3 Bauwissen im Antiken Rom

Wilhelm Osthues

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DOI

10.34663/9783945561034-05

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Osthues, Wilhelm (2014). Bauwissen im Antiken Rom. In: Wissensgeschichte der Architektur: Band II: Vom Alten Ägypten bis zum Antiken Rom. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

3.1 Historische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Entwicklung der römischen Architektur

Keine Beschäftigung mit der römischen Architektur kann ein einigermaßen nachvollziehbares Bild ergeben ohne Rekurs auf die römische Geschichte. Rom, in archaischer Zeit eine kleines, von den Etruskern abhängiges Gemeinwesen, hat sich durch seine militärische Expansion praktisch alle Ressourcen erschlossen, über die die Mittelmeerwelt der Antike verfügen konnte – die Materialien, die Arbeitskräfte, die Finanzmittel, und nicht zuletzt das Wissen der besten Architekten seiner Zeit. Ohne diese Expansion wäre die Entwicklung der römischen Architektur, wie sie uns vorliegt, nicht vorstellbar.

Rom hatte aber nicht nur die Machtmittel, die Ressourcen nahezu der gesamten Mittelmeerwelt für sich zu nutzen, es hatte auch die Bereitschaft, kulturelle Leistungen anderer zu adaptieren. Schon Cicero hat offen eingeräumt, dass in weiten Bereichen der Wissenschaft und der Kunst die Griechen den Römern überlegen waren. Ihre Leistungen, etwa im Bereich der Mathematik und Geometrie, seien auf höchstem Niveau und in höchstem Ansehen, „wir dagegen haben uns um diese Kunst nur in soweit gekümmert, als sie beim Messen und Rechnen nützlich ist.“1 Die dritte Quelle, aus der entscheidende Impulse für die Entwicklung der römischen Architektur hervorgingen, waren die Römer selbst, denn die römische Architektur hat ebenso sehr selbst entwickelt wie übernommen. Niemand hat beispielsweise den Römern gezeigt, welches immense bautechnische Potential die Vulkanasche – der pulvis puteolanus – hatte, die gleichsam vor ihrer Haustür lag. Nachdem sie die damit mögliche Herstellung von Beton erlernt hatten, haben sie seine Entwicklungsmöglichkeiten nach und nach ausgereizt, bis hin zu Baukonstruktionen, die im technischen Sinne erst durch die Erfindung des Portlandzements und des Stahlbetons im 19. Jahrhundert übertroffen wurden.

Man kann das alles ablesen an einem der beeindruckendsten Werke der römischen Architektur, dem Pantheon. Die etwa fünfzig Tonnen schweren Säulenschäfte der Vorhalle aus Granodiorit stammen aus Steinbrüchen in der ägyptischen Wüste. Die Formen der Basen, Kapitelle und Architrave der Vorhalle und vieler anderer Bauglieder sind nicht römisch, sondern aus der hellenistischen Architektur übernommen worden. Die Übernahme von Bauformen anderer Kulturen in diesem Umfang, an einem zentralen Bau des Herrscherhauses in der Hauptstadt, wäre in jeder anderen der antiken Hochkulturen vollkommen undenkbar gewesen. Und doch ist die Vorhalle nur der monumentale Eingang zu einem Kuppelsaal, dessen Dimensionen und dessen technische Konstruktion ohne Vorbild in der antiken Welt sind. Wie das Werk, so der Architekt, könnte man meinen, wenn man bedenkt, dass Apollodor ein in Syrien geborener Grieche war, der die genuin römische Technik des Betonbaus bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten beherrschte.

Um die hiermit nur angedeuteten Hintergründe der römischen Architekturentwicklung darstellen zu können, soll im Folgenden zunächst ein kurzer Abriss der staatlichen Entwicklung und Expansion Roms gegeben werden, in dem die Bezüge zur Architekturentwicklung angesprochen sind.2

3.1.1 Gründung der Stadt Rom und Königszeit

Die Gründung Roms und die früheste Phase des römischen Stadtstaates, die man nach der Verfassung die ,Königszeit‘ nennt, lässt sich historisch kaum nachzeichnen. Schon die antiken römischen (und nicht-römischen) Historiker trafen hier auf größte Schwierigkeiten, weil die römische Historiographie erst im 2. Jh. v. Chr. einsetzt, also rund ein halbes Jahrtausend nach dem von Varro angegebenen, später kanonisch gewordene Gründungsdatum der Stadt 753 v. Chr. (die Zählung ab urbe condita).

Die archäologisch nachweisbar ältesten, früheisenzeitlichen Siedlungsreste der Stadt stammen aus dem 10. und 9. Jh. v. Chr. Sie liegen auf dem Palatin (die Roma quadrata der antiken Überlieferung). Bezugspunkt der Ansiedlung war sicher, dass der Tiber in der Nähe der Siedlung wegen der Tiberinsel relativ leicht überquert werden konnte. Wohl bald darauf wurde der Esquilin besiedelt, und in den folgenden Jahrhunderten zunächst der Quirinal, dann das Tal, in dem später das Forum lag. Mit der Besiedelung der Täler in Zusammenhang steht eines der ersten größeren Bauprojekte der Römer, die Anlage des Kanalsystems, mit dem die ursprünglich sumpfigen Flächen zwischen den Hügeln trockengelegt wurden. Die Anlage dieses Cloaca Maxima genannten, später vielfach erweiterten Abwassersystems – von dem einige Abschnitte noch heute genutzt werden – wird dem aus Etrurien stammenden, fünften römischen König Tarquinius Priscus (um 600 v. Chr.) zugeschrieben. Nicht nur politisch, auch kulturell waren in dieser Zeit die Etrusker die Hegemonialmacht, von der die Römer vieles übernahmen. Neben den frühen Architekturformen sind dies insbesondere das etruskische Zahlensystem und die Schrift, die ihrerseits aus einem frühen griechischen Alphabet abgeleitet worden ist. Die Vertreibung der letzten Königs, Tarquinius Superbus, der Tradition nach 509 v. Chr., und die Einführung der Republik dürften gleichbedeutend sein mit der Loslösung Roms aus dem etruskischen Herrschaftsgebiet. Der kulturelle Einfluss blieb aber weiterhin wirksam. So war auch der frühe römische Tempel – d. h. der römische Tempel aus der Zeit vor der Überformung durch Einflüsse des Hellenismus in Italien – im wesentlichen ein etruskischer Typus.

3.1.2 Die frühe Republik

Im Gefolge der Vertreibung des letzten römischen Königs bildeten sich die Eckpfeiler der römischen Verfassung aus: An der Spitze des Staates standen seither zwei jährlich gewählte Konsuln, zunächst aus dem Kreis der patrizischen Nobilität. In diese Periode fallen die sog. Ständekämpfe zwischen Patriziern und Plebejern, in denen die Rechte der Plebs schrittweise, aber nachhaltig erweitert wurden durch die Einrichtung des Volkstribunats und die Zulassung von Plebejern zu praktisch allen politischen Ämtern. Später folgte die Anerkennung der Beschlüsse der Volksversammlung durch den Senat (Lex Hortensia von 287 v. Chr.).

Abb. 3.1: Expansion Roms in Italien bis zum Beginn des 2. Jhs. v. Chr. (Wikipedia, Javierfv1212).

Abb. 3.1: Expansion Roms in Italien bis zum Beginn des 2. Jhs. v. Chr. (Wikipedia, Javierfv1212).

Außenpolitisch fallen in diese Phase die ersten Kämpfe Roms, die den Rahmen inneritalischer Auseinandersetzungen überschreiten. Am Anfang stand jedoch zunächst der Einfall der Kelten aus dem Norden, die unter ihrem Führer Brennus eine Allianz aus etruskischen und römischen Kontingenten vor der Stadt schlugen, und sie anschließend eroberten und plünderten (ca. 390–387). In den folgenden rund achthundert Jahren wurde die Stadt nie wieder erobert. Der nächste nicht-italische Gegner Roms dieser Zeit war der nordwestgriechische König Pyrrhos, den die süditalische Griechenkolonie Tarent zur Hilfe gerufen hatte. Seine Siege gegen das römische Aufgebot in den Kampagnen zwischen 280 und 275 v. Chr. blieben allerdings ohne strategischen Wert (,Pyrrhossiege‘), zumal der Krieg im Endergebnis den Römern erhebliche Mengen an Beute einbrachte. Verwandt wurde sie unter anderem zur Finanzierung des Anio Vetus, der zweiten großen Frischwasserleitung, die in die Stadt führte.

Wesentlich nachhaltiger als diese spektakulären, existenzgefährdenden militärischen Abwehrkämpfe Roms auf gleichsam internationaler Bühne waren die regionalen Offensivaktionen Roms. Auch wenn es sich um eine Vielzahl vergleichsweise begrenzter, und zudem oft langwieriger Kampagnen handelt, so sind es doch gerade diese Initiativen, die auf Dauer Roms Machtbasis substantiell erweitern: Die Kämpfe gegen die Sabiner, Etrusker und vor allem die Samniten (343 bis 282 v. Chr.) brachten Rom die langfristige Kontrolle über Mittelitalien ein (Abb. 3.1). Rom begnügte sich dabei nicht wie Pyrrhos oder die Kelten mit Ruhm und Beute, sondern entwickelte auf Basis dieser Siege ein System von Annexionen, neu gegründeten (Militär-) Kolonien und ungleichen ,Bündnissen‘ mit unterworfenen Völkern und Staaten, die der Stadt vor allem eine erhebliche Steigerung ihres militärischen Aufgebots ermöglichten. Rom hat in der Folgezeit davon sehr wirksam Gebrauch gemacht.

3.1.3 Die mittlere Republik

Während die Zeit bis zum Ende der Pyrrhoskriege Rom die fast vollständige Beherrschung Italiens einbrachte, ist die folgende Epoche – die man bis zum Beginn der Bürgerkriege 133 v. Chr. rechnet – die Zeit, in der Rom zum ,global player‘ aufstieg und die großen Mächte der Mittelmeerwelt, die Republik Karthago im Westen und die hellenistischen Königreiche im Osten, besiegte. Wiederum brachte es die Gebiete der Besiegten schrittweise, schlussendlich aber auf Dauer unter seine Kontrolle.

Die Kämpfe mit Karthago in den drei punischen Kriegen zwischen 264 und 146 begannen als Auseinandersetzung um das im Osten griechische und im Westen punische Sizilien. Rom setzte am Beginn dieser Periode erstmals eine eigene Kriegsflotte ein. Der zweite Krieg brachte Rom an den Rand einer Niederlage durch Hannibal. Der dritte endete mit der offen angestrebten, und dann auch durchgeführten Zerstörung Karthagos als Staat und Stadt. Das karthagische Stammland wurde zur römischen Provinz, wie schon nach dem zweiten Krieg sein Besitz im westlichen Spanien.

Bereits während des zweiten punischen Kriegs begannen die Auseinandersetzungen mit dem griechischen Osten, und zwar wegen eines Bündnisses zwischen Hannibal und dem makedonischen König Philipp V. Wenige Jahre nach dem Ende des Hannibalkrieges besiegten die Römer 197 v. Chr. das makedonische Aufgebot. Der römische Feldherr Flamininus erklärte im darauf folgenden Jahr bei den isthmischen Spielen nahe Korinth alle Griechen für frei – womit aus römischer Sicht allerdings nur das Ende der makedonischen Hegemonie über eine große Zahl formal freier Poleis gemeint war. Bereits fünfzig Jahre später hatten alle griechischen Groß- und Mittelmächte ihre Autonomie verloren. Die einzig verbliebene hellenistische Großmacht des Ostens, das ptolemäische Ägypten, begab sich mehr oder minder freiwillig unter die Hegemonie Roms, und liefert vor allem große Mengen des dringend benötigten Getreides an Rom.

Rom war nun die führende Macht im Osten wie im Westen. Illustriert wird das durch eine berühmt gewordene Episode: Als im 6. syrischen Krieg 169 v. Chr. der Seleukidenkönig Antiochos IV. Epiphanes das mit Rom verbündete Ägypten angriff, forderte ihn der römische Gesandte Gaius Popilius Laenas ultimativ zum Rückzug auf. Als Antiochos auf Zeit zu spielen versuchte, zog Laenas mit seinem Stock einen Kreis um den König in den Sand, und bedeutete ihm, sich über Krieg oder Frieden mit den Römern zu entscheiden, bevor er den Kreis verlassen würde. Antiochos, sicherlich eingedenk der katastrophalen Niederlage seines Vater gegen die Römer bei Magnesia 188 v. Chr., zog daraufhin mit seinem Heer ab. Der Krieg war damit beendet, ohne dass Rom seine Militärmacht überhaupt einzusetzen brauchte.

Vor allem die großen Eroberungen Roms im Osten, aber auch schon vorher die Unterwerfung der unteritalischen und sizilischen Griechenstädte, haben die Kultur, und damit nicht zuletzt die Architektur Roms nachhaltig verändert. Rom flossen als Kriegsentschädigung von den Besiegten teilweise enorme Summen zu, die die finanziellen Möglichkeiten der Stadt auch im Bauwesen erheblich erweitern. Vor allem aber hellenisiert sich Rom zumindest in bestimmten Bereichen viel stärker, als die eroberten Gebiete sich romanisierten: Von seinen Feldherrn geraubte Kunstwerke wurden in großer Zahl der Bevölkerung auf den Triumphzügen präsentiert, Bauten wurden abgetragen, deren Bauglieder für öffentliche Gebäude bei der Anlage von privaten Villen wiederverwendet wurden. Nicht nur Kunstwerke, auch Künstler, Philosophen und andere Intellektuelle wurden von den Feldherren mehr oder minder freiwillig in die Stadt gebracht. Generäle finanzierten aus der Beute nicht nur öffentliche Bauten, sondern engagieren auch Architekten aus dem Osten.3 Teile der römischen Nobilität nahmen – zum Verdruss konservativer Römer wie Cato d. Ä. – aktiv an der Hellenisierung Roms teil. Schon Fabius Pictor, Sohn eines Konsuls, aktiver Offizier und Senator, schrieb die erste bekannte Geschichte Roms auf griechisch. Der Geschichtsschreiber Polybios, als Geisel des Archäerbundes nach Rom gekommen, erhielt Zutritt zum sog. Scipionenkreis um die Brüder, die die Kriege gegen Hannibal und Antiochos den Großen erfolgreich beendet hatten. Selten hat ein militärisch erfolgreicher Staat von den Besiegten soviel übernommen wie Rom.

3.1.4 Späte Republik

Die Zeit ab 133 v. Chr. war im wesentlichen die Zeit der inneren ,Krise der Republik‘, die sich zu den großen Bürgerkriegen ausweitete, die nicht auf Rom beschränkt beschränkt blieben, sondern fast den gesamten Mittelmeerraum erfassten. Die Kriege führen zur Aushöhlung des alten Systems, in dem die Nobilität – letztlich etwa dreihundert Familien – die Macht zeitlich begrenzt an ihre Mitglieder vergab, zugunsten der Macht von Einzelpersonen mit militärischem Imperium, deren Macht im Kern auf der Loyalität der von ihnen befehligten Truppen basierte. Sie endeten mit der Errichtung der Monarchie durch Augustus im Gefolge seines Sieges über Marcus Antonius 31 v. Chr. bei Actium.

Die Krise der Republik war insgesamt gesehen, trotz des Niedergangs der politischen Institutionen und der menschlich wie materiell enormen Kosten, keine Phase der Stagnation oder gar des Rückschritts der Architekturentwicklung. Das hat verschiedene Gründe. Auf die Stadt Rom selbst bezogen bedeutete die Konzentration der politischen Macht in der Hand von Einzelpersonen, dass diese weitgehend frei über die nach wie vor beachtlichen finanziellen Ressourcen des Staates verfügen konnten. Ob nun Sulla, Pompeius oder Caesar, jeder von ihnen versuchte nicht zuletzt durch Bauten, und teilweise ganze Bauprogramme, öffentlich unter Beweis zu stellen, wie sehr die Stadt von der eigenen Herrschaft profitierte. Pompeius beispielsweise setzte den in früherer Zeit vom Senat aus Gründen der ,Gefährdung der Sitten‘ abgelehnten Bau eines permanent bespielbaren Theaters aus Stein durch. Mit Caesar begann der Bau komplexer Ensembles in Rom – die Anlage von architektonisch gestalteten öffentlichen Plätzen im Zentrum der Stadt, die die späteren Kaiserforen vorwegnahmen. Solche als Ensemble geplanten Anlagen kannte man bisher nur aus dem hellenistischen Osten, und dort auch nur in kleinerem Maßstab.

Aus der auf die Heere gestützten Macht von Einzelpersonen resultierte noch ein anderer Impuls für das Bauen, der sich außerhalb Roms niederschlug: Die großen Generäle gelten in ihren Heeren nicht nur als Befehlshaber, sondern auch als persönlich verantwortlich für die Versorgung ihrer Soldaten, deren langjährige Dienstzeit ihnen nicht ermöglichte, sich eine eigene Existenz für die Zeit nach dem Militärdienst aufzubauen. Die Versorgung der Veteranen führte daher zur Anlage neuer Städte auf öffentlichem Land in Italien, die einen ganz anderen Charakter hatten als die frühen Koloniestädte, die primär die Herrschaft Roms in erst kurz zuvor eroberten Territorien sichern sollten.

Ein dritter Impuls ging von der fortschreitenden Provinzialisierung eroberter Gebiete außerhalb Italiens aus. Diese Gebiete waren steuerpflichtig, was in Rom durch die Verpachtung des Steuerrechts an private Gesellschaften (societates publicanorum) organisiert wurde. Die daraus zu erzielenden, enormen Gewinne bedeuteten, dass nicht nur die Generäle im Wege der Kriegsbeute von den Provinzen profitierten, sondern auch Angehörige des sog. Ritterstandes (ordo equester), da Angehörige der Senatsaristokratie von solchen Geldgeschäften ausgeschlossen blieben. Zu ihren Kreisen gehören auch viele der Großgrundbesitzer, die die versklavten Kriegsgefangenen aufkauften und auf ihren Latifundien einsetzten. Der private Reichtum, der auf diese Weise entstand, wurde nicht zuletzt für die Anlage von Landhäusern genutzt, deren Bau- und Ausstattungsluxus ein bisher unbekanntes Niveau erreichte: Schon Varro erwähnt beispielsweise Villen am Meer, deren Fischteiche durch eigens angelegte Tunnel mit Meerwasser versorgt wurden.

3.1.5 Prinzipat

In der ersten Phase der Kaiserzeit erreichte das Imperium seine größte Ausdehnung mit der Eroberung Britanniens unter Claudius und Daciens (Rumänien) unter Traian. Unter dessen Nachfolger Hadrian begann eine neue Phase, in der die Grenzsicherung zur dominieren Aufgabe des Heeres wurde. Die innenpolitische Lage destabilisierte sich ab dem späten zweiten Jh. n. Chr. Die Legionen bestimmten ab dieser Zeit die Politik des Reiches nahezu vollständig, ablesbar nicht zuletzt an über fünfzig sog. Soldatenkaisern in weniger als achtzig Jahren, die ihre Macht allein auf ihren Einfluss in den Heeren gründeten.

Rom selbst entwickelte sich in den ersten beiden Jahrhunderten unserer Zeitrechnung zu der Großstadt, die die noch erhaltenen Ruinen bezeugen. Schon Augustus ging mit großer Energie nicht nur Neubauprojekte an, sondern auch die gravierenden Infrastrukturprobleme, die das unkontrollierte Wachstum der Hauptstadt während der späten Republik mit sich gebracht hatte. Zum Problem geworden war vor allem das Frischwasserversorgung und das Abwassersystem, sowie auch die fatale Entwicklung der Wohnbebauung, da Brände der durch das Aufsetzen immer höherer Geschosse auf die in Lehmziegelbauweise errichteten städtischen Mietshäuser kaum unter Kontrolle gebracht werden konnten. Nero versuchte später den großen Brand von 64 n. Chr. zu einer Restrukturierung den Zentrums zu nutzen.

Die Zeit etwa bis zum Ende des zweiten Jhs. n. Chr. ist zugleich die Phase, in der die römische Kultur und Architektur sich in nahezu allen großen Städten des Reichsgebietes durchsetzte. Das Straßensystem und die vollständige Kontrolle der Seewege im Mittelmeer ermöglichte es, je nach Anspruch, Mitteln und Bedarf im gesamten Reich Bauten auf annähernd stadtrömischem Niveau zu errichten. Eine ähnliche Homogenisierung der Architekturentwicklung im gesamten Mittelmeerraum, und teilweise darüber hinaus (Frankreich, England, Süd- und Westdeutschland) hat es nie zuvor, und auch lange danach, nicht gegeben.

Das Prinzipat war zudem die Zeit der großen Innovationen. Das gilt für die Gebäudetypen wie die Bautechnik gleichermaßen. Beides hängt unmittelbar zusammen: Durch die Entwicklung und Beherrschung des Betons und der Wölbtechniken wurde es möglich, Bauten von enormem Volumen und Räume mit von bis dato unbekannten Spannweiten, in vergleichsweise kurzer Zeit zu realisieren. Zudem konnten nun Brücken gebaut werden, von denen einige selbst die Lasten des neuzeitlichen Verkehrs tragen. Auch der Bau von einigermaßen brandsicheren Mietshäusern mit bis zu fünf oder sechs Geschossen gehört in diesen Kontext.

3.1.6 Dominat – die Spätantike

Mit der Ausbildung des Dominats, d. h. mit den gelegentlich als ,Zwangsstaat‘ apostrophierten Reichsreformen unter Diocletian (284–305 n. Chr.), reagierte das Imperium vor allem auf den sich immer mehr verstärkenden Druck auf die Reichsgrenzen. Diesem Zweck dienten eine ganze Reihe von Maßnahmen, die im Kern die Hebung des Steueraufkommens und die Begrenzung inflationärer Tendenzen im Gefolge der Krise der Reichsfinanzen bewirken sollten. Hierzu gehörte z. B. durch das reichsweit geltende Höchstpreisedikt Diocletians. Militär- und Zivilsektor des Staatsapparates wurden getrennt, die Leitung des Staates auf zwei Kaiser aufgeteilt, denen zwei präsumptive Nachfolger beigeordnet wurden (,Caesaren‘). Diesen Reformen verdankte etwa Trier seinen Status und Ausbau als Kaiserstadt (Augusta Treverorum). Konstantinopel als Kaiserstadt Konstantins revidierte das Teilungskonzept aber bereits wieder, und wurde letztlich zum Zentrum des späteren oströmischen Reiches (Byzanz).

Bedingt vor allem durch die nahezu permanente Überlastung der Wirtschaft durch die immensen Kosten der Grenzverteidigung gegen die beginnende Völkerwanderung, ist in vielen Bereichen der inneren Zerfall des spätantiken Reiches beobachtbar. Das gilt jedoch nicht pauschal für die Architekturentwicklung. Zwar ist der Verfall vieler großer Bauwerke, und auch die nicht mehr ausreichende Instandhaltung der Infrastruktur konstatierbar, doch zeigten die Baumeister dort, wo entsprechende Ressourcen aufgewendet werden konnten, noch immer ihr technisches Können. Dem Verfall der alten Tempelbauten stehen die Neubauten christlicher Kirchen- und kaiserlicher Profanbauten gegenüber, die vor allem die Beherrschung des Bauens von Räumen mit großen Spannweiten in Holz und Stein belegen. Fassbar ist die Krise aber auch bei diesen Projekten, denn für deren Ausstattung plünderte man häufig ältere Bauten. Die Verwendung von Baugliedern älterer Gebäude an Neubauten (Spolien), die mit dem Verlust von handwerklichem Wissen und Können einhergingen, wurde auch nach der Auflösung des römischen Reiches noch jahrhundertelang fortgesetzt.

3.2 Bauverwaltung

3.2.1 Öffentliches Bauen – die Republik

Die Organisation staatlicher Bauvorhaben

Obwohl Rom in republikanischer Zeit sehr umfangreiche Bauprojekte durchgeführt hat – erwähnt sei hier nur das System der Frischwasserleitungen Roms mit einer Gesamtlänge von seinerzeit bereits über 200 Kilometern – und obwohl Rom, Polybios zufolge, für das Bauen mehr Geld ausgab als für alle anderen Bereiche des Staates, hat die Republik niemals eine eigenständige Baubehörde eingerichtet. Ebensowenig gab es öffentliche Baubetriebe. Die Projektleitung war Teil des Aufgabengebietes der regulären Magistraturen,4 und wurde durch Vergabe von Werkverträgen an private Unternehmer realisiert. Das Vergaberecht waren nicht bauspezifisch, die Vertragsform (locatio conductio) dieselbe wie bei vielen privaten Rechtsgeschäften. Grundsätzlich entsprach diese Verfahrensweise im Bauwesen der allgemeinen Struktur des römischen Staatswesens: Rom war – wenn man es so forumlieren darf – ein Prototyp des ,schlanken Staates‘. Öffentliche Aufgaben wurden in einem Umfang an die Privatwirtschaft delegiert, wie ihn heute selbst neoliberale Theoretiker nicht fordern würden. Erinnert sei hier nur an die schon angesprochene Privatisierung des Steuereinzuges, und selbst die Fütterung der kapitolinischen Gänse wurde als Werkvertrag vergeben. Autonome Körperschaften als Träger von Bauprojekten wie Vorstände von Heiligtümern, Priesterschaften u. ä. hatten nicht die Bedeutung wie im griechischsprachigen Osten.

Vor allem während der frühen und mittleren Republik lagen die meisten großen Bauvorhaben, aber auch die Instandhaltung der öffentlichen Gebäude und der Infrastruktur, in der Hand der beiden Zensoren (censores). Die Zensur als eigenständige Magistratur höchsten Ranges war bereits im 5. Jh. v. Chr. geschaffen worden.5 Sie bestand bis zu ihrer Abschaffung 22 v. Chr. durch das Kaiserhaus unter Augustus.6 Besetzt wurde das Amt wie das Konsulat mit jeweils zwei Amtsinhabern, die in der Regel vorher das Konsulat innegehabt hatten. Eine Wiederwahl der Zensoren war im allgemeinen nicht möglich. Die Amtszeit der Zensoren folgte nicht der üblichen Annuität der Magistraturen, sondern hatte einen eigenen Rhythmus: Gewählt wurden die Zensoren alle fünf Jahre,7 ihre Amtszeit betrug jedoch nur achtzehn Monate. Danach blieb das Amt vakant. Dieser Rhythmus, der für die Leitung großer Bauvorhaben offensichtlich problematisch sein konnte (s. u.), erklärt sich durch die Kernaufgaben des Amts, die nur periodisch wahrzunehmen waren: der alle fünf Jahre durchzuführende – namensgebende – Census, d. h. die Führung der Bürgerliste, die Vermögensschätzung und die Erhebung der entsprechenden Vermögenssteuer (tributum), sowie das jeweils zum Ende einer Amtsperiode durchzuführende lustrum, ein Reinigungsopfer der Zensoren für das gesamte Volk. Weiter gehörte zu den Aufgaben der Zensoren die Aufsicht über die Sitten, die auch eine Rolle spielte bei der Festlegung der Liste der Angehörigen des Ritterstandes und der Senatsmitglieder. Angelagert an diese Kernfunktionen waren Aufgaben der Verwaltung von Staatsbesitz, die wie die Baumaßnahmen auf Auktionen öffentlich an Privatunternehmer vergeben wurden, wie beispielsweise Landnutzung, Schürfrechte, Zölle und anderes. Zu den baubezogenen Aufgaben gehörte zudem das entsprechende Aufsichtsrecht, womit insbesondere das illegale Bebauen von öffentlichem Land und das Anzapfen von inner- und außerstädtischen Frischwasserleitungen für den privaten Gebrauch verhindert werden sollte.

Denn Zensoren bekamen, soweit erkennbar, ein Budget per Senatsbeschluss zugewiesen.8 Die Summen konnten enorm sein: Livius17 berichtet, dass den Zensoren für das Jahr 179 v. Chr. die gesamten vectigalia – d. h. alle regulären Einkünfte des Staates mit Ausnahme der Vermögenssteuer – zugewiesen wurden, womit dann unter anderem die Basilica Aemilia errichtet wurde.9 Für das Jahr 169 v. Chr. erhielten sie die Hälfte der Steuern.10 Zu den wichtigsten nicht-regulären Einnahmen, die der Senat den Zensoren zuweisen konnte, zählte die Kriegsbeute. So wurde das zweite große Aquaedukt, der Anio Vetus, aus der Beute des Krieges gegen Pyrrhos finanziert.11 Auch das dritte, die Aqua Marcia, wurde mit Beute bezahlt, die aus den Kriegen gegen den Archäerbund und gegen Karthago stammte. Weitere Finanzquellen waren Strafzahlungen oder Konfiskationen bei römischen Bürgern.12 Das Zuschießen von Eigenmitteln des Amtsinhabers – wie bei den Ädilen üblich, die für die Ausrichtung von Spielen zuständig waren – spielte bei den Zensoren anscheinend kaum einen Rolle.

In der Verwendung der zugewiesenen Mittel waren die Zensoren relativ frei, doch behielt der Senat sich ein letztinstanzliches Entscheidungrecht vor.13 Das zeigt sich beispielsweise an einem Senatsbeschluss, der dem Zensor Gaius Cassius Longinus 155 oder 154 v. Chr. den Bau eines permanenten Theaters aus Stein gegenüber dem Palatin – anstelle der üblichen, nur temporär aufgebauten Holzbauten – untersagte.14 Auch konnte der Senat von den Zensoren ausgefertigte Verträge durch Mehrheitsbeschluss annullieren, und schließlich konnten Zensoren, wie alle anderen Magistrate auch, wegen ihrer Amtsführung nach Ablauf der Amtsperiode belangt werden.

Zu den bekannten frühen Bauprojekten der Zensoren gehört die Errichtung der ersten bekannten Stadtmauer Roms im Jahre 378 v. Chr.15 und der Bau der Via Appia von Rom nach Capua, sowie der Aqua Appia, der ältesten der großen Wasserleitungen 312 v. Chr.16 Der älteste aus den Quellen überhaupt bekannte Bau der Zensoren war die Errichtung ihres Amtslokals, der villa publica, auf dem Marsfeld.17 Hier wurden die Rechnungsbücher geführt und aufbewahrt, und hier arbeiteten die Schreiber und andere Hilfskräfte, die die Zensoren bei ihrer Arbeit unterstützten.18 Ob darunter Architekten waren, ist nicht bekannt. Die Indizien dafür sind ambivalent (s. u.).

Die Zuweisung der Bauaktivitäten an die Zensoren war mit verschiedenen Problemen verbunden. Unmittelbar evident ist die Diskrepanz zwischen Amtsperiode und Bauzeit bei Großprojekten, die vor allem für die großen Wasserleitungsprojekte belegt ist. Die rein formal naheliegende Lösung, einen Bau wegen der zwischenzeitlichen Vakanz unter Leitung des Nachfolgers zu vollenden, ist nur ausnahmsweise nachweisbar für den Bau einer Tiberbrücke.19 Stattdessen wurde schon früh improvisiert. Beim Bau der Aqua Appia gelang es dem Zensor Appius Claudius Caecus nur dadurch, den Bau unter seiner Leitung zu vollenden, dass er gegen die Gepflogenheit am Ende der Amtsperiode einfach nicht zurücktrat – wodurch er, zum großen Verdruss seines Kollegen, allein seinen Namen mit dem berühmten Bauwerk verbinden konnte.20 Eine andere, gleichsam institutionalisierte Form der Improvisation, auf die auch in anderen Zusammenhängen immer wieder zurückgegriffen wurde, war die Einsetzung von projektbezogenen Kommissionen. Schon der Anio Vetus aus dem frühen dritten Jahrhundert wurde unter Leitung einer Kommission vollendet, in der eines der Mitglieder ein ehemaliger Zensor war.21 Solche Kommissionen, die auch für Neubauprojekte eingesetzt werden konnten, wurden einfach nach der Zahl ihrer Mitglieder benannt und eine Aufgabenbezeichnung angefügt (z. B. duumviri aedi locandae = Zwei-Männer-Kommission zur Vergabe und Abrechnung von Aufträgen für den Tempelbau). Eine andere Lösung war, Beamte niederen Ranges, die im normalen Jahresbeamtentum tätig waren, für die Vollendung heranzuziehen. Infrage kamen hierfür vor allem die schon genannten Ädilen, die im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktionen in der Stadt22 auch für die Tempel zuständig waren, so dass sie mit baulichen Maßnahmen ohnehin befasst waren. Neben Fortführungen23 sind schon relativ früh auch Neubauprojekte überliefert, die die Ädilen selbständig geleitet haben.24 Ebenso haben Prätoren nach Ende ihrer Amtszeit Bauprojekte fortgeführt.25 Spätestens mit der sog. Krise der Republik im 1. Jh. v. Chr. löste sich die feste Bindung der Bauleitung an bestimmte Ämter weitgehend auf, so dass nahezu alle höheren Magistraturen Bauprojekte initiierten und durchführten. Gerade die großen Bauprogramme wurden, wie eingangs erwähnt, relativ losgelöst von den Ämtern von den mehr oder minder beherrschenden Einzelpersönlichkeiten der Epoche durchgeführt: Sulla, Pompeius und Caesar bauten in großem Stil und unabhängig davon, welche Ämter sie jeweils gerade innehatten – eine Entwicklung, die die spätere Bindung nahezu aller Großprojekte an das Kaiserhaus bereits einleitete. Bedingt war diese Entwicklung zunächst vor allem durch die ältere Tradition, Befehlshabern in auswärtigen Kriegen, die der Stadt große Mengen an Kriegsbeute eingebracht hatten, de facto ein Verfügungsrecht über Teile der Beute einzuräumen.26

Die Probleme des regulären, von den Zensoren geleiteten Bauens beschränkten sich nicht allein auf den Bereich der Organisation. Phasenweise eine erhebliche Rolle spielen Interessenkonflikte. Der naheliegende Gegensatz zwischen staatlichen Repräsentanten, die möglichst wirtschaftlich mit den ihnen zugewiesenen Mitteln umgehen sollten, und den privaten Bauunternehmern, die an möglichst hohen Gewinnmargen interessiert waren, wurde im republikanischen Rom dadurch verschärft, dass zumindest die Unternehmer mit großen Betrieben und großem Vermögen selbst der Oberschicht angehörten. Sie konnten dadurch potentiell Einfluss auf die Entscheidungen der zentralen politischen Institutionen – Senat und Volkstribunat – nehmen, auch wenn sie dem Senat und dem Tribunat nicht selbst angehören konnten.27 Die Möglichkeiten, eine Opposition gegen die Zensoren zu organisieren, bot sich im übrigen auch dadurch, dass Zensoren, die bei der Vergabe von Verträgen rigoros das staatliche Interesse verfolgten, oft auch beim Census relativ strikt verfuhren, indem sie etwa wegen ihres Lebenswandels Mitglieder aus dem Senat ausschlossen oder Angehörigen des Ritterstandes das staatliche ,Ritterpferd‘ strichen. Bei einem solchen Konflikt 184 v. Chr. gelang es den publicani 28 unter Führung des Titus Flamininus im Senat die Annullierung sämtlicher Verträge durchzusetzen, die der ältere Cato und sein Amtskollege vergeben hatten. Zu den Projekten, die Cato vergeben hatte, gehörte auch der Bau der nach ihm benannten Basilica Porcia, einer Versammlungs- und Gerichtshalle, die das erste belegbare Exemplar dieses Bautyps in Rom war. Zudem sollte Cato eine Strafzahlung von zwei Talenten auferlegt werden. Cato konnte die Annullierung der Verträge nicht verhindern, wohl, dass die publicani, die hinter dem Senatsbeschluss standen, die Verträge zu profitableren Konditionen übernehmen konnten: Er verfügte als Zensor, dass nur diejenigen Unternehmer bei der erneuten Auktion bieten durften, die sich bereits an der ersten Auktion beteiligt hatten. Entsprechend wurden die Verträge von den früheren Bietern zu für sie nur unwesentlich günstigeren Konditionen erneut ersteigert.29

Zu einem ähnlichen Konflikt kam es 169 v. Chr. in der Amtszeit der Zensoren C. Claudius Pulcher und Ti. Sempronius Gracchus, in der unter anderem die Basilica Sempronia am Forum Romanun gebaut wurde30. Die Zensoren hatten bestimmt, dass alle publicani, die an den Ausschreibungen der vorangegangenen Zensur teilgenommen hatten, in ihrer Amtszeit von den Auktionen ausgeschlossen wurden. Was die Zensoren dazu bestimmt hatte, ist nicht bekannt, aber man wird wohl annehmen dürfen, dass der Abschluss von für den Staat ungünstigen, für die Unternehmer ungewöhnlich lukrativen Verträgen der Hintergrund war. Die publicani versuchten zunächst, Widerstand im Senat zu organisieren, scheiterten damit jedoch. Daraufhin brachten sie einen Volkstribunen dazu, die Zensoren vor der Volksversammlung anzuklagen. Das Verfahren endete mit einem knappen Freispruch für die Zensoren. Auf die umgekehrte Problematik, d. h. die Möglichkeiten der bauleitenden Beamten, sich ihrerseits zu bereichern oder bestechen zu lassen, wird weiter unten eingegangen werden.

