie in Ägypten teilweise schriftlich geregelt, wie man an der überlieferten umfangreichen Korrespondenz ablesen kann. Von großer Bedeutung war die Buchhaltung über die verwendeten Ressourcen, einschließlich der Berechnungen, die im Zusammenhang mit ihrem Einsatz durchgeführt wurden. Diese zunehmende Verschriftlichung ermöglichte eine bessere Kontrolle und Steuerung der Logistik, insbesondere über größere Distanzen und Zeiträume hinweg. Durch die Verschriftlichung solcher Steuerungsprozesse entstanden außerdem neue Möglichkeiten über Logistik zu reflektieren und sie daher zu optimieren.

Die zunehmende Verschriftlichung erhielt vor dem Hintergrund der Integration verschiedener Kulturen in der altbabylonischen Zeit einen weiteren Anschub. Dies führte zugleich zu einer Verrechtlichung des Bauens. So enthält der Kodex Hammurapi vom Ende des 3. Jahrtausends Regelungen über Honorartarife und Sanktionen für die Beschädigung von Personen und Sachen im Zusammenhang mit Bautätigkeit. In Ägypten gab es schriftlich niedergelegte Gesetze vermutlich ab dem mittleren Reich. Für Planung sowie für juristische und wirtschaftliche Zwecke nutzte die babylonische Verwaltung auch Bauzeichnungen.

Bauen spielte auch in den historischen und literarischen Zeugnissen der babylonischen Kultur eine Rolle, etwa in den Kommemorativinschriften oder den figurativen Darstellungen altmesopotamischer Herrscher. In Ritualanweisungen und in der umfangreichen Omenliteratur wird ebenfalls auf das Bauen Bezug genommen. Hier findet die kultische Dimension der babylonischen Verwaltungssysteme ihren Ausdruck, die nicht nur den Bauprozess als materiellen Vorgang zu regeln hatten, sondern auch seine symbolische Bedeutung absicherten. Insgesamt führte die Verschriftlichung des Bauwissens im Zusammenhang mit der Bauverwaltung zu einem Akkumulationsprozess dieses Wissens, der ohne diese mediale Grundlage unmöglich gewesen wäre.

Verwaltungssysteme in Ägypten

Auch in Ägypten war für Großprojekte immer der Pharao zumindest nominell als Bauherr zuständig. Er erhielt Inspiration von den Göttern, konnte aber auch aus eigener Initiative tätig werden. Auch hier gehörte die Bauverwaltung zu den Aufgaben der existierenden generischen Verwaltungssysteme. Obwohl diese streng hierarchisch organisiert waren, wurden Bauverwaltungsaufgaben auf allen Ebenen wahrgenommen. Sie wurden also im Allgemeinen weder von einer übergeordneten Verwaltungseinheit nach unten delegiert noch der Zuständigkeit einer Spezialbehörde überlassen. Es gehörte vielmehr zu den Kompetenzen jeder Verwaltungseinheit Bauprojekte organisieren zu können. Diese griffen auf qualifizierte Handwerker zurück, die entweder direkt oder über Subunternehmer rekrutiert wurden. Sowohl in Ägypten als auch in Mesopotamien wirkten staatliche und private Wirtschaft zusammen. Die Verwaltungseinheiten organisierten die benötigten Baumaterialien, Werkzeuge und Transportmittel, sowie Nahrungsmittel und Unterkunft für die beteiligten Bauleute, die, soweit sie nicht zwangsrekrutiert wurden, in Naturalien vergütet wurden. Bauaufträge sowohl im staatlichen als auch im privaten Bereich wurden durch schriftliche Verträge dokumentiert. Der Akzent lag dabei jeweils auf dem Verwaltungsaspekt, während inhaltliche Details eine geringere Rolle spielten. Auch in der späteren Entwicklung sollte der Verwaltungsaspekt jedenfalls für die Vertragsgestaltung die Hauptrolle spielen, während die Auftragserledigung nach „Stand der Technik“ vorausgesetzt wurde.

Die Organisation der Arbeit auf der Baustelle beruhte mit anderen Worten weitgehend auf den Erfahrungen der beteiligten Arbeitskräfte und musste nicht im Detail durch die Verwaltung geregelt werden. Die Arbeiterschaften besaßen ihrerseits einen gewissen Organisationsgrad, der durch Familienverbände gegeben sein konnte; sie wurden zum Teil in eigenen Arbeiterdörfern angesiedelt. Die Verwaltung dagegen war für das Ressourcenmanagement und die Kontrolle der Abläufe zuständig und konnte ihre Regulierungsfunktion auch ohne detaillierte Anweisungen ausüben. Dies wäre allerdings kaum möglich gewesen, ohne dass Bauwissen auch unabhängig von staatlichen Großprojekten sozial tradiert worden wäre, etwa über die genannten Arbeiterschaften, die allerdings ebenfalls der staatlichen Kontrolle unterstanden. Zu den Kompetenzen der Verwaltung gehörte daher weniger bautechnisches Wissen im engeren Sinne, wohl aber die Fähigkeit Ressourcenbedarfe für bestimmte Bauzwecke berechnen zu können. Genau diese Rechenfähigkeiten waren daher Teil des Bildungskanons der ägyptischen Verwaltungsfachleute.

Baukommissionen in Griechenland

In Griechenland hatte das Bauen, unabhängig von den jeweiligen Staatsformen, stets einen lokalen Charakter. Die zuständigen Bauverwaltungen waren ebenfalls lokal geprägt und erhielten sich auch über politische Brüche hinweg. In der archaischen Zeit Griechenlands wurde von der Polis als Bauherr, vertreten durch ein städtisches Gremium, die Verantwortung für die Leitung eines öffentlichen Bauprojektes in die Hände eines Mitglieds der Aristokratie gelegt, dem auch die nötigen Geldmittel übertragen wurden, über die es im wesentlichen frei verfügen konnte. Dieser Projektleiter war aus Prestigegründen allein verantwortlich, konnte aber als Adliger selbst keine unternehmerische Funktion ausüben. Vielmehr wurde erwartet, dass er, falls nötig, das Projekt mit eigenem Geld unterstützen würde. Eine Kontrollfunktion wurde ausschließlich durch die Zu- und Aberkennung von Sozialprestige ausgeübt. Eine solche Verwaltungsstruktur litt offensichtlich an einem Mangel an Transparenz und war anfällig für Missbrauch. Sie war im Gegensatz zu mesopotamischen und ägyptischen Verwaltungssystemen auch nicht in der Lage den Einsatz von Ressourcen zu planen und zu kontrollieren. Sowohl die Projektorganisation im Einzelnen als auch die Umsetzung bautechnischen Wissens oblag daher den Bauausführenden selbst und wurde nicht durch Verwaltungsmaßnahmen reguliert.

In der klassischen Zeit Griechenlands wurden Bauaufgaben, ähnlich wie in Mesopotamien und in Ägypten, von bereits existierenden ständigen Behörden wahrgenommen, die nicht exklusiv für das Bauen zuständig waren. Für bestimmte Bereiche wie die Errichtung und Pflege von Stadtmauern, Straßen, Heiligtümern, und für den Schiffsbau gab es spezielle Kommissionen. Alle diese Behörden und Kommissionen waren mit rechenschaftspflichtigen Beamten auf Zeit und einem begrenzten Budget ausgestattet.

Ab der Mitte des 5. Jahrhunderts wurden große Bauprojekte durch spezielle Baukommissionen geleitet, die eigens für diesen Zweck eingesetzt wurden. In Athen wurden die Mitglieder der Baukommissionen durch dasselbe Verfahren gewählt, das auch für die Besetzung kriegswichtiger Ämter angewandt wurde und zwar die Wahl durch die Volksversammlung auf Vorschlag. Zu der Kommission gehörten auch ein Architekt und ein Schreiber. Ihr wurden die Mittel für den Bau zugewiesen sowie die Verantwortung für die Ausschreibungen von Bauleistungen. Die für diese Bauleistungen verantwortlichen privaten Unternehmen übernahmen zum Teil auch die Verantwortung für logistische Koordinationsaufgaben, während die Aufgabe der Kommission im Rahmen des Projektmanagements darin bestand, die sachgemäße Verwendung der bereitgestellten Gelder zu sichern. Weitere Aufgaben waren der Ankauf von Baumaterialien, die Vergabe von Werkverträgen, die Bezahlung der Unternehmer und Handwerker, sowie die Schlichtung bei Streitfällen. Schließlich wurde von den Kommissionen erwartet, Rechenschaftsberichte auszustellen, die in staatlichen Archiven aufbewahrt wurden. Obwohl solche Kommissionen ein hohes Maß an Transparenz und Kontrollierbarkeit schufen, boten sie aufgrund der kurzen Amtszeiten ihrer Mitglieder und der Tatsache, dass Sachverstand keine Voraussetzung für die Mitgliedschaft war, keine Garantie für Kontinuität und den erfolgreichen Abschluss eines Bauprojektes. Diese Aufgaben wurden vielmehr weitgehend auf den Architekten und die bauausführenden Handwerker übertragen. Da sich im griechischen Bauwesen Bauplanung und Bauablauf zeitlich nicht absolut von einander trennen lassen, ist anzunehmen, dass der Architekt in einem ständigen Austausch mit der Baukommission stand.

An die Stelle des in Mesopotamien und Ägypten durch staatliche Verwaltungen geregelten großräumigen Ressourcenmanagements trat in Griechenland ein vergleichbar ähnlich großräumig angelegtes Handelsnetzwerk. So wurde Holz ins Mutterland auch aus griechischen Gebieten in Kleinasien und am schwarzen Meer importiert, aber auch aus nicht griechischen Gebieten wie dem Libanon und Zypern.

Die bereits in den frühen staatlichen Gesellschaften Vorderasiens und Ägyptens hochentwickelte Verschriftlichung verschiedener Aspekte der Bautätigkeit setzte sich im antiken Griechenland fort. Schriftlich dokumentiert wurden unter anderem Baubeschlüsse von öffentlichen Gremien, Projektbeschreibungen, Leistungsverträge zwischen Baukommissionen und Unternehmern, Rechenschaftsberichte der Baukommission sowie allgemeine gesetzliche Regeln. Die entsprechenden Texte sind in einzelnen Fällen als Inschriften erhalten, ein Umstand, der zugleich die Rolle der Verschriftlichung für eine öffentliche Partizipation an Bauprojekten deutlich macht. Den Hintergrund bildete die Verbreitung von Schreib- und Lesekompetenz im griechischen Kulturraum, die eine größere Transparenz der entsprechenden Entscheidungen erforderte und möglich machte.

Öffentliche und private Institutionen in Rom

In der römischen Republik gab es weder eine eigenständige Baubehörde noch öffentliche Baubetriebe. Ähnlich wie im archaischen Griechenland wurde die Leitung eines Bauprojektes von einzelnen Personen übernommen. Allerdings wurde die Zuschreibung von Verantwortung durch die römische Institution der Magistraturen geregelt. Den Zensoren wurde vom Senat ein Baubudget zugewiesen. Im Gegensatz zu anderen Ämtern, die jährlich vergeben wurden, wurden die Zensoren alle fünf Jahre gewählt. Die Zensoren waren für die Führung der Bürgerliste und die Erhebung der Vermögenssteuer verantwortlich. Da sie außerdem für die Verwaltung des Staatsbesitzes verantwortlich waren, lag es nahe, ihnen ebenfalls die Verantwortung von Bauprojekten zu übertragen. Dieses Amt betrug jedoch nur 18 Monate und deswegen stellte sich von vorneherein das Problem der Kontinuität. Darüber hinaus konnte man nicht von einer einschlägigen Kompetenz in Baufragen ausgehen und musste mit Interessenkonflikten rechnen. Denn im Gegensatz zur griechischen Situation konnte in Rom auch ein Unternehmer der Nobilität angehören. Dem Problem der Kontinuität begegnete man mit verschiedenen Formen der Improvisation. Zukunftsweisend war vor allem die Einsetzung projektbezogener Kommissionen. Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. wurde das Baugeschehen zunehmend von Einzelpersönlichkeiten mit Zugriff auf erhebliche Ressourcen, wie etwa auf Kriegsbeute, dominiert. Sie spielten eine Schlüsselrolle für die Initiierung und Leitung von Bauprojekten.

In der römischen Kaiserzeit wurde die Spannung zwischen der institutionellen Ämterstruktur und der Macht von Einzelpersönlichkeiten zugunsten einer Letztverantwortung des Kaisers verlagert und zum Teil aufgelöst. Wenngleich die Ämterstruktur formell aufrecht erhalten wurde, bildete sich eine neue Hierarchie heraus, die sich hauptsächlich auf persönliche Abhängigkeits- und Treueverhältnisse stützte, die auf die jeweilige zentrale Macht ausgerichtet waren. Vor diesem Hintergrund konnten sich auch neue Institutionen ausbilden, etwa eine neue Form der Bauverwaltung. So entstand aus einer zum Teil mit Sklaven besetzten „Privatbehörde“ Agrippas, des Vertrauten des Kaisers Augustus, schließlich die cura aquae als offizielle Institution, die für die Wasserversorgung Roms verantwortlich war. Da allerdings auch in der Kaiserzeit solche Institutionen durch gewählte Mitglieder der Nobilität besetzt wurden, blieben die alten Schwächen dieses Systems, also der Mangel an Fachkompetenz und Kontinuität, sowie die Anfälligkeit für Korruption bestehen. Auch für die Auswahl von Architekten und Bauunternehmen blieben persönliche Beziehungen ausschlaggebend. Während in republikanischer Zeit relativ kleine staatliche Magistraturen Werkverträge mit Unternehmen abschlossen, spielten in der Kaiserzeit große Staatsunternehmen, wie zum Beispiel die für den Import von Marmor und andere Gesteine zuständige ratio marmorum oder die für die Durchführung von Bauprojekten zuständige opera Caesaris eine zunehmende Rolle.

Im Vergleich zu Griechenland spielten Unternehmen in Rom bereits seit republikanischer Zeit eine noch größere Rolle auch für die Logistik von Bauprojekten. Ihre zunehmende Relevanz dürfte zum Teil auch darauf zurückzuführen sein, dass der römische Staat eine weiträumige Infrastruktur zur Verfügung stellte, die es zum Beispiel überflüssig machte, Materialtransporte militärisch zu überwachen. Das römische Reich hatte damit ein Plateau an Voraussetzungen für vielfältige unternehmerische Tätigkeiten geschaffen. Dieses bot auch im Baubereich sowohl privaten als auch großen staatlichen Unternehmen flexible Einsatz- und Handlungsmöglichkeiten, insbesondere in Bezug auf Transportnetzwerke und die Versorgung von Baumaterialien. In einzelnen Bereichen ergaben sich darüber hinaus durch Standardisierung und Zentralisierung der Bedarfe eine bessere Planbarkeit und damit weitere Rationalisierungsmöglichkeiten, die durch den Aufbau staatlicher Monopolunternehmen, wie die ratio marmorum, genutzt wurden. Diese traten als Systemanbieter auf, die neben der Beschaffung des Materials auch technische Expertise anboten.

Die römische Bautätigkeit wurde durch einen normativen und rechtlich fixierten Rahmen geregelt, der es dem Bauherrn ermöglichte, den angemessenen Einsatz von Ressourcen im Sinne der gesellschaftlich legitimierten ursprünglichen Planung zu kontrollieren und durchzusetzen. Während in Mesopotamien, Ägypten und Griechenland vornehmlich Behörden und Kommissionen die Rolle von Generalunternehmern übernahmen, gab es im antiken Rom offenbar in größerem Umfang von Architekten geleitete Privatunternehmen, die in der Lage waren diese Funktion auszuüben und damit zugleich die Aufgaben der Bauverwaltung zu übernehmen, die den Bauablauf betrafen. Im Vergleich zu Griechenland könnte dieses mit der ungleich ausgedehnteren Bautätigkeit im kaiserzeitlichen Rom zusammenhängen. Allerdings blieb es auch in Rom, wie schon in den älteren Beispielen, bei der Tradition, dass der Bauherr Materialien, Werkzeuge und Bauhilfskräfte zur Verfügung stellen musste und für bauhandwerkliche Arbeiten genaue technische Vorgaben machte. Der faber (Unternehmer-Architekt) dagegen hielt die Gesamtleitung des Bauprojektes in seinen Händen.

Die rechtlichen Regelungen der Bautätigkeit zielten offenbar vor allem auf die Durchsetzung marktwirtschaftlicher Prinzipien, um Transparenz und Kostenbeschränkung zu gewährleisten. Zu den entsprechenden Maßnahmen gehörte die öffentliche Ausschreibung von Bauprojekten, ihre Vergabe durch Auktionen, an der sich jeder beteiligen konnte, der die formulierten Anforderungen erfüllte, und eine Auftragsvergabe, die eine Leistungsbeschreibung und einen Fertigstellungstermin umfasste. Die termin- und kostengerechte Fertigstellung wurde durch die Stellung von Bürgen, eine Abnahme der Bauleistung durch die Kommission, und die Regresspflichtigkeit des Bauunternehmers sichergestellt. In republikanischer Zeit wurden Bauverträge durch Inschriften dokumentiert, die zum Teil sogar verschriftlichte Bauentwürfe darstellten.

Bauherren und Bauverwaltung im Mittelalter

Mit dem Zusammenbruch des römischen Reichs im Westen verschwanden auch alle nachgeordneten Institutionen und die größeren wirtschaftlichen Akteure. An ihre Stelle traten die mittelalterlichen weltlichen und geistlichen Herrscher, darunter Feudalherren, Bischöfe und Städte. Schon bald bildeten sie eine Europa weit vernetzte intellektuelle Elite mit gemeinsamem Bildungskanon, die sich auch in der Realisierung von Bauprojekten aneinander orientierten. Da es allerdings keine allgemein anerkannten Gesetze oder Prozeduren gab, die das Baugeschehen regelten, war dieses stark von lokalen Gepflogenheiten sowie, bei größeren Bauprojekten, von der Aufgabenteilung zwischen Bauherrn und Bauverwalter geprägt. Auch die Logistik mittelalterlicher Bauprojekte spiegelt die Absenkung des Plateaus vernetzter Handlungsmöglichkeiten sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Da ausgebaute Transportnetzwerke nur noch bedingt zur Verfügung standen, mussten Transport- und Ressourcenprobleme oft ad hoc für spezifische Bauprojekte gelöst werden, ohne auf allgemein verbreitete Lösungen zurückgreifen zu können. Die für mittelalterliche Bauprojekte typische Nähe zwischen Bauort und Ressourcenquellen wie Steinbrüchen und Waldbeständen ist ein Indiz für das Fehlen einer solchen übergreifenden Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund lassen sich bei mittelalterlichen Bauprojekten Bauvorbereitung und Baudurchführung nur beschränkt voneinander trennen.

Der Bauherr initiierte ein Bauprojekt und bestimmte, möglicherweise beraten durch einen Werkmeister, weitgehend dessen funktionale und formale Gestaltung. Er trug die Gesamtverantwortung für die finanziellen, personellen, materiellen und logistischen Voraussetzungen eines Bauprojektes. Er nahm diese Verantwortung insbesondere dadurch wahr, dass er einen Werkmeister und einen Bauverwalter bestimmte, die bei kleineren Projekten auch identisch sein konnten. Für größere Bauprojekte spielte der Bauverwalter die Schlüsselrolle. Er war dem Bauherrn gegenüber weisungsgebunden und rechenschaftspflichtig. Bei bischöflichen Bauprojekten konnte es ein Kanoniker oder Kleriker sein, bei städtischen Bauten wurde er unter den ratsfähigen Patriziern gewählt. Der Bauverwalter leitete alle Baumaßnahmen finanziell und organisatorisch. Er beschaffte das Baumaterial und sorgte für den Transport, er schloss Verträge mit den Handwerkern ab, zahlte ihre Gehälter und führte Buch über Einnahmen und Ausgaben. Aus seiner integrierenden Tätigkeit entstand, zusammen mit den existierenden Handwerkskörperschaften, die mittelalterliche Bauhütte als organisierende Einheit eines größeren Bauprojektes. Durch die vergleichsweise kleine Anzahl und lange Dauer größerer mittelalterlicher Bauprojekte wurden diese Bauhütten zu Institutionen mit Ausstrahlung und Folgewirkungen auf andere Bauprojekte.

Die rasante ökonomische Entwicklung in Italien und bestimmten Teilen Nord- und Mitteleuropas seit dem späten Mittelalter führte zu einer erheblichen Vermehrung der Bautätigkeit. Diese Entwicklung gab auch Anlass für die Entstehung eines Netzwerks mobiler Gruppen spezialisierter Handwerker, die auf verschiedenen Baustellen tätig waren und für einen ständigen Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen diesen sorgten. Dieses Netzwerk bildete zugleich den Ausgangspunkt für die Entstehung und Stärkung anderer Netzwerke, durch die sich Informationen etwa über Ressourcen verbreiteten, die ihrerseits die Grundlage für eine zunehmend großräumigere Logistik bildeten, innerhalb derer sich neue Optimierungschancen für die Bautätigkeit ergaben.

Die verwaltungsmäßige Organisation spätmittelalterlicher Bauprojekte wurde zum einen durch die vorangegangenen Bauerfahrungen geprägt und zum anderen durch die stark entwickelte kaufmännische Kultur bestimmt. Eine wesentliche Rahmenbedingung bildeten die städtischen Statuten, die mit der Entstehung unabhängiger Stadtstaaten in Ober- und Mittelitalien seit dem 11. Jahrhundert in den jeweiligen Städten gesammelt wurden. Sie umfassten auch spezifische Bauvorschriften, etwa den Brandschutz oder die Standardisierung und Qualitätssicherung von Baumaterialien betreffend. Im gleichen Kontext entstanden stabile Behörden, die für die städtischen Infrastrukturen zuständig waren.

Die administrative Verantwortung für ein Bauprojekt wurde häufig in die Hände von Personen oder Organisationen gelegt, die über kaufmännisches Wissen verfügten. Beispielsweise übertrug die Kommune von Florenz am Anfang des 14. Jahrhunderts die administrative Verantwortung für den Bau des Doms der Wollfabrikantenzunft. Damit stand für das Bauen eine sowohl lokal geprägte wie auch gut vernetzte Institution zur Verfügung, die Erfahrungen in der Akquisition, Verwaltung und dem ökonomischen Einsatz von Mitteln sowie im Personalmanagement besaß. Im Gegensatz zu den griechischen und römischen Traditionen der Bauverwaltung wurde durch diese Art der Organisation zum einen auch außerhalb staatlicher Institutionen Kontinuität gewährleistet und zum anderen wirtschaftlicher Sachverstand eingebracht. Im Vergleich zur mittelalterlichen Bauverwaltung durch einzelne Personen bot die Übertragung der Verantwortung an eine größere Institution wie eine Zunft eine erheblich gesteigerte Handlungskompetenz. Dennoch machten die Herausforderungen durch eines großen Bauprojektes eine weitere Differenzierung und Ausgestaltung der Bauverwaltung notwendig.

Eine große Baustelle konnte eine eigene Bauverwaltung verlangen, die von der übergeordneten Verwaltung die mit dem Bauen zusammenhängenden Aufgaben praktisch komplett übernahm und zunehmend ihre eigene Ämterstruktur ausbildete. Die gestiegene Autonomie einer solchen Bauverwaltung bot die Grundlage für neue Arten der Wechselwirkung zwischen einem Bauprojekt und der Gesellschaft, in der es realisiert wird. Die Bauverwaltung konnte insbesondere Expertenkommissionen gründen, um über bestimmte Herausforderungen des Bauprojektes beraten zu lassen. Sie konnte auch Optionen so aufbereiten, dass darüber Bürgerentscheide oder Entscheidungen übergeordneter Instanzen herbeigeführt werden konnten. Der Bauverwaltung kam auf diese Weise eine neue Rolle zu, die über die Aufgabe, den Bauprozess zu organisieren und zu kontrollieren, hinausging. Sie organisierte auch das Wissensmanagement in einer Weise, die zum einen die verfügbaren Wissensressourcen der Gesellschaft erschloss und optimal zum Einsatz brachte und zum anderen zur gesellschaftlichen Legitimation des Projektes beitrug. Im Rahmen der Organisation des Wissensmanagements spielte auch die Artikulation des Wissens etwa in der Form von Modellen, über die in der Öffentlichkeit beraten werden konnte, eine zunehmende Rolle.

Bauwirtschaft in der Frühen Neuzeit

Seit dem 15. Jahrhundert entstanden in Italien zunehmend größere Bauprojekte. Diese Entwicklung führte dazu, dass sich immer mehr Marktmechanismen durchsetzten, etwa indem einzelne Bauabschnitte ausgeschrieben wurden in der Erwartung, dass diese schlüsselfertig zu realisieren waren und dass sich die Bauzeiten erheblich reduzierten. Welches aber waren die Marktteilnehmer, die sich an einer solchen Ausschreibung beteiligen konnten? Sie entstanden in Prozessen der Selbstorganisation aus der bestehenden bereits hochgradig differenzierten Organisation von Bauprojekten und wurden häufig durch deren Verwaltung zu eigenständigem Handeln ermutigt. Die differenzierte Organisation großer und langfristig angelegter Bauprojekte schloss zahlreiche Spielräume für selbstständiges Handeln mit ein. Das führte schließlich dazu, dass sich für Tätigkeitsbereiche wie die Versorgung und den Handel mit Baumaterialien, sowie für den Transport und für die Realisierung einzelner Bauabschnitte Teilinstitutionen aus dem Gesamtkomplex eines Bauprojektes herauslösten und als selbstständige Marktteilnehmer auftraten. Dieser Prozess begann mit solchen Aktivitäten, die sich relativ leicht aus dem Gesamtprozess isolieren ließen, wie etwa die Beschaffung und der Transport von Baumaterialien.

Im Verlauf des 16. Jahrhunderts führte die Zunahme der Bautätigkeit auch zu einer weiteren Rationalisierung des Faktors Arbeit. Die Arbeitsteilung am Bau vertiefte sich, die einzelnen Arbeiten wurden stärker standardisiert und über einen kompetitiven Markt reguliert. Baumaßnahmen wurden in möglichst kleine Aufträge aufgeteilt; die entsprechenden Arbeiten auf der Baustelle wurden im Akkord umgesetzt.

Die Organisation und Logistik der Arbeit auf der Baustelle wurde von organisierten Gruppen von Handwerkern übernommen, die sich zu compagnie zusammenschlossen und untereinander um Aufträge konkurrierten. Während in den traditionellen Zünften Handwerker einer bestimmten Spezialisierung gruppiert waren, umfassten die compagnie Gruppen, die in der Lage waren gemeinsam bestimmte Teilaufgaben zu realisieren. Aus ihnen entstanden Bauunternehmen, die eine Kombination von technischem und logistischem Wissen besaßen, das sie als Konkurrenzfaktor einsetzten, mit Rückwirkungen auf die weitere Optimierung dieses Wissens.

Die gestiegene Selbstorganisation auf der Baustelle und die größere Rolle von Marktmechanismen erhöhten den Bedarf an Kontrollinstanzen. Der Markt wurde daher durch die Festlegung von Ausschreibungs- und Vertragsformen reguliert, den so genannten capitolati. Diese Regulierung stand in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung von Wissensmanagementprozessen im Rahmen der Bauverwaltung. So entstanden zum Beispiel aus der Überlieferung der Erfahrungen mit Ausschreibungen, Vertragsregularien und Standardisierungsvorschriften auch Schriften für Bauleute und Architekten, die zu einer weiteren Verbreitung dieses Regulierungswissens führten.

Resumé: Grundprobleme der Verwaltung

Die Kontinuität von Bauwissen ist vor allem durch die Kontinuität der Bauwerke selbst auch über Kulturbrüche hinweg bedingt. Innerhalb einer bestimmten historischen Epoche jedoch schafft auch die Bauverwaltung einen Rahmen für die Tradierung und Akkumulation von Wissen, insbesondere seit der Entstehung der Schrift in den frühen städtischen Gesellschaften. Allerdings bezieht sich dieses innerhalb von Verwaltungen tradierte Bauwissen weniger auf dessen technische Aspekte sondern vor allem auf die Regelung seiner Rahmenbedingungen und der eingesetzten Ressourcen. Dabei treten in dem gesamten hier betrachteten Zeitraum in jeder historischen Epoche immer wieder die gleichen Grundprobleme auf: die Kontrolle und Optimierung der eingesetzten Ressourcen, die gesellschaftliche Legitimation eines Bauprojektes und die Regelung der Arbeitsteilung bei seiner Realisierung.

Seit der Entstehung von Verwaltungen in den ältesten Staaten wurden diese Probleme in einem Spannungsfeld zwischen dauerhaften und temporären Ressourcen geregelt. Die dauerhaften Ressourcen bestanden in den vorhandenen Bauinstitutionen und der durch sie organisierten Handlungskompetenz. Die temporären Ressourcen verfügbarer Arbeitskraft wurden aus Quellen wie dem Frondienst, dem Militär, oder dem Markt geschöpft. Dabei lassen sich in jeder Epoche, abhängig von den jeweiligen Gesellschaftsformationen, bestimmte Lernprozesse beobachten, die auf Versuchen beruhen, Ressourcenverschwendung zu vermeiden, die Legitimationsgrundlage zu verbessern und die Arbeitsteilung zu optimieren. Dabei kommt es offenbar unabhängig von kulturübergreifenden Tradierungen immer wieder zu ähnlichen Lösungen, wie der Einrichtung bauspezifischer Institutionen, der Einführung verschriftlichter Regularien und der Öffnung des Baugeschehens für Marktmechanismen. Seit der Renaissance haben sich solche Lösungen zunehmend auch auf andere Bereiche des gesellschaftlichen Ressourcenmanagements ausgedehnt und damit diesen Lernprozess derart stabilisiert, dass er auch unabhängig von speziellen gesellschaftlichen Kontexten Geltung beanspruchen konnte.

1.2.3 Planungswissen und Ingenieurtraditionen

Wesentliche Momente des Planungswissens zeichnen sich durch eine Kontinuität vom Neolithikum bis zur Frühen Neuzeit aus. Dazu gehört zunächst die Tatsache, dass Planungswissen in fast allen Epochen, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten, durch die Bauten selbst, durch beim Bau verwendete Instrumente, durch die vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen des Bauwissens sowie durch Modelle und Zeichnungen extern repräsentiert wurde. Dazu gehört auch der Umstand, dass Wissen über Umweltbedingungen bei der Fundamentierung von Gebäuden, etwa ihr Schutz vor Wasser, seit dem Neolithikum durchgehend Berücksichtigung fand. Die Fähigkeit, dreidimensionale Objekte durch zweidimensionale Zeichnungen darzustellen, war spätestens seit dem jungen Paläolithikum gegeben. Seit dem Neolithikum gab es Abbilder von durch Menschen hergestellten Strukturen. Älteste Funde von Architekturmodellen gehen auf das Ende des 8. Jahrtausends v. Chr. zurück. Instrumente zur Festlegung von Grundrissen, wie Schnüre und Richtlatten, wurden ebenfalls seit dem Ende des 8. Jahrtausends bis heute kontinuierlich verwendet.

Auch die Verwendung charakteristischer Gebäudetypen gehört seit dem Neolithikum zu den immer wieder vorkommenden Voraussetzungen von Planungswissen. Planungswissen beruhte stets auf Kenntnissen der verwendeten Materialien und der Grenzen ihrer Belastbarkeit. In den frühen Städten des späten 4. Jahrtausends wurden die ersten Erfahrungen mit Siedlungsplanung, einschließlich des Umgangs mit Kanalisation und der Entsorgung von Gebrauchs- und Regenwasser gesammelt. Bereits im Neolithikum haben die sesshaften Ackerbauern und Viehzüchter die nachteiligen Umweltfaktoren ihrer Siedlungen durch Baumaßnahmen kompensiert, zum Beispiel durch Terrassierungsmauern, Staudämme, Stadtmauern und Substruktionen.

Kanonische Bauformen

Bauten und vorhandene handwerkliche Instrumente können als Verkörperungen und Voraussetzungen der Tradierung von Planungswissen angesehen werden. Das gilt insbesondere dann, wenn sich kanonische Bauformen als verbindlich etabliert hatten. Diese verkörpern zugleich das Wissen um die sozialen Funktionen eines Gebäudes. Seit dem 4. Jahrtausend gab es solche kanonischen Bauformen im alten Orient und in Ägypten. Die Rolle solcher Bauformen für die Stabilisierung von Bauwissen wird besonders an den steinernen Nachbildungen von vergänglichen Bauten in Ägypten deutlich. Die Tradition kanonisierten Bauens wurde in Griechenland und im römischen Reich zu einem generativen Prinzip des Bauens weiterentwickelt und von dort ausgehend bis in die Renaissance und bis heute fortgesetzt. Kanonische Bauformen können sich allerdings im Laufe der Zeit wandeln. So wird im späten Mittelalter in Mittelitalien aus den Geschlechtertürmen der städtische Palast. Oder Bauformen können schlagartig aus einer Epoche in eine andere übertragen werden, wie etwa die antike Villa in die Renaissance. Das Planungswissen konnte durch solch eine Kanonisierung strukturell vereinfacht werden. War der Typus des zu errichtenden Gebäudes einmal klar, bedurfte es im Wesentlichen nur noch der Maßangaben, um es vollständig zu bestimmen. Das Gleiche gilt für kanonisierte Bestandteile von Gebäuden. Die wesentliche Herausforderung für den Planungsprozess bestand dann in der Berechnung der notwendigen Ressourcen und der Organisation der einzelnen Bauphasen. Umgekehrt bestimmten die verfügbaren Ressourcen die Dimensionen des zu errichtenden Gebäudes. Urbane Planung nach festen Modellvorstellungen wurde unter den Römern zur Voraussetzung dafür, Maßstäbe für römische Kultur durch Infrastruktur im ganzen Reich zu etablieren.

Planungswissen wurde auch durch gesellschaftliche Strukturen repräsentiert. Im einfachsten Fall geschah dies im Rahmen kooperativen Bauens durch „Nachbarschaftshilfe“, wobei wohl immer schon erfahrenere Individuen eine leitende Rolle einnehmen konnten. Für die Errichtung der Monumentalbauten des alten Orients und Ägyptens bedurfte es einer komplexen Sozialstruktur mit schreibkundigen Beamten an der Spitze. Technisches Planungswissen wurde hier weitgehend durch Teilnahme am Arbeitsprozess tradiert, während die schreibgestützte Berechnung von Ressourcen Teil einer speziellen Schulausbildung war. Die Arbeitsteilung zwischen Bauausführenden und Bauplanenden war durch die vorhandene gesellschaftliche Hierarchie gegeben. Im antiken Griechenland entwickelte sich das zum Bauen benötigte technische und organisatorische Planungswissen zur Kompetenz eines besonderen Berufszweigs: dem des Architekten. Im römischen Reich bildete das Militär die zentrale gesellschaftliche Grundlage für die Tradierung des Planungswissens. Im Mittelalter wurden die sozialen Strukturen, in denen sich Planungswissen des Bauens verkörperte, kleinteiliger. Auch die Tradierung von Planungswissen erfolgte hier weitgehend über die Teilnahme am Arbeitsprozess. Andererseits bildeten sich, wie wir gesehen haben, in den Städten des späten Mittelalters differenzierte Verwaltungsstrukturen aus, die zunehmend auch als institutionelles Gedächtnis des Bauwissens fungierten. Die gewagten und zum Teil experimentellen Bauten der Gotik und der Renaissance wären ohne die planende Kontrolle durch solche Institutionen nicht möglich gewesen.

Baumodelle und Bauzeichnungen

Baumodelle gibt es, wie ausgeführt, bereits seit dem Neolithikum, Bauzeichnungen spätestens seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. Ihnen kam wohl von Anfang an eine wichtige Rolle bei der Kommunikation des Planungswissens zwischen Bauauftraggebern und Bauverantwortlichen zu. Die Vorzeichnungen von Grundrissen spielten eine Schlüsselrolle für die Bauplanung, vom alten Orient bis zur Frühen Neuzeit. In Ägypten gab es seit dem 2. Jahrtausend Werkzeichnungen mit Grund- und Aufrissebenen. Sowohl in Ägypten als auch im alten Orient sind annähernd maßstäbliche Grundrisszeichnungen gefunden worden, teilweise mit beigeschriebenen Bemaßungen und in den Grundriss hineinprojizierten Elementen des Aufrisses. Fast schon den neuzeitlichen Standard der zeichnerischen Architekturdarstellung verlangte bereits Vitruv, wenn er vom Architekten die Trias aus Grundriss, Aufriss und Perspektive forderte. Über die Grundrisszeichnung hinaus gehörte die Anfertigung von Bauzeichnungen jedoch im Allgemeinen nicht zum prozeduralen Wissen der Bauplanung. Nur in einem beschränkten Rahmen spielten Zeichnungen anderer Komponenten eines Gebäudes eine eigentliche Planungsrolle für die Bauausführung. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Relevanz der Symbolik des Bauens im alten Orient und in Ägypten setzten sich, wie bereits ausgeführt, kanonische Bauformen durch, für deren Großplanung keine Modelle und Zeichnungen vonnöten waren. Darüber hinaus verband sich die Symbolik des Bauens mit einer zunehmenden Nutzung von Ornamentik und Dekor. Hier wurden Modelle und Zeichnungen genutzt, um die Realisierung von Baudetails durch die ausführenden Handwerker genau vorzuplanen. In Griechenland wurden wahrscheinlich Holzbretter mit Werkrissen als Kommunikationsmittel zwischen Architekt und Bauausführenden über die Gestalt einzelner Bauformen genutzt.