Die Praxis der Vergabe und Abwicklung von Bauprojekten

Dokumente, die die Vergabepraxis der Zensoren unmittelbar dokumentieren, sind nur in geringer Zahl erhalten. Daraus, und aus diversen anderen Quellen lässt sich aber wenigstens im Umriss das Verfahren beschreiben.31 Das einzige Dokument, das die Vergabepraxis stadtrömischer Beamter in einigen Punkten unmittelbar wiedergibt, ist eine stark fragmentarisierte Inschrift aus dem frühen 1. Jh. v. Chr.32 Der vergebende Beamte war der Stadtprätor Titus Vibius Temuudinus, dem auch die cura viarum oblag. Erkennbar sind in der Inschrift vier Verträge für Reparaturarbeiten an der 117 v. Chr. gebauten Via Caecilia, die vom 35. Meilenstein der Via Salaria zur Adriaküste führte. Die Baulose waren nach Straßenabschnitten aufgeteilt. Die Beschreibung der Leistungen selbst ist nur insoweit erkennbar, als dass jeweils ein eingestürzter Bogen (arcus delaps[us]) repariert werden sollte. Genannt sind sind in der Inschrift die Namen der Unternehmer (mancupes) und die zugeschlagenen Preise der Arbeiten. Der höchste noch erkennbare Preis beträgt über 600.000 Sesterzen. (Zur Kaufkraft: der Tagesbedarf für Lebensmittel eines Arbeiters lag bei etwa 4 Sesterzen). Es gibt ein ähnliches, wohl zugehöriges Inschriftenfragment, in dem der Preis pro Schritt vereinbart wurde.33

Sehr viel detailreicher und wesentlich besser erhalten als diese Dokumente aus Rom selbst ist eine Bauinschrift aus Puteoli, die sog. Lex Puteolana aus dem Jahr 109 v. Chr.34 Sie betrifft die Errichtung eines Torbaus in der Umfassungsmauer des Sarapis-Heiligtums. Vergeben wurde der Vertrag von einer Baukommission (duumviri) an den freigeborenen Unternehmer C. Blossius, der für seine Arbeit drei Bürgen stellte. Festgelegt waren die Zahlungsmodalitäten: Von der vereinbarten Gesamtsumme von 7500 Sesterzen oder Assen35 erhielt Blossius die Hälfte bei Baubeginn, die andere Hälfte nach Abnahme (probatio operis). Ungewöhnlich ist, jedenfalls für unsere Kenntnis der Vergabepraxis, dass die Abnahme nicht allein von den beiden Mitgliedern der Kommission, sondern von insgesamt zwanzig ehemaligen Magistraten vorgenommen werden sollte.

Einzigartig ist die Inschrift hinsichtlich der Exaktheit der Beschreibung der zu erbringenden Leistung: Sie ist so präzise, dass sie als verschriftlichter Bauentwurf gelten kann. So sind beispielsweise für alle Bauteile aus Holz jeweils die Holzart, die Abmessungen und die Dekoration festgelegt.36 Für das Dach ist selbst die Anzahl der Ziegelreihen angegeben. Die Inschrift entspricht in dieser Hinsicht einer griechischen Syngraphé,37 und man kann daher vermuten, dass in Unteritalien die griechische Form der Vergabe von Bauleistungen auch in römisch-republikanischer Zeit noch praktiziert wurde. Ob das auch in Rom selbst üblich war, lässt sich anhand der hier bisher angesprochenen Inschriften jedoch nicht entscheiden.

Aufgrund der präzisen technischen Angaben ist zudem zweifelsfrei, dass mindestens dieser Teil des Vertrages nicht von einem ausschreibenden Beamten, sondern nur von einem Architekten formuliert worden sein kann. Welche Stellung dieser Architekt hatte, bleibt aber unklar. Möglich ist, dass eines der beiden Kommissionsmitglieder selbst Architekt war. Denkbar ist aber auch, dass diese Teile der Inschrift auf ein detailliertes Angebot zurückgehen, das der Unternehmer (und Architekt) Blossius selbst bei der Kommission eingereicht hatte.

Die sicherlich vielschichtigste Quelle, die gleichermaßen die formale Seite wie die möglichen Interessenkonflikte des Vertragsverfahrens anschaulich werden lässt, ist ein Abschnitt aus Ciceros zweiter Gerichtsrede gegen Verres.38 Auch wenn der Fall sicherlich extrem ist, und obwohl der Text einige Interpretationsprobleme aufwirft, soll er im folgenden etwas ausführlicher dargestellt werden:

Der Unternehmer Publius Junius ersteigerte 86 v. Chr. bei den Zensoren einen Vertrag über Arbeiten am Castortempel beim Forum Romanum in Rom. Es handelt sich offenbar um eine Art Wartungs- und Instandhaltungsvertrag, der auch Reparaturen einschloss. Explizit erwähnt werden Reparaturen an der Decke des Tempels, die (Wieder-?)Aufstellung von Statuen und die Restaurierung von Säulen. Einige von ihnen waren offenbar so stark beschädigt, dass sie mit Hilfe eines Krans abgebaut werden mussten, um die Säulentrommeln zu reparieren, erneut zu versetzen und zu stuckieren.39 Bürge für den Vertrag auf Seiten des Unternehmers war Decimus Junius, wohl ein Angehöriger der Nobilität, der mit seinem Landbesitz haftete.40

Etwa fünf Jahre nach Vertragsabschluss, im Jahr 80 v. Chr., starb Publius Junius, und hinterließ einen unmündigen Sohn, der als Erbe auch die Verpflichtungen aus dem Vertrag seines Vaters zu erfüllen hatte. Erst weitere fünf Jahre später, 75 v. Chr., wurde der Vertrag von den Konsuln aufgegriffen,41 offenbar um den Vorgang abzuschließen und den Wartungsvertrag neu zu vergeben. Da die Konsuln selbst, und auch die zuständigen Prätoren, überlastet waren, verwies der Senat die Abnahme der Leistungen des alten Vertrages und die Neuausschreibung an die Stadtprätoren, von denen Gaius Verres die Sache übernahm. Es kam daraufhin zu dem eigentlichen Anlass für den späteren Rechtsstreit: Verres inspizierte die Arbeiten vor Ort, wobei kein Architekt zugegen war, wohl aber Rabonius, der von Verres favorisierte Kandidat für den Folgeauftrag. Rabonius war zugleich einer der Vormünder für den unmündigen Sohn des verstorbenen Unternehmers. Verres, der selbst keinen Mangel erkennen konnte, wollte auf Anraten eines seiner Gehilfen – der von Cicero mit Verres’ eigenen Worten als einer von dessen „Hunden“ bezeichnet wird – die Stellung der Säulen mit dem Lot prüfen lassen: Da kaum eine Säule jemals exakt lotrecht sei, würde es kein Problem sein, auf diese Weise Baumängel festzustellen, die Nachbesserungen bzw. Regressforderungen begründen würden, von denen Verres profitieren könnte. Rabonius widersetzte sich dem zunächst mit Verweis darauf, dass eine solche Kontrolle im Vertrag nicht vorgesehen sei. Trotzdem stellte Verres daraufhin Baumängel fest, und versprach Rabonius im Gegenzug, in der Folge ebenfalls von der Sache zu profitieren.

Die Verwandten und weiteren Vormünder des jungen Iunius versuchten nun zunächst, bei Verres zu intervenieren mit Verweis auf die schwierige Situation ihres jungen Mündels. Als Verres sich weigerte, wandten sie sich an dessen Geliebte, von der bekannt war, dass sie auf Verres’ Amtsführung erheblichen Einfluss hatte. Nachdem auch dies keinen Erfolg hatte, boten sie Rabonius 200 000 Sesterzen, etwa den fünffachen Auftragswert, um die Sache bei Verres zu bereinigen. Gemeint war mit dem Angebot wahrscheinlich, dass Rabonius geringfügige Nachbesserungen vornehmen und den größeren Teil der Summe als Bestechungsgeld an Verres abführen sollte. Verres lehnte aber wiederum ab und initiierte die Ausschreibung der Mängelbeseitigung, deren Kosten der ursprüngliche Unternehmer bzw. dessen Bürgen als Regress zu tragen haben würden. Verres trug nun mit verschiedenen Maßnahmen dafür Sorge, dass die Ausschreibung der Arbeiten nicht publik wurde, und der Termin der Auktion von niemandem besucht wurde. Um mögliche Bieter jenseits seines Kandidaten Rabonius zusätzlich an der Abgabe eines Gebotes zu hindern, fixierte er einen kaum einzuhaltenden, engen Termin für die Fertigstellung. Bei der Auktion erschienen jedoch unerwartet die Verwandten des Mündels, um den Auftrag für ihr Mündels zu ersteigern. Das aber hätte bedeutet, dass sie für ihr Mündel einen Auftrag ersteigerten, den ihr Mündel als Regress zugleich selbst bezahlen müsste – also annähernd Nullsummenspiel,42 bei dem Verres leer ausgegangen wäre. Daraufhin fügte Verres der Ausschreibung einen Passus ein, der alle Unternehmer von der Auktion ausschloss, die an Versteigerungen unter den Zensoren von 86 v. Chr. teilgenommen hatten. Der damit einzig verbleibende Bieter, Verres’ Kandidat Rabonius, erhielt den Auftrag nun für 560 000 Sesterzen, obwohl die Nachbesserungsarbeiten bereits bei 80.000 Sesterzen einen äußerst lukrativen Vertrag dargestellt haben würden.

Das Endergebnis ist, dass das Mündel ruiniert war, da es die zugeschlagene Vertragssumme nicht aufbringen konnte, und entsprechend der Bürge des ursprünglichen Vertrages, Decimus Junius, ersatzweise für die volle Summe haften musste. Decimus bekam allerdings in der Folge, nachdem er massiven Druck auf Verres ausgeübt hatte (womit, bleibt unklar) 110.000 Sesterzen von Verres zurück – offenbar Geld, das Rabonius an Verres weitergereicht hatte. Rabonius, der von Verres gedeckt wurde, beendete die Arbeiten erst mit mehreren Jahren Verzug, obwohl in der Neuausschreibung extrem enge Termine gesetzt worden waren.

Der geschilderte Fall enthält fast die gesamte reguläre Verfahrensweise des römischen Vergaberechts, allerdings immer nur im Spiegel von Verres’ gegengerichteten Maßnahmen: Eine Ausschreibung musste öffentlich annonciert werden. Die Vergabe selbst fand als Auktion statt (licitatio), an der sich jeder beteiligen konnte, der die von der Behörde formulierten Anforderungen an die Bieter erfüllte. Bieter konnten dabei aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen werden. Der ausgebotene Vertrag selbst (lex censoriae) enthielt eine Leistungsbeschreibung und einen Fertigstellungstermin. Weiter mussten die Bieter Bürgen stellen, vermutlich wegen der üblichen Vorschusszahlungen. Die fertiggestellte Leistung musste von der ausschreibenden Behörde geprüft und abgenommen werden. Die technische Abnahme, probatio operis,43 hatte im Rahmen dessen zu erfolgen, was im Vertragstext vorgesehen war. Wurden bei der Abnahme Mängel festgestellt, war der Unternehmer zur Sachmängelhaftung verpflichtet bzw. regresspflichtig. Die Nachbesserung war ihrerseits ausschreibungspflichtig. Die Kosten der Mängelbeseitigung wurden dem Unternehmer auferlegt, an dessen Arbeit die Mängel festgestellt wurden. Geht man die hier angesprochenen Punkte durch, entspricht das republikanische Vergaberecht den einschlägigen Grundsätzen des modernen Vergaberechts (Wettbewerbsprinzip, Transparenzprinzip, Gleichbehandlungsprinzip). Auch manche andere Parallele zu Rechtsstreitigkeiten im modernen Baubetrieb würde sich ziehen lassen.

Öffentliches Bauen – die Kaiserzeit

Mit dem Ende der Republik und der Errichtung der Monarchie unter Augustus verschwanden die republikanischen Institutionen nicht, jedoch verloren sie weitestgehend ihre Kompetenzen. Der Grund für das mindestens formale Fortbestehen der Institutionen war nicht etwa, dass die römische Nobilität dem Kaiserhaus und seinem umfassenden Machtanspruch zumindest teilweise erfolgreiche Rückzugsgefechte geliefert hätte, sondern das Herrschaftskonzept des Augustus. Ihm war vollkommen klar, dass die Beseitigung der Königsherrschaft im späten 6. Jh. v. Chr., an deren Stelle die Selbstverwaltung durch zeitlich begrenzte Wahlämter trat, ein Kernelement der politischen Identität der Römer war. Deren praktisch-politische Bedeutung war ja offen zutage getreten in der keineswegs wirkungslosen Propagandakampagne der Opposition gegen seinen Großonkel, die behauptete, Caesar habe sich zum rex, zum königlichen Alleinherrscher machen wollen. Augustus deklarierte deshalb sein faktisches Machtmonopol gerade nicht als Abschaffung, sondern als Wiederherstellung der alten republikanischen Staatsform nach der von ihm beendeten Periode der Bürgerkriege (‚res publica restituta‘). Das öffentliche Bauen ist eines der Beispiele für diesen Wandel. Zwar wurden auch weiterhin Konsuln, Prätoren und Ädilen gewählt, aber niemand von den Amtsinhabern leitete mehr ein staatliches Bauprojekt in eigenener Verantwortung. Auch die Zensur, die traditionell für das Bauen wichtigste Magistratur, wurde nicht formell abgeschafft, aber sie wurde nicht besetzt, und wenn später doch einmal, dann war fast immer der Kaiser selbst der Amtsinhaber. Für das Bauen hatte die Zensur keine Bedeutung mehr.

Das Kaiserhaus musste sich also für die Leitung seiner seiner Bauprojekte neue Organisationsformen schaffen, zumal da die Bauaktivitäten phasenweise noch weit größeren Umfang hatten als in republikanischer Zeit. Vor allem die Infrastruktur der Stadt war durch die Bürgerkriege teils vernachlässigt, teils zerstört worden. Rom war zugleich unkontrolliert, aber nachhaltig gewachsen. Und schließlich waren imposante Neubauprojekte nicht zuletzt ein legitimierender Nachweis dafür, dass die Stadt von der Herrschaft der Kaiser profitierte. „Ich fand eine Stadt aus Ziegeln vor,44 und hinterließ eine Stadt aus Marmor“, soll Augustus gesagt haben.45 Seine Nachfolger haben es nicht dabei belassen, sondern umfangreiche Projekte initiiert, die man als regelrechte Bauprogramme zu rekonstruieren und zu beschreiben versucht hat, und sich teilweise persönlich dabei engagiert. Erwähnt sei hier nur Nero, der mit seinen Architekten Severus und Celer die riesige Anlage der domus aurea, des neuen Kaiserpalastes im Zentrum Roms plante, oder Rabirius, der unter Domitian umfassende Pläne zur Um- und Ausgestaltung der Stadt vorgelegt zu haben scheint.

Betrachtet man nun sozusagen die Organisationsentwicklung der kaiserlichen Bauaktivitäten, dann zeigt sich ein Prozess schrittweiser Weiterentwicklung, der nur verständlich wird, wenn man neben den funktionalen Erfordernissen bei der Leitung der Bauprogramme zugleich die oben skizzierten politischen Aspekte in Rechnung stellt. Die am besten aus den Quellen in ihrer Entwicklung rekonstruierbare Baubehörde ist die cura aquae, die für die Frischwasser- und Abwassersysteme der Stadt Rom zuständig war.

Die cura aquae und andere staatliche Organisationen

Zur Zeit, als Augustus seine Herrschaft befestigt hatte, war die jüngste der vier vorhandenen Frischwasserleitungen, die Aqua Tepula, bereits über einhundert Jahre alt, und die noch älteren drei – die Aqua Appia, der Anio Vetus und die Marcia – sanierungsbedürftig. Da aber selbst bei voller Funktionsfähigkeit die Kapazität der vier Aquaedukte als nicht ausreichend für die stark gewachsene Stadt angesehen wurde, stand zudem ein Neubauprojekt an, die 33 v. Chr. gebaute, nach dem Kaiserhaus benannte Aqua Julia. Nur zwölf Jahre später wurde noch eine weitere Leitung gebaut, die Aqua Virgo. Auch die innerstädtischen Leitungen und die Wasserentnahmestellen mussten dem Wachstum der Stadt entsprechend ausgebaut werden. Saniert werden musste zudem das Abwassersystem, insbesondere die Cloaca Maxima.

Wie bedeutsam die Aufgabe aus Sicht von Augustus war, zeigt sich daran, dass er die Leitung seinem wichtigsten Mitarbeiter übertrug, Marcus Vipsanius Agrippa. Obwohl die Durchführung der erforderlichen Baumaßnahmen Jahre in Anspruch nehmen würde und ihr Leiter einen umfangreichen Mitarbeiterstab brauchen würde, wurde zunächst keine entsprechende Behörde eingerichtet. Vielmehr wurde Agrippa in das traditionell für die Wasserversorgung zuständige Amt eines kurulischen Ädilen gewählt. Schon für sich genommen war diese Wahl ein Kuriosum, denn die Ädilität gehörte zu den unteren Magistraturen, Agrippa war jedoch zuvor bereits Konsul gewesen, was die höchste Position innerhalb der Ämterlaufbahn, des cursus honorum, war. In diesem Sinne wurde Agrippa gleichsam degradiert, um der hergebrachten Ordnung der Aufgabenzuweisung an die Magistraturen zu entsprechen. Auch war die Zahl der Mitarbeiter eines Ädilen und deren Finanzierung vollkommen unzureichend für die anstehenden Aufgaben. Selbst in dieser Hinsicht wurde formell keine Veränderung vorgenommen. Die Lösung war, dass Agrippa seinen Stab von immerhin 240 Mitarbeitern – unter ihnen Architekten, Messtechniker und Bauhandwerker, Inspektoren, Aufseher bei den großen Brunnenanlagen usw.46 – weitgehend aus Sklaven rekrutierte, deren Ankauf und Unterhalt er aus seinem Privatvermögen bis zu seinem Tod bezahlte. Zudem konnte er offenbar einige Fachleute aus den Pioniereinheiten der Legionen des Augustus übernehmen. Zu ihnen gehörte Vitruv. Die Institutionaliserung dieser für den Betrieb des erheblich erweiterten Leitungssystems dauerhaft notwendigen Organisation (famiglia oder schlicht aquarii genannt) erfolgte einfach dadurch, dass Agrippa seine ,Privatbehörde‘ dem Staat testamentarisch vermachte.47

Ein Jahr nach seinem Tod 12 v. Chr. wurde die cura aquae schließlich doch auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, indem der Senat das Amt des curator aquae einrichtete und dessen Aufgaben und Rechte bestimmte. Ihm zur Seite gestellt wurden zwei leitende Beamte. Die Besetzung der drei Ämter erfolgte nach dem alten System der Magistraturen, d h. Fachkompetenz war bei der Wahl kein entscheidendes Kriterium, sondern es wurden in anderen Ämtern bewährte Mitglieder der Nobilität periodisch gewählt.48 Auch für den repräsentativen Auftritt der neuen Magistrate im alten Stil wurde gesorgt, in dem ihnen für Inspektionen außerhalb der Stadt Liktoren, Ausrufer und drei staatliche Diener zugestanden wurden.49 Die Amtszeit folgte zumindest anfangs nicht dem normalen Muster der Jahresmagistraturen, sondern entsprach eher dem alten Zensorenamt: Wahlen fanden zunächst mehrfach nur alle zehn Jahre statt, die tatsächliche Amtszeit füllte jedoch nicht den gesamten Zeitraum zwischen den Wahlen aus, sie dauerte vielmehr drei Monate pro Jahr. Das System scheint sich jedoch nicht bewährt zu haben, denn die Wahlen erfolgten später in wesentlich kürzeren Abständen.50 Frontinus beispielsweise, dessen Schrift de aqueductu wir die meisten Informationen zur Arbeit der Cura verdanken, amtierte nur ein Jahr.

Ein weiterer substantieller Schritt beim Ausbau der Cura ergab sich im Gefolge des Baus der Aqua Claudia 52 n. Chr. Die Gesamtzahl der aquarii wurde annähernd verdreifacht, wobei die 460 zusätzlichen Sklaven aus dem Vermögen des Kaiserhauses finanziert wurden.51 Trotz dieser Erweiterung konnte die Behörde nicht alle Arbeiten am Leitungssystem selbst bewältigen. Nicht nur für Neubauten, sondern offenbar auch für größere Reparaturen wurden, wie in den Zeiten der Republik, Werkaufträge an private Unternehmer vergeben.52

Das Organisationsmodell der Cura entsprach mithin zumindest insoweit dem Anspruch des Augustus, den Staat mit seinen traditionellen Institutionen erhalten zu haben, als die Durchführung der prestigeträchtigen Aufgabe nach dem republikanischen Muster einem periodisch wechselnden Mitglied der Nobilität übertragen wurde. Der Preis dafür waren die Schwächen des Modells, die Frontinus in de aquaeductu klar aufgezeigt hat: Der Mangel an Fachkompetenz und Kontinuität an der Spitze der Behörde begünstigte die Korruption. Höhere Mitarbeiter der famiglia tolerierten offenbar häufig gegen Bestechung Manipulationen bei der Privatentnahme von Wasser aus dem öffentlichen System, indem die gekennzeichneten Zuflussrohre gegen solche mit höherem Durchfluss ausgetauscht wurden. Zudem war der Leiter bei der Entscheidung, ob Reparaturen noch mit Eigenmitteln der Cura ausgeführt werden konnten oder an kompetente Privatunternehmer vergeben werden mussten, von den Experten seiner Behörde abhängig, deren Beurteilung durch Bestechung interessierter Unternehmer beeinflusst sein konnte. Eben diese Probleme waren auch der Grund, warum Frontinus seine Schrift angefertigt hat, nämlich um zunächst sich selbst, und später auch seinen Nachfolgern, die Fachkompetenz zu vermitteln, die die Abhängigkeit des Leiters von den Experten in seiner Behörde reduzierte. Aus dem gleichen Grund systematisierte und verbesserte er die Dokumentation der Arbeit der Behörde. Listen mit der Anzahl und Kapazität der Entnahmestellen, eine Karte des Leitungssystems und ein Journal, in dem tagesaktuell die Arbeitsaufträge an die Handwerkergruppen festgehalten wurden, sind auf seine Initiative hin eingeführt worden.53

Nach dem Muster der stadtrömischen Cura sind in großen Städten des Imperiums ähnliche Behörden aufgebaut worden.54 Im Verlauf der Kaiserzeit verstärkte sich die Tendenz, das alte System von Werkverträgen mit privaten Unternehmern, die von Magistraten beauftragt wurden, durch neu gegründete Staatsunternehmen zu ersetzen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa die ratio marmorum, die ab dem 2. Jh. n. Chr. für den Import von Marmor und anderen Gesteinen aus verschiedenen Steinbrüchen der Provinzen zuständig war,55 und vor allem die opera caesaris, die zentrale und direkt dem Kaiserhauses unterstellte Organisation zur Durchführung von Bauprojekten.56 Ihre Einrichtung erfolgte wohl erst gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. im Kontext der Bauprogramme Domitians, d. h. zu einer Zeit, als eine zumindest formelle Anbindung des Bauens an die alten republikanischen Magistraturen auch politisch nicht mehr geboten schien. Leider lässt sich die Struktur und Ausstattung der opera caesaris nicht beschreiben, da nahezu keine entsprechenden Informationen in den Quellen zu finden sind.

Große Bedeutung nicht nur für die Leitung, sondern auch für die Durchführung von öffentlichen Bauprojekten hatte in der Kaiserzeit zudem das Militär. Technische Kapazitäten hatten die Legionen bereits in republikanischer Zeit durch die Pioniereinheiten, die für den Lagerbau sowie den Bau und die Wartung von Kriegsmaschinen zuständig waren und über entsprechendes Personal – unter anderem eigene Architekten – verfügten. Der bekannteste unter ihnen ist wiederum Vitruv.57 Mit der Umwandlung der Legionen in ein stehendes Heer unter Augustus war zudem ein Reservoir von Arbeitskräften geschaffen worden, dass die Durchführung großer Infrastrukturprojekte ermöglichte. Der Straßen- und Brückenbau diente neben der Mobilität der Truppen der inneren Erschließung des Reiches. Das Militär hat des weiteren die teilweise Hunderte von Kilometern langen Grenzbefestigungsanlagen (durchweg limes genannt) in Deutschland, England, auf dem Balkan und in Lybien selbst gebaut. Auch die Materialgewinnung wurde schließlich im großen Stil durch das Militär organisiert. Mehrere Legionen beuteten in den Provinzen eigene Steinbrüche aus, etwa in Ägypten. Die Ziegelproduktion (Backstein) wurde in großem Maßstab durch Einheiten des Heeres betrieben. Beliefert wurden nicht nur die eigenen Projekte, sondern auch Gemeinden, und wahrscheinlich auch Privatunternehmen. Zumindest teilweise übernahmen die Legionen die Aufgaben staatlicher Bauunternehmen, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass sie ihre Architekten und Handwerker ausbildeten.

Die Tatsache, dass es aus der Kaiserzeit nahezu keine Inschriften gibt, die Bauvorgänge dokumentieren, ist kaum den Zufälligkeiten der Erhaltung zuzuschreiben, sondern dürfte mit der oben skizzierten Entwicklung direkt zusammenhängen. In der Republik waren die bauleitenden Beamten der Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich. Entsprechend war es nur folgerichtig, wenn bauleitende Beamte von ihnen abgeschlossenen Verträge durch Inschriften öffentlich dokumentierten.58 In der Kaiserzeit hingegen waren die bauleitenden Beamten bei Großprojekten in der Regel nicht mehr der Öffentlichkeit, sondern dem Kaiserhaus gegenüber rechenschaftspflichtig, und insofern bestand kein Anlass mehr, Verträge, Zahlungen usw. gegenüber der Öffentlichkeit zu dokumentieren.

3.2.2 Private Bauaufträge

Informationen über die Beziehungen zwischen privaten Bauherrn auf der einen Seite und Architekten, Bauunternehmern und Handwerkern auf der anderen Seite, sind nur sehr wenige überliefert. Hauptquelle ist der älteste erhaltene lateinische Prosatext, das Buch über die Landwirtschaft (de agri cultura) des älteren Cato, das um 150 v. Chr. geschrieben worden sein dürfte. Dort findet sich eine Passage mit Hinweisen zur Anlage eines Gutshofes (villa rustica), die in der Forschung als ,catonisches Bauformular‘ diskutiert worden ist.59 Hinzukommen aus der juristischen Literatur einige Passagen in den Digesten oder Pandekten, einer 533 n. Chr. herausgegebenen Rechtssammlung, in der Zitate aus den Schriften der großen kaiserzeitlichen Juristen des 2. und 3. Jhs. n. Chr. gesammelt sind. Bei der Darstellung der locatio conductio, einer Vertragsform für Miet- Pacht-, Werk- und Dienstverträge,60 geben die Juristen gelegentlich Beispiele, die auf Bauverträge bezogen sind.61 Es ist dieselbe Vertragsform, die bereits in republikanischer Zeit von den zuständigen Magistraten für die Vergabe von Werkverträgen verwendet wurde. Die prinzipiell ebenfalls anwendbare ältere Vertragsform der stipulatio – eines mündlichen, in der Formulierung exakt festgelegten Leistungsversprechens – dürfte in der Praxis wegen der Komplexität von Bauverträgen schon in der mittleren Republik kaum noch eine Rolle gespielt haben.62 Im übrigen sind noch einige Passagen aus den – in antiker Zeit bereits veröffentlichten – Briefkorrespondenzen von Cicero und dem jüngeren Plinius einschlägig.

Über die Auswahl von Architekten und Bauunternehmern durch Privatleute ist kaum etwas bekannt. Es gibt lediglich einige Hinweise dazu in den angesprochenen Briefen. Da fast alle Architekten, die Cicero erwähnt, entweder Freigelassene oder Skaven waren,63 dürfte seine persönliche Beziehung zu dem jeweiligen Patron oder Besitzer eine wesentliche Rolle gespielt haben. Teilweise hatte Cicero auch bereits Erfahrung mit der Arbeitsweise der in den Briefen erwähnten Architekten, so dass seine Einschätzung der Kompetenz und Arbeitsweise ebenfalls ein Kriterium der Auswahl gewesen sein dürfte: „Auf dem Manilianischen Gute [des Atticus] fand ich Diphilus noch schläfriger als sonst, doch war weiter nichts im Rückstand als die Bäder, der Spaziergang [die Wandelhalle] und das Vogelhaus; (…) Endlich wird er doch einmal Bleiwaage64 und Richtschnur brauchen lernen“65). Persönliche Beziehungen waren offenbar auch entscheidend für den Auftrag, den der jüngere Plinius an den sonst nicht bekannten Architekten Mustius brieflich vergeben hat. Plinius bittet ihn in dem Brief, einen eingestürzten kleinen Tempel auf einem seiner Güter zu restaurieren, und Hallenbauten für religiöse Feiern anzulegen. Zudem soll Mustius nach eigenem Ermessen Architekturglieder aus Marmor auswählen und ankaufen.66 Da Plinius Mustius direkt anschreibt und beauftragt, dürfte Mustius ein freigeborener Römer sein. Wäre er ein Freigelassener oder Sklave gewesen, hätte Plinius – falls er in diesem Fall überhaupt mit ihm korrespondiert hätte – sicherlich eine Absprache mit dessen Patron oder Besitzer erwähnt.

Zu den wenigen Hinweisen auf den Inhalt eines Bauvertrages, der auf Basis rein geschäftlicher Beziehungen zwischen Bauherr und Architekt geschlossen worden sein könnte, gehört das erwähnte catonische Bauformular. Der Architekt, von Cato einfach als als faber, also Handwerker bezeichnet, erhält die Gesamtleitung für die Errichtung des Gutshofes, der quasi schlüsselfertig, also einschließlich aller Maurer-, Dachdecker- und Schreinerarbeiten, und mit der von Cato genau spezifizierten technischen Ausstattung mit landwirtschaftlichen Geräten, Gegenstand des Vertrages ist. Der Architekt ist gleichwohl kein Bauunternehmer, sondern eher ein Bauleiter, denn große Teile des Materials und die Bauhilfskräfte stellt der Bauherr, und sogar die erforderlichen Werkzeuge wie Säge und Bleilot. Für zuzukaufendes Material wie die Dachziegel wird der Preis vertraglich festgelegt.

Für die bauhandwerklichen Arbeiten, insbesondere die Anlage der Mauern, werden genaue technische Vorgaben gemacht, etwa für den Kalkanteil des Mörtels, die Fundamentierungstiefe, die Wandstärke, die Verputzung usw. Dabei werden beide seinerzeit üblichen Bautechniken gesondert dargestellt, also in Mörtel gesetzter Naturstein und Lehmziegelbau. Abgerechnet wird die Arbeit nach Bauvolumen oder Menge des verbauten Materials, d. h. pro hundert Fuß Mauer oder pro versetztem Ziegel, nicht nach Bauzeit.

Der Text enthält des weiteren einige rein juristische Klauseln. Die bekannteste ist die bona fide Klausel, die beide Parteien auf den Grundsatz des ,billigen Ermessens‘ verpflichtet.67 Sie bedeutet, dass beide Parteien im Streitfall bei der nicht explizit erwähnten, aber offensichtlich permanent berücksichtigten Abnahme des Baus das Urteil eines Richter nach billigem Ermessen anerkennen werden. Berücksichtigt werden weiterhin nicht vom Auftragnehmer zu verantwortende Bauschäden, etwa durch Blitzschlag, und erschwerte äußere Bedingungen (Zuschlag bei Bau im Hochsommer ein Viertel der vereinbarten Summe). Auch die Haftung des Bauherrn für Qualitätsmängel der von ihm angelieferten Materialien ist vertraglich geregelt.

Allgemeine juristische Bestimmungen enthalten auch die oben angesprochenen Passagen aus der kaiserzeitlichen Rechtsliteratur zum Vertrag vom Typ locatio conductio.68 Sie geben an, dass der Vertrag konsensuell und formfrei ist, so dass beliebig viele Vereinbarungen in dem Vertrag festgeschrieben werden können. Der Bauherr als locator beauftragt den Unternehmer, den conductor, mit dem Projekt, für das letzterer einen einklagbaren Anspruch auf Zahlung (merces, pretium) erwirbt. Letzterer übernimmt damit zugleich die Haftung für die Ausführung bzw. Baumängel. Darauf bezogen ist beispielsweise in den Digesten bestimmt, dass der Unternehmer auch dann für einen Transportschaden an einer Säule haftet, wenn der Schaden von einer Hilfskraft verschuldet worden ist.69 Zu erfahren ist dort auch, dass die Haftung im Fall von Bauschäden, sofern sie auf mangelnde Festigkeit des Baugrunds zurückzuführen sind, anders geregelt war als heute: In diesem Falle haftet der Auftraggeber, weil er gleichsam ein Objekt minderer Qualität für das Projekt gestellt hat.70

3.3 Planung und Entwurf

3.3.1 Architekt, Bauherr und die Kernkompetenz des Architekten

Will man eine Vorstellung davon gewinnen, wie das Zusammenwirken von Architekt und Bauherrn in römischer Zeit ausgesehen haben könnte, auf welche Weise ein Architekt seine Vorstellungen gegenüber einem potenziellen Klienten darstellte, und welche Qualifikation er dabei geltend machte, dann kann man zunächst auf eine kleine Szenen zurückgreifen, die in den Quellen en passant überliefert ist. Aulus Gellius (2. Jh. n. Chr.) schildert in seinen noctes Atticae, wie er seinem offenbar wohlhabenden Freund Cornelius Fronto einen Besuch abstattet, als dieser erkrankt ist. In dessen Haus angekommen, trifft er auf eine Gesellschaft, zu der auch Architekten gehören.71

„By his side stood several builders, who had been summoned to construct some new baths and were exhibiting different plans for baths, drawn on little pieces of parchment. When he had selected one plan and specimen of their work, he inquired what the expense would be of completing that entire project. And when the architect had said that it would probably require about three hundred thousand sesterces, one of Fronto’s friends said, 'And another fifty thousand, more or less'“.