Erst in der Renaissance wurden maßstäbliche Architekturzeichnungen zu einem weit verbreiteten Planungsmittel, das der eigenständigeren sozialen Stellung des Architekten und der zunehmenden Arbeitsteiligkeit des Planungsprozesses entsprach. Bei besonders komplexen Bauvorhaben wurden auch oder alternativ Architekturmodelle sowohl von Bauteilen als auch von ganzen Gebäuden verwendet, die zum einen der Verständigung mit den Auftraggebern, und zum anderen zur Anleitung der Bauausführung dienten. Zur größeren Bedeutung der Architekturzeichnung als Planungsmittel trug die Verwendung von Papier seit dem 15. Jahrhundert wesentlich bei, ebenso wie die Verbindung mit geometrischem Wissen auf der Grundlage einer Renaissance der Mathematik. Grund- und Aufrisse in orthogonaler Projektion wurden direkt für die Bauplanung verwendet, während perspektivische Zeichnungen eher für ästhetische Imaginationen genutzt wurden. Architekturzeichnungen wurden jetzt Teil von Verträgen und zugleich zunehmend als Kunstform anerkannt.

Texte als Planungsinstrumente

Praktisch seit Erfindung der Schrift dienten Texte als Instrumente der Bauplanung. Der Hauptgrund für ihre Schlüsselrolle lag in dem bereits mehrfach angeführten Umstand begründet, dass Visualisierung in vielen Kulturen nicht erforderlich war, da die überwiegende Mehrheit der Projekte sich an einer kanonischen Bauweise orientierte, die sich sowohl Auftraggeber als auch Bauherren leicht vorstellen konnten. War Vorplanung erforderlich, so bestand diese in der Klärung der benötigten Mengen an Material und Arbeitskräften. Zur Dokumentation dieser Informationen waren Texte völlig ausreichend.

Texte entstanden also im Zusammenhang der Ressourcenplanung, im Vertragswesen, wurden als Lehrmittel eingesetzt und dienten als Bestandteile von Archiven auch zur langfristigen Bewahrung von Bauwissen. Allerdings repräsentierten sie dieses immer nur unvollständig, da sie die Kenntnis kanonischer Bauformen oder anderen impliziten Wissens voraussetzten. Daher sind in ihnen oft nur die Größen des zu errichtenden Gebäudes nicht aber Details der Gestaltung festgehalten. Inschriften, wie sie beispielsweise an ägyptischen Gebäuden zu finden sind, halten solche Maße fest und gehen wahrscheinlich auf Planungsdokumente zurück.

In der klassischen Zeit Griechenlands waren öffentliche Bauten durch ein hohes Maß an Einheitlichkeit charakterisiert. Diese Einheitlichkeit war der äußere Ausdruck der Strukturierung des Gestaltungswissens durch eine begrenzte Anzahl von Modellen und ihre kontrollierte Variation durch Proportionen und Verhältnisketten. Diese kontrollierte Variation war zugleich Ausdruck des intuitiven physikalischen Wissens, dass bestimmte statische Eigenschaften von Bauwerken, wie sie Vitruvs Konzept der firmitas zu erfassen versuchte, bei der Veränderung der absoluten Dimensionen erhalten bleiben. Diese weitgehende Strukturierung vereinfachte den Planungs- und Kommunikationsprozess auf der Baustelle, so dass kurze schriftliche Informationen ausreichten, um die Hauptkomponenten eines zu errichtenden Gebäudes festzulegen. Andererseits bildete die explizite Repräsentation der Strukturen von Bauwissen in schriftlicher Form zum einen den Ausgangspunkt für seine Verselbstständigung zu einem theoretischen Kanon, wie man ihn dann im Architekturtraktat von Vitruv findet. Zum anderen schlug sie eine Brücke für die Vernetzung dieses Wissens mit dem Wissen anderer Erfahrungsbereiche, wie dem Bau von Kriegsmaschinen und im Allgemeinen mit dem mechanischen Wissen. Allerdings ging mit der Verselbstständigung des theoretischen Architekturwissens auch eine gewisse Abkoppelung von der Baupraxis einher, so dass es nicht verwunderlich ist, dass die Praxis antiken Bauens sich nicht nach der Theorie richtete und dass die Tradierung theoretischen und praktischen Wissens bis zur Renaissance weitgehend getrennt voneinander verlief.

Im Mittelalter wurden schriftliche Planungsinstrumente und theoretisches Architekturwissen nur sehr begrenzt genutzt, obwohl sie nicht völlig unbekannt waren. Dies belegt zum Beispiel der Idealplan eines karolingischen Benedektinerklosters, wie er uns durch den Klosterplan von Sankt Gallen vom Anfang des 9. Jahrhunderts überliefert ist. Auch kommentierte Exzerpte aus antiken Traktaten, so wie narrative Überlieferungen von Bauprojekten, aber auch die schriftliche Fixierung der Leistungen von Werkmeistern zeigen, dass es eine schriftliche Tradierung von Bauwissen im Mittelalter gab. Ihre Bedeutung wuchs erst im 12. Jahrhundert mit der Zunahme der Bautätigkeit insgesamt. Aus dem 13. Jahrhundert ist das Musterbuch des Villard de Honnecourt überliefert, das zugleich deutlich macht, welche Rolle der Wissensaustausch zwischen den verschiedenen Baustellen für die Planung mittelalterlicher Bauwerke hatte.

Durch den Humanismus der Frühen Neuzeit erhielten antike Textquellen, und in unserem Zusammenhang insbesondere der Text von Vitruv, eine paradigmatische Rolle. Im Gegensatz zur Antike wurde jetzt ein schriftlich festgelegter Baukanon als normativer Bezugspunkt für die Praxis aufgefasst. Darüber hinaus übten, wie bereits ausgeführt, die Ruinen antiker Gebäude selbst diese Vorbildfunktion aus. Zugleich aber mussten solche Vorbilder antiker Formen auf der Grundlage des im Mittelalter tradierten praktischen Bauwissens realisiert werden. So entstand eine Spannung zwischen normativer Form und tatsächlichen Konstruktionsverfahren, wie sie für die Renaissancearchitektur charakteristisch ist. Während in der Baustellenpraxis der frühen Neuzeit die Regeln Vitruvs keinerlei Rolle spielten, nahmen zeitgenössische Architekten wie Carlo Fontana bei der Verschriftlichung von baupraktischem Wissen, etwa über den Kuppelbau, auf sie Bezug – offensichtlich in dem Versuch Baupraxis und -theorie stärker miteinander zu integrieren. Die Spannung zwischen beiden führte zu einer Differenzierung zwischen Gestaltungs- und Konstruktionsaufgaben, ebenso wie zu einer veränderten sozialen Stellung des Architekten gegenüber den Bauausführenden. Diese Differenzierung wurde allerdings nur möglich durch den hohen Organisationsgrad, den die Bauverwaltung in den Städten bereits seit dem späten Mittelalter erreicht hatte.

Vor diesem Hintergrund und ausgehend von einer konsolidierten Baupraxis, war es bereits den Baumeistern gotischer Kathedralen möglich, experimentell zu bauen und die Grenzen vorhandener Bautechniken auch jenseits von Planungshorizonten zu explorieren. Die mittelalterlichen Baumeister taten dies im Austausch und in Konkurrenz zueinander, blieben jedoch dem institutionellen und ästhetischen Rahmen überlieferten praktischen Bauwissens verhaftet. Der experimentelle Anteil ihres Vorgehens war daher weitgehend in den Bauprozess selbst integriert. In der Renaissance hingegen erhielt dieser Anteil eine größere Eigenständigkeit, wie die handlungsleitende Rolle von Planungsmodellen in allen Phasen der Konstruktion der Kuppel des Florentiner Doms illustriert. Experimente wurden zum bewussten Teil des Planungsprozesses. In der Baupraxis konnten sie allerdings nur vor dem Hintergrund einer hoch entwickelten Bauorganisation diese produktive Rolle spielen.

1.2.4 Umweltbedingungen, Baumaterialien und Bautechniken

Zu den epistemischen Voraussetzungen des Bauens gehörte seit frühester Zeit die Kenntnis von Naturstoffen aus Pflanzen, Tieren sowie von Erde, Lehm und Steinen und ihre Verwendbarkeit für die Konstruktion von Behausungen im Zusammenhang mit Umweltbedingungen meteorologischer und geologischer Art. Diese Kenntnisse umfassten das Wissen über Beschaffung, Transport, Aufbereitung und Verwendung solcher Materialien im Baukontext, aber auch Erfahrungen mit der Haltbarkeit und Erneuerungsbedürftigkeit der resultierenden Konstruktionen. Dieses Wissen war sozial verfasst und wurde durch Beteiligung an den entsprechenden Arbeitsprozessen weitergegeben.

Bautechnische Errungenschaften im Neolithikum

Man kann davon ausgehen, dass dieses Wissen zunächst im Hintergrund erhalten blieb, als im Neolithikum neue Bauaufgaben und neue Baumaterialien hinzukamen. Insbesondere erhielt sich das in gemeinschaftlichen Bauerfahrungen ausgeprägte soziale und epistemische System von Zusammenhängen zwischen Handlungszielen, wie der Errichtung eines Baus, und der zu seiner Realisierung notwendigen, möglicherweise kooperativen Vorbereitungshandlungen wie die Beschaffung von Baumaterialien.

Im Zusammenhang einer Wissensgeschichte der Architektur zeichnete sich das Neolithikum vor allem durch neue Bauaufgaben und eine veränderte Nutzung von Umweltressourcen zu ihrer Realisierung aus. Die neuen Bauaufgaben waren das Ergebnis einer Reihe miteinander zusammenhängender Prozesse, wie die Entstehung partieller Sesshaftigkeit, der Wechsel der Subsistenzstrategie von der Nahrungsaneignung zur Nahrungsproduktion und die zunehmende Größe und Differenzierung sozialer Gruppen.

Zu den neuen Bauaufgaben gehörten gemeinschaftlich genutzte Wirtschafts- und Versammlungsgebäude sowie Speicherbauten und Terrassierungsmauern. Die veränderte Umweltnutzung bestand in der Verwendung neuer, anorganischer Baumaterialien wie Sand- und Kalkstein, in neuen Anwendungen und der weitergehenden Aufbereitung von bekannten Materialien wie Lehm für Bauzwecke, während Transportaufwände durch die Wahl des Bauortes nach wie vor gering gehalten wurden. Allerdings gab es auch unter diesen Bedingungen immer noch beachtliche Herausforderungen an die erforderlichen Transportleistungen. So mussten zum Beispiel in Göbekli Tepe Megalithen ohne Zugtiere mindestens 300 Meter weit über eine Höhendifferenz von 11 Metern transportiert werden. Es gibt Vermutungen, dass dabei Schlitten, Roll- und Gleithölzer sowie Zugseile und Hebel zum Einsatz kamen. Im obermesopotamischen Nevalı Çori wurden um 8600 v. Chr. Bauteile aus härterem Baustein gefertigt, der aus einer Distanz von etwa drei bis vier Kilometern herantransportiert werden musste. Aus den späteren nordwesteuropäischen Megalithkulturen gibt es sogar Hinweise auf Steintransporte über eine Strecke von sechs Kilometern hinweg.

Die wesentlichen Elemente des Bauens mit anorganischen Materialien, die Errichtung von Mauern sowie die Herstellung von Fußböden und in gewissem Maße auch von Dächern sind Innovationen dieser Epoche. Sie verdanken ihre Entstehung zugleich der Größe und Funktion der benötigten Bauten im Siedlungs- und Wirtschaftszusammenhang, sowie dem vorhandenen Baumaterial, also der größeren Verfügbarkeit von Stein und vor allem Lehm im Vergleich zu Holz in Mesopotamien. Im weiteren geschichtlichen Verlauf bildeten Steinmauern und Fußböden jedoch unabhängig von ihrer Entstehung unter historisch spezifischen Randbedingungen ein bleibendes Element der Architektur.

Eine der wesentlichen bautechnischen Errungenschaften des Neolithikums ist die Entwicklung stabiler Mauern und ihre Verknüpfung. Während zunächst einreihige Mauern gebaut wurden, gibt es seit der ersten Hälfte des 9. Jahrtausends v. Chr. stabilere zweischalige Bruchsteinmauern. Im Verlauf des 9. Jahrtausends gewannen eckige Grundrissformen eine Dominanz gegenüber ovalen Grundrissformen. Damit stellte sich das Problem einer stabilen Verknüpfung der an den Ecken zusammentreffenden Mauern. Allmählich erwiesen sich die Vorteile einer stabilen Eckverzahnung gegenüber stumpf aufeinander treffenden Mauern. Seit dem späten 9. und frühen 8. Jahrtausend v. Chr. setzten sich offenbar sorgfältig gearbeitete Steinmauern durch.

Eine weitere bautechnische Errungenschaft des Neolithikums ist die Transformation des Werkstoffs Lehm von einem komplementären Baumaterial, das eine aus Holz geformte Primärkonstruktion abdeckte und verschloss, zu einem primären Baustoff, der schließlich zu einem Schlüsselelement allen späteren Bauens wurde. Lehm wurde zunächst in einer Aufbautechnik verwendet, bei der feucht aufgebrachte Lehmlagen zunächst einige Tage trocknen mussten, bevor die nächste Schicht darauf gelegt werden konnte. Diese Bautechnik verlangte ein Minimum an vorausschauender Planung, machte aber das Bauen zeitaufwändig und verhinderte den Einsatz einer hohen Zahl an Arbeitskräften. Bereits im 9. Jahrtausend v. Chr. wurden Mauern auch aus handgeformten und luftgetrockneten Lehmziegeln gebaut, die mit bloßen Händen geformt wurden. Dies hatte den Vorteil, dass diese Ziegel vorgefertigt werden konnten und somit die Bauvorbereitungsphase vom eigentlichen Bauprozess getrennt werden konnte, was eine erhebliche Beschleunigung des Bauprozesses zur Folge hatte. Allerdings stellte diese Bauweise höhere Anforderungen an eine vorausplanende Logistik, da die erforderliche Materialmenge mit Blick auf das zu errichtende Gebäude abgeschätzt werden musste. Ab dem 8. Jahrtausend wurden vereinzelt quaderförmige Lehmziegel fabriziert, offenbar unter Verwendung von Modellen. Infolgedessen ließen sich jetzt regelrechte Ziegelverbände herstellen, ohne den Einsatz von größeren Mengen von Fugenmörtel notwendig zu machen. Die dergestalt erreichte Standardisierung von Bauteilen verstärkte die Tendenz zu rechtwinkligen Gebäudeformen und ermöglichte stabilere Mauern durch die Überdeckung von Stoßfugen. Allerdings wurden im Neolithikum noch keine gebrannten Ziegel verwendet, obwohl es seit dem 8. Jahrtausend bereits Keramikgefäße gab.

Schließlich sei als weitere Errungenschaft des Neolithikums noch der Umgang mit Kalk und Gips genannt. Insbesondere die Herstellung von Kalkestrichen verlangte einen aufwändigen, mehrstufigen Prozess, der offenbar bereits im Frühneolithikum bekannt war. Dabei musste zunächst Kalkstein zerkleinert und bei Temperaturen von über 850 Grad mehrere Stunden gebrannt werden. Danach musste Wasser hinzugegeben werden. Der so gelöschte Kalk konnte nun als Estrich unter Hinzugabe weiterer Stoffe auch farbig verarbeitet werden und härtete an der Luft.

Ebenso wie bei der Verwendung von Stein, konnte auch bei der Verwendung von Holz auf einen jahrtausendealten Erfahrungsschatz zurückgegriffen werden, der sich sowohl auf die Einschätzung von Materialeigenschaften als auch auf ihre Bearbeitung erstreckte. Neu war nicht die Bearbeitungstechnik im Einzelnen, sondern die konstruktive Verwendung, für die neue mentale Modelle des praktischen Wissens entwickelt wurden, die Antworten auf statische Herausforderungen boten. Bemerkenswert ist insbesondere die Verwendung von Hölzern als Bauteilen in Kombination mit Stein und Lehmbauten. Holz wurde zur Dachkonstruktion eingesetzt, aber auch in Mauern integriert, etwa zur Verbesserung des inneren Wandverbands. Neolithisches Materialwissen wurde mit sehr unterschiedlicher Reichweite in andere Regionen und spätere Zeiten überliefert. Während sich die Verwendung aus Lehm gefertigter Ziegel in praktisch allen nachfolgenden Epochen findet, blieb die Herstellung von Estrichen mit Hilfe von Kalkverbrennung nur eine Episode, da die verwendeten Techniken offenbar für lange Zeit wieder in Vergessenheit gerieten.

Bauen und naturräumliche Bedingungen in Mesopotamien

Im 4. Jahrtausend v. Chr. entstanden im Zweistromland zum ersten Mal größere Städte und damit auch neue Bauaufgaben. Vor allem aber setzte in dieser Zeit eine demographische Entwicklung ein, die dazu führte, dass das Bauen eine Aufgabe für eine immer größere Anzahl von Menschen wurde, die in die neuen sozialen Systeme einbezogen waren. Diese Entwicklung hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Auswahl von Baumaterialien und -techniken sowie auf die Verbreitung des Wissens darüber.

Die naturräumlichen Bedingungen Mesopotamiens führten zu unterschiedlichen lokalen Ausprägungen dieser Entwicklung, etwa in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit geeigneter Steinmaterialien und von Holz. Dennoch setzte sich auf breiter Fläche und für sehr lange Zeit ein Baumaterial und eine Bautechnik durch, die den neuen Massenansprüchen an das Bauen entsprach – der Lehmziegelbau. Der Lehmziegelbau vereinigte mehrere Vorteile in sich: Er nutzte ein weit verbreitetes, leicht zugängliches und leicht zu verarbeitendes Material; die Bauvorbereitung konnte von der Baudurchführung getrennt werden, so dass vorhandene Arbeitskräfte optimal genutzt werden konnten; die Ziegel eigneten sich außerdem zur Realisierung einer Vielzahl verschiedenartiger Bauten und die Arbeit mit Ziegeln setzte keine spezialisierten bautechnischen Kenntnisse voraus. Da Ziegel sowohl im Alltagsbauen als auch für Repräsentationsarchitektur eingesetzt wurden, war die Infrastruktur und das Wissen für ihre Herstellung ein beständiger Teil der gesellschaftlichen Wissensreproduktion. Andererseits bedurften Bauten mit sonnengetrockneten Ziegeln einer ständigen Erneuerung und erzwangen auf diese Weise die Aufrechterhaltung der entsprechenden Infrastruktur. Die Beschränkung auf das Trocknen statt des Brennens der Ziegel hing mit der Knappheit der verfügbaren Holzressourcen zusammen.

Das Bauen mit getrockneten Ziegeln hatte einige Nachteile. Die Ziegel nahmen leicht Feuchtigkeit auf und waren für die Fundamentierung weniger geeignet als Steine. Darüber hinaus benötigten große Ziegelverbände zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen. Diese Nachteile wurden durch die Verwendung anderer Baumaterialien und entsprechend angepasster Bautechniken kompensiert. Gebrannte Ziegel und Putz wurden als Schutz gegen Feuchtigkeit verwendet, Fundamentierung und Grundmauer häufig aus Stein gebaut, und Schilf zur Stabilisierung von Mauerwerk und Dachabdeckung verwendet.

Die Siedlungen in größeren Städten machten Wasserbau und damit geeignete Bauformen notwendig, um den Zufluss, die Verteilung und den Abfluss von Wasser zu bewältigen. Diese Bauten, beispielsweise in Form von Aquädukten, Tunneln und Kanälen, aber auch die in Gruften, Öfen oder Türbogen anzutreffenden Gewölbe, stellten ebenfalls neuartige Anforderungen an Baumaterialien und das damit verbundene Wissen. Dieses betraf zum einen die Wasserresistenz der verwendeten Materialien und zum anderen die Festigkeit des Baumaterials, aber auch den Erneuerungs- und Reparaturbedarf der errichteten Gebäude.

Die breite Verfügbarkeit von Ziegeln als Bauelemente führte zur Durchsetzung neuer Bautechniken, insbesondere zur Einführung verschiedener Wölbtechniken. Die Überdachung durch Gewölbe bot sich zum einen aufgrund der Holzknappheit an und zum anderen auch im Hinblick auf die klimatischen Bedingungen im Inneren des Gebäudes und die besseren Möglichkeiten seiner Instandhaltung. In diesem Zusammenhang sind Lernprozesse zu beobachten, die sich über längere Zeiträume erstrecken und zu neuen mentalen Modellen des praktischen Wissens führten. Wölbtechniken aus ungebrannten Ziegeln waren bereits seit prähistorischer Zeit bekannt. Dabei wurde allerdings zunächst Kragtechnik mit weitgehend horizontalen Lagerfugen verwendet, bei der das Gewicht des Gewölbes über die Stützmauern senkrecht abgeleitet wird, während der Schlussstein keine statische Bedeutung hat. Seit frühdynastischer Zeit, also seit Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr., traten erste Radialgewölbe im Kufverband auf. Im Gegensatz zu den uneigentlichen, in Kragtechnik gebauten Gewölben, erforderte ihre Errichtung ein Lehrgerüst. Als Grundlage dieser Lernprozesse diente offenbar die breite Verwendung von Gewölben beim unter- und überirdischen Bauen. So wurden Gewölbe bei Öfen, Grabkammern, Toren, Sakral- und Palastgebäuden, aber auch bei Wohnbauten eingesetzt. Gewölbebautechnik setzte offenbar keine spezialisierte Fachkompetenz voraus. Diese war nur an wenigen Orten vorhandenen. Wissen über Gewölbebau war dagegen in ganz Mesopotamien weit verbreitet, wurde jedoch unterschiedlich eingesetzt. So wurden in Südmesopotamien Gewölbe in oberirdischen Räumen seltener eingesetzt als in Nordmesopotamien, wo sich das Gewölbe als architektonisches Ausdrucksmittel im 3. Jahrtausend v. Chr. durchsetzte.

Ein für Mesopotamien besonders wichtiges Beispiel des Ingenieurbaus ist der Wasserbau, der spätestens seit dem frühen 3. Jahrtausend v. Chr., insbesondere im Süden Mesopotamiens, wo Regenfeldbau nicht möglich war, eine auch politisch zentrale Rolle spielte. Das Grundprinzip des Wasserbaus ist die Ableitung des Wassers aus Quellbecken oder Flüssen über ein Netzwerk von Kanälen zu den eigentlichen Bewässerungsanlagen und schließlich die Ableitung und Rückführung des Wassers. In der Nutzung des Wasserbaus stellt sich schließlich ein Gleichgewicht zwischen Wasserverbrauch, landwirtschaftlichem Ertrag und Bevölkerungsdichte ein. Es ist davon auszugehen, dass die langfristige Exploration dieser Bedingungen zu der Gleichgewichtssituation führte, die in den archäologischen Quellen dokumentiert ist. Diese Gleichgewichtssituation zeichnet sich darüber hinaus durch eine gewisse Flexibilität bei der Anpassung an unterschiedliche Umwelt- und Bedarfsbedingungen aus. Zudem ist es plausibel anzunehmen, dass auf jeder Anpassungsstufe logistische Planungsleistungen erbracht werden mussten und konnten. Bautechnisch zentrale Elemente dieses Systems sind der Kanalbau, der Bau von Stauwehren, Speichern, Fassungswerken, Tunneln und Aquädukten.

Umwelterfahrungen und Materialwissen in Ägypten

Das Bauen in Ägypten war durch die besonderen geographischen Bedingungen des Landes geprägt. Insbesondere galt es, überschwemmungssicheren Baugrund zu finden. Allerdings stellte sich diese Herausforderung in unterschiedlicher Form für Grabarchitektur, die in der Wüste errichtet werden konnte, und für Tempelarchitektur, die zumeist im Niltal gebaut wurde. Für die Fundamentierung monumentaler Architektur spielte nicht nur Stein eine Rolle, sondern auch Sand als Schutz gegen Feuchtigkeit und Erdbeben, sowie Schlammziegel. Die Auswahl des Baugrunds, der vor Überschwemmungen sicher war, gründete auf eine jahrhundertelange Erfahrung. Durch die hohe Kontinuität der ägyptischen Kultur konnten Gebäude und ihre Beschädigungen in besonderem Maße als Wissensträger dienen. Aus diesem Grund ist es denkbar, dass die Tiefe von Fundamentgräben, ihre Verkleidung mit Ziegeln und ihre Füllung mit Sand als Reaktion auf das Auftreten von Erdbeben verstanden werden könnte. Auch verschiedene Techniken der Gebäudeentwässerung und die Tatsache, dass Gebäude nach Innen orientiert wurden, um sie so weit wie möglich vor Licht und Wärme zu schützen, kann als Resultat akkumulierter Erfahrungen mit klimatischen Belastungen aufgefasst werden. Allerdings haben sich nicht alle wesentlichen kollektiven Erfahrungen im Bauwesen erfolgreich in Anpassungs- und Lernstrategien niedergeschlagen. So wurden die Holzbestände, insbesondere die Verfügbarkeit des für den Bau wichtigen Hartholzes durch Überrodung knapp und mussten frühzeitig durch Import ergänzt werden.

Andererseits wiederum haben sich Umwelterfahrungen in Lernprozessen niedergeschlagen, die für das ägyptische Bauen entscheidende Konsequenzen hatten. Klimawandel und die mangelnde Expansionsfähigkeit der Ackerflächen im Niltal hatten gegen Ende des alten Reichs zu einer Hungersnot geführt. Offenbar als Reaktion darauf wurden seit dem mittleren Reich große Anstrengungen im Wasserbau unternommen. Zum ersten Mal wurden von staatlicher Seite wasserbautechnische Maßnahmen ergriffen, die eine Regelung der Wasserzufuhr auf die Ackerflächen ermöglichten und dabei halfen, Überschwemmungen einzudämmen.

Den Ausgangspunkt für die Materialkenntnisse, die sich im ägyptischen Bau nachweisen lassen, bildete Wissen, das seit dem Neolithikum und zum Teil seit dem Paläolithikum überliefert wurde. Zu den ältesten Bautechniken gehörte der Holzskelettbau mit Mattenbehang und Schlammbewurf. Steinbrüche lassen sich in Ägypten bis in das Mittelpaläolithikum zurückverfolgen, wurden zu dieser Zeit allerdings hauptsächlich zur Gewinnung von Steinwerkzeugen benutzt. Stein wird in der ägyptischen Architektur in Bruchsteinmauerwerk seit der Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. verwendet, wahrscheinlich unter vorderasiatischem Einfluss. Stein wurde auch für die Herstellung von Steingefäßen verwendet. Ebenso wie in Mesopotamien bildeten diese archaischen Verwendungen von Stein die Grundlage für das Wissen, das dann später in die Architektur einging. Die Kenntnis von Holzbau hatte eine wichtige Quelle im Schiffbau, der im Nildelta schon früher eine Rolle gespielt haben muss. Die Ziegeltechnik hatte ihre Wurzeln zum einen in der Verwendung von Schlamm als Flechtwerkbewurf, und war zum anderen wahrscheinlich das Ergebnis eines Wissenstransfers aus Mesopotamien. In Ägypten wurden gebrannte Ziegel nur ausnahmsweise und für besondere Zwecke wie Fundamentierung auf feuchtem Untergrund verwendet. Das mag sowohl daran gelegen haben, dass das Brennen von Nilschlamm zu keinen qualitativ hochwertigen Ziegeln führte, als auch an der Knappheit von Brennmaterial.

Wie in allen frühen städtischen Zivilisationen, entstanden auch in Ägypten neue Bauformen, die dementsprechend neue Anforderungen an das Materialwissen stellten. Dazu gehörte insbesondere die monumentale Architektur, deren primäres Baumaterial Stein war. Aber auch die Verwendung von Ziegeln in konvexen und konkaven Schichten zur Errichtung von stabileren Mauern, sowie die Verwendung speziell geformter Ziegel für Gewölbe und Trommeln zeigt wie Materialwissen und Wissen über Bautechnik und Bauformen sich gegenseitig beeinflussten. Neues Materialwissen entstand allerdings vor allem entweder durch eine Kombination bereits vorhandenen Wissens oder durch die Notwendigkeit neues Wissen zu erzeugen, das die Bewältigung der neuen Bauaufgaben ermöglichte. Stein, Ziegel und Holz wurden, jedenfalls in monumentalen Bauten, oft miteinander kombiniert eingesetzt und dies offenbar durchaus im Bewusstsein der sich ergänzenden Materialeigenschaften. Darüber hinaus entstand neues Materialwissen als Reaktion auf die Herausforderung, große Lasten zu bewegen und in stabilen Konstruktionen zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Die immer wieder gestellte Frage nach dem bautechnischen Wissen hinter den ägyptischen Monumentalbauten wurde oft mit Spekulationen über raffinierte mechanische Hebetechniken beantwortet. Damit wird allerdings die Dehnbarkeit tradierten Bauwissens unterschätzt. Mit Lehm und Ziegeln ließen sich gewaltige Rampen bauen, über die man große Lasten transportieren konnte, wenn man es verstand, sich zugleich Materialwissen über Gipsschlamm als Gleitmittel und Mörtel zunutze zu machen.

In Ägypten spielte Schlammmörtel (für Ziegelarchitektur) und Gipsmörtel (für Steinarchitektur) eine größere Rolle als Kalkmörtel. Der Grund für die geringere Rolle des letzteren bestand weniger in den für die Herstellung von Kalkmörtel erforderlichen Brennstoffressourcen als vielmehr in der bereits genannten Verwendung von Gipsmörtel als Gleitmittel. Ägyptischer Gipsmörtel weist typischerweise einen hohen Anhydridanteil auf, der dazu führt, dass der Mörtel langsamer abbindet und auf diese Weise bessere Gleiteigenschaften erhält. Da die ägyptische Transport- und Hebetechnik wesentlich auf der Verwendung von Rampen beruhte, war diese Eigenschaft entscheidend. Rampen wurden in vielfältigen Formen und Steigungen gebaut. Sie waren zum Teil massiv oder Zellenstrukturen mit Schuttfüllung. Sie wurden in Kombination mit Gerüsten verwendet, die es ermöglichten, Baumaterial an seinen Einsatzort zu bewegen und die zugleich als Manövrierfläche dienten. Die eigentliche Hebetechnik dagegen beschränkte sich offenbar auf die Verwendung von Seilen und auf die Nutzung von feinem trockenem Sand, der unter schweren Bauteilen, wahrscheinlich auch Obelisken, entnommen wurde, um diese abzusenken. Darüber hinaus verwendete man Stemmstangen und große Hebel um Lasten zu bewegen.

Ebenso wie in Mesopotamien schuf auch in Ägypten die Ressourcen- und Beschaffungsökonomie die maßgeblichen Rahmenbedingungen für das Baugeschehen. Ägyptische Baumbestände waren, wie bereits ausgeführt, seit dem Ende des Neolithikums durch Menschenhand reduziert und wurden durch die Einführung neuer Spezies, wie die Dattelpalme, und seit frühdynastischer Zeit durch Holzimporte aus dem östlichen Mittelmeerraum kompensiert. Entsprechend wurde Holz sparsam eingesetzt. Erfüllte Holz in Monumentalbauten zwar stützende und ergänzende Funktionen, kam reiner Holzbau nur bei Möbeln und Schiffen vor.

Stein wurde nur selten für die Herstellung von profanen Bauten eingesetzt und unterstand der königlichen Verfügungsgewalt. Insofern war die Verwendung von Stein zentral gesteuert und konnte auf Ressourcen der gesamten Verwaltung des ägyptischen Staates zurückgreifen. Das machte es möglich, ihn über längere Strecken zu transportieren und die damit verbundenen Planungsherausforderungen zu bewältigen. Stein war zum Teil direkt in Ägypten vorhanden, wurde jedoch auch aus den umliegenden Wüsten beschafft. Während bis in das mittlere Reich vor allem Kalkstein in großer Menge zum Bauen mit Werkstein verwendet wurde, kamen später Sandstein und Granit hinzu. Hatte der Materialwechsel ursprünglich politische und religiöse Schwerpunktverschiebungen zur Ursache gehabt, so erkannte man später zunehmend deutlich die unterschiedlichen Materialeigenschaften und setzte die Gesteine entsprechend ein. Stein wurde in Steinbrüchen durch die Isolierung von Blöcken auf fünf Seiten und anschließende Absprengungen abgebaut. Dabei wurden Metallwerkzeuge, unter anderem Hebel und – in römischer Zeit – auch Keile, eingesetzt.

Transportprobleme wurden so weit wie möglich durch den Transport zu Wasser auf Schiffen bewältigt. Allerdings waren die Oasen der Westwüste nur über Straßen erreichbar. Für den Straßentransport schwerer Lasten wurden Esel und Ochsen als Zugtiere, vielfach aber auch Menschen eingesetzt. Diese zogen Schlitten und seltener auch Wagen. Dabei kamen Seile und unterlegte Rollen zum Einsatz. Der Vorteil bei der Verwendung von Menschenkraft lag darin, dass diese leichter zu lenken war. Bereits in frühdynastischer Zeit wurden Schwertransporte quer durch ganz Ägypten realisiert. Dabei bestand die Herausforderung im Wesentlichen darin, die Einsatzlogistik großer Mengen von Material und Menschen zu bewältigen.

Baumaterialien in Griechenland

Auch in Griechenland zählten Holz, Stein und Lehmziegel zu den wichtigsten primären Baumaterialien für den Profan- und Sakralbau. Die Entwicklung von monumentalem Sakralbau im 7. Jh. v. Chr. stellte in Bezug auf das verwendete Material einen Einschnitt dar, weil dieser zu einer sehr viel breiteren Verwendung von Stein führte. Erst ab dieser Zeit existierten Steinbrüche für die verschiedenen, insbesondere im Tempelbau eingesetzten Steinarten, vor allem Sedimentgestein, Kalkstein, Kalksandstein und Marmor, aber auch magmatische Gesteine wie Granit und Basalt. Sowohl an Holz als auch an Steinen wurde verwendet, was im griechischen Siedlungsgebiet verfügbar war. Später, nach der Entwicklung der Monumentalarchitektur, wurden Steine gezielter nach ihren Materialeigenschaften eingesetzt. Die Verwendung von Holz beruhte auf einer detaillierten Kenntnis seiner Materialeigenschaften wie Feuchtigkeitsresistenz, Bruchfestigkeit und Anfälligkeit für Schädlinge. Dieses Wissen spielte auch bei der Beschaffungslogistik und der Bauvorbereitung eine wichtige Rolle. So wurden bestimmte Bäume zu bestimmten Jahreszeiten gefällt, Holz lange gelagert und zum Teil auch vorbehandelt.

Die verschiedenen Baumaterialien wurden miteinander kombiniert genutzt und waren teilweise untereinander austauschbar. Holz wurde im Steinbau zur Ausstattung der Bauten mit Türen, Fenstern, Treppen, Decken und Dachstühlen genutzt. Für hochwertige Bauten konnten einzelne dieser Elemente auch aus Stein angefertigt werden. Allerdings war es unüblich Holz- durch Steinkonstruktionen mit Hilfe von Wölbtechniken zu ersetzen. Holz wurde auch im Lehmziegelbau und für Werkzeuge verwendet. Stein dagegen wurde in der Profanarchitektur fast ausschließlich im Fundamentbereich eingesetzt. Neben Profan- und Sakralbauten gehörten auch Straßen-, Brücken- und Hafenbau zu den Bauaufgaben im antiken Griechenland. In diesen Bereichen wurde vor allem in Stein gebaut. Holz wurde für die Errichtung von Brücken kleinerer Spannweite verwendet. Eine besondere Schwierigkeit im Brücken- und Hafenbau stellte das Fehlen von wasserfestem Mörtel dar.