Für moderne Vertreter des Fachs wird sich diese Passage wahrscheinlich kaum überraschend lesen, da es sich auch in der Neuzeit jahrhundertelang quasi von selbst verstanden hat, dass Architekten ihre Ideen in Form von Zeichnungen entwickeln und präsentieren, auch wenn es bei den Zeichnungen auf Pergament, von denen Gellius spricht, sich sicher nur um Handskizzen handelt. Auch Vitruv – die mit Abstand wichtigste Quelle für die Arbeitsweise der römischen Architekten – verlangt vom Architekten, dass er seine Entwürfe zeichnerisch darstellen kann. Vitruv kennt drei Arten von Zeichnungen, die orthographia, die ichnographia und die scaenographia, also Aufriss, Grundriss und perspektivische Ansicht, was der modernen Trias aus Grundriss, Schnitt und Perspektive bereits frappierend nahekommt.72 Die von Vitruv verwendeten griechischen Termini deuten daraufhin, dass das Entwerfen und Planen von Gebäuden anhand von Zeichnungen unterschiedlicher Typen zunächst von griechischen Architekten entwickelt worden ist. Das ist wahrscheinlich, doch aus den Quellen nicht weiter zu belegen. Vermutlich ist es eine Entwicklung aus der Zeit des Hellenismus, denn für die klassische Zeit gehen fast alle Forscher inzwischen davon aus, dass die Entwürfe mit anderen Methoden erarbeitet wurden.73

Der Bauentwurf, der in den Zeichnungen dokumentiert ist, betrifft aus Vitruvs Sicht die Kernkompetenz des Architekten. Er formuliert das mehrfach sehr klar, unter anderem in einer Passage, wo er sagt, dass wenn ein Bauwerk handwerklich gelungen ist, es die Leistung des bauleitenden Handwerkers (des officinator) sei, und dass, wenn der Bau prachtvoll ausgestattet ist, dies der Finanzkraft des Bauherrn zuzuschreiben sei. Wenn aber der Bau ,anmutig‘ ausfällt, müsse das als gloria architecti gelten.74 Was aber zeichnet in diesem Sinne die Arbeit des Architekten aus, was versetzt ihn, und nur ihn, in die Lage, Entwürfe zu entwickeln, die diesen Ruhm verdienen? Vitruv gibt die Antwort an gleicher Stelle: Nur der Architekt habe die Fähigkeit, noch bevor der Bau in der Realität Gestalt annimmt, sich bereits eine zutreffende und konkrete Vorstellung von dem Gebäude zu machen, so dass er Entwurfsentscheidungen bereits vorab zuverlässig beurteilen kann. Allen anderen billigt Vitruv zwar durchaus auch ein qualifiziertes Urteil über Architektur zu, aber eben erst, wenn sie realisiert worden ist, und das heißt: wenn kaum noch etwas zu ändern ist. Eben deshalb muss der Architekt, wie in der zitierten Passage, seinem Klienten eine Anschauung des vorgeschlagenen Projekts präsentieren, und eben dazu dienen dort die Skizzen, seien es nun Grundrisse oder perspektivische Ansichten.

Nun haben Zeichnungen bei der Arbeit des Architekten unterschiedliche Funktionen. Neben der hier angesprochenen Präsentation von Entwurfsideen dienen sie vor allem der Kommunikation mit den ausführenden Handwerkern in Form von Bauplänen, und sie dienen dem Architekten bei seiner eigenen Arbeit am Entwurf, also der Konzeptionierung und der Formfindung. Betrachtet sei hier nun zunächst einfach, was man über Bauzeichnungen aus römischer Zeit anhand von Funden und Quellen sagen kann.

3.3.2 Römische Architekturzeichnungen und ihre Funktion

Neben der oben zitierten Passage aus den noctes Atticae gibt es noch weitere Hinweise in den Schriftquellen auf Architekturzeichnungen. Ähnlich wie dort wird beispielsweise von Sueton angegeben, dass auch Caesar als Bauherr den Bau einer Gladiatorenschule mit seinen Mitarbeitern anhand einer Grundrisszeichnung durchgesprochen hatte.75 Sueton verwendet dafür den Begriff forma, was in diesem Kontext einen gezeichneten Grundriss meint. Der Begriff ist in diesem Sinne vor allem bekannt durch die Fragmente eines auf Marmorplatten gezeichneten Grundrisses der Stadt Rom, der mit forma urbis betitelt ist. Ein zeichnerischer Entwurf wird auch in der berühmten Anekdote erwähnt, derzufolge der spätere Kaiser Hadrian Apollor, dem Architekten Traians, einen eigenen Entwurf für einen Tempel der Venus und Roma zur Begutachtung vorlegte.76 Nach Ausweis der Textpassage kann es sich in diesem Fall nicht, oder nicht ausschließlich, um eine Grundrisszeichnung gehandelt haben, denn Apollodors Beurteilung bezog sich auf den Aufriss, wenn er kritisierte, dass der Tempel nicht hoch genug gelegen sei, und auch die Deckenhöhe zu niedrig sei. Möglicherweise handelte es sich um eine gezeichnete Perspektive, also um eine scaenographia.

Bauzeichnungen dienten bereits in der Antike auch zur Dokumentation bereits fertiggestellter Bauten. So ließ Pompeius einen Theaterbau auf Lesbos, der ihm besonders zugesagt hatte, von seinen Mitarbeitern zeichnen.77 Von Pompeius ist bekannt, dass er das erste Theater aus Stein in Rom in Auftrag gab. Es ist also gut möglich, dass die Zeichnung des lesbischen Theaters bei der Übernahme des für Rom neuen Gebäudetyps eine Rolle gespielt hat. Auch Frontinus berichtet in seinem Werk über die Wasserversorgung der Stadt Rom, dass er Zeichnungen des Leitungssystems anfertigen ließ, in der Entnahmestellen, Wasserkastelle, Grundstückseigentümer, über deren Land die Leitungen geführt waren usw., verzeichnet waren.78 Es handelte sich folglich um eine Art von behördlichem Planarchiv.

Auch die angesprochene, in Fragmenten erhaltene forma urbis war eine Dokumentation eines Baubestandes. Gefunden haben sich zudem einige Fragmente von Reliefs, die offensichtlich Baupläne dauerhaft dokumentieren sollten, also wohl repräsentative Funktion hatten. Der Unterschied zwischen diesen Reliefs und den anzunehmenden Originalen ist insofern von Bedeutung, als sie nicht von Architekten hergestellt wurden. Ein Steinmetz kann die auf dem Plan verwendeten Symbole falsch oder missverständlich wiedergeben, Elemente der Zeichnung übersehen, da er nicht die Ausbildung zum Architekten hat, und da seine Fehler – im Gegensatz zu Fehlern auf einem auszuführenden Bauplan – folgenlos sind. Zu bedenken ist schließlich auch, dass der Steinmetz im Gegensatz zum Architekten nicht die Möglichkeit hat, Fehler durch Rasur zu korrigieren. Aus diesen Gründen ist es auch nicht möglich, auf Basis der Reliefs zuverlässig zu klären, ob die originale Bauzeichnung maßstäblich war, und wenn ja, in welchem Maßstab sie ausgeführt worden ist. Beobachtungen an einigen der Reliefdarstellungen deuten aber darauf hin. Ein vielleicht gängiger Reduktionsmaßstab könnte beispielsweise 1 : 16 betragen haben, also ein Zoll für einen Fuß. Heisel, der das Material zusammengestellt und ausgewertet hat, sieht Maßstäblichkeit als eine Forderung Vitruvs an, was allerdings aus Vitruvs Text nicht eindeutig zu entnehmen ist.79 Es gibt auch Fragmente, in denen eine Bemaßung beigeschrieben ist, wie auf unmaßstäblichen Skizzen noch heute üblich.

Vor allem die Darstellung des Plans einer von einer Mauer eingefriedeten Grabanlage auf einem in Perugia gefundenen Relief, das in das 1. Jh. datiert wird, ist aufschlussreich für die Techniken römischer Grundrisspläne.80 Auf dem Relief sind drei Grundrisse gezeichnet: der der eigentlichen Grabanlage, der des zugehörigen Wächterhauses (das Wächterhaus ist in der Beischrift als solches ausgewiesen), und das Obergeschoss des Wächterhauses. Angegebene Details sind Türen- und Fensteröffnungen sowie Treppen. Letztere sind wahrscheinlich auf zwei verschiedene Weisen ausgezeichnet: in der noch heute üblichen Form dichter paralleler Striche, die die Stufen symbolisieren, und wahrscheinlich auch in der Form von spitzen Dreiecken, die nach überzeugender Deutung Heisels Holztreppen, und die Richtung von deren Steigung bezeichnen. Bei der Grabkammer sind auch Ausstattungsdetails eingezeichnet, wie das Postament für den Sarkophag.

3.3.3 Das Entwerfen: Zeichnen oder Rechnen?

Es ist nach dem, was bisher hier kurz dargestellt worden ist, sicher unstreitig, dass römische Architekten ihre Entwürfe in Form von Zeichnungen dargestellt haben. Davon zu trennen ist jedoch die Frage, auf welche Weise der Entwurf selbst entwickelt worden ist. Die scheinbar naheliegende Annahme, dass sie ihre Entwurfsideen ebenfalls anhand von Zeichnungen entwickelt haben, trifft nämlich auf das Problem, dass Vitruv bei seinen am weitesten ausformulierten Entwürfen im dritten und vierten Buch seines Werkes, den Musterentwürfen für den ionischen und dorischen Tempel, gar keine Zeichnungen verwendet. Er entwickelt vielmehr seine Varianten dieser traditionellen Gebäudetypen vollständig anhand von Berechnungen. Vitruv vertritt mit Nachdruck ein Entwurfskonzept, das auf dem Modulus basiert, also einer Grundeinheit, in der alle Entwurfsmaße zu formulieren sind.81 Durch diese Grundeinheit ist die Kommensurabilität aller Größen des Bauwerks gesichert, die Vitruv im antiken Sinne als Symmetrie bezeichnet. Sie ist für Vitruv die Grundvoraussetzung der ästhetischen Qualität eines Bauwerks, indem sie die Harmonie zwischen den Teilen und dem Ganzen sowie der Teile untereinander gewährleistet.82

Bei seinem Entwurf für den dorischen Tempel entspricht sein Vorgehen dieser Forderung, denn er gibt alle Maße auf Basis der Triglyphenbreite als Grundeinheit an. Bei seinem ionischen Tempelentwurf ist das jedoch keineswegs der Fall, sondern er wählt dort ein anderes Verfahren. Die (relativen) Bemessungen der Bauglieder erfolgt hier auf Basis von Proportionsketten, d. h. ausgehend von dem Maß eines Bauglieds wird vermittelt durch eine Proportion, die er jeweils angibt, das Maß eines weiteren abgeleitet, und daraus wiederum durch eine weitere Proportion das Maß eines dritten, und so fort.83 Vitruv übersieht dabei allerdings, dass diese Proportionsketten zu Werten führen, die nicht mehr in ganzzahligen Werten oder einfachen Brüchen des Modulus darstellbar sind, wie er es in den methodischen Abschnitten seines ersten Buches gefordert hatte.

Für die römischen Architekten lassen sich beide Methoden sicher belegen. Das Entwerfen anhand von proportionalen Berechnungen ist nicht nur im Werk von Vitruv nachweisbar, sondern auch anhand von Aufmaßen vielen Gebäude und Bauteile. Mark Wilson Jones kommt in seiner umfassenden Untersuchung zur Entwurfspraxis der römischen Architekten unter anderem zu dem Ergebnis, dass bestimmte Proportionen sich sogar als Standardkonstruktionen etabliert hätten. Die Hauptmaße vieler Gebäude sind demzufolge in einfachen Multiplen von fünf, zehn oder zwölf Fuß festgelegt worden.84 Das entspricht Vitruvs Forderung nach Kommensurabilität der Entwurfsgrößen, und belegt überdies Vitruvs Entwerfen anhand eines Modulus durch Beobachtungen an realen Gebäuden. Ein anderes Beispiel unter den Ergebnissen von Wilson Jones ist die Beobachtung, dass die Verjüngung einer großen Zahl von Säulenschäften dem Verhältnis von fünf zu sechs für den oberen und den unteren Durchmesser entspricht. Schwer zu beurteilen sind hingegen bestimmte proportionale Größen, da sie sich näherungsweise sowohl geometrisch wie rechnerisch darstellen lassen, wie das Verhältnis von sieben zu fünf, was sowohl der Quadratwurzel wie der Diagonalen im gezeichneten Quadrat entspricht, oder sieben zu vier als Näherungswert für eine Kubikwurzel.

Eindeutig zeichnerisch konstruiert, nicht nur dargestellt, sind hingegen viele Formen von Baugliedern. Zum Teil müssen die geometrischen Konstruktionsformen hier geradezu als alternativlos gelten. So ist die Konstruktion der Voluten des ionischen Kapitells, die Spiralen darstellen, in Rom wie in früheren Epochen stets mit Zirkelschlägen – bei versetzten Einstichpunkten – ausgeführt worden. Auch die römische Variante der Entasis (,Schwellung‘) von Säulenschäften wurde geometrisch bestimmt wurde. Leider ist das entsprechende Verfahren, dass Vitruv in einer seinem Werk beigefügten Zeichnung dargestellt hatte, ebenso verloren gegangen wie auch alle übrigen Zeichnungen von ihm. Geometrisch konstruiert wurden aber nicht nur Detailformen. In den vergangenen Jahren ist eine Ritzzeichnung des gesamten Giebels des Pantheon in Rom entdeckt worden. Dieser Werkriss in natürlichem Maßstab (1 : 1) hatte sicherlich zwei Funktionen im Bauprozess. Zum einen wurde hier die Form vollständig entwickelt – was an Korrekturen zu erkennen ist – so dass der Werkriss als Entwurfsarbeit und als Aufrissdarstellung gelten kann, für die man sonst keine Belege aus römischer Zeit hat. Zum anderen ließen sich an diesem Werkriss direkt die Schablonen abnehmen, die die Steinmetzen für das Zurichten der einzelnen Blöcke und die Ausarbeitung der vorgesehenen Profile notwendig brauchten.

Was man hingegen für die Entwurfsarbeit nicht belegen kann, sind die perspektivischen Darstellungen, die Vitruv fordert. Um sich eine Vorstellung davon machen zu können, wie solche Zeichnungen ausgesehen haben könnten, wird meist auf die illusionistischen Architekturdarstellungen in den Malereien des sog. zweiten pompejanischen Stils verwiesen, die sich etwa in Boscoreale eindrucksvoll erhalten haben. Es gibt jedoch auch einen Hinweis in den Quellen dafür, dass perspektivische Zeichnungen durchaus auch bei der Erarbeitung von Entwürfen eine Funktion gehabt haben können. In einem Fragment, das Geminos zugeschrieben wird – einem Autor, der vor allem bekannt geworden ist durch seine Darstellung der Astronomie – ist eindeutig davon die Rede, dass solche Zeichnungen bei der Planung hoher Gebäude (und von Kolossalstatuen) verwendet wurden, um dem Architekten die Möglichkeit zu geben, perspektivische Verkürzungen aus der Sicht eines vor dem Gebäude stehenden Betrachters auszugleichen durch Veränderungen der Proportionen der oberen Teile der Fassaden.85

Es gab auch Mischformen zwischen rechnerischer und geometrischer Konstruktion. Ein einfaches Beispiel dafür ist das schon angesprochene ionische Kapitell. Während nämlich die spiralförmigen Voluten stets mit Zirkelschlägen konstruiert wurden, gab es für die Größenverhältnisse der einzelnen Elemente des Kapitells proportionale, also rechnerisch bestimmte Regeln, etwa im Verhältnis von Volutenhöhe zu Gesamthöhe oder von Gesamthöhe zur Breite des Abacus (der Deckplatte des Kapitells). Strenggenommen waren alle vollständig ausgearbeiteten Bauentwürfe Mischformen von zeichnerischem und rechnerischem Entwerfen, denn selbst wenn die Hauptmaße strikt rechnerisch entwickelt worden waren, gab es doch immer auch eine Vielzahl an Detailformen, die gar nicht anders als zeichnerisch entwickelt und dargestellt werden konnten. Das gilt nicht nur für fast die gesamte Bauornamentik, sondern auch für die Form wesentlicher Bauglieder wie etwa der Säulenschäfte, deren Entasiskurve – die Schwellung des Schafts in der Mitte, durch die sich die Flaschenform der Schäfte ergab – nur graphisch festgelegt werden konnte.86 Es lässt sich auch im Werk von Vitruv unmittelbar zeigen, dass er Mischformen zulässt, bei denen rechnerische und geometrische Methoden kombiniert wurden. Solche Beispiele zeigen im übrigen, dass Vitruv trotz seiner zweifellos vorhandenen Neigung zur Akademisierung der Arbeit des Architekten praxisgerechtes Arbeiten nie vollkommen aus dem Auge verloren hat. Illustrieren lässt sich das sehr anschaulich an seinem Beispiel, wie man vorzugehen hat, wenn eine quadratische Fläche von zehn Fuß Seitenlänge von hundert auf zweihundert Quadratfuß verdoppelt werden soll. Eine Vergrößerung auf vierzehn Fuß wäre, wie er zur Veranschaulichung des Problems anführt, zu wenig, eine auf fünfzehn zu viel (was 196 bzw. 225 Quadratfuß ergeben würde). Es wäre natürlich möglich, die erforderliche Seitenlänge exakt zu berechnen, indem man anhand des Satzes des Pythagoras die Länge der Diagonale berechnet, wobei eine Quadratwurzel auftritt. Vitruv hält in diesem Fall eine Berechnung aber ausdrücklich für zu kompliziert und favorisiert stattdessen eine einfache geometrische Lösung: Die Diagonale wird mit dem Zirkel abgegriffen, und mit der in den Zirkel genommenen Strecke als Seitenlängen das vergrößerte Quadrats gezeichnet. Vitruv verfährt hier also nach der Methode, die im Mittelalter als ad quadratum gängige Praxis wurde.87

3.3.4 Vitruv und das wissenschaftliche Entwerfen

Für Vitruv steht außer Zweifel, dass die Arbeit eines ambitionierten Architekten nur auf wissenschaftlicher Basis möglich ist. Sowohl die Standsicherheit wie die ästhetische Qualität eines Entwurfs beruhen für Vitruv auf der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnis. Zwar distanziert er sich als erfahrener Praktiker von dem geradezu hypertrophen Anspruch des spätklassischen Architekten Pytheos, der das Mausoleum von Halikarnass, eines der ,Sieben Weltwunder‘, entworfen hatte, denn dieser hatte gefordert, dass der Architekt in wissenschaftlichen Disziplinen den jeweiligen Fachwissenschaftlern überlegen sein müsse.88 Wissenschaftliche Grundkenntnisse scheinen jedoch auch Vitruv unabdingbar für die Arbeit des Architekten. Er selber versucht auch, diesen Anspruch einzulösen, indem er bei vielen von ihm behandelten Themenbereichen auf wissenschaftliche Erkenntnisse Bezug nimmt. Unter anderem bedingt und gleichsam belegt durch diese Bezugnahmen, gilt ihm auch die Architektur selbst als Wissenschaft: nostra scientia89.

Zu den wissenschaftlichen Disziplinen, auf die die Architektur Bezug nehmen soll, gehören sozusagen als Kerngebiete die Geometrie und die Arithmetik. Sie sind für ihn offenbar so selbstverständlich, dass er in seinem Lehrbuch auf diese Disziplinen für sich genommen nicht weiter eingeht. Eine andere Erklärung dafür wäre allerdings auch möglich. Denn wenn man sein Buch unter dieser Frage durchsieht, findet man kaum Anwendungen beider Gebiete, die über elementare Kenntnisse hinausgehen. So vermeidet er, wie eben erwähnt, Berechnungen auf Basis der Quadratwurzel, und auch anspruchsvollere geometrische Konstruktionen finden sich in seinem Werk kaum.

Des weiteren bezieht sich Vitruv extensiv auf die Naturphilosophie, und zwar auf die Vier-Elemente-Lehre, die auf die ionischen Naturphilosophen zurückgeht, und maßgeblich von Empedokles weiterentwickelt worden war. Sie war später von den Stoikern weitergeführt worden, deren Lehren in Rom zu seiner Zeit viele Anhänger hatte. Sie dient ihm vor allem als Bezugsrahmen, innerhalb dessen die von ihm oft kenntnisreich dargelegten Eigenschaften der verschiedenen Baumaterialien erklärt werden können. Allerdings ist diese Bezugnahme rein rezeptiv, d. h. alles, was er für die praktische Tätigkeit des Architekten lehrt, ist aus der Erfahrung heraus begründet, und wird lediglich mit naturphilosophischen Erklärungen ergänzt. Schlussfolgerungen, die primär aus den Thesen der Naturphilosophie abgeleitet wären, findet man bei ihm nicht. Erstaunlich ist allerdings in manchen Passagen das Verhältnis zwischen diesen beiden Komponenten der Darstellung. So findet man etwa zu dem für die praktische Arbeit der römischen Baumeister überaus wichtigen Thema Puzzolanerde erstaunlich wenige Informationen über deren Abbau, Arten, Verarbeitung usw., dafür aber einen langatmigen Erklärungsversuch über deren Eigenschaften im Sinne der Elementelehre.90

Eine weitere Disziplin der antiken Wissenschaften, die der Architekt nach Vitruv in Grundzügen kennen muss, ist die Musiktheorie (des Aristoxenos). Sie soll dem Architekten helfen, beim Theaterbau die Wirkungen des Schalls zu kalkulieren, und auch die behaupteten Möglichkeiten zu seiner Verstärkung.91

Die wissenschaftliche Disziplin, die wohl die größte Bedeutung für Vitruvs Werk hat, ist die Optik, denn anders als die zuvor genannten Wissenschaften haben einige Thesen der Optik relevante Folgen für seine Entwurfslehre. Der Grundgedanke dabei ist, dass das Bild von einem Bauwerk im Auge des Betrachters das Bauwerk nicht authentisch, sondern reduziert wiedergibt, und zwar um so mehr, je weiter die Bauglieder vom Betrachterstandpunkt entfernt sind. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass der Architekt bei der Dimensionierung von Bauteilen und der Bemessung von Winkeln diese Verzerrungen so einkalkulieren müsse, dass sich für den Betrachter das 'richtige' Bild ergibt. „Also muss die optische Täuschung durch Berechnung künstlich ausgeglichen werden."92 Dieses Prinzip, die Architektur kalkulierbaren Wahrnehmungsfehlern anzupassen, geht zweifellos auf die ältere griechische Tradition der 'optical refinements' zurück.93 Allerdings decken sich Vitruvs Konzepte nur zum Teil mit dem, was an griechischen Bauten im Sinne solcher Maßnahmen beobachtet worden ist. Dazu gehört z. B. die Kurvatur.

Sozusagen der Störfaktor, dem Vitruv durch entsprechende Maßnahmen begegnen will, ist die Luft. Vitruv nimmt hiermit auf die physikalische, nicht die geometrische Optik Bezug. Die bekannte Kontroverse, ob bei der Wahrnehmung das Auge Sehstrahlen auf das Objekt richtet, oder ob vom Objekt Bilder ausgehen, die auf das Auge treffen, berührt Vitruv zwar, lässt die Frage aber offen.94 In jedem Falle ist es für ihn die Dichte der Luft, d. h. ihre kleinsten stofflichen Elemente, die den Blick hindern, vor allem vom Betrachter entfernte Größen als solche zu erkennen, da der Blick diese Elemente der Luft durchdringen muss. Konkret ist es dem Betrachter insbesondere nicht möglich, die Proportionen von nahen und fernen Baugliedern (i. e. Bauglieder auf Betrachterniveau und in großer Höhe) genau zu erkennen. Damit verliert aber die modular geregelte Proportion ihre Wirksamkeit. Folglich müssen etwa zum Gebälk gehörende Bauglieder je nach Höhenlage stets etwa größer bemessen werden, als vom rein proportionalen Verhältnis her vorgesehen.95 Im selben Sinne müsse auch die Verjüngung von Säulen je nach Höhe von der grundlegenden Proportion abweichen. Ein ähnlicher Gedanke liegt seiner Vorstellung von der Wahrnehung von Objekten in geschlossenen Räumen zugrunde. So sollen in Vorhallen die hinteren Säulen etwas schlanker ausgeführt werden als die vorderen, um optisch gleich stark zu wirken wie die davor stehenden Säulen, weil der Blick in die Tiefe in geschlossenen Räumen durch mehr wahrgenommenen Punkte sozusagen Umwege mache.96. Es gibt noch eine Reihe weiterer von Vitruv geforderter Korrekturmaßnahmen, die ähnlich begründet sind, beispielsweise die Änderung von Winkeln, so dass Bauglieder in großer Höhe nicht lotrecht, sondern mit ihren Außenflächen leicht zum Betrachter hin geneigt ausgeführt werden müssen.97

Nahezu alle hier angesprochenen Formen optischer Korrekturen haben sich bei der Analyse von Bauten nicht identifizieren lassen. Man könnte daraus folgern, dass Vitruv einer kleinen Gruppe gleichsam esoterischer und theoriefixierter Architekten angehörte, deren Bezugnahmen und Thesen kaum verbreitet waren. Das trifft jedoch so nicht zu, denn es gibt Hinweise, das zumindest die Theorien der Optik auch von weniger bekannten Architekten rezipiert worden sind, die folglich auch über eine entsprechende Ausbildung verfügten. Das zeigt eine Textstelle, die sich in der Korrespondenz Ciceros findet. Cicero berichtet darin, wie er für seinen Freund Atticus eines von dessen Landgütern besucht hat, um ihm über den Fortgang der dortigen Bauarbeiten zu berichten, die vom Architekten Cyrus geleitet werden.98

When you find fault with the narrow windows, let me tell you that you are criticising the Cyropaedeia. For when I made the same remark, Cyrus used to answer that the views of the gardens through broad lights were not so pleasant. For let a be the eye, bg the object seen, d and e the rays ... you see the rest. For if sight resulted from the impact of images, the images would be in great difficulties with a narrow entrance: but, as it is, that „effusion“ of rays gets on quite nicely. If you have any other fault to find you won’t get off without an answer, unless it is something that can be put right without expense.

Die Passage zeigt zunächst, dass Cyrus, ein offenbar in Rom erfolgreicher Architekt wohl griechischer Abstammung,99 ganz offensichtlich über eine wissenschaftliche Vorbildung verfügt. In der Diskussion nimmt er erkennbar wie Vitruv Bezug auf die große Kontroverse der griechischen physikalischen Optik, die Cicero selber ebenfalls kennt. Zugleich spricht er auch die sog. geometrische Optik an, wie wir sie aus einer frühen Schrift von Euklid kennen. Cicero relativiert allerdings ironisch die wissenschaftliche Qualifikation des Architekten durch sein Wortspiel mit dem Namen des Architekten Cyrus und der Cyropaedeia, einer Schrift Xenophons über die Bildung des jüngeren Kyros, der vergeblich versucht hatte, sich zum König der Perser zu erheben. Erst der Schlusssatz jedoch erklärt den eigentlichen Hintergrund für Cyrus’ Bezug auf die Wissenschaft. Augenscheinlich war zwischen dem Bauherrn Atticus und dem Architekten Cyrus ein Festpreis vereinbart worden. Jede nachträgliche Korrektur der bereits ausgeführten Arbeiten wäre mithin zulasten von Cyrus’ Profit aus dem Vertrag gegangen, und eben deshalb sucht er Cicero als gebildetem Vertreter des Bauherrn wissenschaftlich zu beweisen, dass eine nachträgliche Verbreiterung des Fensters (was wohl einen neuen Fenstersturz erfordert hätte) nur von Nachteil sei. Die Wissenschaft hat in dieser Szene tatsächlich eine Funktion – allerdings nicht als Entwurfsgrundlage, sondern als Instrument, mit dem der Architekt seine professionellen Interessen durchzusetzen versucht. Das gilt in gewissem Sinne auch für Vitruv, der mit der Darstellung seiner Disziplin für einen durchaus weiter gedachten Leserkreis

3.4 Logistik

Um die Stadt Rom zur größten Metropole der antiken Welt auszubauen, war aus mehreren Gründen eine entwickelte Logistik notwendig. Der Ausbau der immer stärker wachsenden Stadt erforderte enorme Mengen an Baumaterial. Damit die Bauzeiten, vor allem der kaiserlichen Bauprogramme, möglichst kurz gehalten werden konnten und keine Stillstände auf den Baustellen eintraten, musste die Materialanlieferung effizient koordiniert werden. Der Bau des riesigen Komplexes der Diocletiansthermen dauerte kaum länger als in Athen der Bau des Parthenon, also eines einzigen Tempels, nämlich zehn Jahre. Schließlich verlängerten sich die Transportwege immer weiter, und zwar nicht nur, weil das Umland der Stadt nicht allein die geforderten Mengen liefern konnte, sondern auch, weil die gestiegenen Ansprüche an Gestaltung und Prestigewert der Bauten nur zu bedienen waren, wenn aus nahezu dem gesamten Mittelmeergebiet Baustoffe in die Hauptstadt geliefert wurden. In Einzelfällen wurden dabei die technischen Möglichkeiten bis an die Grenze des in der Antike Möglichen ausgereizt: So wurden Obelisken mit einem Gewicht von bis zu 500 Tonnen erfolgreich von Oberägypten nach Rom geschafft.

An Bedeutung verloren hat die Logistik erst in spätantiker Zeit, allerdings nicht, weil nicht mehr in großem Maßstab gebaut wurde, sondern weil bei Neubauten in immer größerem Umfang bereits vorhandenes Material aufgelassener Bauten zweitverwendet wurde. Das gilt für einfache Ziegelsteine ebenso wie dekorativ gestaltete Bauteile aus Marmor. Für letztere steht beispielhaft der Konstantinsbogen, der zu großen Teilen aus Bauteilen anderer Gebäude (Spolien) errichtet wurde.

Baumaterial ist normalerweise ein Massengut, das die Römer – ebenso wie spätere Epochen – wo immer möglich auf Wasserwegen transportierten. Das gilt selbst für vergleichsweise kurze Strecken. So wurde ein großer Teil der in Ostia angelandeten Güter über den Tiber sowie eigens angelegte Kanäle in die Stadt gebracht. Landtransport war nicht nur technisch aufwendiger, sondern entsprechend auch deutlich teurer, etwa im Verhältnis eins zu vier.100 Das Fernstraßensystem dürfte daher für den Transport von Baumaterial eine vergleichsweise geringe Rolle gespielt haben. Anderes gilt für die innerstädtischen Straßen, da das Baumaterial ja in der Regel nicht auf dem Wasserweg bis zum Bauplatz transportiert werden konnte. Im Fall Roms war dieser Teil der Transportwege nicht unkritisch, da Rom, anders als die Metropolen des Ostens wie Antiochia oder Alexandria, keine systematisch angelegte Stadt mit breiten Haupt- und Erschließungsstraßen war, sondern eine gewachsene Stadt mit entsprechend engen Straßen.

Trotz der in einigen Bereichen sehr intensiven Forschungen sind die technische wie die organisatorische Seite der römischen Logistik und die entsprechende Infrastruktur heute nicht mehr vollständig erkennbar. Doch ist das Bild der älteren Forschung, die insbesondere die Leistungsfähigkeit des römischen Landtransports bezweifelt hatte,101 mittlerweile zweifelsfrei revidiert worden.

3.4.1 Transporte auf dem Wasser

Über die alltäglichen, und sicher ältesten Formen des Transports von Baumaterial auf dem Wasserweg, geben die Quellen kaum Aufschluss. Wenn wir Berichte haben, dann über einzelne, spektakuläre Transporte wie die von Obelisken. Sicher ist, dass Holz, wo immer möglich, aus Kostengründen nicht auf Schiffe verladen wurde, sondern mit Flößen über die Flüsse in die Städte gebracht wurde. Vitruv erwähnt diese Praxis beiläufig, als er berichtet, dass das von ihm aus Gründen des Brandschutzes favorisierte Lärchenholz in Rom nicht verwendet wurde, weil es – da nicht schwimmend – nicht mit Flößen herbeigeschafft werden konnte, sondern auf Schiffe verladen oder auf Tannenholzflößen transportiert werden musste.102 Kähne wurden eingesetzt, als die Produktion von gebrannten Ziegeln ab dem Beginn des Prinzipats in großem Stil betrieben wurde, da die Ziegel am Ort der Tonvorkommen gebrannt wurden.103 Über das Meer verschifft wurden vor allem Marmor und andere wertvolle Gesteine. Welchen Umfang und welche Bedeutung der Steinimport hatte, wird daran deutlich, dass die Römer für den Marmortransport spezielle Schiffstypen konstruierten, wie aus der Erwähnung als naves lapidariae bei Plinius d. Ä. bekannt ist.104 Leider ist unter der großen Zahl bisher bekannt gewordener römischer Schiffswracks kein solches Spezialschiff gefunden worden, sondern nur normale Handelsschifftypen, die unter anderem auch Baumaterial transportierten. Im übrigen wurden auch für andere Typen von Fracht wie Getreide und Wein eigene Schiffstypen entworfen,105 was nicht nur die Bedeutung dieser Güter für den Fernhandel bezeugt, sondern vor allem, dass die Römer die Leistungsfähigkeit ihrer Handelsflotte zu optimieren suchten, während von früheren Kulturen besondere Konstruktionstypen jenseits des Standard-Handelsschiffs nur für den Seekrieg und für Prestigeprojekte bekannt sind.106 Der Höhepunkt römischer Schiffbautechnik im Kontext des Bauwesens waren die Transporter, mit denen die angesprochenen Obelisken aus Ägypten nach Rom gebracht wurden. Sie zählten allerdings nicht zu den naves lapidariae, sondern waren individuelle Konstruktionen, die eigens für eine einzige Fahrt entworfen und gebaut wurden. Auf sie wird weiter unten im Zusammenhang mit den Schwer- und Spezialtransporten eingegangen werden.

3.4.2 Häfen und Stapelplätze

Solange die Bevölkerung Roms noch nicht die Dimensionen der Kaiserzeit erreicht hatte, die Stadt folglich ihren Bedarf an Nahrungsmitteln wie auch an Baumaterial weitgehend aus dem Hinterland decken konnte, waren ausgebaute Hafenanlagen zur Abwicklung von umfangreichen Seetransporten nicht erforderlich. Ostia, der an der Tibermündung gelegene, etwa 30 km von Rom entfernte Seehafen, nach Ennius die älteste Kolonie Roms, war entsprechend lange Zeit hauptsächlich Flottenstützpunkt und Militärlager. Für den Umschlag von Baumaterial in großem Umfang wäre Ostia auch kaum geeignet gewesen, denn es gab keinen Hafen im eigentlichen Sinne, sondern nur eine Schiffslände an der Flussmündung.107

In der Stadt selbst gab es bis in spätrepublikanische Zeit nur einen Flusshafen für den Umschlag sämtlicher Arten von Gütern, das Emporium vor der Porta Trigemina, zwischen dem linken Tiberufer und dem Aventin, wo die Landstraße nach Ostia begann. Dort lag auch der einzige Bereich der Stadt, der sich schon früh mit der Bauwirtschaft verbinden lässt, nämlich – bezeichnenderweise – das Holzhändlerviertel, in dem schon zu Anfang des 2. Jh. v. Chr. auf Staatskosten ein Hallenbau errichtet wurde. Ob es sich um eine Markt- oder Lagerhalle handelte, lässt sich nicht mehr sagen.108

Diese Situation änderte sich nachhaltig, als die Stadt etwa ab Mitte des 1. Jhs. v. Chr. massiv expandierte, was einerseits einen erheblich gesteigerten Bedarf an importierten Nahrungmitteln bedeutete, der nur über den Seeweg abzuwickeln war,109 und natürlich den Bedarf an Baumaterial anwachsen ließ. Hinzukam, dass der Umfang und die Ansprüche an öffentliche Bauten deutlich stiegen. Caesar war der erste führende Politiker, der nicht nur einen einzelnen Bau, sondern einen ganzen Baukomplex anlegen ließ. Für den Bau des Forum Julium ließ er ganze Straßenzüge aufkaufen, und organisierte für die Errichtung den Import von Marmor in Mengen, die nur über den Fernhandel zu beziehen waren.

Die Bewältigung der entsprechenden Transportvolumia war an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden. Man brauchte einen Seehafen, dessen Einfahrt auch bei ungünstigen Winden kontinuierlich angelaufen werden konnte und in dem die Schiffe vor Sturm geschützt waren. Zudem musste das Hafenbecken die für große Schiffe erforderlichen Tiefe haben, und schließlich brauchte man Kaianlagen von erheblicher Länge, um eine große Anzahl von Schiffen gleichzeitig entladen zu können. Da der Umschlag der Güter von den Seeschiffen auf die Flusskähne für den Transport in die Stadt nicht ,just in time‘ erfolgen konnte, war zudem die Anlage von Stapelplätzen und der Bau von Lagerhallen notwendig.