Baumaterialien, besonders Holz, wurden über ein weit gespanntes Handelsnetzwerk beschafft, das offenbar weitgehend von Privatunternehmen getragen wurde, zugleich aber den Kräften politischer und militärischer Auseinandersetzungen unterworfen war. Durch dieses Handelsnetzwerk entstand eine Ressourcenökonomie, die den unterschiedlichen Materialien unterschiedliche Preise zuschrieb und damit auch den Impuls gab, die verschiedenen Qualitäten dieser Materialien zu identifizieren, festzuhalten und zu überprüfen. Auf diese Weise wurde Materialwissen differenziert und verbreitet. Wissen über die Qualität von Baumaterialien wurde zum Teil schriftlich tradiert.

Anders als in früheren Epochen wurde in Griechenland der Landtransport anhand von Wagen mit Rädern bewerkstelligt, was wiederum ein Netzwerk von Straßen voraussetzte. Ebenfalls bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das frühe Vorkommen von Brückenbau aus Stein.

Innovative Baumaterialien in Rom

Bauen in Rom wurde durch naturräumliche Bedingungen begünstigt. Bau- und Brennholz standen in einem Maße zur Verfügung, das dazu führte, dass vor allem gesellschaftliche Erfahrungs- und Lernprozesse und nicht Ressourcenknappheit die Auswahl von und das Wissen über Baumaterialien bestimmten. Holzkonstruktionen wurden in allen Maßstäben eingesetzt für Theaterbauten, bei der Skelettbauweise von Häusern, im Innenausbau, jedoch auch zur Fundamentierung sowie für Brücken, Werkzeuge und Maschinen. Das Wissen über die spezifischen Materialeigenschaften und die Qualität von Holz wurde ähnlich wie in Griechenland und zum Teil unter Rückgriff auf griechische Quellen verschriftlicht und systematisch eingesetzt. Ähnlich wie in Griechenland wurde Stein nur in beschränktem Maße in der Profanarchitektur und in größerem Maße in der Sakral- und Repräsentationsarchitektur eingesetzt.

Das rasante Wachstum der Stadt Rom seit Beginn der Kaiserzeit machte allerdings zunehmend den Import von Baumaterialien notwendig, der nicht mehr allein aus dem Hinterland zu decken war. Vorzugsweise wurde dafür der Wassertransport genutzt. Folglich entstanden neue Bauaufgaben im Rahmen des Hafen- und Kanalbaus. Obwohl Rom seit der Kaiserzeit ein hervorragendes Fernstraßennetzwerk besaß, spielte dieses für den Transport von Baumaterialien eine eher geringfügige Rolle. Für den Nahtransport vom Hafen zur Stadt und innerhalb der Stadt wurden Wagen eingesetzt, die von Ochsen oder Maultieren gezogen wurden. Die Wagen verfügten über relativ große Räder, die bei leichteren Wagen als Speichenräder, bei schwereren als Scheibenräder gearbeitet waren.

Eine ebenso rasante Entwicklung vollzog sich bei der Verwendung von und im Wissen über künstlich hergestellte Baumaterialien. Es ist davon auszugehen, dass in Rom ähnlich wie in früheren Perioden vor allem Lehm im Profanbau eingesetzt wurde, und zwar als Stampflehmbau (Pisé) und in der Ziegelbauweise. Die rasch fortschreitende Stadtentwicklung und zunehmende Bevölkerungsdichte Roms führte allerdings dazu, dass diese basale Technik künstlicher Materialherstellung rasch weiterentwickelt wurde. Aus der Notwendigkeit heraus mehrstöckige Gebäude zu errichten entwickelte sich der Fachwerkbau, bei dem das tragende Gerüst aus Holz besteht, während Füllungen entweder aus Lehm oder aus Stein gefertigt werden. Der Nachteil dieser frühen römischen Fachwerkhäuser bestand jedoch darin, dass sie in hohem Maße brandgefährdet waren.

Dieser Umstand führte zu Beginn der Kaiserzeit zu einer zunehmenden Verwendung von Brandziegeln, die zuvor vornehmlich für spezielle Baufunktionen eingesetzt worden waren. Hier spielte offenbar ein Rückgriff auf das griechische Wissen, wie es in den griechischen Siedlungen Süditaliens vorhanden war, eine wichtige Rolle. Brandziegel eigneten sich auch zur Weiterverwertung entweder als Bausteine oder als Ziegelmehl. Die Wiederverwendung von Ziegeln als Baustein lässt sich anhand ihrer Stempelmarkierung verfolgen und nahm in spätrömischer Zeit besonders große Ausmaße an. Die Wiederverwendung als Ziegelmehl, das als Beigabe für Mörtel verwendet wurde, führte möglicherweise zur Entdeckung neuer Festigkeitseigenschaften, denn der mit Ziegelmehl hergestellte Mörtel erwies sich als ein hydraulischer Mörtel, der nicht nur fester als reiner Kalkmörtel war, sondern auch unter Wasser abband.

Die Verwendung von Brandziegeln für die Errichtung mehrstöckiger Wohnhäuser und Repräsentationsbauten stellte jetzt auch höhere Anforderungen an Bindemittel. Dies führte dazu, dass zu Beginn der Kaiserzeit verstärkt neue Mörtelformen erprobt und eingesetzt wurden. Eine noch größere Auswirkung als der hydraulische Mörtel hatte die Erfindung des Zementmörtels, also des römischen Betons, opus caementitium, auf die römische Bautechnik. Das opus caementitium bestand aus zwei äußeren Mauerschalen und einem Kern aus in Mörtel verlegten Bruchsteinen. Dabei wurde die Last vom Betonkern getragen, während die Mauerschalen nur zur Verblendung dienten. Der Zementmörtel entstand durch Zugabe von Puzzolanerde zum Löschkalk und zeichnet sich zum einen durch eine vielfach höhere Druckfestigkeit und zum anderen durch Erhärtung auch ohne Aufnahme von Kohlendioxid aus der Luft aus. Die Puzzolanerede war in gewisser Hinsicht nichts anderes als eine Art natürliches Ziegelmehl.

Die entscheidende Konsequenz dieser Erfindung war die Umkehrung des Verhältnisses von Mauerstein und Ziegeln zu Mörtel. Während traditionell der Mörtel als Bindemittel für die Bausteine der Mauer diente, fungierte jetzt der römische Beton als das eigentlich tragende Element, während die Ziegelmauer nur noch als Verkleidung diente. Diese Umwälzung hatte einschneidende Konsequenzen für die Baustellenlogistik, weil zur Herstellung und Verwendung von Beton im Gegensatz zur Werksteinarchitektur kein hochspezialisiertes Erfahrungswissen nötig war, und weil die Druckfestigkeit von Beton die Realisierung völlig neuer Bauformen wie selbsttragende Kuppeln und Gewölbe möglich machte. Solche Veränderungen im Verhältnis verschiedener Bauelemente zueinander haben sich als ein wichtiger Innovationsmechanismus der Wissensentwicklung der Architektur erwiesen. Wie in Rom aus dem Mörtel der Beton hervorging, so war im Neolithikum aus dem Abdeckmaterial Lehm das Bauelement des Ziegels und in der Bronze- und Eisenzeit aus dem Kraggewölbe der selbsttragende Bogen entstanden. Die neuen Materialien sowie die Nutzung von Beton, wurden, wie bereits angedeutet, auch für neue Bauformen und -strukturen genutzt. So haben die Römer als erste das Betonfundament entwickelt, das an die Stelle des Vollsteinfundaments trat. Allerdings verlangte diese neue Technik auch eine größere Planungstiefe, da das zu errichtende Gebäude vor dem Ausheben der Fundamentgräben weitgehend geplant sein musste, weil die Fundamentstreifen nur wenig breiter als die tragenden Mauern angelegt wurden. Für das Errichten von Mauern verwendeten die Römer verschiedenartige, auch regional bedingt abweichende Techniken.

Einige der konstruktiven Errungenschaften der Römer, die durch die Kombination verschiedener Baumaterialien möglich wurden, lassen sich nur vor dem Hintergrund der prinzipiell verfügbaren Modelle für das Überspannen einer Öffnung verstehen. Zu diesen Modellen gehörte die Hängung, wie bei der Hängebrücke, die Balkenkonstruktion, die Bogenkonstruktion und das Sparrengebinde. Im Fall der Hänge- und der Balkenkonstruktion treten Biegespannungen auf, während beim Bogen im Wesentlichen nur Druckkräfte wirken. Die Architekten des Altertums vermieden es deshalb Balken auf Biegung zu belasten und nutzten sie unter anderem zum Auffangen des Wanddrucks. Die Stabilität von Bögen beruht vor allem auf den Druckkräften zwischen ihren Bausteinen, zwischen denen durch den Druck hohe Reibungskräfte entstehen, die das Gleiten verhindern. Mithilfe des meist aus Holz konstruierten Sparrengebindes konnte der Seitendruck durch die Zugspannung des unteren Balkens aufgefangen werden. Druck- und Zugkräfte werden beim Sparrengebinde durch unterschiedliche Teile der Konstruktion aufgefangen.

In der römischen Bautechnik verbanden sich hochentwickelte Gerüstbautechniken unter Verwendung von Sparrengebinden mit Gewölbekonstruktionen größter Spannweite, für die gebrannte Ziegel oder Beton eingesetzt wurden. Die begrenzte Zugfestigkeit von Stein und Beton wurde zum Teil durch Eisenarmierung ausgeglichen. Beim Gewölbebau wurden oft mehrere Konstruktionstechniken miteinander verbunden. So wurden Gusskonstruktionen durch Bögen und Rippen verstärkt. Gewölbe wurden zum Teil mit speziellen Ziegeln oder aus Hohlkörpern konstruiert, die wesentlich leichter waren. Die Kombination der verschiedenen Bautechniken wurde auch genutzt, um unterschiedliche Gewichtsverteilungen zu erreichen, die die Stabilität von Gewölben erhöhte, etwa die Verwendung von leichteren Materialien nahe dem Scheitelpunkt eines Gewölbes und schwererer Materialien weiter unten. Auch der Umgang mit Schubkräften durch die Konstruktion von Strebepfeilern zeigt, dass die Römer detaillierte Vorstellungen von den im Mauerwerk auftretenden Kräften hatten. Dabei stellten die Gebäude selber eine externe Repräsentation solcher mentalen Modelle statischen Wissens dar, eine Darstellung, die allerdings nur für Experten zu erkennen war. Durch die staatliche und militärische Organisation des römischen Reichs war auch das Bauwissen hochgradig standardisiert, was zwar regionale Anpassungen im Einzelnen nicht ausschloss, aber andereseits keine völlig neuartigen individuellen Bauformen aufkommen ließ.

Mit dem Zusammenbruch des römischen Reichs löste sich auch die Infrastruktur auf, die den Hintergrund für die weitgehend standardisierten Bauformen der Römer gebildet hatte. Die Gebäude selbst wurden allerdings noch jahrhundertelang genutzt. Auch das Bauwissen selbst verschwand nicht völlig. Einerseits wurde es im oströmischen Reich weiter tradiert und praktiziert, und von dort u.a. in die frühislamische Architekturpraxis eingeführt, sowie durch Wissensaustausch kommuniziert, und andererseits erhielten sich Kenntnisse und Praktiken im lokalen Handwerk.

Materielle Bedingungen des Bauens im Mittelalter

Bis zum 8. Jahrhundert spielte Holz in Mitteleuropa die entscheidende Rolle unter den Baumaterialien und dies nicht nur für Profan- sondern auch für Sakralbauten. Holz wurde zunächst vor allem aus umliegenden Waldgebieten beschafft und erst später, nachweislich seit dem 11. Jahrhundert, mittels Holzhandel auch über weitere Strecken hinweg transportiert. Mit zunehmender Bautätigkeit seit dem 8. Jahrhundert setzte auch der Steinbau verstärkt wieder ein. Ein bekanntes Beispiel ist der Spolientransport von Ravenna nach Aachen für die Pfalzkapelle Karls des Großen am Ende des 8. Jahrhunderts. Im Allgemeinen wurde vor allem auf Steinbrüche in der Nähe der Baustelle zurückgegriffen. Spätestens seit dem 11. Jahrhundert wurde Stein auch aus entfernteren Gebieten herangeschafft. Die verschiedenen Materialqualitäten wurden gezielt eingesetzt. Steine wurden auch vielfach aus Abbrüchen, vor allem aus römischen Ruinen, entnommen. In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, in karolingischer Zeit, wurden zudem auch Backsteine hergestellt. In Ermangelung von Planungs- und logistischen Möglichkeiten wurde die Herstellung von Backstein dann jedoch erst wieder mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft im 12. Jahrhundert in steinarmen Gegenden wieder aufgenommen.

Antike Bautechniken, wie der Bogen- und Gewölbebau, blieben auch nach dem Untergang des westlichen römischen Reichs erhalten, vornehmlich im Osten. Auch im Westen verschwanden diese Techniken nicht vollständig, sondern überlebten in vereinzelten Nischen, etwa durch beispielgebende Bauwerke, oder auch durch überregionale Kontakte. Allerdings wurden größere Gebäude erst mit der zunehmenden Prosperität und der Entstehung neuer Strukturen wie der Klosternetzwerke ab dem 11. Jahrhundert gebaut. Erst seit dieser Zeit lässt sich ein allmählicher Aufholprozess der Bautechnik gegenüber der Spätantike und dem byzantinischen Osten beobachten. So kam beispielsweise in dieser Zeit der Lastkran auf, und es wurden Rohformen für Bauglieder im Steinbruch vorgefertigt. Insgesamt setzte sich eine verstärkte Organisation auf der Baustelle durch.

Charakteristisch für die romanische Architektur war sowohl die Weiterverwendung antiker Bauformen als auch eine größere Experimentierfreudigkeit, die aus einer gegenüber der Antike völlig veränderten sozialen Struktur des Bauens herrührte. Diese Struktur führte insbesondere dazu, dass Bauwissen stärker lokal verankert und geprägt war.

Bei der Bewältigung statischer Probleme setzte die mittelalterliche Bautechnik vor allem auf Massivität. Erst mit dem Übergang von der Romanik zur Gotik wurden zunehmend innovative statische Elemente wie Strebebögen eingesetzt. Diese dienten dazu, den Seitenschub der Dächer so aufzufangen, dass die Seitenwände entlastet wurden und deshalb weniger massiv und mit immer größeren Fensteröffnungen gebaut werden konnten. Zusätzlich wurden Eisenklammern für Maßwerkfenster verwendet. Ein weiteres innovatives Element war die Beschwerung des Strebebogens durch eine Filiale, die dabei half Scherkräfte aufzufangen. Das Rippengewölbe gotischer Kathedralen konnte so gebaut werden, dass die Rippen als Skelett zunächst die Stabilität des Gebäudes sicherten, bevor die Kappen ausgefüllt wurden und das Gewölbe abschlossen. Auf diese Weise konnte effizienter mit dem Leergerüst umgegangen werden, da dieses zunächst nur die Rippen stützen musste. Der gotische Spitzbogen basierend auf den technischen Grundlagen, die in der romanischen Baukunst geschaffen wurden, hatte gegenüber dem antiken Rundbogen den Vorteil, statisch günstiger und flexibler einsetzbar zu sein, da Krümmung und Höhe freier wählbar waren. Es ist nicht auszuschließen, dass sich in dieser Entwicklung auch Einflüsse und Erfahrungen niederschlugen, die ihren Ursprung in Begegnungen mit der islamischen Welt hatten, wie sie insbesondere nach den Kreuzzügen in der Wehrarchitektur erkennbar sind.

Die gotische Architektur entwickelte sich von der ersten Einführung solcher statischer Innovationen immer mehr zu einer Skelettbauweise, bei der nur die tragenden Elemente massiv gebaut wurden. Hinzu kam eine gestiegene Bedeutung der Vorfertigung und Standardisierung im gotischen Bauen. Insgesamt ist in der Entwicklung der gotischen Architektur ein Lernprozess zu beobachten, in dem statische Innovationen immer konsequenter und experimentierfreudiger eingesetzt wurden. Den Hintergrund dieses Lernprozesses bildete offenbar eine hohe Mobilität der beteiligten Bauleute, sowie die Möglichkeit beim Bauen selbst experimentell vorzugehen, indem zum einen bewährte Bauformen aus anderen bereits errichteten Gebäuden übernommen und bis an ihre Grenzen variiert wurden, und indem zum anderen zunächst einzelne Kirchenschiffe errichtet wurden, an denen die Belastbarkeit der Konstruktion erprobt werden konnte.

Baumaterialien und Bautechniken in der Frühen Neuzeit

Eines der herausstechenden Merkmale des Materialwissens der Renaissance ist seine Dokumentation in zeitgenössischen Traktaten, die auch vielfach Rückschlüsse auf älteres Wissen zulassen. Holz wurde in Italien nach wie vor in seiner ganzen Vielfalt verwendet und unterschieden, das heißt, je nach Material und Verwendung aufbereitet. Das Gleiche gilt für Stein. Hier kommt allerdings eine Wiederverwendung von Marmor sowie bereits bearbeiteter antiker Natursteine in breitem Umfang hinzu. Auch antike Ziegelsteine wurden, wie bereits in der Antike selbst, wiederverwendet und zwar sowohl als Bausteine als auch als Zugabe für Mörtel und Schüttungen. Eine Besonderheit ist die Verwendung antiker Ziegelsteine, deren Poren durch ihr hohes Alter verschlossen waren, für statisch besonders schwierige Bereiche. Auch Puzzolanerde wurde weiterverwertet, allerdings hauptsächlich zur Herstellung von besonders druckfestem hydraulischen Mörtels sowie für geschüttete Wölbungen. Schmiedeeisen wurde insbesondere für Armierungen verwendet, und zwar sowohl im Gewölbebau als auch für hölzerne Dachstuhlkonstruktionen.