Abb. 3.2: Portus. Unter Claudius und Traian gebaute Hafenanlagen (W. Osthues).

Abb. 3.2: Portus. Unter Claudius und Traian gebaute Hafenanlagen (W. Osthues).

Der Bau einer solchen Infrastruktur hat sich über lange Zeit hingezogen. Erhebliche Erweiterungen der Hafenkapazitäten wurden noch im 2. Jh. vorgenommen. Mit der Anlage eigener Hafenabschnitte für den Umschlag von Baumaterial wurde aber bereits vor der Zeitenwende begonnen, und zwar zunächst in Rom selbst. Unter Augustus, dessen Bauaktivitäten die seines Großonkels Caesar noch bei weitem übertrafen, wurde im Bereich des des Marsfeldes, beim späteren Pons Aelius, nahe der heutigen Via Marmorata, ein Hafenabschnitt mit Stapelplätzen und Werkstätten nur für die Lagerung und Verarbeitung von Marmor angelegt110 Die Initiative dazu darf man wohl seinem leitenden Planer Agrippa zuschreiben. Der Ausbau Ostias zu einem echten Seehafen im oben erwähnten Sinne wurde hingegen erst vergleichsweise spät angegangen. Anstoss für diesen ersten großen Ausbau war allerdings weder der Bedarf des Bauwesens, noch die Kriegsflotte, die ohnehin nicht in Ostia stationiert war, sondern die schon angesprochenen Probleme mit der Nahrungsmittelversorgung, die aufgrund des Bevölkerungswachstums nur noch durch Fernhandel abgedeckt werden konnte. Unter Claudius wurde nördlich von Ostia im zweiten Viertel des 1. Jhs. ein riesiges neues Hafenbecken angelegt mit weit hinausreichenden Molen, einem großen Leuchtturm, langen Kaianlagen, Werften und Speicherplätzen (Abb. 3.2). Dieser neue, eigentlich erste Hafen Roms wurde in einfach Portus genannt. Das in großen Dimensionen konzipierte Projekt scheiterte jedoch mittelfristig, da das Problem der Verlandung des Hafens durch das von der Strömung angeschwemmte Material nicht gelöst werden konnte. Deshalb musste unter Traian ein weiterer Hafen mit einem neuen Becken gebaut werden. Das heute südlich des Flughafens Fiumicino trotz der Verlandung immer noch erkennbare hexagonalen Hafenbecken wurde 113 n. Chr. vollendet.111 Der Hafen wurde mit einem zusätzlichen Kanal, der fossa trainana, mit dem Tiber verbunden. Bemerkenswert an der jüngeren Anlage ist die hexagonale Form. Sie diente offensichtlich dem Zweck, auf einer relativ begrenzten Grundfläche, damit der Aushub für das Hafenbecken vergleichsweise gering gehalten werden konnte, gleichwohl möglichst lange Kaimauern zu realisieren. (Die Lösung dieser Aufgabe ist, nebenbei bemerkt, im Grundsatz die gleiche, die auch am Terminalgebäude des Berliner Flughafens Tegel realisiert worden ist, das ebenfalls einen hexagonalen Grundriss hat.) Traians Projekt bei Ostia, und auch die auf seine Initiative hin erfolgte Neuanlage des Hafens bei Civitavecchia, hat die Forschung direkt mit seinen Bauprogrammen in Verbindung gebracht.112 In jedem Falle dürften die erstaunlich kurzen Bauzeiten der großen Bauprogramme Traians, und auch die seines Nachfolgers Hadrian, zu einem nicht geringen Teil durch die systematischen Verbesserung der Transportinfrastruktur ermöglicht worden sein.

3.4.3 Landtransport

Da Baumaterialn wegen der Kosten wo immer möglich auf dem Wasser transportiert wurde, dürfte der Ferntransport von Materialien auf dem Landweg nur eine geringe Rolle gespielt haben. Entsprechend hatte auch das – spätestens in der Kaiserzeit hervorragend ausgebaute – Fernstraßennetz für das Bauwesen kaum große Bedeutung.113 Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die schon zitierte Bemerkung Vitruvs, Lärchenholz sei nur in den Städten der Adria, nicht aber in Rom verfügbar, weil nur diese von den Einschlaggebieten südlich der Alpen auf dem Wasserweg erreichbar seien. Den Landtransport, obwohl etwa über die schon 220 v. Chr. erbaute Via Flaminia technisch sicherlich machbar, erwähnt Vitruv nicht einmal als Möglichkeit.

Vollkommen vermeidbar war der Landtransport der Materialien natürlich nicht, da das Material ja immer zumindest vom Hafen zur Baustelle gebracht werden musste. Die wenigen Hinweise in den Quellen dazu gelten den Problemen des innerstädtischen Transports. Juvenal erwähnt offenbar nicht seltene Unfälle der mit Marmor beladenen Wagen innerhalb der Stadt Roms, etwa durch Achsbruch, bei denen Passanten durch das Herabstürzen der Ladung getötet wurden, und auch Schäden beim Transport ganzer Tannen- und Pinienstämme.114 Hier zeigen sich die eingangs erwähnten Probleme Roms als gewachsener Stadt, der breite Hauptverkehrsadern fehlten. Auch erwähnt er, dass wegen der Dichte des Verkehrs in den engen Gassen der Stadt Baumaterialien nachts transportiert wurden, so dass wegen des Lärms und des Geschreis der Fuhrleute die Bewohner nicht zum Schlafen kämen115 – sicherlich eine satirische Übertreibung, aber wohl kaum ohne realen Hintergrund. Aufschlussreich in diesem Kontext ist auch der Hinweis beim älteren Plinius,116 dass als Marcus Scaurus Marmorsäulen von 38 Fuß Höhe (ca. 11,5m) zur Aufstellung in seinem Privathaus anliefern ließ, der Unternehmer, der den Auftrag für die Instandhaltung der Abwasserkanäle übernommen hatte, Gewährleistung verlangte für mögliche Schäden an den unter den Straßen verlaufenden Kanälen.

Gleichwohl war der Transport auch schwerer Lasten mit von Ochsen oder Maultieren gezogenen Wagen kein grundsätzliches Problem. Hinweise auf die verwendeten Typen von Wagen geben einige bildliche Darstellungen. Hinzukommen in jüngerer Zeit Funde von an Wagen verwendeten Bauteilen aus Eisen, die zeigen, dass die römischen Stellmacher auch fortgeschrittene Techniken beherrschten.117 Zwar gelten nicht die Römer, sondern die Kelten als führend im antiken Wagenbau, doch ist anhand verschiedener technischer Termini gezeigt worden, dass die Römer wesentliche Neuentwicklungen von den Kelten übernommen haben.118

Leichte bis mittelschwere Wagen, die von Pferden oder Maultieren gezogen wurden, waren aus Esche hergestellt, schwere Wagen mit Ochsengespannen als Zugtieren wurden aus Eiche gefertigt.119 Bildliche Darstellungen zeigen fast immer eine Bespannung mit zwei Zugtieren und offene Wagen mit ein oder zwei Achsen.120

Die Römer verbauten relativ große Räder, die auf unebenem oder weichem Boden einen geringeren Rollwiderstand haben als kleinere Räder.121 Scheibenräder, die verglichen mit Speichenrädern ein relativ hohes Gewicht haben und kaum elastisch sind, findet man vereinzelt auf bildlichen Darstellungen.122 Meist sind auf den bildlichen Darstellungen Wagen mit den schon seit dem 2. Jahrtausend aus Mesopotamien bekannten Speichenrädern erkennbar, und zwar vom später kanonischen Typus mit zur Nabe zentrierten Speichen. Der griechische Typus des Strebenrads wurde anscheinend nicht verwendet.

Ein Fundkomplex aus Neupotz im Rheinland, der auf 278 n. Chr. datiert wird, hat einige sehr fortgeschrittene Konstruktionsdetails von Achsen und Naben römischer Wagen gezeigt: Es gab Räder, bei denen die Felgen aus einem einzigen Stück Holz gebogen waren, teilweise mit umlaufendem Eisenbeschlag. Auch die Achsen hatten Führungsbuchsen aus Eisen. Die Radnaben wurden gedrechselt, aber mit Eisenringen verstärkt, die nicht aufgenagelt, sondern aufgepresst wurden. Für die Lagerung der Nabe auf der Achse wurden ebenfalls eiserne Buchsen verwendet, d. h. es wurden Gleitlager verbaut, die mit Fett geschmiert wurden.123

Einachsige Wagen brauchten per se keine Lenkung. Auch zweiachsige Wagen hatten häufig keine Lenkung, obwohl dadurch der Verschleiß an Rädern und Achsen höher war als bei Wagen mit gelenkter Vorderachse. Die Lenkung der Vorderachse (auf einem Drehschemel oder mit einem Bolzen) war aber bekannt. Auf dem Relief eines Transportwagens für Weinfässer aus Langres etwa liegt der Wagenkasten erheblich höher als die Achsen, was konstruktiv nur Sinn macht, wenn die vordere Achse schwenkbar war. Nachweisbar ist die – in der Forschung lange umstrittene – Lenkung der Vorderachse an dem aufgrund von Befunden rekonstruierten Kölner Reisewagen. Ebenfalls nachgewiesen ist dort die Federung des Wagenkastens. Bremsen könnten auf einigen Abbildungen darstellt sein, doch sind sie nicht zweifelsfrei erkennbar.

Konstruktiv nicht gelöst von den römischen Stellmachern ist das Problem, dass Speichenräder, bei denen die Speichen alle in einer Ebene liegen, nur sehr wenig quer zur Fahrtrichtung wirkende Kräfte aufnehmen können.124 Das Prinzip, die Speichen leicht konisch anzuordnen, indem sie auf der Nabe versetzt zu einander befestigt werden (wie bei einem Fahrrad), ist jedenfalls für die römische Antike nicht zu belegen. Berechnungen haben allerdings ergeben, dass die Wagen mit Speichenrädern ein Gesamtgewicht von drei Tonnen hätten haben können, was deutlich über dem liegt, was ein Pferdegespann ziehen kann (ca. 1 to). Mehr als zwei Zugpferde waren selten.125 Noch im Codex Theodosianus war das Maximalgewicht der Ladung für Wagen des cursus publicus (der staatlichen ,Transportorganisation‘) auf knapp fünfhundert Kilogramm beschränkt.126

Da im Bauwesen aber erheblich höhere Lasten transportiert worden sind, muss man mit noch anderen Wagentypen und Bespannungen rechnen. Bei Lasten bis etwa zehn Tonnen dürften die Römer Wagen mit Scheibenrädern verwendet haben, die von zehn oder noch mehr Ochsenpaaren gezogen wurden, wie es aus Griechenland inschriftlich bekannt ist,127 Schwertransporte mit Ochsenkarren waren noch zu Beginn des 20. Jhs. in den Steinbrüchen von Carrara übliche Praxis.

Nochmals höhere Lasten, wie beispielsweise Bauglieder übergrößer Säulenstellungen, Obelisken, Kolossalstatuen usw., können nicht mit Wagen transportiert worden sein. Möglich waren solche Transporte nur mit Rollen, die – anders als Räder – eine nicht nur punktuelle Aufstandsfläche hatten. Sie mussten jeweils beim Ziehen der Last von hinten nach vorne umgesetzt werden, was den Transport, verglichen mit der Nutzung von Wagen, deutlich langsamer macht. Diese Verfahrensweise war schon im alten Orient bekannt. Schlitten können wegen der großen Auflagefläche der Kufen zwar ebenfalls sehr hohe Lasten bewältigen, durften wegen des enormen Reibwiderstands aber nur dort eingesetzt worden sein, wo der Transportweg durchgehend abschüssig war. Sie werden daher vor allem in Steinbrüchen genutzt worden sein, wo bei steilen Wegen die von der Friktion bewirkte Bremswirkung des beladenen Schlittens das Abseilen erleichterte, wie es für die Steinbrüche im Pentelikon bei Athen gesichert ist.128

3.4.4 Organisation: Die ratio marmorum

Über viele Aspekte der organisatorische Seite der Logistik geben die Quellen kaum Aufschluss. So ist über die privatwirtschaftlichen Transportunternehmen fast nichts bekannt. Einigermaßen deutlich nachzeichnen lässt sich nur die ab der frühen Kaiserzeit aufgebaute staatliche Behörde, deren Aufgabe die Beschaffung und Lieferung von Marmor war: die ratio marmorum. Grundlegende Untersuchungen zur Arbeitsweise dieser Behörde hat John Ward-Perkins vorgelegt.129 Dadurch angestoßen, sind eine ganze Reihe von weiteren Forschungen erschienen, die die Ergebnisse von Ward-Perkins erweitert, aber nur in wenigen Aspekten modifiziert haben, so dass hier auf die Kernaussagen seiner Studien mit einigen Ergänzungen zurückgegriffen werden kann.130

Die ratio marmorum war eine zentrale kaiserliche Beschaffungsstelle für Marmor, die wohl 17 n. Chr. unter Tiberius eingerichtet wurde. Sie hat das ältere System verdrängt, bei dem Privatunternehmer entweder eigene Brüche betrieben oder staatliche Brüche auf Zeit pachteten. Ob dabei Privatbesitz verstaatlicht wurde, oder aber nur die Vergabe von Pachtverträgen für schon vorher in Staatsbesitz befindlichen Steinbrüche beendet wurde, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei erkennen.131 Sicher ist, dass auch staatliche Steinbrüche außerhalb Italiens in die zentrale Verwaltung eingegliedert wurden, wie etwa die immer schon staatlichen Steinbrüche des ptolemäischen Ägypten, das auch als Vorbild der zentral gesteuerten Bewirtschaftung der Steinbrüche gedient haben könnte.132

Primäres Ziel der Einrichtung der Behörde war sehr wahrscheinlich, die kontinuierliche Belieferung der kaiserlichen Bauprojekte mit Marmor sicherzustellen. Daraus lässt sich folgern, dass es bei der älteren Organisationsform mit Aufträgen an Privatunternehmer und einzelnen, direkt staatlich organisierten Beschaffungsaufträgen zu Friktionen für den Baufortschritt in Rom gekommen sein dürfte. Die spätere Organisationsentwicklung ist im einzelnen nicht völlig rekonstruierbar. Sicher ist, dass es mehrere Reformen der Behörde unter den Flaviern133 und unter Hadrian gegeben hat,134 die wahrscheinlich einer weiteren Zentralisierung gedient haben, was wiederum bedeuten würde, dass die ratio unter Tiberius noch kein voll ausgebildetes Monopol auf den Marmorhandel im Mittelmeer hatte. Denkbar in diesem Sinne ist, dass die außeritalischen Steinbrüche zunächst zunächst unter der Leitung der jeweiligen Provinzgouverneure verblieben waren.135 Auch die erst späte Belieferung von Privatleuten durch die ratio zeigt, dass die Monopolisierung zuvor nicht wirklich umfassend durchgesetzt worden war, so dass es selbst in der hohen Kaiserzeit doch noch einen privatwirtschaftlichen Handel mit Marmor gegeben haben muss.

Die Behörde hatte einen Beamten mit Dienstsitz in Rom als Leiter, der spätestens unter Hadrian den Titel eines procurator marmorum trug. Ihm war ein Stab zugeordnet mit Schreibern und Hilfskräften. Die Leiter der einzelnen Steinbrüche waren ihm unterstellt, bei staatlichen Brüchen ebenfalls Beamte, bei Brüchen im Besitz der Legionen Centurionen. Diese regionalen Leiter haben Aufträge mindestens phasenweise auch in eigener Regie abgewickelt.

Die Behörde war keine reine Verwaltungsorganisation, sondern verfügte auch über technisches Personal. Diese Fachkräfte vor Ort, die mit den Eigenschaften des im jeweiligen Steinbruch abgebauten Materials vertraut waren, sind teilweise auch projektbezogen an Baustellen der Besteller abgeordnet worden. Die von den Severern wegen ihrer Herkunft besonders geförderte Stadt Leptis Magna beispielsweise bezog für den Ausbau der öffentlichen Bauten sowohl das Steinmaterial wie auch die Fachkräfte aus Steinbrüchen in Attika und der Prokonnesos. Dadurch arbeitete die Behörde teilweise nicht nur als Koordinationsstelle, sondern – modern ausgedrückt – als eine Art Systemanbieter.

Ein wichtiger Aspekt der ratio marmorum ist, dass sie maßgeblich an der Rationalisierung der Marmorversorgung durch Standardisierung beteiligt war.136 Dadurch konnte die Kommunikation reduziert und die Abarbeitung individueller Bestellmaße vermieden werden. Der Effekt war, dass einerseits die Produktion auf Vorrat ermöglicht wurde (Vorräte wurden auch auf Stapelplätzen, etwa in Ostia, gelagert), und zudem die Lieferzeiten nachhaltig verkürzt werden konnten. Standardisierte Bauglieder, meist schon in den Steinbrüchen vorgefertigt, waren in verschiedenen Größenklassen lieferbar.

3.5 Materialwissen

3.5.1 Holz

Auch wenn die erhaltenen Reste der römischen Bauten nur wenig Spuren der Verwendung von Holz zeigen, so ist dennoch zweifelsfrei, dass Holz eine sehr wichtige Rolle im römischen Bauwesen gespielt hat.137

Zwar waren reine Holzkonstruktionen sicher zu allen Zeiten recht selten, doch zählen dazu einige Bauten, die zeigen, dass die Römer den Holzbau auch in großem Maßstab beherrschten. Ein Beispiel dafür waren die Theaterbauten, die Tausende von Zuschauern aufnehmen konnten (Abb. 3.19). Sie wurden in der Zeit der Republik aus politischen Gründen aus Holz errichtet, als temporäre Bauten, da der Senat keine dauerhaften Stätten der bloßen Unterhaltung des Volks tolerierte. Erst 55 v. Chr. setzte Pompeius den Bau des ersten Theaters in Rom aus Stein durch. Auch später noch wurden Theaterbauten in Holz errichtet, bis man schließlich – nach mehreren Katastrophen durch Einsturz und Brand mit einer großen Zahl von Toten138 – von dieser Bauweise endgültig abging zugunsten von Betonkonstruktionen.

Dauerhaft große Bedeutung hatte Holz hingegen beim Bau von Brücken.139 Zentrales Material der Baukonstruktion war Holz des weiteren beim Fachwerkbau, einer Skelettbauweise, bei der fast alle tragenden Elemente oberhalb der Fundamente aus Holz hergestellt wurden. Auf diese Bautechnik, die vor allem im stadtrömischen Wohnungsbau bis zum Beginn der Kaiserzeit dominant war, wird im folgenden Abschnitt eingegangen.

Auch wenn Holz bei den anderen Bautechniken nicht als primärer Baustoff diente, so konnte doch kaum ein Bau, und sicher keine Baustelle, ohne Holz auskommen. Holz war der übliche Werkstoff für die meisten Decken und Dachstühle, da es preiswerter war als die Konstruktion von Gewölben, und wurde beim Innenausbau der Rohbauten für Treppen, Türen, Fensterläden, Balkone und Galerien verwendet. In Sonderfällen, beim Bauen auf nicht hinreichend belastbarem Baugrund, diente Holz zudem der Fundamentierung, indem in den Baugrund Holzpfähle eingerammt wurden, auf denen die Stein- oder Betonfundamente aufsetzen. Auf der Baustelle schließlich waren die Werkzeuge und Maschinen, die Wagen, Kräne, Leitern und Baugerüste größtenteils aus Holz gefertigt.

Die Versorgung mit Bauholz war für Rom kein grundlegendes Problem, da Italien in der Antike über große Wälder verfügte, wie etwa der Grieche Dion von Halikarnass feststellte, nachdem er 29 v. Chr. von der kleinasiatischen Küste nach Rom gekommen war.140 Der Import von Holz aus Gebieten außerhalb Italiens war daher für das Bauwesen kaum erforderlich, und entsprechend erwähnt Vitruv in seinen Abschnitten über das Bauholz von den Importhölzern allein die Zeder.141

Bewaldet waren vor allem die bergigen Regionen der italischen Halbinsel, da die Ebenen landwirtschaftlich genutzt wurden, was auch für das römische Umland galt. Für die Nutzholzgewinnung bestanden hier jedoch Einschränkungen, da einige der Wälder den Göttern geweiht, und damit dem Holzeinschlag entzogen waren.142 Zudem waren bereits in augusteischer Zeit einige Waldgebiete, die hochwertige Qualitäten liefern konnten, und zugleich verkehrsgünstig auf dem Wasserweg erreichbar waren, durch übermäßigen Einschlag für das stadtrömische Bauwesen nicht mehr lieferfähig, wie das ehemals für sein Schiffbauholz berühmte Pisa.143 Die Versorgung mit Bauholz war daher letztlich ein Kompromiss zwischen den zu fordernden Eigenschaften des Holzes und den (Transport-) Kosten. Entsprechend beklagt Vitruv, wie schon erwähnt, dass das schwer entflammbare Lärchenholz vom südlichen Alpenrand zwar geeignet wäre, das Probleme der Brände in Rom zu reduzieren, jedoch aus Kostengründen kaum verwendet wurde, weil der Transport über den Po nur für die Städte der Adriaküste infrage kam.144

Da Holz in der Antike ein in sehr vielen Bereichen genutzter Werkstoff war, gab es über die Eigenschaften der verschiedenen Holzarten eine umfangreiche Literatur. Der ältere Plinius hatte in seiner naturalis histora dem Thema nicht weniger als sechs Bücher gewidmet,145 und konnte dabei auf die ebenfalls umfassenden, etwa vierhundert Jahre älteren Arbeiten des griechischen Autors Theophrast zurückgreifen.146 Speziell die Eignung der Holzarten im Bauwesen behandelt Vitruv in seinen schon angesprochenen Abschnitten über das Bauholz,147 und nennt dort auch die entsprechenden Kriterien: Festigkeit (also Druck-, Zug- und Biegefestigkeit), Verzug und Rissbildung durch Trocknung, Dauerhaftigkeit im Sinne geringer Gefährdung durch Fäulnis und Schädlingsbefall sowie Entflammbarkeit. Qualitätsunterschiede durch die Bearbeitung werden von ihm ebenfalls kurz angesprochen. So plädiert er wegen der reduzierten Feuchtigkeit des Holzes für einen Einschlag im Herbst, also während der Ruhephase im Wachstum der Bäume (,Saftruhe‘), und schlägt zur Trocknung anstelle der üblichen Lagerung ein spezielles Vorgehen beim Einschlag vor: die Stämme sollen zunächst nur zur Hälfte durchgesägt werden, damit anschließend Feuchtigkeit, und auch die Harze aus dem Mark, entweichen könnten. Ob dieses Vorgehen tatsächlich praktiziert wurde, oder ob es sich um eine eher akademische ,armchair invention‘ handelt, lässt sich allerdings nicht beurteilen.

Was Vitruv nicht gibt, obwohl er es vom Architekten fordert, ist eine Verwendungsliste der unterschiedlichen Holzarten je nach Funktion am Bau.148 Einzige Ausnahme ist die Empfehlung, für Pfähle als Fundamentbasis in sumpfigem Untergrund Erlenholz zu verwenden, da es auch in feuchter Umgebung kaum Fäulnisbildung zeigt. Wegen der stärkeren Sonneneinstrahlung, die zu geringerer Feuchtigkeit führen soll, favorisiert er die Tannen von den Westabhängen des Apenin (die ,Untermeertanne‘).149 Archäologische Befunde können hinsichtlich der Verwendung der Holzarten nur sehr punktuell Auskunft geben, da sich Holz am Bau nur in Ausnahmefällen erhalten hat. In Rom wurden, wo lange Stämme gebraucht wurden (etwa bei Decken und Dachstühlen), hauptsächlich Tannen verwendet. Eichenholz aus Latium und Etrurien wurde ebenfalls häufig genutzt, unter anderem für Dachschindeln anstelle von Dachziegeln.150 Für den Innenausbau mit Türen und Fenstern konnten auch weichere Holzarten verarbeitet werden.

3.5.2 Fachwerk: Holz, Lehm und Stein

Ein schwieriges, und in der Forschung selten behandeltes, aber aus mehreren Gründen relevantes Thema ist der Fachwerkbau, d. h. das Errichten eines Gebäudes, bei dem auf einem Steinsockel ein tragendes Skelett aus Holzbalken aufgebaut wird, dessen ,Fächer‘ mit nicht tragenden Materialien – meist auf Lehmbasis – ausgefüllt werden. Baugeschichtlich ist das Thema relevant, denn auf Basis der Fachwerktechnik hat die römischen Architektur einen Gebäudetypus entwickelt, der bis heute erhebliche Bedeutung hat: das mehrgeschossige Wohnhaus mit Mietwohnungen.

Das mehrgeschossige Mietshaus mit Fachwerk in Verbindung zu bringen, ist keineswegs evident. Die erhaltenen Reste von mehrgeschossigen Mietshäusern stehen hauptsächlich in Ostia und sind aus Gussbeton errichtet, der mit gebrannten Ziegeln oder kleinen Tuffsteinen verblendet wurde (opus caementitium, s. dazu weiter unten). Dagegen steht zudem die berühmte Aussage des Augustus, eine 'Stadt aus Ziegeln' vorgefunden zu haben (und eine 'Stadt aus Marmor' hinterlassen zu haben).151 Zwar nicht anhand von Bauresten, wohl aber anhand von Quellenbelegen lässt sich jedoch plausibel machen, dass es bereits in voraugusteischer Zeit in Rom mehrgeschossige Mietshäuser gegeben hat, die nicht in Ziegel- bzw. Beton-, sondern in Fachwerktechnik errichtet worden sind.

Die Existenz mehrgeschossiger, sogar sehr hoher Wohnhäuser in Rom ist schon für die relativ frühe Zeit eindeutig bezeugt. Strabon gibt beispielsweise an, dass unter Augustus die Höhe der Wohnhäuser gesetzlich auf siebzig Fuß (ca. 21m) begrenzt wurde.152 Unter Traian, also mehr als hundert Jahre später, wurde die maximale legale Bauhöhe noch weiter reduziert, und zwar auf sechzig Fuß.153 Es gab demnach also schon in augusteischer Zeit, und wahrscheinlich auch schon deutlich früher, Wohnhäuser mit über zwanzig Metern Höhe, denn andernfalls hätte die erlassene Beschränkung der Bauhöhe auf siebzig Fuß keinen Sinn gehabt. Zu den genannten Gebäudehöhen passt im übrigen auch eine Passage von Martial, in der ein Mietshausbewohner erwähnt wird, der über zweihundert Stufen hinaufsteigen musste, um seine Wohnung zu erreichen.154

Die Konstruktion dieser mehrgeschossisgen Wohnhäuser war allerdings offensichtlich problematisch. Strabon berichtet an gleicher Stelle ausdrücklich von der Einsturzgefahr, und sogar vom absichtlich herbeigeführten Einsturz, um den Besitzern Baugrund für Neubauten zu verschaffen. Bestätigt wird die Aussage Strabons in gewissem Sinne von Cicero, der brieflich seinem Freund Atticus mitteilt, zwei seiner Läden seinen eingestürzt, so dass neben den Mietern sogar die Mäuse das Gebäude verlassen hätten – er gedenke, den Schaden durch Neubau in Gewinn zu verwandeln.155 Ähnlich früh wird schon von dem Triumvir Crassus (t 53 v. Chr.) berichtet, dass er in großem Umfang abgebrannte und eingestürzte Häuser aufkaufte und am Ort mit eigenen Leuten Neubauten errichtete.156 Problematisch waren diese großen Wohnbauten zudem noch in anderer Hinsicht. So sind Brände, die ganze Straßenzüge erfassen konnten, durch die Quellen ausdrücklich bezeugt,157 etwa beim älteren Plinius, der erwähnt, dass in Rom Häuser ,spontan‘ oder wegen Brand vollständig einstürzten.158

Die Frage ist demnach, in welcher Bautechnik in Rom schon in spätrepublikanischer Zeit über zwanzig Meter hohe Wohnhäuser erbaut wurden, die in offenbar hohem Maße einsturz- und brandgefährdet waren. Die ‚Stadt aus Ziegeln‘, von der Augustus gesprochen hatte, gibt hier einen Hinweis, der allerdings leicht missverstanden werden kann. So übersetzt R. Till das von Sueton verwendete Wort latericiam mit „Backstein“,159, was gebrannte Ziegel bezeichnet, und auch J. C. Rolfe160 schreibt an der entsprechenden Stelle „brick“, was ebenfalls gebrannte Ziegel bezeichnet. Augustus konnte aber gar keine Stadt aus gebrannten Ziegeln vorgefunden haben. Reines – also durchgeschichtetes – Backsteinmauerwerk, wie es noch heute gängig ist beim Bau von Einfamilienhäusern, wurde in Rom in der Antike ohnehin kaum verwendet, sondern allenfalls im Osten, und dort auch nur selten (s. u. unter Mauertechnik). Gemeint war von Augustus bzw. Sueton aber auch nicht das mit gebrannten Ziegeln verblendete Gussmörtelmauerwerk, wie man es von den Wohnhäusern aus Ostia kennt, denn die Produktion von gebrannten Mauerziegeln in großem Umfang setzte erst in nachaugusteischer Zeit ein. Ihre Verwendung blieb überdies zunächst auf öffentliche Bauten beschränkt. Das von Sueton benutzte latericiam bezeichnet vielmehr luftgetrocknete Lehmziegel, nicht aber Backstein bzw. gebrannte Ziegel. Ausschließlich im Sinne von ,Lehmziegel‘ benutzt das Wort im übrigen auch Vitruv.161

Augustus meinte in seinem Bericht also zweifellos nicht Backsteine, sondern Lehmziegel. Allein aus Lehmziegeln können die Bauten von der in den Quellen genannten Höhe aber auch nicht errichtet worden sein: Man hätte dazu enorme Wandstärken für die Untergeschosse vorsehen müssen, die in Rom – schon wegen der Nutzung des begrenzten Baugrunds – nicht in Frage kamen. Das ist explizit bezeugt, denn Vitruv erwähnt ein Gesetz zur Begrenzung der Wandstärken von Kommunmauern auf 1 Fuß, das mehrgeschossige Bauten in Lehmziegeltechnik faktisch verbot, denn bei einer solchen Wandstärke hätte man in Lehmziegeltechnik allenfalls Häuser mit zwei Geschossen bauen können.162

Es bleibt m. E. nur, dass die frühen Hochhäuser mindestens zu großen Teilen, d. h. über einem Sockelgeschoss aus Stein, in Fachwerktechnik errichtet worden sind: Fachwerk lässt bei relativ geringen Wandstärken vergleichsweise große Bauhöhen zu, ist bei solchen Höhen und mangelhafter Ausführung stark einsturzgefährdet, und zudem hochgradig brandgefährdet, entspricht damit also den Aussagen in den Quellen über die mehrgeschossigen Mietshäuser. Da Fachwerk mit Lehmstroh oder Lehmziegeln ausgefacht wurde, und von außen auch mit Lehm verputzt wurde, war der Lehm, und nicht die tragende Holzkonstruktion, bestimmend für den optischen Eindruck solcher Häuser, so dass auch der Satz des Augustus über die ,Stadt aus (Lehm-) Ziegeln‘ mit der hier vorgeschlagenen Deutung vereinbar sein dürfte. Ebenfalls damit vereinbar wäre im übrigen die Tatsache, dass Rom nach Livius schon früh einen speziellen, mehrfach ausgebauten Holzhafen besaß (die portus inter lignarios). Strabon bringt in der oben angeführten Textpassage die Kapazität des Holzhafens ausdrücklich in Zusammenhang mit der Bautätigkeit. Ein Beleg für die Annahme lässt sich schließlich in Vitruvs Verdikt über das Fachwerk sehen („Fachwerk, wünschte ich, wäre nie erfunden“).163 Vitruv hätte sich kaum so geäußert, wenn Fachwerk für Rom bedeutungslos gewesen wäre. Wie sah nun römisches Fachwerk aus?164 Stadtrömische Befunde gibt es dazu nicht, aber – erstaunlicherweise165 – aber einige Befunde aus Herculaneum, sowie vereinzelt aus Pompeji. Das sog. ,house-of-the-opus-craticium‘ in Herculaneum166 (Abb. 3.3), ein Haus mit drei oder vier Wohnungen, zeigt in etwa die angesprochene Mischbauweise mit hohem Fachwerkanteil: Die Säulen sind aus gebrannten Ziegeln hergestellt, ein Teil des Untergeschosses aus gemauertem Naturstein (erkennbar in der unteren Bildmitte), das Obergeschoss im wesentlichen aus Fachwerk. Das heute sichtbare Fachwerk, dessen Fassade ursprünglich verputzt gewesen sein dürfte,167 hat im Aufbau Ähnlichkeiten mit der mittelalterlichem oder neuzeitlichen Bauweise: es setzt an auf einem starken horizontalen Balken (dem Rahmenholz), in das vertikale Ständer eingezapft sind (Dm 8–12 cm), die mit etwas schwächer dimensionierten Riegeln (6–8 cm) verbunden sind. In etwa so wird es auch von Vitruv beschrieben, der für reine Fachwerkkonstruktionen zudem fordert, die Schwelle, also den untersten horizontalen Balken über dem Steinsockel, vom Fußboden abzusetzen, damit der Balken nicht durch Bodenfeuchtigkeit fault.

Abb. 3.3: sog. ‚house of the opus craticium‘, Herculaneum (Wikipedia, Y. Kuznetsova).

Abb. 3.3: sog. ‚house of the opus craticium‘, Herculaneum (Wikipedia, Y. Kuznetsova).

Bei dem hier angesprochenen Gebäude wurde kein Lehm für die Ausfachung benutzt. Es gibt jedoch einen Anhaltspunkt dafür, dass das dennoch in Rom üblich war. Der von Vitruv verwendete Terminus (cratitii [parietes]) bezeichnet nämlich im Wortsinne nicht das Holzskelett, sondern Flechtwerk. Damit gemeint ist sehr wahrscheinlich das mit Lehm beworfene Flechtwerk, das man zur Ausfachung von Fachwerkbauten noch bis weit in die Neuzeit hinein häufig benutzt hat. Alternativ hätte man die rechteckigen Fächer auch mit Lehmziegeln verfüllen können, was ebenfalls eine über Jahrhunderte übliche Praxis war.

Zwischen abgebildeten Haus aus Herculaneum und dem Fachwerk, wie man es aus späterer Zeit kennt, gibt es jedoch einen konstruktiv wesentlichen Unterschied. Wie auf dem Bild gut zu erkennen, fehlen diagonale Aussteifungen zwischen den Fächern. Auch Vitruv erwähnt nur Ständer und Riegel, jedoch keine schräg einzufügenden Streben. Ohne solche Streben ist eine Fachwerkkonstruktion jedoch gegen Verformungen in der Diagonale nicht gesichert: der Bau wird windschief. Die entsprechenden Kräfte wirken naturgemäß umso stärker, je höher das Gebäude ist.

War also eine mangelnde Beherrschung der Fachwerktechnik die Ursache der Einstürze der frühen römischen Mietshäuser? Bei der Konstruktion wie in Herculaneum sicher nicht, denn dort nimmt die Ausfachung diagonal wirkende Kräfte auf, da die Ausfachung aus Stein und Mörtel – anders als Lehm – in sich formstabil ist. Zudem sind diagonale Verstrebungen zumindest aus späterer Zeit gut bekannt durch Reliefdarstellungen, etwa an der Donaubrücke auf der Traianssäule. Auch die Lehrgerüste für den Bogen- und Gewölbebau können nicht ohne solche Aussteifungen ausgekommen sein. Das gleiche gilt für die in Holz errichteten Theaterbauten. Schließlich gibt es zumindest ein Beispiel aus Pompeji, wo sogar trotz einer Ausfachung in Stein diagonale Streben eingezogen worden sind.168 Nicht die Technik an sich, sondern Mängel in der Bauausführung und Vernachlässigung der Instandhaltung (Verwendung zu weicher oder faulender Holzarten), sicherlich begründet in hohen Profiterwartungen der Eigentümer, dürften für den Einsturz vieler dieser Häuser in Rom ursächlich gewesen sein.

Wenn die hier dargelegte Argumentation zutrifft, dann war die in nachaugusteischer Zeit einsetzende Massenproduktion von Backstein nicht die bautechnische Voraussetzung für den mehrgeschossigen Wohnhausbau, wie man ihn heute v. a. aus Ostia kennt. Es war vielmehr umgekehrt: Der Gebäudetypus war zuvor bereits stark verbreitet, und konnte wegen der Notwendigkeit, auf begrenzter Fläche immer mehr Wohnraum zu schaffen zu müssen, auch nicht aufgegeben werden. Der Typus des mehrgeschossigen Mietshauses trug vielmehr seinerseits erheblich zum ,Siegeszug‘ des gebrannten Ziegels bei, weil der Ziegel eine Lösung versprach für das gravierendste Probleme der älteren Bauweise der Mietshäuser, das Verfaulen des Holzes und die Brandgefahr.169 Es gab in der Antike keine andere Stadt, bei der sich das Problem in dieser Schärfe stellte, denn nirgendwo wurde in den angesprochenen, großstädtisch anmutenden Dimensionen in die Höhe gebaut. Daher ist es auch sicher kein Zufall, dass es Rom war, wo der zunächst nur als Formstein für spezielle Funktionen hergestellte gebrannte Ziegel (etwa für Säulen) zum Standard-Baumaterial in einfacher Quaderform wurde. Der Backstein ist damit ein Beispiel dafür, dass nicht die einfache, sondern die komplexe Form eines Bauglieds am Anfang der Entwicklung steht.

3.5.3 Lehm: Luftgetrocknete Ziegel und Stampflehm

Ebenso wie das Fachwerk wird auch das Bauen allein mit Lehmziegeln in den Arbeiten zur römischen Bautechnik meist nur sehr knapp abgehandelt. Das entspricht ganz sicher nicht der Bedeutung, die diese Bauweise in republikanischer Zeit, und durchaus auch danach noch hatte. Das Problem für die Forschung ist das Fehlen aussagefähiger Befunde: Lehmziegel erhalten sich nicht, wenn ein Gebäude aufgelassen wird bzw. das vor Regen schützende Dach zerstört ist. Nur sehr selten, wenn ein Lehmziegelbau durch Brand zerstört worden ist, finden sich noch einzelne Ziegel, weil das Feuer die Lehmziegel dabei ,sekundär‘ gebrannt, und damit haltbar gemacht hat. Viele Ruinen liefern aber immerhin einen Hinweis auf die Verbreitung der Bauweise, denn wenn eine Grabung niedrige Mauersockel aufdeckt, die horizontal abgeglichen sind, waren die aufgesetzten Mauern in vielen, wenn nicht den meisten Fällen aus Lehmziegeln, Stampflehm oder Fachwerk mit Lehmausfachung hergestellt. Bedingt durch das Fehlen weitergehender archäologischer Funde sind antike Schriften die Hauptquelle zum römischen Bauen mit Lehm. Herangezogen werden zudem oft Vergleiche mit der Vorgehensweise in den Gebieten vor allem östlich und südlich des Mittelmeeres, wo heute noch im ländlichen Raum mit Lehmziegeln oder Stampflehm gebaut wird.170

Die Römer haben das Bauen mit Lehmziegeln (den oben angesprochenenlateres) nicht erfunden – es ist praktisch so alt wie das Bauen selbst.171 Vieles haben die Römer von anderen Kulturen übernommen. In einigen Details haben sie die Bauweise ihren eigenen Bedürfnissen angepasst, und auch weiterentwickelt. Die Bedeutung des Bauens mit Lehmziegeln für die Römer zeigt sich schon daran, dass sich bei Vitruv ein eigenes Kapitel über das Bauen mit Lehmziegeln findet,172 jedoch keines über gebrannte Ziegel (die er aber sehr wohl kannte und schätze).

Ausgangsmaterial für die Herstellung der Ziegel ist Lehm. Lehm ist eine Mischung aus Sand, Ton und Schluff. Vitruv favorisiert neben sandigem Lehm solchen mit hohem Anteil von Ton, als eher glattes, festes, aber nicht zu schweres Material.173 Dieses Ausgangsmaterial wurde aufbereitet, indem es mit Zuschlagstoffen wie Sand oder vegetabilem Material (Stroh u. ä.174) gemagert wurde. Das know-how dabei bestand vor allem in der Bemessung der Zuschlagstoffe, da zu ,fetter‘ bzw. zu schwach gemagerter Lehm schlecht durchtrocknet, und dabei zudem deutlich schrumpft und Risse bildet. Zu stark mit Sand gemagerter Lehm ergibt hingegen wenig druckfeste Ziegel, die unter Last zerbröckeln.

Für die Verarbeitung des Materials am Bau kamen zwei Techniken infrage: als Stampflehm, der heute oft Pisé genannt wird, oder als in Rahmen gestrichene Lehmziegel. Beide setzen auf der Baustelle einen Steinsockel voraus (jedenfalls im europäischen Klima), da Lehm bei dauerhafter Bodenfeuchtigkeit seine Form verliert, so dass Mauern ohne Steinsockel absacken würden. Beim Pisé wird der Lehm auf der Sockelmauer schichtweise in stabile Holzschalen eingebracht, und dort durch Stampfen verdichtet, wobei Wasser austritt. Diese Bauweise ist sicherlich in den südöstlichen Provinzen des Reiches praktiziert worden, jedoch archäologisch kaum nachweisbar und bei Vitruv nicht behandelt. Die andere Methode175 ist das Streichen der Ziegel in Holzrahmen, was eo ipso zur Standardisierung der Ziegelmaße führt, zudem die Herstellung von Formziegeln ermöglicht. Die normalen Ziegel hatten im römischen Bauwesen ein standardisiertes Maß von 1 * 1 Fuß.176 Die Ziegel wurden auf der Baustelle mit nassem Lehm bestrichen versetzt, und anschließend außen meist mit einem Kalkputz überzogen, der sie auf Außenwänden gegen Schlagregen schützte und innen eine Dekoration der Wände ermöglichte.

Um die angesprochenen Probleme der Trocknung zu vermeiden, fordert Vitruv die Herstellung im Frühjahr oder Herbst, und erwähnt die Folgen des Trocknens bei zu starker Hitze: Im Sommer hergestellte Ziegel trocknen äußerlich stark ab, wodurch die Trocknung im Inneren behindert wird. In der Folge schrumpfen die Ziegel auch nach dem Versatz langsam weiter, wenn die Restfeuchte im Inneren entweicht. Dadurch ergeben sich Schäden am Verputz: Wenn die Ziegel auch nach dem Versatz weiter schrumpfen, der schnell durchhärtende Kalkputz aber nicht, löst sich der Putz von der Wand oder bildet Risse.

Interessant bei Vitruvs Behandlung der Lehmziegelmauern ist, dass er hier offenbar eine zeitgenössische, kontroverse Diskussion der Bauweise aufnimmt, und dabei differenziert und detailreich auf die Einwände gegen das Bauen mit Lehmziegeln eingeht. Der erste Punkt dabei ist der mangelnde Prestigewert der Lehmziegelarchitektur. Vitruv verweist hier in einem langen Abschnitt darauf, dass – vor allem Osten – sowohl bedeutende Sakralbauten wie auch Paläste von Königen aus Lehmziegeln errichtet worden sind.177 Der 'Wert' wird von ihm zudem auch konkret, also pekuniär, diskutiert. Man erfährt dabei, dass von römischen Gutachtern die Abschreibung von Steinmauerwerk auf achtzig Jahre berechnet wurde, d. h. beim Ermitteln des Zeitwertes ein Achtzigstel pro Jahr von Neuwert abgezogen wurde. Lehmziegelmauern hingegen wurden mit dem Neuwert angesetzt, wenn sie lotrecht standen, wegen ihrer im Grundsatz unbegrenzten Haltbarkeit.178 Schließlich nimmt er indirekt ein bautechnisches Argument auf. Er rät nämlich, die Mauerkronen von Lehmziegelmauern mit gebrannten Ziegeln in einer Höhe von 1 Fuß aufzumauern, und zwar so, dass sich ein vorkragendes Gesims ergibt.179 Dadurch ist die Oberkante der Lehmziegelmauer auch dann geschützt, wenn einzelne Dachziegel fehlen, und zudem die Außenseite der Mauer in gewissem Umfang gegen Schlagregen. Zugleich ergibt sich so ein stabiles und trockenes Lager für die Dachsparren in der Form eines Ringankers. Ob die von Vitruv beschriebene Lösung häufig angewendet wurde, lässt sich mangels Befunden allerdings nicht angeben.

Argumente, wie sie Vitruv anführt, sowie die relative Erbebensicherheit, auf die der ältere Plinius hinweist,180 und die sich noch weiter ergänzen ließen,181 haben auch nach dem Beginn der massenhaften Produktion von Ziegelsteinen ihre Gültigkeit für Bauherren von Landgütern und Häusern in Landstädten auf Dauer behalten. Das Lehmziegel-Mauerwerk eignete sich jedoch nicht für Monumentalbauten, wie sie Rom vor allem in der Kaiserzeit entwickelt hat.

3.5.4 Naturstein

Die Römer nutzten an ihren Bauten eine enorm große Zahl unterschiedlicher Gesteinsarten. Es fällt schwer, eine andere Epoche zu nennen, die ihren Baumeistern ein ähnlich breites Spektrum von Gesteinen zur Verfügung stellen konnte. Die Verwendung der Gesteinsarten illustriert ganz unterschiedliche Aspekte des römischen Bauwesens. Primär offenbart sich das genaue Wissen der Baumeister um die technischen Eigenschaften der hauptsächlich eingesetzten Gesteine, die sie entsprechend ihrer Funktion am Bau differenziert verwendeten, und auch, wodurch die Baumeister diese Kenntnisse gewonnen hatten. An der Nutzung der Gesteine lässt sich aber noch mehr ablesen, nämlich einiges über die Verzahnung der Entwicklung des Bauwesens mit der Gesamtentwicklung des römischen Staates. Das immer weiter wachsende Spektrum von verfügbaren Gesteinen ist eng gebunden an die Expansion des römischen Staates, die den Baumeistern den roten ägyptischen Granit, den Prophyr und die Buntmarmore der gesamten Mittelmeerwelt erschloss. Dazu gehört auch die Organisation der nötigen Transportkapazitäten. Nicht zuletzt reflektiert die Verwendung der Gesteine die finanziellen Möglichkeiten, den Geschmack und den Repräsentationsanspruch der finanziell potenten Bauherren.

Jenseits der farbigen Marmore und Granite, wegen derer spätere Epochen die römischen Monumente jahrhundertelang geplündert haben, brauchten aber auch die Römer primär Gesteine, die von ihren Eigenschaften her für das Bauwesen geeignet waren und in ausreichender Menge kostengünstig beschafft werden konnten. In diesem Sinne bildeten sieben verschiedene vulkanische Tuffgesteine und der Travertin im Wortsinne die Basis der Architektur Roms.

Die Tuffgesteine, die die Römer im Bauwesen zunächst verwendeten, waren naheliegenderweise die Steine, die sie auf dem Gebiet der Stadt selbst brechen konnten. Dazu gehört der Cappellacio, der am Quirinal und am Fuß des capitolinischen Hügels anstand: leicht zu bearbeiten, aber nicht sehr fest. Bereits im 5. Jh. v. Chr. endet der Abbau, denn im Zuge der frühen Expansion erhielten die Baumeister Zugriff auf Steinbrüche in Südetrurien bei Veji und in Fidenae. Dieser ,roter Tuff‘, den auch Vitruv anspricht182), kam beim Bau der Servianischen Mauer zum Einsatz, und wurde bis gegen Ende des Jahrhunderts genutzt. Kurz vor dieser Zeit beginnt die Verwendung des Peperino, lateinisch lapis Albanus aus der Gegend von Alba Longa (heute Castell Gandolfo), und wohl etwas später des Sperone, lateinisch lapis Gabinus, der bei Gabii an der Via Praenestina gebrochen wurde. Die letzterwähnten beiden Gesteine wurden bis weit in die Kaiserzeit in Rom verbaut.

Vitruv gibt in seinem kurzen Kapitel über die Gesteine183 einige erhellende Einblicke in das Wissen der Baumeister seiner Zeit, das bei der Auswahl des Steinmaterials zum Tragen kam. Tuffe sind zwar im allgemeinen leicht zu bearbeiten, daher kostengünstiger als andere Gesteine, haben aber den Nachteil, dass sie nur in Grenzen druckstabil sind, weswegen Vitruv seine Gruppierungen danach vornimmt, welche von ihnen als noch vergleichsweise hart gelten können, und welche nicht. Ein weiterer kritischer Punkt der Tuffe ist ihre mangelnde Frost- und Witterungsbeständigkeit sowie ihre geringe Widerstandsfähigkeit gegen Salzwasser, was sie für Hafenbauten ungeeignet machte. In dieser Hinsicht präsentiert sich Vitruv als erfahrener Praktiker, der technische Eigenschaften und Kosten gleichermaßen im Blick hat: er empfiehlt, Tuffe zunächst zwei Jahre (also Winter) zu lagern, und die Blöcke für den Oberbau zu verwenden, die in dieser Zeit keine Abplatzungen oder Risse entwickeln. Der Schutt soll für den Bau von Fundamenten benutzt werden. Des weiteren empfiehlt er, Tuffgesteine grundsätzlich nur im Kern von Mauern zu verbauen, nicht jedoch für die der Witterung ausgesetzten Außenschalen. Vitruv belegt eine Einschätzungen, indem er deren Quellen offenbart: Er nennt – genauso wie auch im Abschnitt über die Mauerwerkstechniken184 – jeweils ältere Bauten, an denen sich das Verwitterungsverhalten der unterschiedlichen Materialien studieren lässt. Es handelt sich also um ein Wissen, dass erfahrungsbasiert ist und belegt werden kann, und das er anschließend, im Sinne seines Anspruchs auf Verwissenschaftlichung des Bauens185, mit der Vier-Elemente-Lehre zu erklären sucht. Noch ein weiterer Aspekt der Materialauswahl wird von Vitruv benannt, der sich auf die Verwendung der Gesteine unter den speziellen Bedingungen der Stadt Rom bezieht: die Feuerfestigkeit. Sie war sicher ein wesentlicher Grund, warum vor allem der Peperino und der Sperone nach Rom transportiert wurden. Ihre Verwendung an den Brandschutzmauern für die Kaiserforen belegt dies deutlich. Das Augustusforum ist vor allem wegen solcher Mauern beim großen Brand von 64 n. Chr. von Beschädigungen verschont geblieben.

Da sich unter den Tuffgesteinen keine wirklich harte Variante finden ließ, brauchten die Architekten zumindest ein anderes Gestein, das sie für hochbelastete Bereiche verwenden konnten. Der Stein ihrer Wahl war der Travertin, der nach seinen Vorkommen bei Tivoli als lapis Tiburtinus bezeichnet wurde. Travertin ist ein Kalkstein, genauer: ein Süßwasserkalk, der chemisch aus fast ausschließlich aus Kalziumkarbonat (CaCO3) besteht, und daher auch als Ausgangsstoff für die Herstellung von Brand- bzw. Löschkalk geeignet war. Dass die Römer ihn ab etwa dem Beginn des letzten Jahrhunderts vor der Zeitenwende hauptsächlich wegen seiner Härte einsetzten, zeigt seine Verwendung an der Milvischen Brücke, und später vor allem an der Fassade des Kolosseums. Travertin wurde bis in die Spätantike kontinuierlich in Rom als besonders druckfestes Material eingesetzt, obwohl seine relativ geringe Widerstandskraft gegen Feuer bekannt war, was wiederum zeigt, dass auch in Rom zu Zeiten seiner höchsten Finanzkraft wirtschaftliche Aspekte beim Bauen eine Rolle spielten.

3.5.5 Marmor

Marmor galt in der östlichen Mittelmeerwelt ab dem 6. Jh. v. Chr. als das edelste unter den Baumaterialien. Nach Rom kam der Marmor erst relativ spät, entweder in der zweiten Hälfte des 2. Jhs. oder am Beginn des 1. Jhs. v. Chr. Die Überlieferung ist in dieser Frage widersprüchlich. Die Variante, die besonders auf Textpassagen beim älteren Plinius beruht, nimmt die Spätdatierung an. Ihr zufolge soll als erster der Rhetor Lucius Licinius Crassus (t 91 v. Chr.) sechs Säulen aus hymettischem Marmor von zwölf Fuß Höhe in seinem Privathaus auf dem Palatin aufgestellt haben.186 Später soll Mamurra, bei Caesar als praefectus fabrum zuständig für Militärtechnik, ebenfalls Säulen aus Marmor in seinem Haus verbaut haben.187 Erstmals öffentlich aufgestellt wurden Marmorsäulen von Sulla auf dem Capitol, die von der Ausraubung des Olympieion in Athen stammten.188 Im Gegensatz dazu steht die Überlieferung, dass bereits Q. Caecilius Metellus nach seinem Sieg über die Makedonen 146 v. Chr. den Bau der porticus Metelli beim Circus Flaminius in Auftrag gab. Innerhalb der Porticus wurde der Tempel des Jupiter Stator errichtet, der nach Vitruv der erste Marmortempel Roms war. Der zuständige Architekt soll, wiederum Vitruv zufolge, der zyprische Grieche Hermodoros gewesen sein.

Beide Überlieferungen stimmten in einem wichtigen Punkt überein: am Anfang stand nicht der Import von rohen Marmorblöcken, sondern von fertig bearbeiteten Baugliedern. Daraus kann man folgern, dass Rom keine Handwerker hatte, die das Wissen und die Erfahrung hatten, um mit dem sehr harten – und teuren – Material arbeiten zu können. Das würde auch erklären, warum Q. Metellus einen griechischen Architekten für sein Tempelbauprojekt engagierte. Ab Mitte des 1. Jhs. kann dieses Problem aber schon nicht mehr bestanden haben, denn in dieser Zeit wurde zunächst apuanischer, und später auch weißer Marmor importiert.189 Kurz darauf setzten dann schon vereinzelt Importe von Buntmarmoren ein, die die Römer vermutlich in der ptolemäischen Hauptstadt Alexandria an der Nilmündung kennengelernt hatten.190 Plinius berichtet jedenfalls, dass der erste im Rom verbaute Block aus Buntmarmor eine (Tür-?) Schwelle aus gelben, numidischem Marmor war, und dass bald darauf auch schwarzer Marmor aus Melos oder Chios importiert wurde.191 In großem Umfang wurde Marmor spätestens unter Augustus durch Agrippa nach Rom importiert und an öffentlichen Gebäuden für Säulen, Gebälke und Wandverkleidungen verwendet.

Die Römer haben sich in der Folge fast alle bekannten Marmorvorkommen der Mittelmeerwelt angeeignet. Es handelt sich um ca. einhundert Abbaustätten in Norditalien, Spanien, Südfrankreich, Griechenland, der Westtürkei, Ägypten, Africa (Tunesien/Algerien).192 Seinen Höhepunkt erreichte der Marmor-Import im 2. Jh. n. Chr. mit dem Aufkommen des sog. Marmorstils. Aus Plinius‘ Sicht hatte die Begeistung der Römer für exotischen Marmor nicht mehr tolerierbare Dimensionen angenommen, so dass er ein Verbot des Imports befürwortete.193

Die wichtigsten Brüche für weißen Marmor waren die neuentdeckten Vorkommen bei Luna (Carrara), da die Steinbrüche nahe am Meer lagen und die dortigen Winde den Seetransport begünstigten, wie Strabon hervorhebt.194 Große Mengen wurden aber auch aus den Brüchen im Gebiet der Ägäis bezogen, aus Attica (Pentelikon, Hymettos), aus dem Marmarameer (prokonnesischer Marmor), von der kleinasiatischen Westküste (Ephesos, Aphrodisias) und von den Inseln Thasos und Paros.195

Die wichtigsten Bundmarmorarten waren (mit den modernen Namen):

pavonazzetto aus Docimium in Phrygien (NW-Türkei), weiß-gelb mit rosa Einsprengseln;

giallo antico aus Smitthus in Numidien (Chemtou in südl. Tunesien), meist gelb;

cipollino aus Karystos auf Euböa; dunkel, auch grün;

rosso antico vom Cap Tainaros (südliche Peloponnes), blutrot;

fior di pesco aus Chalkis in Böotien (Mittelgriechenland), rot, weiß, violett;

portasanta aus Chios, Pasteltöne, grau, rosa;

verde antico aus Thessalien, dunkelgrün.

Hinzukamen im Laufe der Zeit als weitere hochwertige Importgesteine Prophyr aus Sparta (Croceae, ,Laconian‘,dunkelgrün) und vom Mons Prophyrites (Gebel Dokhan, Ägypten, rot mit weißen Einsprengseln). Außerdem granitähnliche Gesteine aus Syene bei Assuan, rosa mit weißen Einsprengseln, und ein ähnlicher Granodiorit vom Mons Claudianus, dem heutigen Gebel Fatireh in Ägypten.

3.5.6 Gebrannte Ziegel

Gebrannte Ziegel (Backsteine) sind eines der bekanntesten Baumaterialien der römischen Antike.196 Als primäres Baumaterial verwendet wurden sie, wie oben schon im Zusammenhang mit dem Fachwerk erwähnt, erst relativ spät, etwa ab dem Ende der Republik, und verstärkt ab der Regierungszeit des Tiberius. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sowohl die erforderlichen Materialien wie die Techniken für die Ziegelproduktion immer schon vorhanden waren, und zudem, wenn man die ebenfalls oben schon angesprochenen Probleme mit Bränden innerhalb der Stadt Rom berücksichtigt.

Zur Ziegelherstellung197 brauchte man nur wenige Materialien, die in Italien fast überall reichlich zur Verfügung standen, und damit kostengünstig waren: einen stärker tonhaltigen Lehm,198 Brennmaterial wie Holz, und Sand zur Magerung. Die Brenntechnik war seit langem bekannt, denn ein Brennofen zur Herstellung von Backstein unterscheidet sich nicht grundlegend von einem Töpferofen oder einem Brennofen für Dachziegel.

Abb. 3.4: Syrischer Töpferofen vom Typus der antiken römischen Ziegelöfen (W. Osthues).

Abb. 3.4: Syrischer Töpferofen vom Typus der antiken römischen Ziegelöfen (W. Osthues).

Solche Öfen erreichten die erforderlichen Brenntemperaturen von etwa 600 bis 1000°, die für die Herstellung von hochwertigen – festen und frostsicheren – Ziegeln erforderlich waren. Die in nahezu allen Teilen des Imperiums gefundenen Brennöfen sind in etwa ähnlich aufgebaut wie der oben abgebildete Ofen aus Syrien: Den unteren Teil bildete die Feuerkammer, die in der Regel in den Boden eingetieft wurde, was die seitliche Abgabe von Wärme reduzierte. Die Kammer hatte ein verschließbares Feuerungsloch, das durch einen davor liegenden, horizontalen Schacht für die Beschickung mit Brennmaterial zugänglich war. Den oberen Abschluss der Feuerkammer bildete ein Boden mit großen Bohrungen, durch die die Brenngase in den Brennraum mit den Ziegeln eindringen konnten. Je nach Größe wurde der Boden mit Pfeilern oder Bögen abgestützt. Der Brennraum selbst, in dem das Brenngut aufgeschichtet wurde, war ein nach oben offenes Gewölbe, durch das die Rauchgase abziehen konnten. Es wurde ebenfalls aus Lehm oder luftgetrockneten Ziegeln hergestellt, die beim Betrieb des Ofens zwangsläufig sekundär gebrannt wurden. Der Zug des Ofens, von dem die erreichte Brenntemperatur wesentlich abhing, wurde durch zusätzliche Luftkanäle, und vor allem durch die Abdeckung der oberen Öffnung mit Ziegeln reguliert, wobei diese obersten Ziegellagen wegen des Abfalls der Temperatur nur minderwertige Qualität aufwiesen. Die Anlage der Öffnungen und die Regulierung der Luftzufuhr sowie der ausströmenden Rauchgase, von der die erreichbare Brenntemperatur und die Verteilung der Hitze in der Brennkammer abhingen, gehörte zum eigentlich know-how der Ziegelbrenner.

Beheizt wurden die Öfen, wo verfügbar, mit Holz, jedoch kamen auch andere vegetabile Brennstoffe wie Heu, Nussschalen, Pinienzapfen und ähnliches zum Einsatz. Die Brenndauer hing von der Konstruktion des Ofens, der Qualität des Brennmaterials und der Umgebungstemperatur ab. Genaue Angaben lassen sich nicht machen. Zieht man Vergleiche heran aus Ländern, in denen heute noch ähnliche Öfen betrieben werden, so wird man von einer Brenndauer von fünf bis dreißig Stunden ausgehen können. Wegen der ungünstigen Witterungsbedingungen wurden die Öfen in Europa nicht im Winter betrieben.

Für die Beschickung wurden die Ziegel zunächst genauso wie Lehmziegel in Formen gestrichen, so dass neben den unterschiedlichen Standardabmessungen auch spezielle Formziegel hergestellt werden konnten, wie man sie von Hypokausten oder Ziegelsäulen kennt. Einziger Unterschied zur Herstellung von Lehmziegeln war, dass zur Magerung der zu brennenden Ziegel keine vegetabilen Stoffe eingesetzt werden konnten, da diese im Ofen verbrennen würden. Die Formziegel wurden zunächst an der Luft getrocknet, und anschließend in der Brennkammer auf Lücke geschichtet, damit die Rauchgase sie gleichmäßig umfließen konnten. Für die Entnahme des Brenngutes wurde die Brennkammer nach dem Brand geöffnet. Vor einem erneuten Brand mussten häufig Risse in der Ummauerung der Kammer durch Ausstreichen mit Lehm ausgebessert werden.

Zum Betrieb der Brennöfen liegen mittlerweile einige experimentalarchäologische Untersuchungen mit rekonstruierten Öfen vor. Ein erst vor kurzem durchgeführter Versuch mit einem nachgebauten Ofen durch Archäologen und Techniker des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe im Ziegelmuseum Lage hat ergeben,199 dass sich Temperaturen in der Brennkammer von zwischen 450° bei der oberen Öffnung und 800° über dem Boden der Feuerkammer erreichen lassen. Der gemessene Höchstwert lag bei rund 1000°. Die erstgenannte Temperatur dürfte das Minimum für am Bau verwendbare Ziegel darstellen, da bei schwächerem Brand die Ziegel nicht die erforderliche Druckfestigkeit erreichen. Die Qualität der hergestellten Ziegel war, wie sich aus der genannten Spanne der Temperaturen im Brennraum ergibt, nicht homogen. Sie reichte von Schwachbrand bis hin zu Klinker, der den härtesten heute hergestellten Qualitäten entspricht. Daher ist anzunehmen, das die Charge nach dem Brand in Qualitätsklassen sortiert wurde. Berechnet wurde auf Basis der Versuchsergebnisse, dass mit dem Ofen pro Saison etwa 240 Tonnen Ziegel hergestellt werden konnten, wovon rund ein Drittel heutigem Qualitätsstandard entsprechen würde.

Die Herstellung und Verwendung gebrannter Ziegel beginnt im 2. Jh. v. Chr., und zwar nicht in Rom selbst, sondern in den noch freien griechischen Gebieten im Süden der italischen Halbinsel. Backsteine waren dort zunächst kein primäres Baumaterial, sondern sie wurden als Formziegel für spezielle Baugruppen verwendet. Bekannt sind etwa die Formziegel, die für den Bau der kannelierten und nach Versatz stuckierten Säulen der Basilica von Pompeji verwendet wurden.200 Die Produktion einfacher Ziegelsteine beginnt ebenfalls im Süden. Als hauptsächliches Material für die Außenschalen von Wänden treten sie aber erst in Rom auf. Ziegel wurden in späterer Zeit offenbar auch ,gebraucht‘ gehandelt. Bekannt ist das bereits aus den Vesuvstädten nach dem ersten großen Vulkanausbruch im Jahr 64.201

Für die Forschungen zur Organisation der römischen Ziegeleien gibt die römische Praxis des Stempelns der Ziegel wichtige Informationen. Die Stempel aus Holz, gelegentlich auch aus Metall, wurden vor dem Brand in die an der Luft vorgetrockneten Ziegel gedrückt. Sie sind umfassend dokumentiert202 und erforscht, so dass man heute davon ausgeht, dass nahezu alle in größerem Umfang tätigen Betriebe der römischen Antike – also alle Anlagen, die nicht nur für den Eigenbedarf des Besitzers produzierten – bekannt sind.

Die Informationen, die den Stempeln entnommen werden können, haben unterschiedlichen Umfang. Frühe Ziegelstempel geben lediglich einen Namen an, wahrscheinlich den Namen des Besitzers, auf dessen Grund die Tongruben lagen. Die meisten Informationen enthalten Stempel aus dem frühen 2. Jh. Neben dem Besitzer der Tonvorkommen wird der (leitende) Ziegelbrenner genannt, wobei jedoch nicht eindeutig zu klären ist, ob es sich um einen Unternehmer bzw. Pächter handelte oder um einen Sklaven bzw. Freigelassenen des Landbesitzers. Alternativ wurde, wenn die Ziegelei zum Heer gehörte, der Name der betreffenden Legion angegeben. Ziegelstempel verzeichnen im 2. Jh. zudem häufig eine Datierung durch die Angabe der regierenden Konsuln, so dass sie für die Forschung ein wichtiges Hilfsmittel zur Datierung von Bauten aus dieser Zeit darstellen. Bei Großprojekten ist auf den Stempeln vereinzelt auch der Name des Baus bezeichnet, für den die Ziegel hergestellt wurden.

Aus solchen Angaben ergibt sich, dass im mittelitalischen Gebiet, das insbesondere Rom mit Ziegeln belieferte, die Ziegelindustrie privatwirtschaftlich organisiert war. Sie ist die am besten dokumentierte Industrie Roms. In den Provinzen, vor allem in Gallien, Germanien und Africa, dominierten hingegen die Legionen die Ziegelproduktion. Die Legionen bauten ihren Marktanteil im 3. Jh. immer weiter aus, so dass sie in dieser Zeit nahezu eine Monopolstellung bei der Ziegelproduktion erreicht hatten.

Anhand der Ziegelstempel läßt sich, beginnend schon im 2. Jh., ein Rückgang der Produktion nachweisen. Die Stempel illustrieren überdies auch einen der Gründe für diesen Rückgang. Im dritten und vierten Jahrhundert findet man nämlich zunehmend in Neubauten Ziegel, die, wie die Stempel beweisen, weit älter sind als die Bauten selbst. Das gilt im 4. Jh. sogar für öffentliche Bauprojekte. Mit anderen Worten: Es gab ein Recycling von Ziegeln, und zwar in einem so großen Umfang, dass die Neuproduktion massiv eingeschränkt wurde – eines der vielen Zeichen für die krisenhafte Entwicklung des Imperiums. Die Ziegelproduktion endet im Westen mit dem Untergang des römischen Imperiums. Im Osten wurde sie fortgeführt bis zum Untergang des byzantinischen Reiches.

3.5.7 Bautechniken mit Bindemitteln – die Verwendung von Mörtel und Beton

Die römische Architektur unterscheidet sich in bautechnischer Hinsicht von den älteren Architekturen der Mittelmeerwelt vor allem dadurch, dass sie als erste das bautechnische Potential von auf Kalk basierenden Bindemitteln in großem Umfang einsetze und, im Verlauf von mehreren Jahrhunderten, bis an seine Grenzen entwickelte. Was von einigen Forschern als ,roman architektural revolution‘ bezeichnet wird203 – die Verwendung von Bogen, Gewölben und Kuppeln in großen Dimensionen bei Basiliken, Thermen, Theatern, aber auch bei Brücken, Wasserleitungen und Hafenanlagen – wäre ohne den Einsatz der äußerst druckstabilen, dauerhaften und teilweise wasserdichten Mörtelarten nicht vorstellbar. In diesem Sinne wird gelegentlich auch einfach, wenn auch leicht verkürzend, von der ,concrete revolution‘ gesprochen.

Eine besondere Rolle spielt der Mörtel auch bei den einfachen Mauern. Römische Ziegelmauern beispielsweise, die äußerlich nahezu genauso aussehen wie Ziegelmauern der Neuzeit (Abb. 3.13), haben meist eine andere Struktur: Die Ziegel sind in der Regel nicht wie später durchgeschichtet, sondern die Mauern bestehen in der Regel aus zwei Schalen, die einen Gusskern aus Bruchstein und Mörtel enthalten. Entsprechend ist die Funktion der Ziegel im Sinne der Statik eine andere als bei neuzeitlichen Ziegelmauern: Die Ziegel dienen in Rom nur der Verblendung sowie als Schalung für das Einbringen der Gussmasse, die die eigentlich tragende Komponente dieser Mauern darstellt.204 Eine ebenfalls bedeutende Rolle spielte der römische Mörtel dadurch, dass er als hydraulischer Mörtel auch unter Wasser abbindet. Dadurch war es möglich, vor allem Brückenpfeiler und Hafenmolen in Guss- oder Mauertechnik zu errichten.

Auf Basis des römischen Mörtels ergaben sich schließlich nicht nur neue bautechnische Möglichkeiten, sondern auch bedeutende Vorteile in anderer Hinsicht. Durch die Verwendung von Guss- und Ziegelmauerwerk emanzipierte sich der römische Baubetrieb zu einem erheblichen Teil von der Abhängigkeit von fachlich qualifizierten Handwerkern. Zwar blieb in allen Abschnitten des Bauprozesses, angefangen vom Kalkbrand bis hin zum Versatz der Steine am Bauwerk, know-how erforderlich, doch konnte der römische Baubetrieb, jedenfalls wenn man ihn mit der griechischen Werksteintechnik vergleicht, mit weitaus weniger qualifizierten Handwerkern auskommen, weil ein Großteil der insgesamt notwendigen Arbeiten, wie etwa das Mischen, Einbringen und Stampfen der Gussmasse, von ungelernten Hilfskräften übernommen werden konnte. Hierin dürfte einer der wesentlichen Gründe dafür liegen, dass römische Großprojekte nahezu immer fertiggestellt worden sind, während in Griechenland eine nennenswerte Zahl gerade der ambitioniertesten Projekte niemals vollendet wurden.205

Die Forschung hat die konstitutive Bedeutung der Bindemittel für die Entwicklung der römischen Architektur seit langem erkannt. Aber erst durch neuere chemische und bautechnische Analyseverfahren in den letzten rund dreißig Jahren ist eine differenzierte Untersuchung der von den Römern verwendeten Materialmischungen und ihrer Eigenschaften möglich geworden. Den praktischen Anstoß für viele dieser Untersuchungen gaben Probleme bei der Sicherung und Restaurierung der erhaltenen Monumente. Insbesondere ältere Restaurierungen, bei denen Materialien aus dem modernen Baubetrieb verwendet wurden, haben zu teilweise schwerwiegenden Schädigungen der antiken Bausubstanz geführt, die auf die Inkompatibilität der modernen mit den antiken Materialien zurückzuführen sind. Das gilt vor allem für die Verwendung von Portlandzement und die Verwendung der heute sehr hart gebrannten und kaum diffusionsoffenen Ziegel. Daher stehen am Beginn praktisch aller umfangreichen Restaurierungen, die gegenwärtig durchgeführt werden, die Analysen der am antiken Gebäude verwendeten Baustoffe. Die Ergebnisse der Materialanalysen insbesondere zu römischen Mörteln und Beton, die inzwischen in sehr große Zahl vorliegen, ausführlich darzustellen, würde den hier gegebenen Rahmen bei weitem überschreiten. Die folgenden Abschnitte haben daher nur das Ziel, die Entwicklungen der römischen Bautechnik in diesem Bereich in etwa zu umreißen.