Was die Bautechnik betrifft, setzte die Renaissance im Wesentlichen bereits in der Gotik vorhandene Traditionen fort, passte diese allerdings einem neuen Formenverständnis an, für das vor allem in Italien antike Vorbilder maßgebend waren. Die Ablehnung gotischer Bauformen aus ästhetischen Gründen führte zu neuen Bauaufgaben, wie die Überspannung durch Kuppeln anstelle von Kreuzrippengewölben. In Florenz entstand auf diese Weise eine der größten Kuppeln ihrer Zeit, die durch mehrere technische Innovationen möglich wurde. Zum einen besteht die polygonale Kuppel des Florentinischen Doms aus zwei Schalen, die eine virtuelle sphärische Kuppel umschließen. Diese wiederum bestimmt Geometrie und Stabilität des Aufbaus. Zum anderen war die Konstruktion der Florentiner Domkuppel so angelegt, dass sie ohne Lehrgerüst aufgemauert werden konnte. Dies wurde im Detail dadurch ermöglicht, dass die Ziegel nach einem Fischgrätmuster verlegt wurden und sich so bereits während des Bauvorgangs gegenseitig stützten. Darüber hinaus wurden für die Baustelle eine Vielzahl von neuen Maschinen entwickelt und eingesetzt, die den Transport des Baumaterials ermöglichten.

Auch in noch anderer Hinsicht führten neue Bauformen in der Renaissance zu neuen Bauaufgaben. Durch die wachsende Bedeutung der mobilen schweren Artillerie für die Kriegstechnik entstand die Notwendigkeit, den Festungsbau sowohl in seiner Form als auch in seiner Dimension an die neuen Herausforderungen anzupassen. Mauern gewannen immer mehr an Umfang, wurden aber zugleich niedriger gebaut, und zum Teil zweischalig mit massiver Erdfüllung ausgeführt. Als optimale Form für Festungen kristallisierte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts eine polygonale Gestalt heraus, die den defensiven und offensiven Möglichkeiten der Artillerie angepasst war. Mit den gestiegenen Anforderungen an eine geometrische Planung militärischer Architektur etablierte sich diese als eigenständige Disziplin. Zugleich wuchsen auch die Ansprüche an die mathematische Kompetenz der Architekten-Ingenieure der Renaissance. Der Vorgeschichte dieser Ausdifferenzierung professionalisierten Handlungswissens wenden wir uns im folgenden Abschnitt zu.

1.2.5 Bauberufe und professionalisiertes Handlungswissen

Die Verteilung des Wissens im Neolithikum

Im Neolithikum gab es wahrscheinlich noch keine eigentlichen Bauberufe und nur für wenige Bauaufgaben eventuell schon spezialisiertes Bauwissen. Gemeinschaftliche Bauprojekte wurden vielmehr von allen Mitgliedern einer Gemeinschaft oder einer Alters- bzw. Geschlechtsgruppe realisiert. Diese Verteilung von Wissen gewährleistete eine breite soziale Basis und die Möglichkeit langfristiger Tradierung. Innovationen beginnen oft mit individuellen Abweichungen von tradiertem Wissen. Ihr Aufgreifen innerhalb einer Gesellschaft und ihre Integration in die weitere Tradierung hängt von dem sozialen Netzwerk ab, in das das jeweilige Handlungswissen eingebunden ist. In wenig strukturierten sozialen Netzwerken, wie wir sie bei neolithischen Gesellschaften unterstellen dürfen, konnten Innovationen zwar relativ leicht und schnell aufgegriffen werden, aber auch ebenso leicht wieder verloren gehen, weil es ohne Institutionalisierung von Wissen kaum Selektionsinstrumente gibt, die es erlauben, abweichendes Wissen zu bewahren. Innovative Baulösungen, wie zum Beispiel verzahnt gemauerte Eckverbände, wurden offenbar zunächst nur als individuelle Lösungen tradiert und setzten sich erst sehr zögerlich auf breiter Ebene durch. Allerdings gab es offenbar bereits im Neolithikum auch Spezialwissen, das kunsthandwerkliches Geschick oder die Kenntnis der Regeln des Kalkbrennens umfasste. Dieses Wissen könnte bereits das Wissen sozialer Eliten gewesen sein.

Arbeitsteilung und Hierarchie in Mesopotamien

Im altorientalischen Mesopotamien entstand eine hochdifferenzierte Arbeitsteilung im staatlichen Baubetrieb, während das private Bauen nach wir vor gemeinschaftlich vom Bauherrn, seiner Familie und seinen Nachbarn betrieben wurde. Für einzelne Aufgaben wie das Lehmstechen, das Herstellen von Ziegeln und das Herstellen von Körben für den Ziegeltransport existierten Fachtermini, die sich zum Teil auf ausdifferenzierte Berufe bezogen haben könnten.

Die Tätigkeit auf Großbaustellen war streng hierarchisch organisiert. An der Spitze stand der König, bei dem die Bauinitiative und die letzte Entscheidung über die Ressourcen lag. Deren Steuerung oblag den hohen Staatsbeamten. An der Spitze der eigentlichen Bauorganisation standen Oberbaumeister, die die Aufsicht über die Baumeister führten. Innerhalb der Baumeisterhierarchie gab es Aufstiegsmöglichkeiten. Der Baumeisterberuf wurde üblicherweise vom Vater an den Sohn vererbt. Aus Textdokumenten spätbabylonischer Zeit wissen wir, dass die Lehrzeit mehrere Jahre dauerte.

Unter den Baumeistern arbeitete ein Heer von Arbeitern, darunter auch Kriegsgefangene und Deportierte, die wiederum in Gruppen und Untergruppen unter der Leitung von Vorarbeitern eingeteilt waren. Auf diese Weise konnten auf einer Großbaustelle mehrere zehntausende Menschen arbeitsteilig und hochorganisiert an einem Bauprojekt arbeiten. Darüber hinaus muss es Spezialisten gegeben haben, deren technische und planerische Fachkenntnisse dem Wissen späterer Ingenieure und Architekten entsprachen. Im Bereich des Wasserbaus gab es für die Kanalinspektoren sogar eine besondere Bezeichnung, die Ausdruck ihrer hohen, wissensbedingten Autorität war.

Arbeitsteilung und Hierarchie in Ägypten

Die ägyptische Gesellschaft war ebenfalls in hohem Maße hierarchisch organisiert. Eine Elite von schreibkundigen Beamten war für Leitungsaufgaben in praktisch allen gesellschaftlichen Bereichen – sowohl militärischer als auch ziviler Art – verantwortlich. Neben der Fähigkeit schreiben zu können, zeichneten sie sich durch mathematische Kenntnisse aus, die für gesellschaftliche Organisationsaufgaben wie die Zuteilung von Ressourcen relevant waren. Dazu gehörte insbesondere die Einschätzung der benötigten Anzahl von Arbeitskräften und deren Versorgung für bestimmte anstehende Arbeiten. Für dieses Ressourcenwissen war die Kenntnis des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag entscheidend. Zum Beispiel war das Verhältnis zwischen der Größe einer Rampe und dem benötigten Ziegelbedarf Teil des grundlegenden Planungswissens, das oftmals die Gestalt von im Bauprozess angewandten Regeln annahm, die allerdings selbst oft implizit bleiben konnten. Umgekehrt führte dieses in Proportionen ausgedrückte Regelwissen zu einer Modularisierung des Bauhandelns, weil die Anwendung von Regeln konstante Bauformen voraussetzt.

Während die Schreiber Aufgaben aus verschiedenen Gebieten übernehmen konnten, gab es unter den nicht schreibkundigen Handwerkern einen hohen Spezialisierungsgrad. Unter den Handwerkern standen die „Umriss-Schreiber“ und die für die Inschriften zuständigen Graveure den Schreibern am nächsten. Neben den Schreibern und den Handwerkern war eine Vielzahl ungelernter Arbeiter in den ägyptischen Bauprojekten beschäftigt. Es gab sowohl eine horizontale als auch eine vertikale Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung, so zum Beispiel eine fünfstufige Hierarchie von Maurern.

Dieses hierarchisch strukturierte, komplexe arbeitsteilige Handlungssystem war die Voraussetzung für die langfristige Tradierung von Bauwissen. Die konzeptionellen Anteile dieses Wissens blieben zum großen Teil handlungsimplizit und wurden nicht explizit reflektiert. Das handlungsimplizite Bauwissen der Ägypter bildete ein gesamthaftes System, dessen Komponenten nicht unabhängig voneinander denkbar waren. Dieser Systemcharakter wurde jedoch ebenfalls nicht explizit gemacht, sondern bildete den stillschweigend vorausgesetzten Hintergrund des Regelwissens. Dieses System verfügte deshalb nur über eine eingeschränkte Flexibilität und geringe Innovationsspielräume, zumal Innovationen nicht unbedingt auf Wertschätzung stießen.

Die Figur des Architekten in Griechenland

In der klassischen Zeit Griechenlands war die Volksversammlung der Polis die Initiatorin von öffentlichen Bauaufträgen. Sie wählte eine Kommission, die dann als Auftraggeber fungierte. Die Kommission kooperierte mit dem Architekten, der von ihr ein Jahresgehalt bezog und als den Bauprozess begleitender Beamter offenbar dessen Kontinuität garantierte. Darüber hinaus war der Architekt verantwortlich für den ersten Entwurf des Bauvorhabens. Der Beruf des Architekten war aus der Tradition des Schiffbaus hervorgegangen, bei dem der Architekt das öffentliche Amt eines Werftleiters bekleidete. Der politische Kontext der griechischen Polis hatte eine ausschlaggebende Rolle für die Gestaltung des neuen Berufsbilds des Architekten. Er stellte das Moment der Kontinuität im Bauprozess dar, das in früheren Gesellschaften durch staatliche Hierarchien gewährleistet war. Die Notwendigkeit, diese Kontinuität zur Aufgabe eines ausdifferenzierten Berufs zu machen, ergab sich in Griechenland zum einen vor dem Hintergrund eines raschen personellen Wechsels in den politischen Ämtern und angesichts der zunehmenden Bedeutung privaten Unternehmertums. Der Architekt gewann zum anderen durch diese Stellung und wohl auch im Kontext der Konkurrenz zwischen verschiedenen urbanen Zentren eine unabhängige Stellung in Bezug auf Entwurf und Gestaltung.

Im Gegensatz zum Architekten wurden für andere Gewerke im öffentlichen Bauen kurzfristige Werkverträge vergeben. Für die Auftragsvergabe durch die Kommission spielten auch politische und ökonomische Überlegungen eine Rolle. Der Architekt übte dabei für die Kommission eine wichtige Kontrollfunktion aus. Durch das hohe Maß an Selbständigkeit der beteiligten Unternehmer und das Fehlen einer festen Verbindung zwischen Architekt und ausführenden Handwerkern waren die Bedingungen für das Entstehen einer Bauhütte, wie im Mittelalter bis auf Ausnahmefälle nicht gegeben. Die Arbeitsteiligkeit im Bauprozess spiegelte sich im griechischen Kontext – anders als etwa in Ägypten – nicht in einer hierarchischen Organisation wieder, sondern im Prozess der kompetitiven Vergabe spezialisierter Einzelaufträge für einzelne Bauelemente. Das hohe Maß an formaler Standardisierung griechischer Bauten stellte sicher, dass die flexible Arbeitsteilung dennoch zu einer effektiven Integration der einzelnen Gewerke führte.

Die Rolle des Militärs in Rom

Auch im alten Rom wurden Bauaufgaben im privaten und ländlichen Bereich traditionell von Laien erledigt. In den römischen Städten gab es spezialisierte Handwerker, wie Maurer und Zimmerleute, die bei Bauprojekten eingesetzt wurden, aber auch Bauunternehmen, die Aufträge bei größeren Projekten übernahmen. Im öffentlichen Bauen bildeten, ähnlich wie in Griechenland, wechselnde politische Konstellationen und die Tradition der Vergabe von Werkverträgen für Bauaufträge den sozialen Rahmen, innerhalb dessen Bauwissen erzeugt, verwendet und angewandt wurde. Hinzu kam allerdings die bedeutende Rolle, die die römische Militärtradition für die Überlieferung dieses Wissens spielte. Innerhalb des römischen Militärs gab es Fachleute für ein breites Spektrum von Bauaufgaben, von der Errichtung militärischer Anlagen wie Kastelle bis zum Bau von Brücken und Straßen.

Größere öffentliche Projekte und militärische Aufgaben erforderten planerische und technische Kenntnisse, die über das Handwerkswissen hinausgingen. Darüber hinaus erforderte das Spannungsverhältnis zwischen politischen Gremien und öffentlicher Verwaltung einerseits und den technischen Anforderungen größerer Bauprojekte andererseits eine Vermittlungs- und Kontrollfunktion, die von Individuen ausgeübt wurde, die in den zeitgenössischen Quellen als Architekten bezeichnet werden. Hinter dieser Bezeichnung stand allerdings weder ein einheitliches Berufsbild oder eine organisierte Berufsausbildung noch ein einheitlicher sozialer Status. Architekten konnten Sklaven oder Patrizier sein, sie konnten Autodidakten sein oder einer Familientradition entstammen, sie konnten „Stararchitekten“ eines Kaisers sein oder die anonymen Verantwortlichen für den Maschinenpark und die Bauaufgaben einer römischen Legion. Bestimmend war für sie nur, dass sie über das für die römische Architektur charakteristische Wissen um den Baukanon verfügten, so wie über elementare technische Kenntnisse, wie sie für die Herstellung gängiger „Maschinen“ wie Gerüste, Kräne und Flaschenzüge erforderlich waren. Darüber hinaus mussten sie in der Lage sein, die soziale Mittlerrolle zwischen Bauauftraggeber und bauausführenden Handwerkern einzunehmen.

Die eigentlichen Träger römischen Bauwissens blieben jedenfalls meistens anonym. Die Weitergabe dieses Wissens wurde einerseits von privaten handwerklichen Traditionen und andererseits vom römischen Militär garantiert. Anspruchsvolles technisches und planerisches Wissen war zumeist an Einzelpersonen geknüpft, die bedingt durch ihnen vertraute lokale Traditionen – wie etwa die in verschiedenen Teilen des Reichs langfristig tradierte griechische Bautradition – über dieses Wissen verfügten. Im Rahmen der großräumigen politischen und militärischen Verwaltung des römischen Reichs konnte jetzt allerdings auch überregional auf diese Expertise zugegriffen werden. Allerdings musste dabei typischerweise eine Verbindung von römischem Baukanon und lokalem Handwerkerwissen hergestellt werden, die zu entsprechend hybriden Bauformen führte.

Werkmeister und Bauhütte im Mittelalter

Die Großbaustellen mittelalterlicher Kirchenbauten wurden als fabrica und im Spätmittelalter auch als „Hütte“ bezeichnet. Sie unterstanden jeweils einem Bauverwalter, während die technische Leitung einem Werkmeister oblag. Auf einer großen Baustelle arbeiteten typischerweise Hunderte von Handwerkern und Hilfsarbeitern. Die Handwerksberufe waren hochspezialisiert und reichten vom Maurer und Steinmetz über den Zimmermann und Dachdecker bis zum Schmied und Glaser.

Diese Spezialisierung reflektiert zugleich einen hohen Grad an Arbeitsteilung, die jedem Beteiligten, auch dem Gehilfen, eine genaue Bestimmung seiner Aufgabe auf der Baustelle zuwies. Dabei war Kommunikation und Kooperation zunächst nicht so sehr durch einen umfassenden Plan gewährleistet, sondern dadurch, dass die einzelnen Handwerker während ihrer Ausbildung eine Vielzahl dieser Spezialtätigkeiten kennenlernen konnten. Das galt insbesondere für den Werkmeister, der, zumindest im Spätmittelalter, seine Tätigkeit erst ausüben konnte, nachdem er de facto eine Reihe von Berufsausbildungen durchlaufen hatte und zweimal auf Wanderschaft gegangen war.

Ausgehend von einer drei bis fünf Jahre lang dauernden Maurer- und Steinmetzlehre konnte er zum Bildhauer fortgebildet werden. Jedenfalls musste er eine mindestens einjährige Wanderschaft absolvieren, bevor er als Meister auf einer Baustelle arbeiten konnte. Bei einem Werkmeister hatte er die Möglichkeit, Zeichnen und Entwerfen zu lernen, bevor er dann schließlich nach einer weiteren Wanderschaft und insgesamt zehn Jahren Lehrzeit selbst Werkmeister werden konnte.

Die Wanderschaft von Lehrlingen und Meistern, aber auch die Mobilität der praktizierenden Handwerker waren die entscheidenden Mittel der Wissensdissemination des mittelalterlichen Bauens. Der Grad der Mobilität unterschied sich jedoch zwischen den einzelnen Gewerken. Er war bei den Fuhrleuten offenbar niedriger als bei den Steinmetzen und Bildhauern, die über Spezialkenntnisse verfügten, die überregional gefragt waren. Die hohe Mobilität spezialisierter Handwerker führte auf der individuellen Ebene zu einem großen Erfahrungsreichtum und einer Übersicht über verschiedene Baustellen, die dem Werkmeister bei seinen Leitungsaufgaben zugute kamen. Auf der Ebene der Wissensdiffusion führte diese Mobilität zu einer raschen Verbreitung von Baustandards, aber auch von Innovationen trotz des Fehlens externer Wissensrepräsentationen. Am Beispiel der Migration der Bildhauer lässt sich der enorme Einfluss nachweisen, den die Mobilität von Handwerkern und Künstlern auf die Ausbreitung von Stilmustern und praktischem Wissen hatte.

Über einen langen historischen Zeitraum blieben planerische Tätigkeiten eng in die soziale Organisation der mittelalterlichen Bauhütten eingebunden. Der Werkmeister vereinigte in sich die Expertise mehrerer Spezialberufe als „universeller Handwerker“ und war zugleich für die technische Planung zuständig. Das Erlernen von Zeichnen und Entwerfen bildete die letzte Stufe seiner Ausbildung und setzte die Kenntnis von mehr als einer Baustelle voraus.

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts trennte sich die planerische Tätigkeit zunehmend von der direkten Teilnahme am Arbeitsprozess. Es entstanden umfassende zeichnerische Pläne als Grundlage für den Bauprozess. Zugleich stieg das soziale Ansehen des planenden Werkmeisters, der jetzt gelegentlich auch als Architekt bezeichnet wurde. Parallel entstanden Zunftordnungen, die die Ausbildung, Pflichten und Zuständigkeiten, sowie die Versorgung von Handwerkern schriftlich regelten.

Institutionalisierungsprozesse in der Frühen Neuzeit

Auch in der Renaissance bildete nach wie vor die Bauhütte die Grundlage der Arbeitsorganisation einer Großbaustelle, wie zum Beispiel die des Florentiner Doms. Die Verwaltung konnte jetzt allerdings in zunehmendem Maße auf die differenzierten Organisations- und Verwaltungsstrukturen zurückgreifen, die sich in den Städten und insbesondere den Zünften entwickelt hatten. In einer solchen Dombauhütte arbeiteten nicht nur herausragende Architekten und namenlose Hilfsarbeiter, sondern auch qualifizierte Handwerker, denen die Hütte eine Vielzahl von Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten bot. Insbesondere standen lohngebundene Leistungen und unternehmerische Tätigkeiten eng nebeneinander, was neue Chancen sozialer Mobilität eröffnete. Handwerkstätigkeiten wurden nach wie vor von Generation zu Generation weitergegeben. Angesichts der technischen Herausforderungen auch auf handwerklicher Ebene, die mit der Realisierung neuer Bauformen verbunden waren, spielten zunehmend auch experimentelles Vorgehen, zum Beispiel bei Sonderanfertigungen von Ziegeln, eine Rolle, in deren Rahmen Handwerker riskante und verantwortungsvolle Aufgaben übernahmen, die speziell entlohnt wurden.

Die bereits im Spätmittelalter begonnene Verselbstständigung der planenden gegenüber der ausführenden Tätigkeit von Architekten setzte sich in der Renaissance fort und wurde durch einen eigenen Bildungskanon und eine Institutionalisierung der Architektenausbildung verstärkt. Dieser Bildungskanon stützte sich insbesondere auf die Rolle der Antike als Vorbild der Renaissancearchitektur und auch auf die Bedeutung, die dem einzigen erhaltenen Architekturtraktat der Antike, dem Werk von Vitruv, jetzt beigemessen wurde. Das Profil des Architekten wurde, ähnlich wie das von Malern und Bildhauern, an ein humanistisches Bildungsideal angepasst. Dies bedeutet auch, dass in der Renaissance nicht nur erfahrene Handwerker, sondern auch Intellektuelle anderer Provenienz, wie beispielsweise der Jurist Leon Battista Alberti, Architekten werden konnten. Die fachliche Kompetenz von Architekten bestand dementsprechend hauptsächlich in der Beherrschung eines ästhetischen Formenkanons, der sich an der Antike orientierte und in der Fähigkeit bestand, diesem durch eigenständige Entwürfe und Zeichnungen kreativen Ausdruck zu verleihen. Die herausragende Rolle des disegno in der italienischen Renaissance ist also im wesentlichen das Ergebnis einer sozial-historischen Transformation, in der sich die seit dem Mittelalter bestehende Verselbstständigungstendenz planerischen Handelns mit einer ideologischen Überhöhung durch den Antikebezug verband. Diese Tendenz sollte sich später auf breiter Ebene im Rahmen einer zunehmenden Professionalisierung und Institutionalisierung des Bauwesens verstärken. Durch die Entstehung eigenständiger Institutionen, die nicht primär mit Praxis befasst waren, wurden auch neue Möglichkeiten eröffnet, Wissen zu schaffen, das dann seinerseits auf die Praxis zurückwirkte.

1.3 Dynamik des Bauwissens

1.3.1 Der historische Verlauf

Verselbstständigung der Bauorganisation

Die Dynamik des Bauwissens in den hier behandelten Perioden der frühen Architektur lässt sich nur vor dem Hintergrund des gesamten handlungsimpliziten Wissenssystems und seiner Organisation verstehen, das die Bautätigkeit in den jeweiligen Epochen und Gesellschaften ermöglichte. Die Organisation von Bauprojekten wurde, insbesondere in den frühen Zeiten der Architekturgeschichte, wesentlich durch die umfassende gesellschaftliche Struktur geprägt. In den Großprojekten Mesopotamiens und Ägyptens war es der Staat als ganzer, der letztlich ein Bauunternehmen trug. Der König oder Pharao war der Leiter des Projektes, seine unmittelbaren Untergebenen die Verantwortlichen für die Beschaffung der Ressourcen und für die Bauausführung. In Ägypten war die Bauorganisation der monumentalen Begräbnisarchitektur sogar eine ständige Aufgabe des Staates.

In Griechenland entwickelte sich ab Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr., ebenfalls vor dem Hintergrund der gegebenen gesellschaftlichen Strukturen, eine völlig andere, kleinteiligere und flexiblere Organisation des Bauwesens. Hier entstanden, wie wir gesehen haben, projektbezogene Baukommissionen, die einzelne Verträge vergaben, während über die Entwürfe in der Volksversammlung entschieden wurde. Die griechische Praxis übertrug sich, wenn auch auf wesentlich größerer Skala, auch auf die Baupraxis im römischen Reich. Im frühen Mittelalter gab es keine vergleichbar differenzierte Organisation des Bauwesens. Hier wirkten die Bauherren wie Bischöfe und Äbte selbst bei den Entwürfen mit und übernahmen auch einen Teil der Bauorganisation. Gemeinsam ist allen angesprochenen Organisationsformen, dass es bis zum Aufkommen der gotischen Hütten keine Generalunternehmer gab, und dass an der Spitze der Organisation fast nie ein Architekt stand.

Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit löste sich die Organisation des Bauwissens zunehmend von gesamtgesellschaftlichen Strukturen und entwickelte eine zunehmende, auch lokal stark variierende Selbstständigkeit. Angesichts des enormen, kirchenpolitisch, aber auch durch die sich entwickelnden modernen Staaten motivierten Aufschwungs der Bautätigkeit in der frühen Neuzeit entstanden zum Beispiel Baugesellschaften und Firmen, die alle Schritte der Realisierung eines Bauwerks selbst beherrschten oder direkt beauftragten. Bauprojekte wurden häufig in Bauabschnitte gegliedert, die nach Ausschreibung vergeben wurden und von den Auftragnehmern in Eigenregie schlüsselfertig zu erstellen waren. Dies trug einerseits zum Baufortschritt bei, so dass mehr Bauleute gleichzeitig auf der Baustelle arbeiten konnten. Zum anderen wurden diese Baugesellschaften zu Wissensträgern, die ihr Wissen für sich behielten, um bei künftigen Ausschreibungen Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Tradierungsmechanismen

Die historische Dynamik der Entwicklung des Bauwissens wurde auch durch das oft vernachlässigte Verhältnis von Alltagsarchitektur und Großprojekten geprägt. Das der Alltagsarchitektur zugrunde liegende Bauwissen ermöglichte insbesondere die langfristige Überlieferung auch in Phasen, in denen keine Großprojekte unternommen wurden. Umgekehrt hatten Großprojekte oft Rückwirkungen auf Alltagsarchitektur und waren daher Ausgangspunkte für Innovationen, die sich allerdings nur durch die Kontinuität von Alltagsarchitektur langfristig erhielten.

Entscheidend für die Entstehung und Ausbreitung von Innovationen des Bauwissens waren jedenfalls die Tradierungsmechanismen von Wissen in verschiedenen historischen und kulturellen Kontexten. Neben den Gebäuden selbst waren es, wie wir gesehen haben, vor allem die jeweiligen sozialen Strukturen der Gesellschaft als Ganzes, auf denen diese Tradierungsmechanismen letztlich beruhten. Darüber hinaus jedoch kam es auf die Erhaltung oder Veränderung von Umweltbedingungen und der davon abhängigen Ressourcenökonomie an. Diese materiellen Bedingungen ermöglichten entweder die kontinuierliche Weitergabe von Bauwissen oder gaben Anlass zu Veränderungen oder sogar zur Aufgabe von Bauwissen.

Obwohl die monumentalen Bauwerke der alten Kulturen oft über Jahrtausende hinweg wirkten, drohte die Tradierung des ihnen zugrunde liegenden Bauwissens mit dem Untergang der jeweiligen Gesellschaftsordnung ebenfalls zu versinken. Der beschränkte Umfang, in dem die Tradierung kanonischer Bauformen explizites und reproduzierbares Wissen involvierte, bestimmte, neben der Verbreitung und Langlebigkeit überlieferter Bauzeugnisse, zugleich den Grad der Unabhängigkeit des Bauwissens von der jeweiligen sozialen Struktur, wie sich insbesondere an der langfristigen Wirksamkeit der kanonischen Bauformen der griechischen und römischen Architektur ablesen lässt.

Praktisches Wissen und Formensprache

Praktisches Wissen um Bauausführung lässt sich, wie wir betont haben, im Gegensatz zu einem Formenkanon nicht gänzlich verschriftlichen oder in Zeichnungen dokumentieren und verbreiten. Während das formensprachliche Wissen aus den Bauten und Ruinen der römischen Antike zu jedem späteren Zeitpunkt entnommen und durch Zeichnungen oder Beschreibungen vermittelt werden konnte, wie dies in der italienischen Renaissance geschah, beruhten Bautechniken so wesentlich auf handwerklichem Wissen, dass sie nur durch Teilnahme am aktuellen Arbeitsprozess erlernt werden konnten. Formenwissen konnte eine historische Fernwirkung ausüben, während die Weitergabe praktischen Bauwissens gewissermaßen eine Nahwirkung voraussetzte. Im Gegensatz zum Wissen um Formensprache hat das praktische Wissen um die Bauausführung – bedingt durch die regionale Verfügbarkeit von Baustoffen – eine stark von den jeweiligen historischen Bedingungen abhängige Mobilität. Das praktische Wissen war der Tendenz nach regionalspezifisch und besaß Beharrungsvermögen, auch weil es an neue Formerfordernisse anpassbar, also erweiterbar war. Regelmäßig blieb es den Handwerkern vor Ort überlassen, die Technik zu wählen, mit der sie ein Bauvorhaben in die Tat umsetzten. Das Zusammentreffen lokalen handwerklichen Wissens mit neuen Bauformen konnte so zu einer Quelle von Innovationen werden.

Im antiken Griechenland wurden Dekorationen über hölzerne Rollstempel und Matrizen von einem Territorium zum anderen vermittelt. So konnte die Formen- und Bildsprache aus dem griechischen Mutterland in die Kolonien im heutigen Süditalien übertragen und dort in leicht formbare Terracotta umgesetzt werden. Auch die ionische Formensprache wurde in den Kolonien aufgegriffen, wenn sie auch vielfach verändert wurde, weniger plastisch ausfiel und mit dorischen Formen verschnitten wurde. Die Vermittlung erfolgte über Reiseerfahrungen, wandernde Bauleute, aber auch über zirkulierende Schablonen oder Musterstücke. Ein Beispiel für das Zusammentreffen von Formentransfer und lokaler Baupraxis ist der ionische Tempel in Metapont (um 470 v. Chr.). Dort findet man ionisch inspirierte, jedoch keine rein ionischen Formen, die von lokalen Bauleuten realisiert wurden. Tatsächlich sind die Schwierigkeiten, die bestehende lokale Bautechnik auf die neue Formensprache anzuwenden, noch am Bau sichtbar.

Während im Mittelalter Formen zumindest rudimentär über Baurisse zeichnerisch tradierbar waren, galt dies nicht für die Bautechnik. Formen vom Maßwerk ließen sich beispielsweise über Zeichnungen von Ort zu Ort vermitteln. Die Zeichnungen dokumentierten allerdings normalerweise nicht den Fugenschnitt, der von lokalen Gegebenheiten abhing, etwa vom verfügbaren Naturstein und von den Einbaubedingungen. So ist der Fugenschnitt zwischen den Strebepfeilern und den Gewänden der benachbarten Kranzkapellen an der Kathedrale in Beauvais, am Kölner Dom und an der Wernerkapelle in Bacharach, die von der Formensprache her in dieser Sequenz voneinander abhängen, jeweils ganz anders organisiert.

Das römisch-antike Bauwesen galt den Architekten der Renaissance in vielen Fragen der Formensprache und der Bautypologie als Vorbild. Aus der Antike abgeleitete Formvorstellungen wie kassettierte Wölbungen wurden im 15. Jahrhundert allerdings mit der in der Region jeweils vorherrschenden Bautechnik ausgeführt, also etwa in Rom als Schüttung (z.B. das Vestibül des Palazzo Venezia und St. Peter) oder in Oberitalien als reine Ziegelsteinkonstruktion (z.B. Sant’Andrea, Mantua). Dabei wurde das jeweils regionalspezifische praktische Bauwissen im Angesicht neuer Formensprachen ausgebaut.

Die Dynamik der Entwicklung von Bauwissen wurde in hohem Maße durch die historische Auswirkung realisierter Bauten auf nachfolgende Bauprojekte bestimmt. Wie wir gesehen haben, umfasste diese Auswirkung eine Nahwirkung in Form der Tradierung baupraktischen Wissens und eine Fernwirkung durch die Tradierung von Bauformen. Großbauprojekte können im Prinzip als kollektive Experimente aufgefasst werden, in denen Erfahrungen gewonnen und repräsentiert wurden, die in der Folge in Betracht gezogen werden konnten. Die Wirksamkeit solcher Experimente hing allerdings wiederum wesentlich von den Repräsentationsformen des involvierten Bauwissens ab. Diese wurden auch von den Medien bestimmt, in denen sich die zeitgenössische Beurteilung von Bauwerken ausdrücken konnte. Über historische Zäsuren und kulturelle Brüche hinweg war jedenfalls der reale Wissenstransfer über Personen und explizites Bauwissen in seiner Wirkung weitaus beschränkter als die kulturelle Beeinflussung durch bauliche Vorbilder. Das änderte sich erst mit der zunehmenden Explikation und Verwissenschaftlichung von Bauwissen seit der Renaissance durch die Einbeziehung wissenschaftlichen Wissens insbesondere über Stabilität und Materialeigenschaften.

Architekturwissen und Naturwissenschaft

Im Laufe der Geschichte hat sich das Verhältnis der Architektur zur Mathematik und insbesondere zur Geometrie mehrfach verändert. Die umfangreichen Bauprojekte Mesopotamiens und Ägyptens erforderten eine elaborierte, auf Ressourcenkalkulationen beruhende Verwaltung und Logistik. Die dazu erforderlichen mathematischen Kenntnisse gehörten zu einer formalisierten Ausbildung, die ihrerseits zur Entwicklung wissenschaftlichen Wissens im Sinne einer nicht direkt auf Zwecke bezogenen Exploration der Rechenmittel beitrug. In der klassischen Antike wurden elementare Anwendungen von Arithmetik und Geometrie von Anfang an praktiziert, wie etwa die Winkelgenauigkeit an frühen Bauten belegt. Zu den anspruchsvolleren Berechnungen gehörte vor allem die Handhabung der Bruchrechnung, die notwendig wurde, wenn anhand von Proportionen Bemaßungen schrittweise aus Hauptgrößen ermittelt wurden.

Grundlegende geometrische Kenntnisse wie sie für die Landvermessung benötigt wurden, gehörten seit der Antike zur Kompetenz von Architekten. Doch der wesentliche Fortschritt in der Geometrie zwischen dem 4. und 2. Jahrhundert v. Chr. hat praktisch keine Spuren in der Architektur hinterlassen. Anders als die Vermessungskunde und die Astronomie kommt die Architektur kaum als Anwendung in den antiken oder mittelalterlichen Geometrietraktaten vor. Mit Ausnahme der Handhabung von Brüchen, haben sich offenbar selbst die Architekten ehrgeiziger Projekte nicht der fortgeschrittenen Mathematik bedient. Die ersten Architekten, die als Mathematiker ausgewiesen waren, finden sich erst in der byzantinischen Epoche. Die Baumeister der Hagia Sophia, Anthemios von Tralleis und Isidoros von Milet, waren beide Mathematiker. Effektive Anwendungen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse im Bauwesen sind für die Antike nirgendwo zu belegen. Erkennbar sind hingegen Versuche, bereits empirisch bekannte Materialeigenschaften mit Theorien der antiken Naturwissenschaft zu erklären. Ebenso sind Forderungen nach einer umfassenden wissenschaftlichen Ausbildung von Architekten überliefert, die sich allerdings eher auf das symbolische Kapital von Architekten als auf ihr technisches Bauwissen bezogen haben dürften.

Die Verbindung zwischen Architekturwissen und Naturwissenschaft begann erst in der frühen Neuzeit enger zu werden. Dabei wurde auf hellenistische und römische Vorbilder zurückgegriffen, denen unterstellt wurde, genau die Verbindung von Architektur und Wissenschaft bereits erreicht zu haben, die de facto erst das Ergebnis der Transformation des Bauwissens in der Renaissance war. Die Einführung wissenschaftlicher Ergebnisse in die Architektur war zwar bereits ein Ziel ehrgeiziger hellenischer Architekten, ein Trend, der von Vitruv stark gefördert wurde. Die praktischen Folgen dieser Bemühungen blieben jedoch, selbst in der frühen Neuzeit, anfangs noch sehr beschränkt. Stattdessen versorgte umgekehrt das Baugewerbe Wissenschaftler-Ingenieure der Renaissance wie Bernardino Baldi und Galileo Galilei mit einer bedeutenden Erfahrungsgrundlage für ihre theoretischen Vorhaben, insbesondere im Bereich der Mechanik und der Festigkeitslehre.

Entscheidungsdynamik von Bauplanung und Baurealisierung

Im Verlauf des hier betrachteten Zeitraums vom Neolithikum bis zur Frühen Neuzeit unterlag die Entscheidungsdynamik von Bauplanung und Baurealisierung wesentlichen Veränderungen. Während, wie bereits betont, Bauplanung und Baurealisierung in der Alltagsarchitektur immer dicht beieinander lagen und weitgehend von denselben Personen getragen wurden, zeichneten sich die monumentalen Bauprojekte Mesopotamiens und Ägyptens durch die Konzentration des planerischen Bauwissens auf wenige Personen aus, die gleichzeitig Entscheidungsträger waren, nicht aber an der Baurealisierung selbst teilnahmen. Diese Trennung zwischen Bauplanung und Baurealisierung begrenzte die Möglichkeit von Rückwirkungen realer Bauerfahrungen auf die Bauplanung. Dies änderte sich mit der Entstehung des Architektenberufs in Griechenland. Der Architekt verwandelte die Planungswünsche des Auftraggebers vor dem Hintergrund der gegebenen ökonomischen Rahmenbedingungen in konkrete Baupläne und übernahm zugleich die Leitung und Durchführung des Projektes. Damit entstand eine Brücke, die es im Prinzip ermöglichte, die im Rahmen der Baurealisation akkumulierte Erfahrung auf die Bauplanung anzuwenden. Der 1445 geborene Ingenieur Giuliano da Sangallo entwickelte zum Beispiel eine neue Bauweise für kassettierte Wölbungen aus der Kombination von Techniken aus dem Bereich der Holzschnitzerei und dem Gewölbebau. Diese technische Innovation erweiterte ihrerseits die Möglichkeiten baulicher Formgebung.