Mörtel wurde von den Römern einheitlich mortarium genannt. Dahinter verbergen sich jedoch nach Herstellung, Eigenschaften und Verwendung unterschiedliche Materialien, die die besten der römischen Baumeister auf Basis offenbar genauer Kenntnisse nach Funktion differenziert einsetzten. Das wird deutlich, wenn man die heute üblichen Mörtelgruppen den antiken Materialien gegenüberstellt. Heutige Mauermörtel besteht im Grundsatz aus einem Bindemittel auf Kalkbasis, der sog. Gesteinskörnung (in der Regel Sand), Wasser und ggfs. speziellen Zuschlagstoffen. Grundsätzlich unterscheidet man, primär nach der Druckfestigkeit, folgende Mörtelarten:

1Reiner Kalkmörtel. Er besteht aus gelöschtem Kalk, Sand und Wasser. Reiner Kalkmörtel härtet an der Luft aus, indem er Kohlendioxid aus der Luft aufnimmt (daher auch Luftkalk genannt). Reiner Kalkmörtel kann entsprechend nicht unter Wasser aushärten. Der Abbindevorgang – die Karbonatisierung durch das Kohlendioxid aus der Luft – dauert sehr lange, und kann vollständig erst nach Jahren abgeschlossen sein. Kalkmörtel ist vergleichsweise wenig druckfest (ca. 1N/mm²), und ist daher heute nur zugelassen für Gebäude mit maximal zwei Stockwerken. Da der Mörtel gut feuchtigkeitsregulierend ist, wird er meist für Innenputze verwendet.

2Kalkzementmörtel und hydraulische Mörtel. Kalkzementmörtel besteht, wie der Name sagt, aus Kalkmörtel, dem Zement beigemischt wird. Kalkzementmörtel gehören zu den hydraulischen Mörteln. Zu ihnen gehören weiter Mörtel ohne Zementanteil, die aus ,natürlichem hydraulischem Kalk‘ hergestellt werden (NHL, auch Wasserkalk genannt). Sie werden entweder aus Mergelkalk oder Muschelkalk gebrannt, oder dadurch, dass auf der Baustelle reiner Kalkmörtel mit Zusätzen wie Trass gemischt wird, die aus dem nicht-hydraulischen Kalkmörtel einen hydraulischen Mörtel machen. Bei allen drei Typen ist der Abbindevorgang chemisch komplexer als bei einfachem Kalkmörtel: Zunächst erfolgt die Karbonatisierung wie beim Luftkalk, zusätzlich aber noch eine Erhärtung durch die Verbindung des Kalziums im Kalk mit den sog. Hydraulefaktoren [Kieselsäure (SiO2), Tonerde (Al2O3), Eisenoxid (Fe2O3)], die im Zement, im natürlich hydraulischen Kalk und in Zuschlagstoffen wie Trass zusätzlich enthalten sind. Bei dieser Reaktion bilden sich stabile Kristalle, die die Härte des Endprodukts erhöhen und die Wasserundurchlässigkeit bewirken. Die Druckfestigkeit ist deutlich höher als bei reinen Kalkmörteln. Sie liegt je nach Zementanteil bzw. der Menge der in den Zuschlagstoffen enthaltenen Hydraulefaktoren zwischen 2,5 und 5 N/mm2.

3Zementmörtel. Er besteht aus Zement, Sand und Wasser. Der bekannte Portlandzement wird aus Kalziumsilicat, Ton, Sand und Eisenerz hergestellt. Zement ist ebenfalls ein hydraulisches Bindemittel. Der prinzipielle Unterschied zum eben angesprochenen hydraulischen Kalkmörtel ist, dass Zementmörtel allein durch die Hydration (wie oben beschrieben) abbindet, also kein Kohlendioxid aus Luft aufnimmt. Zementmörtel erhärtet daher auch unter Wasser, dichtet, und hat mit mindestens 20 N/mm2 die höchste Druckfestigkeit der hier genannten Mörtel. Zementmörtel, dem grobe Gesteinskörnung (meist Kies) beigefügt wird, wird als Beton bezeichnet. Da Beton, wie auch die beschriebenen Mörtel, kaum Zugkräfte aufnehmen kann, wird Beton häufig bewehrt, in dem Armierungen aus Eisen eingegossen werden.

Die römischen Mörtelarten sind den modernen von ihren Eigenschaften und der Einteilung her gesehen vergleichbar. Der heutige reine Kalkmörtel bzw. Luftkalk ist, chemisch gesehen, nahezu identisch mit seinem antiken Pendant. Ausgangsmaterial für die Herstellung war meist Kalkstein. Vitruv spricht in diesem Zusammenhang einfach von ,weißem Stein‘ (albo saxo) und Silex.206 In der Spätantike wurde häufig auch Marmorbruch von aufgelassenen Gebäuden verwendet. Das Material wurde zunächst zerkleinert, und anschließend in einem Ofen gebrannt, dessen Technik in etwa den Brennöfen für Töpferware oder Ziegelsteine entsprach. Die Brenntemperatur lag bei etwa 800°.

Chemisch gesehen, wird durch den Brennvorgang der Kalkstein (CaCO3) entsäuert, indem das Kohlendioxid entweicht. Zurück bleibt pulverförmiger Brandkalk bzw. Kalziumoxid (CaCO3 = CaO + CO2). Der Brandkalk wurde anschließend in Gruben für mehrere Wochen (oder länger) in der Nähe der Baustelle eingesumpft. Durch dieses sog. Kalklöschen verbindet sich der Brandkalk mit dem Wasser zu Kalziumhydroxid [CaO + H2O = Ca(OH)2]. War der Prozess abgeschlossen, wurde der Löschkalk direkt verarbeitet. Geringere Mengen – etwa für das Kälken von Wänden – wurde auch in Amphoren zur Baustelle transportiert. Löschen mit der exakt erforderlichen Wassermenge, so dass der Löschkalk in Pulverform vorliegt (heute als Weißkalkhydrat bezeichnet), ist aus der Antike nicht bekannt. Wenn zur Verarbeitung auf der Baustelle der Löschkalk mit Sand zu Mörtel vermengt und vermauert wird, bindet der Löschkalk wie angesprochen ab durch Aufnahme von Kohlendioxid aus der Umgebungsluft. Damit vollendet sich der sog. technische Kalksteinkreislauf, denn die Verbindung bewirkt, dass aus dem Löschkalk und dem Kohlendioxid sich ein Kunststein bzw. ein künstlicher Kalkstein bildet, der chemisch identisch ist mit dem Ausgangsprodukt, wobei Wasser zurückbleibt: Ca(OH)2 + CO2 = CaCO3 + H2O.

An der ablaufenden Reaktion ist der Sand nicht beteiligt, er wird vielmehr von dem Bindemittel eingebunden und sorgt für die Druckstabilität des Mörtels. Für eine Verarbeitung als Gussmasse wie bei Beton ist ein ein solcher Mörtel nicht geeignet, jedenfalls wenn Druckfestigkeit gefordert wird, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen ist die Druckfestigkeit des Mörtels, wie schon angesprochen, per se nicht sehr hoch. Zum anderen verhindert bei großen Gussmengen die Aushärtung an den Oberflächen des Mörtels die Karbonatisierung im Inneren wegen des Luftabschlusses. Ein Gebäude wie das Kolosseum mit seinen enormen Massen hätte man mit einem Mörtel dieser Art nicht bauen können. Dasselbe gilt für Wasserbauten, da der Mörtel im Wasser kein Kohlendioxid aufnehmen kann.

Die Römer kannten neben dem Luftkalkmörtel auch härtere, hydraulische Mörtel, die man von den Eigenschaften her mit den modernen hydraulischen Kalkzement- und dem Zementmörteln vergleichen kann. Sie konnten die entsprechenden Bindemittel jedoch nicht direkt herstellen, d. h. durch Brennen von Materialgemischen, die neben dem Kalkstein Substanzen mit Hydraulefaktoren enthalten, wie das heute beim Brennen von natürlichem hydraulischen Kalk und Zement der Fall ist, denn die für Zement erforderlichen Brenntemperaturen von über 1400° waren mit der antiken Brenntechnik nicht zu erreichen. Selbst die für den Bronzeguss eingesetzten Öfen erreichten wenig mehr als die dort notwendigen rund 1200°. Die Römer gingen einen anderen Weg: Sie brannten in einem ersten Schritt immer möglichst reinen Brandkalk, der anschließend gelöscht wurde. In einem zweiten Schritt wurden auf der Baustelle unterschiedliche Zuschlagstoffe hinzugefügt, die dem Mörtel hydraulische Eigenschaften verliehen.

Einen solchen Mörtel, ähnlich dem modernen hydraulischen Kalkmörtel, der durch Karbonisierung und Kristallverbindungen zwischen Kalk und Hydraulefaktoren erhärtet, gewannen die Römer, indem sie dem gelöschten Kalk Ziegelmehl beimischten. Ziegelmehl ist ein künstliches Puzzolan (siehe dazu unten), das durch den Tonanteil der Ziegel ähnliche Stoffe enthält wie der heute beim Brand von Zement zugesetzte Ton. Durch das Mischungsverhältnis konnte dieser hydraulische Mörtel sogar ,eingestellt‘ werden, wie bei heutigen hydraulischen Mörteln durch Zugabe von Zement. Vitruv setzt das Mischungsverhältnis relativ hoch an, wenn er ein Drittel Volumenanteil Ziegelmehl empfiehlt.207 Hergestellt wurde das Ziegelmehl durch Mahlen von Backstein- und Dachziegelschutt. Anschließend wurde das Mahlgut fein gesiebt. Ziegelmehl wurde regelmäßig dann eingesetzt, wenn ein abdichtender Mörtel gefordert war, wie etwa beim Bau von Wasserbecken, Zisternen und Wasserleitungen (Abb. 3.5), aber auch für hochwertige Fußböden (opus signinum208).

Abb. 3.5: Kaiserzeitliches Wasserbecken in Kameiros auf Rhodos mit Resten von wasserdichtem Putz (W. Osthues).

Abb. 3.5: Kaiserzeitliches Wasserbecken in Kameiros auf Rhodos mit Resten von wasserdichtem Putz (W. Osthues).

Auch Außenputzen, die Schlagregen ausgesetzt waren, wurde Ziegelmehl beigemischt, was die Witterungsbeständigkeit des Putzes nachhaltig erhöht. Ziegelmehl wurde zudem sehr häufig beim Mauerbau verwendet, weil das zugesetzte Mehl die Druckfestigkeit des Mörtels, verglichen mit reinem Luftkalk-Mörtel, verbessert. Für diesen Gewinn an Festigkeit nahm man die höheren Kosten offenbar in Kauf, da die Herstellung des Ziegelmehls wesentlich aufwendiger und teurer in der Beschaffung war als Bausand. Mörtel mit Ziegelmehl als Zuschlagstoff erreicht allerdings nicht die Festigkeit von römischem Beton, von dem anschließend die Rede sein wird. Dass man dennoch in vielen Regionen auch bei großen Bauten mit Ziegelmehl statt mit Puzzolana arbeitete, dürfte einfach daran liegen, dass Ziegelmehl praktisch überall im römischen Reich herstellbar war, wohingegen Puzzolanerde gegebenenfalls über große Strecken von den italischen Abbaustätten antransportiert werden musste.

Ein dem Zementmörtel vergleichbarer Baustoff stand den Römern ebenfalls zur Verfügung.209 Dazu wurde dem Löschkalk anstelle des sonst verwendeten Sandes mit der angesprochenen Puzzolanerde vermischt. Die Puzzolanerde (pulvis puteolanus) ist ein je nach Lagerstätte gelb-brauner oder rötlich-brauner Lavasand. Abgebaut wurde sie, wie der Name schon besagt, in großem Umfang in Puteoli bei Neapel (heute Pozzuoli), teilweise auch unter Tage. Weitere große Abbaustätten lagen in Latium in den Albanerbergen bei Rom. Vor dem Anmischen der Mörtels wurde die Puzzolanerde, wie das Ziegelmehl, fein gesiebt.

Abb. 3.6: Sog. ‚Pont del Diable‘, Aquaedukt bei Tarragona, Spanien (Wikipedia, Till F. Teenck).

Abb. 3.6: Sog. ‚Pont del Diable‘, Aquaedukt bei Tarragona, Spanien (Wikipedia, Till F. Teenck).

Die chemische, Reaktion, auf der die Erhärtung des Puzzolanmörtels beruht, ist der des Zementmörtels vergleichbar. Puzzolane enthalten lösliche Kieselsäuren und reaktionsfähige Aluminiumnoxide (die erwähnten Hydraulefaktoren), die sich mit dem Kalziumhydroxid des gelöschten Kalks zu kristallförmigen Calciumsilicathydraten und Calciumaluminathydraten verbinden. Der Unterschied liegt darin, dass beim Zement die im Ausgangsmaterial enthaltenen Kieselsäuren und Aluminiumnoxide erst in eine lösliche, reaktionsfähige Form gebracht werden müssen, um sich mit dem Kalk zu verbinden. Das geschieht durch den Brand im Zementofen bei ca. 1400°. Diese thermische Umformung kann bei der Puzzolanerde entfallen, weil die Hitze im Erdinneren die Umformung bereits vollzogen hat. Salopp gesagt, hatte den Römern der Vulkan bereits einen wesentlichen Teil der Arbeit abgenommen. Puzzolanerde war ohne weitere Aufbereitung am Bau verwendbar.

Praktisch wurde der Unterschied zwischen der Karbonatisierung des Luftkalks und der puzzolanischen Reaktion dadurch evident, dass Puzzolanmörtel auch unter Wasser aushärtet, d. h. unter Luftabschluss bzw. ohne Kohlendioxid aus der Luft. Dadurch unterscheidet sich der Puzzolanmörtel zugleich von den zuvor beschriebenen hydraulischen Mörteln mit Ziegelmehlzuschlag. Letztere müssen, da sie neben der puzzolanischen Reaktion auch durch Karbonatisierung abbinden, erst im Trockenen erhärten, bevor sie wasserdicht werden. Mörtel mit Ziegelmehl-Zuschlag war also nur für im Trockenen errichtete Wasserbauten geeignet. Ein zweiter Unterschied liegt bei der Druckfestigkeit: der Puzzolanmörtel übertrifft den Mörtel mit Ziegelmehl hinsichtlich der Druckfestigkeit ebenso deutlich wie der moderne Zementmörtel die heutigen hydraulischen Mörtel.

Verarbeitet wurde der Puzzolanmörtel in der Regel nicht als Mauermörtel, sondern als Beton, von den Römern opus caementitium genannt. Hinsichtlich der Verarbeitung gab es eine Reihe von Unterschieden zwischen modernem Betonbau und dem römischen opus caementitium: Während man heute vor dem Gießen Holzverschalungen baut, die nach dem Einfüllen und Abbinden des Beton abgenommen werden, errichteten die Römer zwei Schalmauern aus Naturstein oder Ziegeln, in die die Masse eingefüllt wurde. Sie diente nach Fertigstellung als dauerhafte Verblendung, und wurde häufig noch zusätzlich verputzt. Schalmauern und Gussmasse wurden schichtweise bzw. parallel hochgezogen. Holzverschalungen benutzten die Römer in der Regel nur bei Gewölben und bei im Wasser gegründeten Betonkonstruktionen. Auch bei der Gussmasse selbst gibt es Unterschiede: Während heute als Gesteinskörnung Kies mit einer Korngröße von 4–8 cm zugegeben wird, verwendeten die Römer etwa faustgroße Bruchsteine. Diese Steine waren die namensgebenden caementitia. Der Begriff meinte in der Antike also nicht das Bindemittel, wie der moderne Begriff ‚Zement‘ nahelegt, sondern den Zuschlagstoff. Auch die zugegebene Wassermenge ist ungleich. Während heute die Gussmasse wegen des Transports und der Verarbeitung am Ort mit Hilfe von Betonpumpen relativ dünnflüssig ist, war das opus caementitium bei der Verarbeitung eher teigig.210 Zudem wurde die Masse bei den Römern nach dem Einbringen schichtweise durch Stampfen verdichtet. Bei der modernen Betonverarbeitung entfällt dieser Arbeitsschritt. Einige Forscher sehen in diesen beiden Verfahrensweisen – dem relativ geringen Wassergehalt der Gussmasse und dem Verdichten – eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass der antike Beton dort, wo er perfekt verarbeitet worden ist, sich als enorm haltbar erwiesen hat. Vereinzelt hat man in jüngster Zeit auf Verfahrensweisen, die denen der Römer ähnlich sind, wieder zurückgegriffen.211 Des weiteren benutzten die Römer bei Betonkonstruktionen keine innenliegende Armierung wie die heute übliche Bewehrung mit Baustahl zur Erhöhung der Zugfestigkeit. Römische Baukonstruktionen mussten entsprechend so angelegt sein, dass nur geringe oder gar keine Zugspannungen auftraten. Man hat zwar gelegentlich im römischen Beton eingelegte Hölzer gefunden (Anzio, Hafenmolen), doch war die Aufgabe dieser Hölzer beim Bau im Wasser, ein Auseinanderbiegen der Wände der hölzernen Setzkästen so lange zu verhindern, bis der Beton abgebunden hatte. Nach dem Aushärten hatten die Hölzer, anders als der moderne Baustahl, also keine Funktion mehr. Von technischer Bedeutung für die Qualität der Konstruktionen und das zugrundeliegende know-how sind hingegen die im Beton eingestampften caementitia : Je nach dem spezifischen Gewicht der als caementitia verwendeten Bruchsteine, oder auch durch Einschluss leerer Tongefäße in der Gussmasse, konnte das spezifische Gewicht der Betonmasse gezielt variiert werden. Die effektive Nutzung dieser Möglichkeiten setzt Kenntnisse der Spannungen innerhalb der Konstruktion voraus, denn nur so konnte bestimmt werden, wo im Bauwerk vergleichsweise leichter oder schwerer Beton die Standsicherheit erhöhen konnte. Mehr dazu im Abschnitt über den Gewölbebau.

Ein letzter Aspekt bei der Verarbeitung von Mörteln, der neuerdings in das Blickfeld der Forschung gerückt ist, bezieht sich auf die Qualitätssicherung bei Herstellung und Verarbeitung. Nachweisbare Probleme mit der sinkenden Qualität der verwendeten Materialien sind sicher kaum Kenntnismangel geschuldet, denn sie treten ab dem 3. Jh. auf, also zu einer Zeit, als man die Technik des Betonbaus längst nahezu perfekt zu beherrschen gelernt hatte. Zurückgeführt werden diese Probleme vielmehr auf ökonomische Faktoren, die mit dem allgemeinen Niedergang der römischen Wirtschaft zusammenhängen. So wurde augenscheinlich statt frisch gebrochenem Kalkstein, der in sich homogen ist, zunehmend unterschiedliches Material von aufgelassenen Bauten ,recycelt‘, wodurch die Brenntemperatur im Ofen nicht mehr optimal auf die heterogenen Qualitäten abgestimmt werden konnte. Arbeitskräftemangel und Zeitdruck werden geltend gemacht für die Verwendung von verunreinigter oder nicht sorgfältig gesiebter Puzzolana.212 Der gleiche Grund wird auch geltend gemacht für unzureichendes Verdichten der einzelnen Betonschichten. Alle diese Faktoren führten zu einer reduzierten technische Qualität vieler Bauwerke der Spätantike.

3.6 Bautechniken

3.6.1 Fundamente und Mauern

Fundamente213 (aus lat. fundamentum) haben die Aufgabe, die Standsicherheit eines Gebäudes zu gewährleisten, um Verformung, Neigung und Risse des aufgehenden Mauerwerks zu verhindern. Die Auslegung von Fundamenten muss der Druckfestigkeit des jeweiligen Bodens und der Belastung durch das Gebäude entsprechen. Sie mussten in großen Teilen des römischen Reiches auch dynamische Kräfte aufnehmen im Fall von Erdbeben. Die Arbeitsweise der römischen Bauleute zeigt fortgeschrittene Kenntnisse und Techniken der Fundamentierung, die sich schon daran ablesen lassen, dass nicht wenige ihrer Bauten bis heute ohne weitere Eingriffe als standsicher gelten dürfen.

In der Regel wurden für die Fundamente Gräben ausgehoben, in die Streifenfundamente eingebracht wurden. Rostfundamente sind sehr selten, und wurden allenfalls für wertvolle Plattenfußböden gebaut. Die Fundamente sind in der Regel Flachgründungen. Tiefgründungen mit eingerammten Holzpfählen wurden nur dort verwendet, wo der Untergrund kaum belastbar war, also in sumpfigem Terrain214 oder für den Bau von Brückenpfeilern in weichem Untergrund.215

Im Idealfall wurde für die Fundamente großer Bauten der Boden bis auf den gewachsenen Felsen aufgegraben. In großen Teilen des Imperiums war das jedoch nicht möglich, so dass der Boden in einer Tiefe ausgeschachtet wurde, die der Belastung durch das aufgehende Mauerwerks angepasst war. Für einfache Gebäude mit ein oder zwei Stockwerken beträgt die Tiefe der Fundamentgräben häufig 50–70 cm, so dass die Fundamentsole frostsicher war. Ein Unterschreiten der Frostgrenze würde bedeuten, dass der gefrierende Boden die Fundamente hochdrücken, und damit Risse verursachen könnte. Bei Betonfundamenten wurde durch die entsprechende Tiefe auch das sog. Auffrieren des Betons verhindert.

Bei der Bestimmung der Fundamenttiefe in Abhängigkeit von der Belastung durch das Mauerwerk arbeiteten die Römer, aus heutiger Sicht gesehen, eher konservativ: Fundamente großer Bauten konnten durchaus acht Meter tief sein.216 Am Jupitertempel von Balbeek – einem Bau, dessen Dimensionen die Grenzen des Machbaren erreichten, und teilweise auch überschritten – sind Fundamenttiefen von bis zu 17 Metern gemessen worden.217

Fundamentmauern wurden so gut wie immer etwas breiter bemessen als die Mauern, die sie tragen sollten, wodurch sich der Druck des Mauerwerks bei der Fundamentsohle auf eine etwas größere Grundfläche verteilt. Entspechend hing relative Breite des Fundaments gegenüber dem Mauerwerk von der Tragfähigkeit des Bodens ab. Fundamentmauern wurden in unterschiedlicher Technik ausgeführt. Für einfache Gebäude wurden die aus dem Lehmziegelbau immer schon bekannten Bruchsteinfundemente verwendet,218 denn unmittelbar auf einem feuchten Boden aufgesetzt, zersetzen sich luftgetrocknete Lehmziegel sehr schnell. Solche Fundamente entsprechen im Querschnitt einer einfachen, zweischaligen Mauer, d. h. an den Außenseiten der Fundamente sind eher größere Steine aufgeschichtet, die dann die Schalen der aufgehenden Mauern tragen, während im Inneren die Steine geschüttet und wohl durch Stampfen verdichtet wurden. Diese Steinschüttungen waren im einfachsten Fall mit Erdreich vermischt. Bei Gebäuden mit höheren Belastungen sind die Bruchsteine in Mörtel verlegt, also in derselben Technik errichtet wie die Mauern, die sie tragen. Oft ist die Oberkante des Fundaments horizontal abgeglichen, was etwa für aufgesetzte Ziegelmauern zwingend erforderlich ist.

Alternativ zur Schalung durch aufgeschichtete Bruchsteine konnten Betonfundamente auch – genau wie heute – in Holzverschalungen eingebracht werden, die nach dem Aushärten des Betons wieder entfernt wurden (Abb. 3.7), wie etwa bei der Konstantinsbasilika oder am Tempel der Venus auf dem Palatin in Rom. Das Kolosseum hat ein solches Betonfundament in Form eines Rings von etwa 8 m Tiefe.219

Unter den belastbarsten Fundamentierungen tritt das Betonfundament die Nachfolge des durchgeschichteten Vollsteinfundaments an, das die Griechen bei ihren ambitioniertesten Projekten vorsahen. Die Römer kannten letzteres, und verwendeten es auch, aber nur selten und hauptsächlich in relativ früher Zeit.220 Die Vorteile der neuen Verfahrensweise sind offensichtlich, denn die ältere Form war extrem arbeitsaufwendig und verlangte den Einsatz von anteilig vielen qualifizierten Handwerkern, da ein mörtelloses Fundament aus großen Steinquadern, vor allem aber eines aus Platten, nur stabil ist, wenn die Lagerfugen vollflächig aufliegen. Das wiederum bedeutet, dass jede Platte nach dem Brechen (und dem Antransport) von Steinmetzen vor Ort auf der Ober- und Unterseite sorgfältig geglättet werden musste. Nicht auf ganzer Fläche tragende Platten würden unter Last brechen. Bei felsigem Untergrund – unter Belastungsgesichtspunkten an sich ideal – musste zudem für die unterste Plattenschicht der anstehende Felsen selbst erst glatt gearbeitet werden. Beim Betonfundament hingegen entfiel alle diese Bearbeitungsschritte ersatzlos, und vor allem war nahezu keine qualifizierte Handwerkerarbeit erforderlich, sondern nur ein kompetenter Bauleiter. Zudem war ein Betonfundament sehr viel schneller herzustellen.

Abb. 3.7: Hölzerne Schalung für ein schichtweise eingebrachtes Betonfundament (Choisy 1873, Bd. I Fig. 2).

Abb. 3.7: Hölzerne Schalung für ein schichtweise eingebrachtes Betonfundament (Choisy 1873, Bd. I Fig. 2).

Fundamente zeigen einiges über Planungstiefe und Konstruktionswissen. Römische Fundamente haben häufig eine unterschiedliche Tiefe, was belegt, dass den Baumeistern vor Baubeginn klar war, wo am zu errichtenden Gebäude die höchsten Fundamentbelastungen auftreten würden. Das zeigt dann wiederum seinerseits, dass das Gebäude beim Ausheben der Fundamentgräben mindestens in seinen Hauptzügen durchgeplant gewesen sein musste, da bei Streifenfundamenten, die nur wenig breiter waren als die Mauern, die Lage der Mauern praktisch nicht mehr nachträglich geändert werden konnte (ohne neue Fundamentgräben neu zu öffnen oder die vorhandenen Fundamente nachträglich zu verbreitern). Verständnis der Belastungen zeigen gelegentlich auch Neubauten, die an der Stelle älterer Gebäude errichtet wurden: Beispielsweise plazierte man Entlastungsbögen genau dort, wo bereits ältere, ansonsten funktionslose Fundamente lagen, die auf diese Weise weiterbenutzt wurden.221

Mauern

Im Grundsatz bestanden, wie schon angesprochen, die tragende Mauern größerer römischer Gebäude meist aus zwei äußeren Mauerschalen und einem Kern aus in Mörtel verlegtem Bruchstein. Je nach der Technik, in der Schalen aufgemauert wurden, unterscheidet die Forschung verschiedene Mauerformen, auf die nachfolgend eingegangen wird.222 Obwohl diese Formen bei der Darstellung von römischem Mauerwerk in der Literatur dominieren, ist zu berücksichtigen, dass bei weitem nicht alle römischen Mauern in der angesprochenen Bauweise errichtet worden sind. So praktizierten die Römer etwa auch weiterhin für stark belastete Mauern und Pfeiler die ältere Technik des Bauens mit behauenem Natursteinen, die durchgeschichtet und ohne Mörtel versetzt wurden, also keinen Gusskern haben.223 Auch das Bauen mit luftgetrockneten Lehmziegeln ist, schon aus ökonomischen Gründen, niemals völlig aufgegeben worden.

Aber auch strukturell gibt es wesentliche Unterschiede zwischen den nachfolgend beschriebenen Mauerwerksformen. So handelt es sich etwa beim opus reticulatum immer um zweischaliges Mauerwerk, bei dem allein die Füllung aus Bruchstein und Mörtel die tragende Komponente darstellt. Das liegt einfach daran, dass die kleinen, hinten gespitzten Steine des Retikulats praktisch keine wesentlichen Lasten tragen konnten. Uneinheitlich verhält es sich hingegen beim Ziegelmauerwerk vom Typus des opus latericium. Die Ziegel können hier, bei sehr massiven Mauern, ebenfalls nur der Verblendung der tragenden Füllung dienen, doch gibt es im bautechnischen Sinne auch andere Typen. Zu ihnen gehören beispielsweise fast alle Hausmauern von Gebäuden mit nur ein oder zwei Geschossen. Deren Mauern, meist zwischen ca. 40 und 60 cm breit, waren viel zu schmal, als dass der Raum zwischen den Ziegeln einen allein tragenden Gusskern zugelassen hätte. Bei Mauern dieser Art tragen mithin die Ziegelschalen und die Füllung gemeinsam. Das gilt auch bei nicht wenigen Bauten mit weit stärkeren Mauern, etwa der sog. Roten Halle in Pergamon, wo die Qualität des Mörtels einen allein tragenden Gusskern nicht zugelassen hätte. Schließlich gibt es Mauern in opus latericium, die gar keinen Gusskern haben, und wo stattdessen die Ziegel durchgeschichtet sind, wenn auch meist nicht im Kreuzfugenverband wie bei neuzeitlichem Ziegelmauerwerk. Ein Beispiel für eine schmale, unregelmäßig durchgeschichtete Mauer zeigt Abb. 3.11. Ein Großbau, bei dem ebenfalls kein Gusskern vorhanden ist, ist die Konstantinsbasilica in Trier.224 Schließlich gab es nicht selten Mauern, bei denen Bruchsteinfüllung in Mörtel und durchgeschichtete Ziegel schichtweise kombiniert wurden. Man bezeichnet die Lagen, in denen die Ziegel von der einen bis zur anderen Außenseite durch die Mauer durchbinden, als Ziegeldurchschuss.225

Schließlich erfordert auch die Terminologie, die sich in der Forschung für die Formen des Mauerwerks etabliert hat, vorab einige Anmerkungen. Vitruv, gleichsam die erste Adresse für antike technische Termini im Bauwesen, kennt den heute für ,römischen Beton‘ verwendeten Oberbegriff opus caementitium gar nicht. Mauerwerk heißt bei ihm stets structura, die einzelnen Arten werden von ihm als genera bezeichnet, und nicht mit dem Wort opus. Er stellt auch nur zwei Arten von Mauerwerk vor, nämlich das incertum und das reticulatum.226 Die Forschung hat für die tatsächlich weit größere Zahl von römischen Mauerwerksformen eine eigene Terminologie geschaffen, die allerdings nicht völlig einheitlich gehandhabt wird.227 Manche dieser antikisierenden Termini sind, wenigstens wenn man von Vitruv ausgeht, zudem sehr unglücklich gewählt. Mit Backsteinen verblendetes Gussmauerwerk wird heute synonym als opus latericium oder opus testaceum angesprochen, obwohl bei Vitruv die beiden Wörter klar definierte technische Termini sind, die unterschiedliche Bedeutung haben:228 later bezeichnet bei ihm stets Lehmziegel, die – weil technisch völlig ungeeignet – niemals als Verblendung von Gussmauerwerk hätten verwendet werden können, so dass es ein opus latericium im strengen Sinne niemals gegeben hat. Konsistent ist hingegen die antikisierende Bezeichnung opus testaceum, was Vitruvs Bezeichnung für Ziegelmauerwerk – structura testacea – entsprechen würde.

Vorgestellt werden im folgenden nur die wichtigsten Formen des Mauerwerks. Allgemein kann gesagt werden, dass die regionale Bedeutung teilweise sehr unterschiedlich ist, worauf manche Termini auch explizit hinweisen (z. B. opus africanum). Auch kommen nicht alle Formen in allen Provinzen vor. Ähnliches gilt auch für die zeitliche Abfolge, d. h. es gibt keine allgemeingültige Abfolge der Formen, so dass sie nur bedingt Anhaltspunkte für eine Datierung von Gebäuden bieten können.

opus incertum

Abb. 3.8: Opus incertum am Unterbau des Tempels des Jupiter Anxur von Tarracina, heute Terracina (W. Osthues).

Abb. 3.8: Opus incertum am Unterbau des Tempels des Jupiter Anxur von Tarracina, heute Terracina (W. Osthues).

Als incertum (Abb. 3.8) bezeichnet man ein Mauerwerk, bei dem die Schalen aus unbehauenen oder nur grob an der Außenseite behauenen, unregelmäßig versetzten Natursteinen – in Rom meist Tuff, sonst auch Kalkstein – besteht. Für die Bildung von Ecken war incertum ungeeignet. Sie wurden daher meist aus größeren, behauenen Quadern gebildet, oder – später – auch aus gebrannten Ziegeln. Vitruv erwähnt es als die ältere der beiden von ihm beschriebenen Formen von Mauerwerk. Dem entsprechen die Befunde der Forschung: Bei den ältesten Mauern mit Gusskern ist die Verblendung als incertum ausgeführt. Es bleibt vorherrschend bis etwa in die Zeit Sullas, d. h. noch im Anfang des 1. Jhs. v. Chr. Vereinzelt findet man es aber auch noch weit später, auch mit Ziegeldurchschuss.

opus reticulatum

Reticulat ist ein Verblendungsmauerwerk, das zunächst ebenfalls aus relativ kleinen, aber regelmäßig verlegten und bearbeiteten Natursteinen, in Rom meist Tuff, zusammengefügt wurde, wobei die Fugen diagonal durchlaufen, so dass sich eine Struktur wie bei einem Netz (lat. rete) ergibt. Im Gegensatz zur Außenseite sind die in die Gussmasse einbindenden Teile der Steine grob zugespitzt, so dass sich eine relativ großflächige, und damit stabile Einbindung der Steine in die Gussmasse ergibt. Der Nachteil der diagonalen Fugen ist, dass bei Druck auf das Reticulat sich seitlich wirkende Kräfte ergeben, was zur Rissbildung führt, wie schon Vitruv kritisch angemerkt hat.229 Die Rissbildung wird auch später noch von dem älteren Plinius moniert.230 Zudem ist es wegen des Seitenschubs für die Bildung von Ecken ungeeignet, die folglich – wie beim Incertum – in anderer Technik errichtet werden mussten.

Abb. 3.9: Opus reticulatum an Unterbau des ‚tempio republicano‘ in Ostia, Mitte 1. Jh. v. Chr. Links im Bild der Mauerkern aus caementitium (W. Osthues).

Abb. 3.9: Opus reticulatum an Unterbau des ‚tempio republicano‘ in Ostia, Mitte 1. Jh. v. Chr. Links im Bild der Mauerkern aus caementitium (W. Osthues).

Das Reticulat hat sich gegen das Incertum durchgesetzt, allerdings zunächst langsam, beginnend schon ab dem späten 2. Jh. v. Chr., bis es zu Anfang des 2. Viertels des 1. Jhs. v. Chr. vorherrschend wurde. Zur vollen Regelmäßigkeit bildet sich das Gitternetz der Fugen auch erst in dieser Zeit aus, weswegen für die frühen, weniger regelmäßigen Varianten von der Forschung der Terminus opus quasi reticulatum geprägt wurde.231 Nach dem Ende des 2. Jh. n. Chr. ist es kaum noch anzutreffen.

Gut erklären lässt sich, dass das Reticulat sich in praktisch allen Provinzen des Imperiums nachweisen lässt, denn als erste neuentwickelte, genuin römische Form des Mauerwerks konnten Städte und Heiligtümer mit in dieser Technik errichteten Bauten auf ihre romanitas verweisen. Dasselbe dürfte auch gelten für die Verwendung am Theater des Pompejus, der das erste – vom Grundtypus her griechische – Theater in Stein in Rom errichten ließ (55 v. Chr.). Weniger leicht zu erklären ist, warum sich das Reticulat trotz seiner, wie angesprochen bei den Römern wohlbekannten, technischen Nachteile durchgesetzt hat. Der ästhetische Reiz dieser Form der Verblendung ist kein völlig überzeugendes Argument, wenn man bedenkt, dass Verblendungen aus Reticulat nicht selten verputzt worden sind, also nicht sichtbar waren.232 J.-P. Adam hat argumentiert, dass bei Reticulat eine Vorfertigung der Steine jenseits der Baustelle möglich war, während beim Incertum die Maurer erst auf der Baustelle die Steine, passend zur Einbaulage, grob zuhauen mussten.233 Das Argument relativiert sich allerdings dadurch, dass auch für das Incertum schon im Steinbruch eine annähernd glatte Außenseite hergestellt werden konnte, und vor allem, wenn man bedenkt, dass wegen des Versatzes im Mörtelbett auch beim Incertum keine glatten Stoß- und Lagerfugen der Steine ausgearbeitet werden mussten. Der Verweis auf die romanitas dürfte das Motiv gewesen sein, warum in späterer Zeit auf das Reticulat immer wieder für kleinere, weniger belastete Teilflächen bei Mauern in Mischbauweise zurückgegriffen wurde (opus mixtum, s. unten).

opus quadratum und opus vittatum

Beide Termini bezeichnen Mauerschalen aus regelmäßig behauenem Natursteinen, die in Reihen mit einheitlicher Schichthöhe und regelmäßigem Fugenwechsel in Mörtel oder auch trocken verlegt wurden. quadratum bezieht sich auf die quaderförmige Zurichtung der Steine, vittatum (aus lat. vitta = Band) auf die einheitliche Schichthöhe. Die Abgrenzung zwischen den beiden Termini ist nicht trennscharf,234 tendenziell werden große Quader aus Tuffstein häufig als quadratum angesprochen, etwas kleinere Formate, oft aus Kalkstein, als vittatum. Vor allem die großen Natursteinquader ergeben ein sehr festes Mauerwerk, das entsprechend an Stadtmauern und Türmen, sowie im Ingenieurbau verwendet wurde bei Bogen, Brücken, Molen usw.

Abb. 3.10: Opus quadratum Kalkstein, Flächen gespitzt (W. Osthues).

Abb. 3.10: Opus quadratum Kalkstein, Flächen gespitzt (W. Osthues).

Obwohl opus quadratum / vittatum eine scheinbar einfache und gleichsam logische Form des Mauerwerks darstellt, und entsprechend in verschiedenen älteren Kulturen sehr häufig vorkommt, findet man es im römischen Imperium erst ab augusteischer Zeit, und in Rom selbst kaum vor dem 2. Jh. n. Chr. Sehr weit verbreitet war es hingegen in Gallien, wo es bis in die Spätantike (und darüber hinaus) zu finden ist.235

opus testaceum (opus latericium)

Gebrannte Ziegel, die bis in augusteische Zeit nur in Form von Dachziegeln üblich waren, wurden im Verlaufe des 1. Jhs. n. Chr. zum Standardmaterial für die Verblendung von caementitium. Hergestellt wurden im Grundriss quadratische, vergleichsweise flachen Ziegel in verschiedenen Formaten (Kantenlänge , 1 oder 2 Fuß von etwa 29,5 cm). Am Bau wurden sie häufig diagonal gebrochen vermauert, wobei die Basis der dann dreieckigen Form nach außen weist (s. Abb. 3.11) Der äußere Anschein, es handele sich um das gleiche Ziegelmauerwerk mit langrechteckigen Formaten wie in der Neuzeit in Nordeuropa üblich, täuscht daher oft den heutigen Betrachter (Abb. 3.13).

Gebrochen wurden solche Ziegel oft mit einer Säge. Es gab auch Ziegel, in die bereits vor dem Brand eine Sollbruchstelle diagonal eingeritzt war.236 Der Vorteil dieses Vorgehens war einerseits, dass sich auf diese Weise eine Verzahnung der Ziegelfassade mit dem Gusskern ergab (wie schon beim Reticulat), zudem ein geringerer Materialverbrauch, und schließlich, dass die nach außen verlegte Bruchkante einen guten Haftgrund für das Auftragen des Wandputzes abgab. Es gab aber auch unverputzte Fassaden, bei denen man zu dekorativen Zwecken Ziegel unterschiedlicher Farbe (aufgrund unterschiedlicher Materialqualität und Brenntemperatur) zu Mustern gruppierte.

Abb. 3.11: Opus testaceum, Aufbau. Leonidaion in Olympia, Restrukturierung aus dem 2. Jh. n. Chr. Äußere Ziegel diagonal gebrochen. Mauerkern nicht mit caementitium Füllung, sondern grobes Ziegelmauerwerk (W. Osthues).

Abb. 3.11: Opus testaceum, Aufbau. Leonidaion in Olympia, Restrukturierung aus dem 2. Jh. n. Chr. Äußere Ziegel diagonal gebrochen. Mauerkern nicht mit caementitium Füllung, sondern grobes Ziegelmauerwerk (W. Osthues).

Der erste große, vollständig in Ziegeln verblendete Bau in Rom waren die unter Tiberius 22–23 n. Chr. angelegten castra praetoria, das Lager für die im Rom dauerhaft stationierte Praetorianergarde.237 Einen enormen Aufschwung nahm die Backsteinarchitektur in Rom selbst nach dem Brand der Stadt zur Zeit Neros 64 n. Chr.238 Das gilt nicht nur für die vor allem brandgefährdeten Wohnbauten, die heute nur noch in wenigen Resten erhalten sind,239 sondern auch für große, öffentliche Projekte: An Neros domus aurea, den Palästen Domitians, dem Traiansforum, den großen Thermenbauten, und auch bei Innenausbau des Kolosseums war Backstein das dominierende Material für die Verblendung von Beton. Dasselbe lässt sich an den vergleichsweise gut erhaltenen Wohnbauten in Ostia ablesen, die mehrheitlich nach dem Beginn des 2. Jhs. gebaut wurden. Die Bedeutung der Backsteine als Baumaterial blieb bis in die Spätantike erhalten, wie auch eines der letzten ambitionierten Projekte, die Maxentiusbasilika, veranschaulicht (erbaut 307–13).

Auch für das opus testaceum gilt, dass die Verbreitung innerhalb des Imperiums sehr unterschiedlich stark war, was direkt mit der Verfügbarkeit der Ausgangsmaterialien (Lehm bzw. Ton, Brennholz) zusammenhängen dürfte. Die größte Bedeutung als Baumaterial hatten die gebrannten Ziegel in Italien. Wichtig waren sie auch in Griechenland (Korinth) und auf dem Gebiet der heutigen Türkei (Rote Halle in Pergamon, Thermen in Hierapolis), völlig bedeutungslos hingegen in Gallien.

opus mixtum

Dieser neugeprägte Terminus ist ein Sammelname der Forschung für alle Arten von Mauerwerk, bei dem Backstein mit einem der anderen, oben beschriebenen Arten von Mauerwerk schichtweise kombiniert wurde, so dass Schichten aus Ziegel und Naturstein übereinander liegen. Gelegentlich werden die Begriffe auch kombiniert, so dass ein Mauerwerk, das abwechselnd aus in Reihen verlegten Natursteinquadern und Ziegelreihen besteht, als opus vittatum mixtum angesprochen wird.

Abb. 3.12: Opus testaceum mixtum in Ostia. Abwechselnde Lagen von kleinen Tuffstein-Quadern und Ziegeln (W. Osthues).

Abb. 3.12: Opus testaceum mixtum in Ostia. Abwechselnde Lagen von kleinen Tuffstein-Quadern und Ziegeln (W. Osthues).

Die Art, wie die verschiedenen Materialien miteinander kombiniert wurden, deckt ein ganzen Spektrum von Varianten ab. Es reicht von Mauerschalen, bei denen die Steine in stets abwechselnden Reihen verlegt sind, also etwa eine Lage Ziegel, eine Lage Tuff- oder Kalksteinquader, wie vor allem in Kampanien nicht selten, bis hin zu Mauerwerk, bei denen die Schichthöhen einen Meter oder mehr betragen, wie häufig bei Stadtmauern. Ist Reticulat Teil des opus mixtum, findet man häufig Felder aus Reticulat, die horizontal und vertikal gerahmt sind, etwa mit opus testaceum.

Opus mixtum findet man früh – noch in vorrömischer Zeit – in den Vesuvstädten, und nachfolgend in allen Perioden des Imperiums (und auch danach sehr häufig in byzantinischer Zeit). Die Bauweise verbreitete sich im Laufe der Zeit über praktisch alle Provinzen des römischen Reiches.

Angesichts der erheblichen konstruktiven Unterschiede (Wechsel nur innerhalb der Schalung vs. Ziegeldurchschuss) ist evident, dass es keine einheitliche technische Erklärung für die Verwendung von opus mixtum geben kann. Die Variante mit durchbindenden Ziegellagen dürfte sicher angewandt worden sein, um Schalen und Mauern stabil mit einander zu verbinden. Das war vor allem dann wichtig, wenn der Mauerkern aus minderwertigem Beton – oder einer bloßen Bruchsteinfüllung in Kalkmörtel – bestand. Dem entspricht, dass schon Vitruv von Bauschäden an Mauern mit caementitium-Kern berichtet. Er empfiehlt daher eine Sicherung des Verbandes von Schalen und Kern durch in die Mauer einbindende Steine der Schalen.240

Abb. 3.13: Opus testaceum, Außenansicht: Casa di Diana, Ostia (W. Osthues).

Abb. 3.13: Opus testaceum, Außenansicht: Casa di Diana, Ostia (W. Osthues).

Andere Erklärungen sind für die nur in die Mauerschalen eingesetzten, nicht durchbindenden Ziegellagen vorgebracht worden. Es könnte sich um Ausgleichsschichten handeln, bei denen jeweils der exakt horizontale Verlauf der Schichten hergestellt bzw. kontrolliert wurde. Teilweise korrespondieren die Löcher für das Einsetzen der Baugerüste auch mit der Oberkante der Ziegellagen, womit die Schichtstärken mit der möglichen Arbeitshöhe auf dem Gerüst in Zusammenhang stünden. Sicherlich haben auch – wie beim Testaceum mit verschiedenfarbigen Ziegeln und beim Reticulat – ästhetische Aspekte eine Rolle gespielt, sofern die Wände nicht verputzt wurden.241 Beim Bau von Stadtmauern wie der theodosianischen Mauer in Konstantinopel (Istanbul) dürften auch militärtechnische Aspekte eine Rolle gespielt haben. Beim Beschuss von Mauern mit Steinkugeln war das Ziel, ganze Steine aus der Mauerfassade herauszubrechen. Gelang dies, verloren die Steine über den durch Beschuss aufgebrochenen Reihen ihren Halt und brachen leicht nach unten weg. Ziegel, weil weicher, brachen jedoch nicht komplett aus dem Verband, sondern fingen die Wucht des Aufpralls des Geschosses durch Splittern ab. Dadurch verhinderten sie, dass die darüber liegenden Natursteine mehr oder minder von selbst wegbrachen. Es handelt sich damit um dasselbe Prinzip, das man anwandte, wenn in Lehmziegelmauern horizontale Balken eingelegt wurden (kein Fachwerk), die das Nachrutschen von darüberliegendem Lehm der Fassade verhindern sollten.

3.6.2 Wölbtechniken

Die Römer haben den Bogen, und die daraus abgeleiteten Gewölbeformen, nicht erfunden, aber sie haben in einem Jahrhunderte dauernden Prozess das Prinzip, freie Spannweiten mit auf dem Bogen basierenden Konstruktionen zu überdecken, bis an Grenzen fortentwickelt, die noch viele Jahrhunderte später nicht übertroffen worden sind. Wie groß der Fortschritt in bautechnischer Hinsicht war, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die griechischen Baumeister mit den Stütze-Gebälk-Systemen ihrer Tradition in Stein kaum mehr als sechs, und in Holz etwa zwölf Meter überbrücken konnten,242 wohingegen das größte römische Betongewölbe – am Pantheon in Rom – eine freie Spannweite von dreiundvierzig Metern hat. Zudem ergibt die baugeschichtliche Bedeutung des opus caementitium sich wesentlich erst in Verbindung mit den Wölbtechniken. Schließlich wird auch die Ästhetik gerade der herausragenden römischen Bauten vom Bogen und seinen Ableitungen bestimmt. Diese enorme Steigerung der freien Spannweiten ist oft herausgestellt worden. Dabei ist jedoch zu ergänzen, dass auch die Römer ihre absolut größten freien Spannweiten – etwa 50 m – in Holz überdeckt haben.243

Der Bogen

Bei der Überbrückung freier Spannweiten in Stein hat die Wölbtechnik einen grundlegenden konstruktiven Vorteil gegenüber Stütze-Gebälk-Systemen: ein Bogen kann größere Öffnungen überspannen als ein Balken von gleichem Querschnitt.244 Ein an seinen Enden aufgelagerter Balken biegt sich unter Last (Eigenlast und Auflast) in der Mitte nach unten durch. Diese Verformung zeigt an, dass innerhalb des Balkens Druck- und Zugspannungen auftreten Die obere Hälfte des Balkens wird durch den Druck gestaucht, die untere durch den Zug gedehnt, vgl. Abb. 3.14. Nun kann aber Stein – ebenso wie Beton – zwar hohe Druckspannungen aufnehmen, aber in nur sehr geringem Umfang Zugspannungen. In einem Steinbalken werden sich daher bei starker Belastung an der Unterseite durch übermäßige Dehnung vertikale Risse bilden, die sich bis zum Bruch des Balkens erweitern können. Römischer Tuff kann kann zudem, verglichen mit anderen Gesteinen, sehr wenig Zugspannungen aufnehmen. (Der sehr feste moderne Zement beispielsweise kann rund zehnfach höhere Druck- als Zugspannungen aufnehmen, weswegen zur Erhöhung der Zugfestigkeit heute fast immer Eisenarmierungen in den Beton eingegossen werden.)

Abb. 3.14: Verformung eines Balkens unter Last (W. Osthues).

Abb. 3.14: Verformung eines Balkens unter Last (W. Osthues).

Anders als im angesprochenen Biegebalken ergeben sich in einem Keilsteinbogen keine Zugspannungen, sondern ausschließlich Druckspannungen, wenn Form und Dimensionierung des Bogens richtig gewählt sind. In diesem Sinne entspricht der Keilsteinbogen wesentlich besser als der Biegebalken der Belastbarkeit des Steinmaterials.

Abb. 3.15: Keilsteinbogen Prinzipskizze mit Stützlinie (Lancaster 2005a Abb. 2, bearbeitet).

Abb. 3.15: Keilsteinbogen Prinzipskizze mit Stützlinie (Lancaster 2005a Abb. 2, bearbeitet).

Entscheidend dafür ist die radiale Anordnung der Fugen im Keilsteinbogen, die bewirkt, dass die Eigenlast des Bogens oder eine in der Mitte aufgelagerte Last vom Schlussstein ausgehend als seitlich wirkender Druck abgetragen wird, wie die Stützlinie anzeigt (Abb. 3.15). Daraus folgt allerdings, dass die Last bei den Kämpfersteinen – den beiden untersten Steinen des Bogens – permanent als Schubkraft wirkt, die die Steine tendenziell nach außen drückt. „Ein Bogen schläft nie“, wie ein arabisches Sprichwort sagt.245 Dieser Schub muss durch die sog. Widerlager kompensiert werden. Ohne Widerlager würde der Bogen horizontal ausweichen, wodurch sich eine Verformung des Bogens im Sinne einer Absenkung des Scheitels und die Öffnung der Fugen ergeben würde, die zum Einsturz des Bogens führen können, vgl. Abb. 3.16. Widerlager können im Fall einer Toröffnungen die angrenzenden Wände sein, bei einer Brücke die Rampen, Strebepfeiler, oder auch weitere, angrenzende Bogen wie bei vielen Brücken, Arkaden oder Substruktionen. An der Außenseite des Kolosseum und anderen Amphitheatern beispielsweise stützen sich alle Bogen gegeneinander ab. Schubkräfte können auch durch gezielten Einsatz von Auflasten vertikal abgeleitet werden (s. u.).

Abb. 3.16: Versagen eines Bogens (W. Osthues).

Abb. 3.16: Versagen eines Bogens (W. Osthues).

Formen und Verwendung

Aus dem Bogen lassen sich geometrisch alle Grundformen der Gewölbe ableiten (s. Abb. 3.17):

1staffelt man Bogen hintereinander, ergibt sich das Tonnengewölbe;

2verschneidet man im rechten Winkel zwei Tonnen mit gleicher Stichhöhe, erhält man das Kreuzgewölbe (bzw. bei unterschiedlicher Stichhöhe und gleicher Basis Stichkappen);

3verschneidet man zwei Tonnen über quadratischem Grundriss, ergibt sich das Klostergewölbe;

4rotiert man den Bogen um seinen Scheitelpunkt, erhält man die Kuppel.

Den sog. scheitrechte Bogen erhält man, wenn man das mittlere Segment eines Keilsteinbogens oben und unten horizontal beschneidet, so dass sich ein Balken aus Steinen mit radialem Fugenschnitt ergibt (Abb. 3.18 unten links).

Abb. 3.17: Gewölbeformen: (a) Tonnengewölbe, (b) Kreuzgewölbe, (c) Klostergewölbe (W. Osthues).

Abb. 3.17: Gewölbeformen: (a) Tonnengewölbe, (b) Kreuzgewölbe, (c) Klostergewölbe (W. Osthues).

Abb. 3.18: Türsturz als scheitrechter Bogen aus Ziegeln, Radialfugen vermörtelt; Thermopolium. Ostia. Skizze unten links: scheitrechter Bogen aus Natursteinen mit radialem Fugenschnitt, mörtellos. (W. Osthues).

Abb. 3.18: Türsturz als scheitrechter Bogen aus Ziegeln, Radialfugen vermörtelt; Thermopolium. Ostia. Skizze unten links: scheitrechter Bogen aus Natursteinen mit radialem Fugenschnitt, mörtellos. (W. Osthues).

Alle diese Gewölbeformen lassen sich an römischen Bauten nachweisen. Freistehende Bögen246 findet man bei Türen, Fenstern, Torbauten, Triumpfbögen etc., oft auch in Reihen, die sich gegenseitig stützen, bei Substruktionen, Aquaedukten, Brücken und Amphitheatern. Zu den ersten bekannten Bogen mit großer Spannweite zählt in Rom der 174 v. Chr. erbaute Pons Aemilius (,Ponte rotto‘), dessen sechs Steinpfeiler 142 v. Chr. mit Keilsteinbogen anstelle der ursprünglichen Holzkonstruktion verbunden wurden.

Tonnengewölbe wurden zur Überdeckung von Räumen unterschiedlichster Größe genutzt. Typisch sind sie für die ab augusteischer Zeit errichteten Thermenbauten, da die dort herrschende Feuchtigkeit hölzerne Dachstühle frühzeitig angegriffen hätte.247 Die großen Basiliken hatten hingegen meist hölzerne Dachstühle. Erst im Zusammenhang mit der Belichtung wurden Basiliken auch mit Wölbkonstruktionen eingedeckt (s. u.). Typisch waren Tonnengewölbe des weiteren für Substruktionen von bebauten Terrassenanlagen, oder auch im Fundament sehr schwerer Bauten wie Amphitheater, da eine Wölbkonstruktion gegenüber einem massiven Fundament sehr viel Material einsparte.

Kreuzgewölbe findet man ab dem 1. Jh. n. Chr. als Deckenkonstruktion an Bauten mit kreuzförmigem Grundriss, später auch – in Reihe – als Eindeckung von Basiliken und Thermen. Die Öffnungen quer zur Raumachse wurden als Fenster genutzt (Lünetten), was bei einem einfachen Tonnengewölbe nicht möglich wäre. Vereinzelt findet man auch die Variante, bei der ein Tonnengewölbe mit Stichkappen kombiniert wurden, bei denen die quer zur Gebäudeachse liegenden Tonnen niedriger sind als die Haupttonne.248

Kuppeln wurden meist für die Eindeckung von Sälen mit rundem oder polygonalem Grundriss verwendet, oft bei Thermen, aber auch bei Rundtempeln. Kleine Kuppeln mit bis etwa 8m Spannweite findet man schon in republikanischer Zeit, größere Betonkuppeln ab der frühen Kaiserzeit.249

Das Klostergewölbe zur Eindeckung quadratischer Räume gab es – trotz der relativ komplexen Form – schon sehr früh, beispielsweise an dem unter Sulla zwischen 83 und 80 erbauten Staatsarchiv (Tabularium).250 Aus der Spätantike kennt man selbst ovale Räume mit Einwölbung, wie die antiken Baureste von St. Gereon in Köln zeigen.

Scheitrechte Bogen wurden sehr häufig zur Überdeckung von Wandöffnungen anstelle von Holz- oder Steinbalken verwendet. Wegen der hohen Belastung von Tür- oder Fensterstürzen im Untergeschoss von mehrstöckigen Bauten wurden die Lasten über scheitrechten Bögen häufig durch Entlastungsbögen abgefangen, die über dem Sturz in die Wand eingelassen waren (Abb. 3.18. Sie hatten zudem den Vorteil, dass sich gebrochene Tür- und Fensterstürze relativ problemlos nach Bruch auswechseln ließen251 Bei starken Mauern mit caementitium Kern täuschen die an den Fassaden erkennbaren scheitrechten und Entlastungsbögen allerdings häufig den Betrachter, denn die Entlastungsbögen binden dort nicht durch die Mauer durch, entlasten also nur den Fassadenaufbau, während die Öffnung im Inneren durch ein gegossenen Betonbogen gesichert ist.252

Die Dimensionen der Gewölbe, die als Dacheindeckung dienten, blieben bis zum Ende der Republik relativ bescheiden. Wesentlich größere Spannweiten (bis etwa 20 m) hatten in republikanischer Zeit die in Keilsteintechnik erbauten Brücken. Die Spannweiten der Dachgewölbe nahmen fast sprunghaft zu in augusteischer Zeit, als Gewölbe in caementitium Bauweise ausgeführt werden: 21,5 m am sog. Tempel des Mercur in Baiae, ca. 25 m an den Thermen des Agrippa in Rom; und 38,2 m am sog. Apollontempel am Averner See (Die beiden sog. Tempel sind tatsächlich Thermenbauten gewesen).

3.6.3 Lehrgerüste

Um ein Gewölbe zu errichten, war zunächst der Aufbau eines Lehrgerüstes aus Holz notwendig, da ein Gewölbe erst dann selbsttragend ist, wenn die Konstruktion geschlossen und ggfs. ausgehärtet ist. Es gab zwar auch in der Antike bekannte Techniken, Gewölbe ohne Lehrgerüst zu errichten,253 doch waren diese Verfahrensweisen für Gewölbe großer Spannweite nicht geeignet.254 Die statischen Anforderungen an ein Lehrgerüst waren sehr hoch, musste es doch nahezu das volle Gewicht des späteren Gewölbes tragen. Das Gewicht eines Gewölbes war in jedem Falle höher als das Gewicht eines Ziegeldachs, so dass die Lehrgerüste sehr viel höhere Lasten tragen mussten als die z. T. in ähnlicher Technik errichteten Dachstühle aus Holz.

Abb. 3.19: Umgezeichnetes Relief eines Amphitheaters aus Holz, gefunden unter dem Palazzo della Cancelleria in Rom. Rechts im Bild ein einfaches Sparrengebinde, in der Mitte ein ausgesteiftes Hängewerk.

Abb. 3.19: Umgezeichnetes Relief eines Amphitheaters aus Holz, gefunden unter dem Palazzo della Cancelleria in Rom. Rechts im Bild ein einfaches Sparrengebinde, in der Mitte ein ausgesteiftes Hängewerk.

Lehrgerüste als per se temporäre Konstruktionen haben sich naturgemäß nicht erhalten, so dass die Rekonstruktion der Konstruktionsformen ein fast nie vollständig zu lösendes Problem darstellt. So besteht bis heute selbst für die berühmteste Gewölbekonstruktion der Antike, die Kuppel des Pantheon, unter den Forschern immer noch kein Konsens darüber, ob bei der Errichtung der Kuppel ein zentrales, vom Boden bis zum Oculus reichendes Gerüst aufgestellt wurde oder nicht.255 Immerhin gibt es vereinzelt Anhaltspunkte für die Bestimmung der Konstruktionsmethoden der Lehrgerüste, wie etwa Konsolen oder Balkennester in den Widerlagern (Pfeiler oder Mauern), die zeigen, wo die Balken des Gerüstes sich abgestützt haben.256 Bei Betondecken gibt dort, wo der Verputz heute abgeblättert ist, häufiger noch Abdrücke, die zum Teil sogar die Fugen der Schalbretter anzeigen. Zudem gibt es einige wenige bildliche Darstellungen, bei denen allerdings zu berücksichtigen ist, dass die jeweiligen Künstler keine gelernten Bauzeichner waren. Vor allem die Proportionen sind in diesen Darstellungen oft erkennbar unrealistisch, doch zeigen einige aufschlussreiche technische Details.

Für die Herstellung der Lehrgerüste war neben geeignetem Holz eine qualifizierte Zimmermannstechnik notwendig, die belastbare Verbindungen der Balken ermöglichte, sowie Konstruktionswissen, um den unter Last auftretenden Kräften an den entsprechenden Stellen durch Stützen und Verstrebungen begegnen zu können. Das Lehrgerüst, genauer gesagt: die Schalung als sein oberer Abschluss, definierte zugleich als eine Art Negativ die Form des Gewölbes. In gewissem Umfang wirkte im Bauprozess beides zusammen, da die Belastungen des Gerüstes nicht in jeder Phase gleichmäßig waren, selbst wenn, wie üblich, das Gewölbe von beiden Seiten ausgehend hochgezogen wurde. Ein etwa zur Hälfte fertiggestelltes Gewölbe aus Keilsteinen oder Ziegeln belastete das Lehrgerüst nur seitlich, so dass das unbelastete Zentrum des Gerüstes tendenziell nach oben auswich, also dort etwas höher war als in unbelastetem Zustand. Moderne Vermessungen mit aktueller Meßtechnik haben häufiger Verformungen nachgewiesen, d. h. Abweichungen von der offensichtlich vorgesehenen Halbkreisform, die auf diese Weise zu erklären sind.

Die einfachste Vorgehensweise bei der Konstruktion eines Lehrgerüstes war das Vollgerüst, das auf dem Boden des Gebäudes gegründet war und bis zum Scheitel des Gewölbes reichte. Vorbilder für die Konstruktion könnten die schon im späten 4. Jh. v. Chr. sehr hohen Belagerungstürme gewesen sein257 Der Standsicherheit dieser Türme muss ein besonderes Augenmerk der Architekten gegolten haben, denn die Türme waren wegen ihrer Verkleidung Windlasten ausgesetzt und wurden schon in dieser Zeit mit Wurfgeschützen und Katapulten beschossen. Erfahrungen mit turmähnlichen Holzkonstruktionen größerer Höhe dürften die römischen Architekten auch im Wohnungsbau speziell in Rom gemacht haben.258 Auf dem Boden stehende Lehrgerüste hatten allerdings den Nachteil, dass der Aufwand an Material, Arbeit und Geld vergleichsweise hoch war. Zudem waren sie bei bestimmten Bauaufgaben nicht anwendbar, etwa bei Flussbrücken oder streckenweise auch bei Aquaedukten. Die Römer haben entsprechend auch freitragende Gerüste verwendet, die erst auf dem Niveau der Gewölbebasis ansetzten und von Mauern oder Pfeilervorsprüngen getragen wurden (Abb.3.20).

Abb. 3.20: Lehrgerüstformen für Tonnengewölbe und Brückenbögen, schematische Rekonstruktionen.

Abb. 3.20: Lehrgerüstformen für Tonnengewölbe und Brückenbögen, schematische Rekonstruktionen.

Die Römer kannten die beiden Hauptformen solcher Tragwerke, das Sprengwerk und das Hängewerk. Ein Sprengwerk besteht im einfachsten Fall nur aus zwei Streben, die diagonal zu einander gestellt sind (Prinzipskizze Abb. 3.20 unten links). Die Last, die die Streben tragen, führt an der Basis der Konstruktion neben vertikalem Druck zu Seitenschub, den die Widerlager (W) aufnehmen müssen. Im Fall der Überlastung der Widerlager spreizt sich die Konstuktion an der Basis, die Verbindung an der Spitze öffnet sich und sackt nach unten durch (auf dem Schema in rot dargestellt).

Das Hängewerk unterscheidet sich vom Sprengwerk im Grundsatz zunächst dadurch, wie dem Seitenschub der diagonalen Streben begegnet wird (Prinzipskizze Abb. 3.20 unten rechts). Beim Hängewerk sind die beiden diagonalen Streben an ihrem Fuß in einen Bundbalken eingezapft, so dass sie dort nicht nach außen ausweichen können. Der Bundbalken selbst wird im Lastfall gedehnt, d. h. auf Zug belastet, also gleichsam geradegezogen. Da der Bundbalken den Seitenschub der Streben aufnimmt, sind bei dieser Konstruktionsweise Widerlager nicht erforderlich, d. h. die Konstruktion übt keinen Seitenschub auf die Stützen oder Pfeiler aus, die sie tragen. Besteht die Konstruktion nur aus den bisher angesprochenen zwei Diagonalstreben und dem Bundbalken, spricht man im Fall eines Dachtragwerks von einem Sparrengebinde.

Beim eigentlichen Hängewerk kommt als vierte Komponente mindestens ein vertikaler Pfosten hinzu. Dieser Pfosten stützt nicht etwa den First der Konstruktion, und drückt damit auf den Bundbalken, sondern es verhält sich gleichsam umgekehrt: Das Zentrum des Bundbalkens ist an dem Pfosten aufgehängt. Man erkennt das auf Schemazeichnung daran, dass das untere Ende des Pfostens nicht mit dem Bundbalken verzapft ist, sondern über dem Bundbalken schwebt, bzw. durch ein Eisenband als Aufhängung (schwarz) mit ihm verbunden ist. Der Bundbalken ist bei dieser Konstruktion sozusagen doppelt gegen eine Durchbiegung in der Mitte (durch Eigenlast oder Auflast) gesichert, zum einen durch die Aufhängung am First, zum anderen durch die Streben, die ihn durch ihre Spreizung dehnen bzw. geradeziehen.

Das Sparrengebinde erkennt man rechts auf einem Relief, das ein aus Holz errichtetes Amphitheater darstellt (grün auf Abb. 3. 19) Im Zentrum sieht man ein zusammengesetztes Hängewerk. Letzteres hat zusätzlich zwei innere, diagonale Streben, die sich an dem vertikalen Pfosten gegeneinander abstützen, und so die Durchbiegung der beiden Hauptstreben verhindern. Charakteristisch an der Reliefdarstellung sind vor allem die beiden Zangen (kurze, vertikale Balken) an den beiden Enden der Basis des Hängewerks. Sie belegen die Kenntnis der Richtung der Kräfte im Hängewerk, denn sie sichern den kritischen Punkt der Konstruktion. Wenn nämlich die Verbindung zwischen den beiden Hauptstreben und dem Bundbalken an der Basis des Dreiecks sich lösen würde, könnte der Bundbalken den Schub der Streben nicht mehr auffangen, so dass die Streben sich spreizen würden wie oben für das Sprengwerk beschrieben. Zangen, die das verhinderten und die Verzapfung zwischen Streben und Bundbalken sicherten, dürften nicht nur durch Paare von kurzen Holzbalken, wie auf dem Relief wohl gemeint, sondern auch durch Eisen- oder Bronzebänder realisiert worden sein.

Ein Hängewerk als Lehrgerüst ist beispielhaft auf Abb. 3. 20 oben rechts dargestellt. Die Konstruktion hat mehrere Vorteile. Da die Holzkonstruktion wegen des Bundbalkens keinen Seitenschub erzeugt, war sie besonders geeignet bei Gewölben, die in großer Höhe errichet wurden, da die Stabilität entsprechend hoher Wände oder Pfeiler durch Seitenschub besonders gefährdet war (solange außen den Mauern keine Strebepfeiler vorgesetzt waren, um dem Seitenschub zu begegnen). Zudem ließ sich ein solches Gerüst nach Fertigstellung des Gewölbes als Ganzes entnehmen („ausrüsten“), nachdem das Lehrgerüst abgesenkt wurde, indem der Holzbalken, auf dem das Hängewerk aufgelagert war (auf Abb. 3. 20 oben rechts bei A), herausgeschlagen wurde. Das Gerüst konnte dann bei Bogenbrücken oder Aquaedukten für die Errichtung des nächsten Bogens wiederverwendet werden, oder bei tiefen Bogen seitlich verschoben werden für ein gleichsam schrittweises Zusammenfügen des Bogens aus nebeneinander gestellten, jeweils in sich tragfähigen Bogen. Ein solches Nebeneinanderstellen von einzelnen Bogens kann man für den Pont du Gard annehmen (Abb. 3. 21), denn dort zeigt die Sicht auf die Unterseite des Bogens, dass es sich technisch um drei nebeneinander gestellte Bogen handelt, da die Keilsteine dieser drei Bogen nicht ineinandergreifen, bzw. kein Fugenwechsel vorliegt. (Das verschobene Lehrgerüst war allerdings in diesem Fall ein Sprengwerk, s. u.) Der Nachteil der Hängewerke war, dass sie sicher nur bei Bogen oder Gewölben von begrenzter Spannweite eingesetzt werden konnten, als einfaches Sparrengebinde kaum für Gewölbe von mehr als etwa etwa 7-8 m Spannweite, als Hängewerk mit innerer Aussteifung (wie im Zentrum der Reliefdarstellung) wohl auch nur für Spannweiten von etwa 12 m.259 Man wird mit dieser Form des Lehrgerüstes immer dann rechnen müssen, wenn die Gewölbe die genannten Dimensionen nicht überschreiten und Konsolen oder Kämpferkapitelle entsprechender Stärke vorhanden sind, aber keine sonstigen Einlassungen für Balken oder weitere Konsolen.

Das polygonale, zusammengesetztes Sprengwerk ist beispielhaft auf Abb. 3. 20 oben links dargestellt. Die beiden diagonalen Streben D und E sind hier auf den Konsolen B und C aufgelagert. Die Strebe E stützt das Zentrum des Bogens direkt, D vermittelt über einen vertikalen Pfosten. Zudem sind einige Hilfsstreben eingezeichnet, die das Gerüst vor allem bei asymmetrischer Belastung sichern, sowie die Schalung abstützen. Ein Lehrgerüst dieses Typs wurde am Pont du Gard eingesetzt, wie man an den entsprechenden Konsolen erkennt, die im oberen Bereich der Pfeiler und in den unteren Abschnitten der Gewölbelaibung eingemauert worden sind. Die obere, zweisteinige Konsole, entsprechend B auf der Zeichung, ist auf dem Photo Abb. 3. 21 erkennbar. Konsolen dieser Art, also unter- und oberhalb des Kämpferkapitells, dienten allein als Widerlager für die Streben. Ihre Vorsprünge wären bei anderen als Nutzbauten sicherlich nach dem Ausrüsten abgearbeitet worden. Eine Alternative zu solchen Konsolen als Widerlager der Streben waren Balkennester, in die der Fuß der Streben eingezapft wurde, wie auf Abb. 3. 20 als Detail dargestellt. Man findet Balkennester dieser Art etwa am 62 v. Chr. erbauten Pons Fabricius in Rom.260 Eine Sprengwerk ist auch beim Bau der Traiansbrücke über die Donau realisiert worden.261

Ein wesentlicher Vorteil solcher Sprengwerke gegenüber den Hängewerken war, dass sie wegen der größeren Zahl der tragenden Streben (auf Abb. 3. 20 zwei statt nur einer, bzw. bei symmetrischer Ergänzung der Zeichnungen vier statt nur zwei) wesentlich höhere Lasten tragen konnten. Zudem war bei den Sprengwerken nicht der relativ lange Bundbalken der Hängewerke erforderlich. Nachteilig war vor allem bei der Auflagerung der Streben in Balkennestern, dass das Gerüst nicht als Ganzes entnommen und versetzt werden konnte, sondern für eine Wiederverwendung mindestens teilzerlegt werden musste, um die Streben aus den Balkennestern entnehmen zu können.