Infolge solcher Rückkopplungen konnten Bauprojekte zu Experimenten werden, bei denen Planungen gezielt auf Neuerungen ausgerichtet wurden, die dann anhand der gewonnenen Erfahrungen validiert werden konnten. Die Bedeutung dieses Handlungsmodells blieb allerdings in der Antike nicht nur aufgrund der Dominanz kanonischer Bauformen beschränkt, sondern auch weil erst sehr viel später, und zwar in den Städten und auf den Großbaustellen des Spätmittelalters, die institutionellen Strukturen entstanden, die einem solchen experimentellen Vorgehen unter anderem durch die Verschriftlichung von Verwaltungsprozessen eine nachhaltige Wirksamkeit verliehen.

1.3.2 Mechanismen der Innovation

Bauwissen als handlungsimplizites Wissenssystem

Die Innovation des Bauwissens beruht maßgeblich auf einem Prozess der Wechselwirkung zwischen externen und oft kontingenten Herausforderungen und der dadurch ausgelösten inneren Entwicklung des handlungsimpliziten Wissens, das dem Bauen zugrunde liegt. Die externen Herausforderungen können in neuen Bauaufgaben, im Aufkommen neuer Materialien, in Veränderungen von Umweltbedingungen oder auch in gesellschaftlichen und kulturellen Brüchen bestehen, die dazu führen, dass Bautypen aufgegeben werden oder allgemeines Wissen verloren geht. Um die durch solche Herausforderungen ausgelösten Veränderungen handlungsimpliziter Wissenssysteme des Bauens zu verstehen, bedarf es zunächst einer Analyse ihrer wesentlichen Dimensionen, wie wir sie bereits eingangs vorgenommen haben.

Dabei lassen sich – nicht absolut, sondern zur Übersicht – drei Bereiche grob unterscheiden, denen diese Dimensionen zuzurechnen sind: einen materiellen, einen institutionellen (oder sozialen) und einen epistemischen Bereich. Der materielle Bereich umfasst die Ressourcenökonomie der jeweiligen Gesellschaft, die ihr zur Verfügung stehenden Materialien, das Erfahrungswissen über sie und die Möglichkeiten und Instrumente zu ihrer Bearbeitung, sowie natürlich die Bauten selbst und die zu ihrer Errichtung genutzten Techniken. Der institutionelle und soziale Bereich schließt die Organisation der Arbeit ein, insbesondere die Arbeitsteilung auf der Baustelle und die mit ihr zusammenhängenden Ausbildungsformen. Darüber hinaus gehören Logistik und Bauverwaltung, aber auch die Möglichkeiten zur Mobilität der am Bauprozess Beteiligten zu diesem sozialen Bereich. Zum epistemischen Bereich gehören die Planungsinstrumente des Bauens und die damit zusammenhängenden mentalen Modelle, sowie das prozedurale Wissen, aber auch Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen, und, soweit verfügbar, auch das wissenschaftliche Wissen. Dabei können die mentalen Strukturen des Planungswissens, wie oben bereits ausgeführt, in unterschiedlichen Repräsentationsmedien, wie Bauten, Schriften, Zeichnungen und Modellen dargestellt werden.

Typischerweise lösen die beschriebenen externen Herausforderungen Veränderungen in einem handlungsimpliziten Wissenssystem aus, deren Dynamik durch die Interdependenz seiner Dimensionen bestimmt ist. Zunächst existieren Beziehungen zwischen diesen Dimensionen innerhalb des materiellen Bereichs, Beziehungen, die die Grundlage solcher Veränderungen bilden können. So kann die Anpassung von aus der Natur gewonnenen Materialien an spezifische Bauzwecke zur Erzeugung neuer Materialien führen, wie beispielsweise aus der Nutzung von Lehm das Herstellungsverfahren von Ziegeln entwickelt wurde. Auch können Veränderungen im Verhältnis verschiedener Bauelemente zu Innovationen innerhalb des Bereichs der materiellen Dimensionen des Bauens führen, wie wir es an der Umkehrung der tragenden Funktion von Mauerwerk und Mörtel als Folge der Entwicklung von Beton gesehen haben. Innerhalb des sozialen und institutionellen Bereichs gibt es ähnliche Interdependenzen zwischen den zu ihm gehörenden Dimensionen, etwa die zwischen der Mobilität von Bauleuten und der Entwicklung einer Bauverwaltung, die dieser Mobilität Rechnung zu tragen versteht. Innerhalb des epistemischen Bereichs ist es vor allem die Einbeziehung von Wissen aus anderen Domänen und später vor allem die Einbeziehung wissenschaftlichen Wissens, die Anlass zu Veränderungen gibt.

Eigendynamik und Wechselwirkung

Für die drei Bereiche des handlungsimpliziten Wissenssystems des Bauens können jeweils unterschiedliche Mechanismen ihrer Eigendynamik identifiziert werden. Der materielle Bereich ist – natürlich immer mit Verlusten – durch eine Tendenz zur Akkumulation von Wissen über Materialien, Instrumente, Bautechniken und Bauwerken charakterisiert. Innerhalb des institutionellen Bereichs und insbesondere hinsichtlich der Organisation von Großprojekten wirken Tendenzen der sozialen Ausdifferenzierung und der Ausbildung kontrollierende und steuerende Instanzen. Andererseits ist in diesem Bereich eine Akkumulation schon deshalb schwieriger, weil Organisations- und Rechtsformen zwischen verschiedenen Gesellschaften und Kulturen weniger leicht tradierbar sind als die materielle Kultur. Wo vergleichbare Problemstellungen auftraten – was durchaus der Fall war, etwa im Haftungsrecht bei Bauschäden oder bei der Terminbindung von Vertragsarbeiten – wurden effektive Regelungen immer wieder neu erfunden. Eine Akkumulation dieses Wissens fand nur innerhalb von Gesellschaften statt. Die epistemische Dimension des Bauens entwickelte sich vor allem durch Reflexionsprozesse, in denen das Denken über vorhandenes Wissen zur Entstehung von neuem Wissen führen konnte. Die Möglichkeit solcher Reflexionsprozesse hing aber wesentlich von den verfügbaren Medien der externen Repräsentation des Bauwissens ab, während ihre Wirksamkeit an die vorhandenen sozialen Strukturen gebunden waren.

Ausschlaggebend für Innovationen innerhalb eines handlungsimpliziten Wissenssystems sind aber nicht nur Prozesse innerhalb der drei beschriebenen Bereiche, sondern vor allem auch die Wechselwirkungen zwischen ihnen. So führten zum Beispiel die neuen Bauaufgaben, die im Neolithikum entstanden, zu neuen konstruktiven und logistischen Herausforderungen. Dabei musste bereits vorhandenes Wissen über Steinbearbeitung und Logistik in völlig neue Zusammenhänge gebracht und auf anderer Größenskala angewandt werden. Die weitreichenden Folgen dieser Rekontextualisierung von Wissen zeigen deutlich den systemischen und sich selbst verstärkenden Charakter solcher Veränderungen. Materialien und Bautechniken wurden häufig im Hinblick auf Veränderungen der sozialen Struktur des Bauens optimiert. Institutionelle Veränderungen, wie eine Ausdifferenzierung der Arbeitsteiligkeit des Bauens, eröffneten typischerweise neue epistemische Perspektiven. So führte am Ende des Neolithikums die Trennung zwischen der Vorbereitung von Baumaterialien und dem Bauprozess selbst zu neuen Bauformen, insbesondere zur Etablierung von rechteckigen Grundrissen.

Veränderungen der Bautechnik einzelner Komponenten des Baus konnten ebenfalls auf die Konzeption und die Bautechnik des gesamten Bauwerks zurückwirken, wie die Einführung von Strebewerken an gotischen Kathedralen zeigt, die sich schließlich immer weitergehend auf die Formen des gesamten Bauwerks auswirkte. Epistemische Veränderungen wiederum konnten den Ausgangspunkt von institutionellen und materiellen Veränderungen des Bauwissens bilden. Ohne die Schreib- und Rechentechnik der Mesopotamier und Ägypter wäre es unmöglich gewesen, eine Verwaltung aufzubauen, die die für diese Kulturen charakteristischen Großbauprojekte steuerte. Astronomisches und klimatisches Wissen hatte Auswirkungen auf die Auswahl von Bauplätzen und die Ausrichtung von Gebäuden. Wissen über Landvermessung hatte weitreichende Folgen für die bauliche Planung von Städten und Reichen.

Das seit der Antike entwickelte Wissen der Mechanik oder das theoretische Wissen über Stoffverwandlungen, wie es den Gegenstand der neuzeitlichen Chemie bildete, hatte erst spät in der hier behandelten Geschichte Folgen für die institutionellen und materiellen Bereiche des Bauwissens. Letztlich aber bildeten, wie bereits ausgeführt, immer die Erfahrungen von Einzelnen und der von ihnen erzielte Wissensgewinn in der Auseinandersetzung mit den konkreten Herausforderungen des Bauens den Ausgangspunkt für Neuerungen. Ihre Umsetzung in Innovationen des handlungsimpliziten Wissenssystems, das diesem Bauen zugrunde liegt, hing jedoch von der komplexen Dynamik ab, die wir hier zu beschreiben versucht haben, sowie von den durch sie bedingten Resonanzeffekten mit dem Wissen der Einzelnen.

1.4 Bauen als historischer Lernprozess

Bauen ist neben der Nahrungsmittelversorgung eines der fundamentalen Teilsysteme menschlichen Handelns seit der Frühzeit der Menschheitsgeschichte. Es erfüllt menschliche Grundbedürfnisse durch eine Transformation der Umwelt, es trägt zur Regelung menschlichen Zusammenlebens bei und manifestiert sich in unterschiedlichen kulturellen Traditionen, zwischen denen es allerdings im Verlauf der Geschichte immer wieder zu Austauschprozessen kam. Bauen ist im Allgemeinen eine kooperative Tätigkeit, die gesellschaftlich geteiltes Wissen voraussetzt. Dieses Wissen kann in vielfältiger Form repräsentiert sein, primär ist es durch die Instrumente, Gegenstände und Resultate des konkreten Handelns und dessen sprachlicher oder schriftlicher Begleitung repräsentiert.

Die für das Bauen erforderlichen kooperativen Handlungen sind zum einen durch situative Notwendigkeiten und zum anderen durch gesellschaftliche Institutionen vorgegeben. Diese Institutionen im Sinne gesellschaftlicher Regelungsprozesse können einen allgemeinen Charakter haben, also z.B. auch die Nahrungsproduktion, die Ressourcenverteilung und das gesellschaftliche Zusammenleben regeln, sie können aber auch spezifisch auf das Bauen zugeschnitten sein. Bauwissen und Institutionen, die das Bauhandeln organisieren, werden von Generation zu Generation tradiert. Grundlegend ist dabei die Teilnahme an den relevanten Arbeitsprozessen. Die Aneignung dieses Wissens ist also Teil allgemeinerer Sozialisierungsprozesse und war daher über lange Zeit an die dafür primär verantwortlichen gesellschaftlichen Strukturen wie Clans und Familien gebunden.

Größere Bauprojekte erfordern erhebliche gesellschaftliche Ressourcen; ihre Realisierung hängt daher eng mit den verfügbaren Steuerungsmechanismen für diese Ressourcen zusammen. Diese Steuerungsprozesse sind weitgehend durch gesamtgesellschaftliche Mechanismen bestimmt, allerdings finden immer wieder auch Anpassungsprozesse an die besonderen Erfordernisse des Bauhandelns statt. Dazu gehören der hohe Ressourcenbedarf des Bauens, der eine besondere Kontrolle über die eingesetzten Ressourcen und eine Legitimation des hohen Aufwands verlangt sowie Optimierungsstrategien nahelegt. Das Bauhandeln hatte daher historisch immer wieder auch Rückwirkungen auf gesellschaftliche Steuerungsmechanismen, etwa durch ihre Ausdifferenzierung. Diese konnte in Prozessen der Selbstorganisation durch Spezialisierung, die Entstehung oder Eliminierung von Hierarchiestufen, durch Zusammenfassung oder Abspaltung selbstständiger Einheiten, oder die Ausbildung von zusätzlichen Kontrollinstanzen geschehen.

Trotz solcher Rückwirkungen blieb dieses Steuerungswissen vom eigentlichen baupraktischen Wissen, das in ganz anderen sozialen Strukturen tradiert wurde, in hohem Maße unabhängig. Während diese Strukturen in der frühen Geschichte, wie bereits erwähnt, mit den basalen Trägern gesellschaftlicher Sozialisierungsprozesse zusammenfielen, entstanden später auch eigenständige Institutionen wie Bauhütten und Unternehmen, in denen Steuerungswissen in Verbindung mit logistischem und technischem Wissen vorgehalten und tradiert wurde.

Die Tradierung von Steuerungswissen ist überwiegend auf den Fortbestand bestimmter gesellschaftlicher Formationen angewiesen, während sich baupraktisches Wissen auch über Zusammenbrüche solcher Formationen hinweg erhalten hat. Dies ist, wie wir gesehen haben, zum einen auf die andersartige soziale Trägerschaft dieses Wissens zurückzuführen, die auch gesellschaftliche Brüche überleben konnte. Zum anderen liegt diese größere Kontinuität in den materiellen Trägern dieses Wissens begründet, die ihm eine gewisse Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Strukturen verlieh. Die historische Entwicklung von Bauwissen findet daher grundsätzlich auf zwei verschiedenen Zeitskalen statt, innerhalb existierender gesellschaftlicher Formationen und über längere Zeiträume hinweg, die auch Kulturbrüche einschließen.

Innerhalb einer gesellschaftlichen Formation stellt jedes größere Bauprojekt eine kollektive Erfahrung dar, die sich in verschiedenen Formen niederschlägt und zur Voraussetzung nachfolgender Bauprojekte werden kann. Auf die Rückwirkungen solcher Bauprojekte auf gesellschaftliche Steuerungsprozesse ist bereits hingewiesen worden. Darüber hinaus können solche Projekte nicht nur existierende Institutionen verändern, sondern ihrerseits zu Ausgangspunkten neuer gesellschaftlicher Strukturen werden, in denen sich Bauerfahrungen niederschlagen. So können aus der Verstetigung bestimmter kooperativer Handlungsabläufe neue Institutionen entstehen. Die Vermehrung von Bautätigkeit kann zur Entstehung von Netzwerken zwischen Personen oder Ressourcenquellen führen, innerhalb derer sich neue Optimierungschancen ergeben. Vermittlungsprozesse zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Instanzen können ebenfalls zu neuen Institutionen wie dem Architektenberuf oder auch zu neuen Formen der Artikulation von Bauwissen, etwa im Bereich der Planung, führen. Alle genannten sozialen Prozesse stehen in enger Wechselwirkung mit den materiellen und kognitiven Bedingungen des Bauens und sind daher eng mit den oben beschriebenen Innovationsmechanismen verknüpft.

Die Stabilität von Bauwissen über längere Zeiträume ist bereits in den Bedingungen und Prozessen angelegt, die innerhalb einer Gesellschaft stattfinden. Sie ist offensichtlich auf der einen Seite durch die materiellen Bauwerke selbst gegeben, so weit sie die Zeitläufte überstehen. Sie ist auf der anderen Seite, wie ebenfalls bereits ausgeführt, durch die soziale Verankerung dieses Wissens in stabileren weil kleinteiligeren sozialen Strukturen bedingt. Diese beiden Faktoren bilden bereits innerhalb einer gegebenen Gesellschaft die entscheidenden Voraussetzungen für die Stabilität von Bauwissen. Darüber hinaus aber trägt auch ein bestimmter Typus von Gestaltung der Umwelt sowohl zur Stabilisierung von Bauwissen innerhalb einer Gesellschaft als auch zur Entwicklung dieses Wissens über längere Zeiträume bei. Dazu gehören die Errichtung von Verkehrsnetzen, die Erschließung von Ressourcenquellen, sowie die Weiter- oder Wiederverwendbarkeit jeder Art materieller Erzeugnisse einer Gesellschaft. Diese Sedimente können für nachfolgende Gesellschaften sowohl eine Belastung, als auch Opportunitäten für weitere gesellschaftliche Gestaltungsprozesse auf der Grundlage neuer Voraussetzungen bilden. Bereits innerhalb einer Gesellschaft entstehen durch solche Gestaltungsprozesse Plateaus von Handlungsvoraussetzungen, die, wie wir ausgeführt haben, den Ausgangspunkt für Innovationen darstellen können. In der epochenübergreifenden Entwicklung sind solche Innovationschancen umso mehr dadurch gegeben, dass existierende materielle, aber möglicherweise auch strukturelle Sedimente vorangehender Gesellschaften aus völlig neuen Perspektiven weiterverwendet werden können.

1.5 Zukünftige Perspektiven einer Wissensgeschichte der Architektur

Die vorangehende Übersicht fasst einige der Schlussfolgerungen zusammen, die sich auf der Grundlage der vorliegenden Beiträge vom Neolithikum bis zur Renaissance ergeben haben. Sie wären zu überprüfen anhand von Forschungen zu weiteren Kulturräumen und Epochen. Insbesondere würde ein Vergleich der hier behandelten frühen Epochen mit Entwicklungen in Ost- und Südostasien, Afrika, sowie Meso- und Südamerika lohnen. Ebenso wäre es interessant, im Sinne einer Globalisierung des Wissens nach Transfer- und Transformationsprozessen zwischen Byzanz und der islamischen Welt oder zwischen Spanien und dem frühneuzeitlichen Mexiko zu fragen.

Bis ins 18. Jahrhundert bleibt die Anwendung naturwissenschaftlicher Methodik im Bauwesen Einzelfall, während ihr ab dem 19. Jahrhundert eine wachsende Bedeutung zukommt. Die Frage nach der Integration naturwissenschaftlichen Wissens mit anderen Wissensformen hat daher in der jüngeren Architekturgeschichte eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Der Ansatz einer Wissensgeschichte der Architektur kann in diese Lücke stoßen und die langfristige Wirksamkeit praktischer Baustellenerfahrung aufklären. Diese hat nicht nur im 19. und 20. Jahrhundert eine entscheidende Rolle als Ausgangspunkt, Korrektiv und Gegenspieler in Prozessen der Verwissenschaftlichung von Bauwissen gespielt, sondern wird wohl auch zukünftiges Bauen entscheidend prägen.