Da die Römer die zu tragenden Auflasten und die entsprechend erforderlichen Dimensionierungen ihrer Gerüstkonstruktionen nicht durch statische Berechnungen bestimmen konnten, ist es nicht überraschend, dass sich mit der Stabilität der Lehrgerüste die eingangs erwähnten Probleme ergeben haben. Neben mangelnder Stabilität der Lehrgerüste selbst kann auch bei gemauerten oder gegossenen Gewölben das zu frühe Ausrüsten Ursache von Deformationen gewesen sein, oder bei vom Boden aufgeführten Gerüsten eine nicht ausreichend Tragfähigkeit des Untergrundes. In solchen Fällen würde das Gewölbe durchsacken, also im Zentrum einen abgeflachten Kontur annehmen, oder eine nicht spiegelsymmetrische Form. Friedrich Rakob konnte an der Kuppel des Merkurtempels in Baiae solche charakteristischen Deformationen nachweisen, die anzeigen, in welchen Bereichen das Gerüst durch die aufgebrachte Last seine Form verändert hat.262 Die Untersuchungen von Jürgen Rasch an spätantiken Kuppelbauten haben demgegenüber gezeigt, dass dort keine solchen Deformationen aufgetreten mehr sind, was die fortschreitende Beherrschung der Gerüstkonstruktion und -dimensionierung deutlich macht.263

Abb. 3.21: Pont du Gard (Provence), Detail der mittleren Bogenreihe (W. Osthues).

Abb. 3.21: Pont du Gard (Provence), Detail der mittleren Bogenreihe (W. Osthues).

3.6.4 Gewölbe

Bogen und Gewölbe wurden in drei verschiedenen Techniken errichtet. Die älteste ist die Keilsteintechnik, im 1. Jh. v. Chr. folgte der Betonguss, und an der Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. das Aufmauern mit Ziegelsteinen. Bei Keilsteintechnik wurde Naturstein so bearbeitet, dass sich eine exakte Keilform ergab, wodurch die Steine trocken versetzt werden konnten, wie etwa am Kolosseum, am Pont du Gard und an vielen Brücken. (Abb. 3.35; 3. 37) Sollte an der Front ein exakter Fugenschluss mit den an den Bogen anschließenden Blöcken gewährleistet werden, war die Form der Keilsteine fünfeckig (wie auf den Schemata Abb. 3. 20 oben). Häufiger, weil weniger aufwändig, findet man an den Stoßfugen zu den Keilsteinen abgeschrägte, grob zugehauene Steine, die trocken oder in Mörtel versetzt wurden. Nicht immer jedoch wurden bei Bogen aus Naturstein Keilsteine verwendet. Bei gemauerten Bogen wurden nicht selten einfache Quader verwendet, und die Bogenform dadurch realisiert, dass nur die gemörtelten Fugen, nicht die Steine Keilform hatten. Diese Arbeitsweise erforderte einen sehr druckstabilen Mörtel. Die Mörtelfugen fungierten dabei als kleine, keilförmige Kunststeine.

Die Keilsteintechnik wurde in der Mittelmeerwelt und im Orient seit Jahrhunderten angewandt. Ebenso wie die Griechen, bei denen sie etwa seit Mitte des 4. Jhs. v. Chr. auftrat, errichteten die Römer Nutzbauten mit Keilsteingewölben, wie Substruktionen, Tore in Stadtmauern und vor allem Brücken. Ein frühes Beispiel dafür in Rom selbst ist der 62 v. Chr. errichtete, noch heute erhaltene Pons Fabricius. Unter den öffentlichen Bauten in Keilsteintechnik finden sich vor allem Torbauten und Bögen, an denen die mächtigen Keilsteine sicher auch aus ästhetischen Gründen gewählt wurden, wie beispielsweise an der Porta Nigra in Trier.

Das Bauen in Keilsteintechnik war arbeitsintensiv und teuer, zumindest dann, wenn das Steinmaterial an den Fugen für das Versetzen ohne Mörtel zugerichtet wurde, was qualifizierte Arbeitskräfte erforderte. Die Beschränkung auf den Ingenieurbau und hochbelastete Mauern wie die Außenwände von Amphitheatern dürfte aber vor allem technische Gründe haben. Geeignete Natursteine – in Rom Travertin, der härter ist als der lokale Tuff, außerhalb Roms häufig Kalkstein – haben ein hohes spezifisches Gewicht (etwa 2,5–3 Kg/dm3), so dass der aus den Gewölben resultierende Seitenschub massive Widerlager erforderte. Bei Amphitheatern, wo sich die Bogen gegenseitig abstützen, oder bei Brücken, wo die Rampen ein massives Widerlager bildeten, war der Schub unproblematisch, und ebenso bei Torbauten mit massiven Wänden. Für Decken von Gebäuden mit hochaufragenden Mauern als Widerlager, die sich seitlich nicht abstützten (etwa gegen Strebepfeiler), war die Technik hingegen weniger geeignet.

Betongewölbe

Betongewölbe finden sich in spätrepublikanischer Zeit nur vereinzelt, und mit vergleichsweise geringen Spannweiten. Ein frühes Beispiel dafür ist das kleine Gewölbe (Dm ca. 4,70 m) im Tabularium, dem unter Sulla zwischen 83 und 80 v. Chr. errichteten Staatsarchiv. Bemerkenswert ist es insofern, als es sich nicht um eine einfache Tonne, sondern um ein Klostergewölbe über annähernd quadratischem Grundriss handelt, was zeigt, dass schon in dieser Zeit komplexere Wölbformen realisiert wurden. Massive Konstruktionen aus der Mitte des 1. Jh. v. Chr. mit Tonnengewölben aus Beton finden sich an den Substruktionen, die einen Teil der Terrasse für das Heiligtum des Jupiter Anxur in Terracina tragen. Kuppeln aus spätrepublikanischer Zeit kennt man kaum, und wenn, dann handelt es sich um eher kleinformatige Wölbungen. Umso überraschender sind daher die großen Kuppelsäle zweier Thermen, die in augusteische Zeit datiert werden und nicht in Rom selbst, sondern in Kampanien erbaut wurden. Der sog. ,Tempel des Mercur‘ in Baiae,264 einem römischen Badeort bei Neapel, hat einen Kuppeldurchmesser von 21,55 m. Auf die nachweisbaren Probleme mit dem Lehrgerüst bei der Einwölbung ist oben schon hingewiesen worden. Am Ufer des Averner Sees in den phlegräischen Feldern bei Puteoli liegt der sog. Apollotempel,265 dessen Kuppelsaal eine Durchmesser von 38,20 m hat, und damit eine Spannweite, die nur noch von der Kuppel des Pantheon übertroffen wurde.

In bautechnischer Hinsicht aufschlussreich ist vor allem die Kuppel des Mercurtempels. Die in den Mörtel eingebettenen Bruchsteine (caementitia) sind dort radial in die Mörtelmasse eingebettet. Ihre Anordnung entspricht damit der von Keilsteinen. Das zeigt, dass die Baumeister den Gussbeton noch nicht als quasi-monolithen Kunststein verstanden, sondern als eine Art Keilsteinbogen aus grobem Bruchstein und Mörtel. Erst an späteren Betongewölben wird erkennbar, dass der Beton sozusagen als Bautechnik sui generis begriffen wurde, denn später platzierte man die caementa horizontal statt radial, womit die äußerliche Ähnlichkeit zur Keilsteinbauweise aufgehoben ist.266

Die große Betongewölbe der Kaiserzeit sind fast nie reine Gusskonstruktionen. Ein Teil der mit dem Betonguss kombinierten Bautechniken wurde offensichtlich eingesetzt, um die Struktur der Gewölbe an als kritisch wahrgenommenen Abschnitten zu verstärken. Eine Form solcher Verstärkungen war das Einziehen von Bögen bzw. Rippen an als besonders belastet wahrgenommenen Gewölbeabschnitten. Sie wurden auf die Lehrgerüste aufgemauert, bevor der Beton aufgebracht wurde. Dass die Rippen als Verstärkungen verstanden wurden, erkennt man deutlich an einem frühen Beispiel für diese Bauweise, am Tempel des Hercules Victor in Tivoli (Mitte 1. Jh. n. Chr.), denn dort verwendete man den harten – und teuren – Travertin für die Rippen.267 Bald nach dem Aufkommen der massenhaften Produktion von Ziegelsteinen, etwa ab dem 2. Viertel des 1. Jhs. n. Chr., ging man jedoch, wohl aus Kostengründen, dazu über, die Rippen aus Ziegeln aufzumauern. Allerdings verwendete man beim Bau der Rippen besonders große Ziegelformate, nach ihrer Kantenlänge bipedales genannt (= 2 Fuß, quadratisch, ca. 60 cm Kantenlänge, s. Abb. 3.22). Man kann das Aufmauern solcher Rippen als Rückgriff auf die bewährte Keilsteintechnik verstehen, was zeigt, dass die Baumeister bei ihrem Vordringen in die Möglichkeiten der neuartigen Betontechnik sich sehr wohl absicherten.

Abb. 3.22: Ziegelrippen in Betonschalen innerhalb eines Tonnengewölbes (Lancaster 2008, Abb. 10.6A).

Abb. 3.22: Ziegelrippen in Betonschalen innerhalb eines Tonnengewölbes (Lancaster 2008, Abb. 10.6A).

Etwa am Beginn des 2. Jhs. n. Chr. lässt sich eine Weiterentwicklung der Kombination von Ziegelrippen und Betonguss beobachten, die nicht mehr nur besonders belastete Abschnitte der Gewölbe betrifft, sondern deren gesamte Struktur: Anstelle der bipedales überdeckte man nun mit Rippen aus kleineren Ziegelformaten die gesamten Lehrgerüste, die ihrerseits in regelmäßigen Abständen durchschnitten werden von horizontalen Lagen aus den großen bipedales, so dass sich eine Lamellenstruktur ergibt, deren Fächer anschließend mit der Gussmasse gefüllt werden (Abb. 3.23). Man findet diese Art der Wölbtechnik beispielsweise am Theater von Ostia. Sie wurde bis zum Untergang des Imperiums beibehalten. Man findet sie spät an an der 306 bis 313 erbauten Maxentiusbasilica in Rom – wie erwähnt, einem der letzten ,Großprojekte‘ in der Stadt, Spannweite des Mittelschiffs 25m268 – und noch nach dem Untergang des Imperiums am Baptisterium von S. Maria Maggiore in Nocera Superiore269 aus dem 6. Jh. n. Chr.

Im Ergebnis wird durch den Einschluss der Ziegel einerseits das Gewölbe leichter, da die Ziegel ein nur etwa halb so hohes spezifisches Gewicht haben wie der Beton. Damit konnten auch Lehrgerüst und Schalung leichter ausgeführt werden. Wahrscheinlich hatte die Lamellenstruktur auch zur Folge, dass sich der Druck innerhalb des Gewölbes homogener verteilte.

Ziegel wurden an Gewölben aus Beton auch noch in anderer Weise verwendet. Ab dem 2. Jh. n. Chr. gab es häufiger echte Ziegelschalen auf der gesamten Wölbfläche, also nicht Ziegelrippen, sondern Ziegel, die die Laibung des Gewölbes verblenden, in dem sie auf das Lehrgerüst aufgelegt wurden, bevor der Beton aufgebracht wurde. Solche Ziegelschalen wurden nicht selten mit der Betonmasse verzahnt durch einzelne, radial eingefügte Ziegel. Ein Beispiel dafür gibt es etwa an den Caracallathermen.270 Solche leichten Schalen dienten nicht zur Verstärkung der Gewölbestruktur wie die oben beschriebenen Rippen, sondern sollten Problemen begegnen, die offenbar auftraten, wenn Schalbretter abgenommen werden sollten, auf die der Beton direkt aufgegossen worden war.271 Um die unerwünscht feste Verbindung von Schalbrettern und Beton zu vermeiden, wurden möglicherweise die Bretter, wie oft auch heute, vor dem Aufbringen des Betons eingeölt. Ein zusätzlicher Effekt der Ziegelschalen war, dass man nicht die gesamte Innenfläche des Gewölbes mit Brettern verschalen musste.

Abb. 3.23: Lamellengewölbe. Links moderne Restaurierung, rechts schematische Darstellung (W. Osthues).

Abb. 3.23: Lamellengewölbe. Links moderne Restaurierung, rechts schematische Darstellung (W. Osthues).

Eine weitere Form der Verwendung von Ziegeln innerhalb von Gussgewölben bei Kuppeln war, die großen bipedales in Form von horizontalen Schichten in regelmäßigen Abständen in die Betonmasse einzufügen, so dass die Ziegel in der Aufsicht konzentrische Kreise bildeten, bzw. im Schnitt sich Ziegellagen und Beton abwechseln wie bei opus mixtum. Der Abstand zwischen den Ziegellagen korrespondiert meist mit der Höhe der äußeren Stufenringe im unteren äußeren Bereich der Kuppeln (z. B. am Tempel der ,Minerva Medica‘ aus der 1. Hälfte des 4. Jhs. n. Chr.; zu den Stufenringen mehr im folgenden). Die Funktion der Ringe könnte in der Homogenisierung der Druckverhältnisse innerhalb der Gussmasse gelegen haben, oder auch dem Niveauabgleich beim Aufbringen des Betons gedient haben.

Ziegelgewölbe

Von außen betrachtet ist es häufig kaum zu unterscheiden, ob die Ziegel, die man an der Stirn oder der Unterseite eines Gewölbes sieht, die tragende Struktur des Gewölbes darstellen, hinter dem eine bloße Füllmasse liegt, oder ob die Ziegel nur Verblendung eines tragenden Betonkerns sind, wie oben beschrieben. Die Frage stellt sich deshalb, weil es beides gab. Welche Art der Konstruktion gewählt wurde, hing offenbar mit der Verfügbarkeit der Baustoffe zusammen. In Rom und in Unteritalien, wo Puzzolane reichlich zur Verfügung standen, findet man kaum größere Gewölbe, die keinen Kern aus opus caementitium hatten. In Kleinasien etwa – dem Gebiet der heutigen Westtürkei – konnte nirgendwo Puzzolana abgebaut werden. Trotzdem bauten auch die reichen Städte des Ostens wie Ephesos, Milet, Hierapolis, Sardeis und andere ab der Wende zum 2. Jh. n. Chr. große Baukomplexe mit den im Zentrum des Imperiums entwickelten neuen Wölbtechniken.272 Nur mussten diese Techniken modifiziert werden, weil Beton wegen des Mangels an Puzzolanen nicht zur Verfügung stand, und der Import wohl aus Kostengründen nicht in Frage kam. Die Gewölbe des Ostens waren daher reine Ziegelkonstruktionen. Vermauert wurden die Ziegel in der Regel im sog. Kufverband, bei dem die Lagerfugen der Ziegel in der Achse des Gewölbes liegen, und die Lage der Stoßfugen reihenweise wechselt wie bei normalem Ziegelmauerwerk. Anders gesagt: den Kufverband kann man sich als eine normale einreihige Ziegelmauer mit regelmäßigem Fugenwechsel vorstellen, die der Länge nach zur Tonne gewölbt ist. Die Ziegel haben dabei die normale Quaderform. Die Wölbung des Mauerverbandes ergibt sich allein dadurch, dass der Mörtel in den Lagerfugen im Querschnitt Keilform hat, wie oben für Gewölbe aus Natursteinquadern schon beschrieben. Fast alle Prinzipien des Kufverbandes waren – bis auf den Fugenwechsel der Ziegel – schon bei den Ziegelbögen vorhanden, die man als Verstärkung von Betongewölben verwendete.

Die Verfüllung in den Zwickeln von Bögen und am Fuß von Gewölben mit Bruchsteinen in Lehm oder Kalkmörtel haben bei dieser Bauweise – anders als der Beton – keine tragende Funktion. Dennoch sind die Verfüllungen statisch von Bedeutung, denn sie verhindern als Auflast auf die unteren Abschnitte von Gewölben und Bogen ein seitliches Ausbrechen der Wölbungen bzw. reduzieren den Seitenschub am Fuß der Gewölbe. Die Auflast durch die Verfüllungen hat konstruktiv in etwa die gleiche Funktion wie die weiter unten angesprochenen Stufenringe von Kuppeln.

Leistungsfähig war auch diese Art der Bautechnik, wie die Tonnengewölbe der Thermenanlagen des Ostens (Spannweiten bis 18m) und vor allem die an Kuppelbauten erreichten Spannweiten belegen. Der Rundtempel im Zeus-Asklepius-Heiligtum von Pergamon aus dem 2. Jh. n. Chr. hatte einen Durchmesser von 23,85m, und damit fast exakt dieselbe Spannweite wie die sog. Georgsrotunde in Thessaloniki, die unter dem Kaiser Galerius zu Anfang des 4. Jhs. n. Chr. erbaut wurde. Die Georgsrotunde war ein Tempel der Kabiren oder des Zeus, eventuell auch der Grabbau für den Kaiser.

Technisch gibt es zwischen den Ziegelgewölben und den Betongewölben einige grundlegende Unterschiede. Zunächst einmal waren die Ziegelgewölbe deutlich leichter als die Betongewölbe, da, wie erwähnt, das spezifische Gewicht der Ziegel wesentlich geringer ist als das des Betons. Das bedeutet zugleich, dass die Druckspannungen innerhalb der Gewölbe insgesamt geringer waren. Allerdings hatte diese Bauweise zugleich den technischen Nachteil, dass das Material nicht homogen war, denn der Kalkmörtel war weniger druckstabil als die Ziegel selbst, oder auch der Beton. Hinzukommt, dass wegen der radialen Anordnung der quader-, nicht keilsteinförmigen Ziegel die Mörtelfugen jeweils unten schmaler waren als oben, was ebenfalls zur Inhomogenität der Druckverteilung im Gewölbe führte. War die Konstruktion jedoch von der Dimensionierung und den Auflasten her gesehen auf der ,sicheren Seite‘, brachte die vergleichsweise geringe Druckstabilität des Kalkmörtels aber auch gewisse Vorteile, denn der weichere Mörtel konnte bis zu einem gewissen Grad Spannungsspitzen aufnehmen, was in den erdbebengefährdeten Gebieten zur Standsicherheit der Bauten beitrug.

3.6.5 Kenntnisse der Statik und deren praktische Anwendung

Es gab in der Antike, trotz des bereits hohen Niveaus der antiken Mathematik, keine Form einer auf Berechnungen basierten Statik. Gleichwohl hatten die römischen Architekten ein durchaus fortgeschrittenes Verständnis der Spannungsverhältnisse in Gewölbekonstruktionen.

Die Konstruktion eines auf dem Rundbogen basierenden Tonnengewölbes, eingefügt in eine massive Wand wie bei einem Tordurchlass einer Stadtmauer, oder bei einem Triumpfbogen mit massiven Flanken, erfordert kein fortgeschrittenes Verständnis der vom Bogen und seiner Auflast hervorgerufenen Druckspannungen. Die massiven Wände oder Pfeiler solcher Bauten können die vom Bogen ausgehenden Kräfte, welcher Richtung auch immer, ohne weiteres aufnehmen. Trotzdem zeigt sich gelegentlich auch bei einfachsten Konstruktionen erkennbar ein Verständnis der vom Bogen ausgehenden Kräfte.

Auf der Abbildung Osthues15 ist ein stark vereinfachtes Schema mit einer Stützlinie dargestellt, die die Richtung der vom Bogen hervorgerufenen Druckspannungen darstellt. Die Linie verläuft unterhalb des Bogenansatzes (der Kämpferzone) nicht senkrecht, sondern diagonal nach unten. Dem Schema gegenübergestellen lässt sich das das Bild einer überwölbten Wandöffnung der Villa der Quintilii (Abb. 3.24, ca. 150 n. Chr.). Man sieht dort rechts der Öffnung einen schräg in die Mauer integrierten Stützpfeiler, der der Richtung der Stützlinie folgt. Konstruktiv erforderlich war dieser Stützpfeiler keineswegs, aber er zeigt doch an, dass der Baumeister wusste, welche Richtung der vom Bogen ausgehende Druck nehmen würde.

Abb. 3.24: Villa dei Quintilii Via Appia bei Rom, 2. Jh. n. Chr.: in eine Wand integrierter Strebepfeiler, der der Stützlinie folgt (Adam and Mathews 1994, Abb. 389, ergänzt).

Abb. 3.24: Villa dei Quintilii Via Appia bei Rom, 2. Jh. n. Chr.: in eine Wand integrierter Strebepfeiler, der der Stützlinie folgt (Adam and Mathews 1994, Abb. 389, ergänzt).

Sehr viel mehr know-how war erforderlich bei Gebäudetypen, bei denen das Gewölbe nicht von einer Wand eingefasst war wie bei den angesprochenen Torbauten, sondern auf der Krone von Mauern ansetzte. Hier bestand prinzipiell das Risiko, dass der Horizontalschub am Fuß des Gewölbes die das Gewölbe tragenden Mauern bzw. Widerlager auseinanderdrückt, wodurch das Gewölbe im Zentrum abflachen, und schließlich einstürzen würde. Eine Gegenmaßnahme wäre, durch die statisch optimale Form der Wölbung diese Kräfte aufzufangen. Optimal wäre in diesem Sinne ein Bogen wie der unten abgebildete Gateway Arch in St. Louis. Die Römer haben Gewölbe dieser Form niemals gebaut.

Abb. 3.25: Gateway Arch, St. Louis (Wikipedia, J. Kronsell, nachbearbeitet).

Abb. 3.25: Gateway Arch, St. Louis (Wikipedia, J. Kronsell, nachbearbeitet).

Die optimale Form eines Bogens ist jedoch keine fixe Form, sondern hängt ab von den Lasten, also der Eigenlast des Bogens und seiner Auflast. Die Form wie am Gateway Archi ist optimal nur für einen freistehenden Bogen. Die unterschiedlichen Stützlinien von belastetem und unbelastetem Bogen sind, stark vereinfacht, auf der nachfolgenden Abbildung 3.26 dargestellt.

Abb. 3.26: Stützlinien eines belasteten und eines unbelasteten Bogens (W. Osthues).

Abb. 3.26: Stützlinien eines belasteten und eines unbelasteten Bogens (W. Osthues).

Bei Gleichlast flacht die optimale Form, verglichen mit der des unbelasteten Bogens, ab, und entspricht einer quadratischen Parabel. Noch stärker flacht die statisch ideale Form ab, und nähert sich dem von den Römern bevorzugten Halbkreis an, wenn die Lasten selektiv auf den verschiedenen Abschnitten des Bogens ruhen. Würde man die Lasten auf dem Bogen so verteilen, dass nur die untersten beiden Segmente eines Bogen hoch belastet würden, könnte man erreichen, dass der Rundbogen mit der entsprechenden Stützlinie zusammenfällt. Im Prinzip zum gleichen Ergebnis würde man kommen, wenn man die Eigenlast des Bogens durch Veränderungen im Querschnitt des Bogens analog verteilen würde, d. h. minimaler Durchmesser des Bogens im Zentrum und maximaler Durchmesser in den untersten Abschnitten des Bogens.

Einige der Maßnahmen, mit denen die römischen Architekten den Spannungen in Gewölben, insbesondere in Kuppeln, begegnet sind, wirken ziemlich genau im eben beschriebenen Sinne. Nur erreichten sie die zielgerichtete Anpassung des Eigengewichts der Kuppeln in den unterschiedlichen Segmenten nicht durch Veränderungen im Querschnitt der Kuppeln, sondern durch gezielte Verwendung von Beton mit unterschiedlichem spezifischen Gewicht: Besonders leichter Beton im Zentrum von Kuppeln und besonders schwerer Beton in den peripheren Segmenten. Realisiert wurde das gezielte Variieren des Betongewichts durch die Beimengung unterschiedlich schwerer Bruchsteine. Für die Kuppelbereiche nahe dem Scheitelpunkt der Gewölbe wurden der Mörtelmasse extrem leichte Tuffsteine beigefügt (Gewicht etwa 0,7 km/dm3), in die Segmente nahe am Übergang zur den Mauerkronen Kalksteine von sehr hohem Gewicht (bis etwa 3,0 kg/dm3).273 Vor allem die extrem leichten Vulkangesteine waren allerdings nur in Italien, nicht in den entfernten Provinzen verfügbar. Um das Gewicht von Gewölben dennoch gezielt variieren zu können, wurden – wie gelegentlich in Rom selbst auch – künstliche Hohlräume in unterschiedlicher Dichte in die Betonschalen eingefügt, indem man Amphoren oder Tonröhren in die Gussmasse einfügte.

Abb. 3.27: Pantheon, Rom: Querschnitt, Lage der Stufenringe (Meyer’s Konversationslexikon, 4. Aufl. Taf. Baukunst V Nr. 16 [1888]).

Abb. 3.27: Pantheon, Rom: Querschnitt, Lage der Stufenringe (Meyer’s Konversationslexikon, 4. Aufl. Taf. Baukunst V Nr. 16 [1888]).

Der eben beschriebene Effekt besonders schwerer Materialien im Bereich des Kuppelansatzes wurde noch weiter verstärkt durch Auflast, die dort platziert wurde: Die untersten Segmente einer Kuppel wurden oft zusätzlich belastet durch auf dem Kuppelansatz aufgemauerte sog. Stufenringe (Abb. 3.27). Dieses zusätzliche Gewicht leitet die im Gewölbe seitlich wirkenden Kräfte vertikal in die Mauern ab, und damit in die Fundamente. Noch zusätzlich verstärkt werden konnte diese Umlenkung der Kräfte dadurch, das die die Kuppel tragenden Mauern noch über den Ansatz der Kuppel hinaus fortgeführt wurden. Dabei entstehen zwischen diesem Teil der Außenmauern und dem Kuppelansatz Zwischenräume, die mit Bruchstein oder Beton verfüllt wurden. Beides, das Eigengewicht der überhöhten Mauer und das Gewicht der Füllmasse, wirkt dem Seitenschub entgegen. Alle hier angeführten Maßnahmen zur Schubkontrolle sind beim Bau des Pantheon angewandt worden. Moderne statische Analysen den Pantheon haben die Wirksamkeit dieser Maßnahmen nachgezeichnet und bestätigt.274 Optisch bewirken die zuletzt beschriebenen Maßnahmen allerdings, dass in der Außenansicht nur der obere, scheinbar flache Teil der Kuppel zu sehen ist, die im Inneren auf den ersten Blick vom Betrachter als Halbkugel erfasst werden kann. (Vgl. auch Abb. 3.28.)

Strebepfeiler

Dem Bogenschub mit konstruktiven Maßnahmen am Gewölbe selbst zu begegnen – Reduktion des Schubs durch Variieren des Materialgewichts und ,Umlenken‘ der Kräfte in die Vertikale, wie eben beschrieben – gehört zu den konzeptionell und materialtechnisch fortgeschrittenen Verfahrensweisen. Natürlich gab es auch einfachere Lösungen, die älter waren. Die einfachste von allen war, die Widerlager, d. h. die Mauern, so breit und fest zu bauen, dass sie dem Gewölbeschub standhalten konnten. Das war allerdings arbeitsaufwendig, und daher auch teuer. Eine ebenfalls einfache, konstruktiv aber effizientere Methode war, weniger massive Mauern durch vorgesetzte, zur Mauer hin geneigte Stützen abzusichern.275 Solche Mauerstützen waren aus anderen Kontexten seit langem bekannt. Vor allem Terrassenmauern und Futtermauern, die einen Hang gegen Abrutschen sichern sollten, wurden durch solche Mauerstützen gegen den Schub des Erdreichs gesichert. Bereits an einem der frühen Kuppelbauten mit großem Durchmesser, dem sog. Mercurtempel von Baiae, haben die Baumeister solche Stützen als Sicherung gegen den Gewölbeschub vorgesehen (Abb, 3.28 links im Bild, der am Fuß der Strebe vorgesetzte Steinblock ist eine moderne Sicherungsmaßnahme).

Abb. 3.28: Baiae, Mercurtempel. Links im Bild Strebepfeilder (W. Osthues).

Abb. 3.28: Baiae, Mercurtempel. Links im Bild Strebepfeilder (W. Osthues).

Mit dem Aufkommen der Thermen und der mehrschiffigen Basiliken ergab sich jedoch eine Problemstellung, die auf diese Weise nicht zu lösen war.276 Um die zentralen Räume mehrschiffiger Basiliken oder Thermen wirksam zu belichten, brauchte man eigene Fensteröffnungen für diese Räume, wenn die Mittelschiffe nicht nur indirekt, also durch die Fenster der seitlichen Räume, Licht erhalten sollten. Das war nur machbar, wenn die Seitenwände des Mittelschiffs noch höher aufgemauert wurden als der Ansatz der Dächer der Seitenschiffe, denn nur dann konnten in die oberen Abschnitte der Mauern eines Mittelschiffs Fenster eingefügt werden. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn das Mittelschiff gleichsam zweigeschossig, die Seitenschiffe hingegen nur eingeschossig waren, dann ließen sich die Seitenschiffe durch Fenster im Untergeschoss, das Mittelschiff durch Fenster im Obergeschoss belichten. Das Prinzip kennt man von gotischen Kathedralen, und ähnlich auch von Kuppelbauten, bei denen die Kuppel von einem Tambour – einer runden Mauer – getragen wird, in den sich Fenster einfügen lassen.

Abb. 3.29: Diocletiansthermen, Strebepfeiler (Lancaster 2008, Abb. 10.5).

Abb. 3.29: Diocletiansthermen, Strebepfeiler (Lancaster 2008, Abb. 10.5).

Diese Bauweise wirft aber ein Problem auf, wenn das Mittelschiff mit einem Gewölbe überdeckt werden soll. Ohne zusätzliche konstruktive Maßnahmen müsste dessen Seitenschub vollständig von den oberen Bereichen der Seitenwände des Mittelschiffs aufgenommen werden, was wegen der Höhe überaus massive Seitenwände erfordern würde. Dem stünden jedoch gerade die Fenster in den oberen Abschnitten der Seitenwände entgegen, denn diese schwächen die Stabilität der Mauern. Auf der Abbildung 3.29 erkennt man, wie die Baumeister der Maxentius-Basilika dieses Problem gelöst haben: Als Widerlager gegen den Seitenschub mauerte man auf die Wände der Seitenschiffe Pfeiler auf, die durch Bogensegmmente mit den Wänden des Mittelschiffs verbunden wurden. Um den auf die Pfeiler durch das Bogensegment wirkenden Seitenschub als Druck in die Vertikale abzuleiten, überhöhte man die Pfeiler noch oberhalb des Ansatzes des Bogensegments (als buttressing arch rechts auf der Abbildung dargestellt). Kurzum, die Konstruktion folgt demselben Prinzip wie der Obergaden mit Fenstern und Strebewerk, den man von den gotischen Kathedralen kennt. Die Überhöhung der Pfeiler über den Ansatz des Bogensegments hinaus entspricht den Fialen des gotischen Strebewerks. Der Entwurf der Maxentiusbasilika zeigt somit, dass noch in der Spätantike substantielle konstruktive Innovationen entwickelt worden sind.

Eisenarmierungen zur Kontrolle von Horizontalschub

Eisenarmierungen zur Erhöhung der Zugfestigkeit des Beton sind im modernen Betonbau üblich. Auch die Römer haben, wenn auch nur selten, Eisen im Gewölbebau verwendet, um Horizontalschub durch Zuganker zu begrenzen.

Abb. 3.30: Zuganker und Ankerblock (Lancaster 2005a, Abb. 105).

Abb. 3.30: Zuganker und Ankerblock (Lancaster 2005a, Abb. 105).

Diese Anker wurden zunächst, wie bei Stahlbeton, nur innerhalb des Betons oder Mauerwerks platziert. Das Problem, das diese Anker erforderlich machte, ergab sich beispielsweise bei der Verwendung von gewölbten Decken statt Balkendecken über Kolonnaden, deren Oberseite zudem als Wandelgänge genutzt werden sollten. Eine Kolonnade, die im Querschnitt aus einer (Rück-) Wand und einer äußeren Säulenstellung besteht, ist problematisch für eine Einwölbung, weil die Säulenstellung als eines der beiden Widerlager dem Horizontalschub wesentlich weniger entgegensetzen kann als die massive Mauer. Um die Säulenstellung von diesem Schub zu entlasten, verklammerte man die Säulen mit der Rückwand durch Eisenanker (s. Abb. 3.30). Auf seiten der Rückwand wurden die Eisen eingehakt in einen Ankerstein innerhalb der Mauer.277

Das Problem resultiert also letztlich daraus, dass man spätestens im frühen 2. Jh. n. Chr. zwei alternative Bautechniken, das Stütze-Gebälk-System der äußeren Säulenstellung und die Beton-Gewölbekonstruktion für die Decke, miteinander kombinierte. Die zweigeschossige griechische Stoa, der Vorläufer solcher Kolonnaden, war ein reines Stütze-Gebälk-System, bei dem die Frontsäulen das äußere Frontgebälk und die Innensäulen das Deckengebälk trugen.

Die Lösung, die Eisenanker oberhalb des Gewölbescheitels zu verbauen, ist technisch suboptimal, denn der Horizontalschub wirkt am Fuß des Gewölbes auf die Widerlager. Wesentlich wirksamer wäre es daher gewesen, mit den Eisenankern direkt die Widerlager, also das Kapitell und die Rückwand, zu verbinden, d. h. in der Weise, wie man es heute als Sicherungsmaßnahme von Gewölben und Säulenstellungen in alten Kirchen und Klosterbauten kennt. In dieser Konstellation ist der Eisenanker allerdings für den Betrachter sichtbar, was die Römer wohl zunächst zu vermeiden suchten. Noch in spätantiker Zeit haben aber auch schon die Römer zu dieser ästhetisch unbefriedigenden, technisch aber effektiveren Variante gegriffen.

3.7 Ingenieurbau

3.7.1 Die Fernstraßen

Der Bau des Fernstraßennetzes278 galt schon in der Antike als eine der größten Leistungen des römischen Staates.279 In der mittleren Kaiserzeit erschloss es mit ca. 80000 Kilometern Länge die gesamte Mittelmeerwelt und das nordwestliche Europa. Neben dem Umfang waren vor allem die Systematik der Planung und Instandhaltung sowie die hochwertige technische Ausführung zentrale Merkmale der römischen Fernstraßen. Große Teile der Römerstraßen wurden noch lange nach dem Ende des Imperiums genutzt, manche bis ins 19. Jh. hinein. Noch heute verläuft in England ein Teil des Motorways M6 parallel zur Trasse einer Römerstraße.

Abb. 3.31: Karte der römischen Fernstraßen (Wikipedia, A. Nacu).

Abb. 3.31: Karte der römischen Fernstraßen (Wikipedia, A. Nacu).

Der Fernstraßenbau korreliert im wesentlichen mit der territorialen Expansion Roms. Die meisten Fernstraßen wurden im Zusammenhang mit den großen Feldzüge angelegt, und entsprechend von den Legionen selbst erbaut. Sie dienten der schnellen Bewegung der Truppen, der Versorgung der Legionen und Militärlager mit Nachschub, und nicht zuletzt der Nachrichtenübermittlung durch den Kurierdienst. Die Chronologie des Straßenbaus entspricht daher in etwa der Kriegsgeschichte. Er beginnt in Mittel- und Süditalien, es folgen Griechenland, Kleinasien, Norditalien, Gallien, Spanien und Nordafrika. Der Straßenbau ist, in Verbindung mit den Städtegründungen, Teil der römischen Strategie, Gebiete nicht nur zu erobern und auszubeuten, sondern dauerhaft in Besitz zu nehmen und in das Imperium zu integrieren (Provinzialisierung).

Die Stadt Rom bildete den Knoten- und Ausgangspunkt von dreizehn Fernstraßen, symbolisiert durch den goldenen Meilenstein auf dem Forum Romanum (miliarium aureum), an die die großen Erschließungsstraßen für die hinzugewonnenen Provinzen angebunden wurden. Erst das Ende der Expansion und der Übergang zur Grenzsicherung in der mittleren Kaiserzeit führten dazu, dass das sternförmige Straßennetz um grenzparallele Straßen ergänzt wurde, die eine schnelle Verlegung von Truppen an gefährdete Abschnitte ermöglichten.

Paradigmatisch für diese Zusammenhänge steht bereits das früheste der großen Straßenbauprojekte: Der Bau der Via Appia,280 der ,Königin der Fernstraßen‘.281 Im zweiten Krieg gegen die Samniten, die zwischen Rom und dem griechischen Kampanien siedelten, konnten die Gegner 320 v. Chr. bei den Caudinischen Pässen ein römisches Heer einschließen. Anschließend konnten die Samniten auch die Siedlungen zurückgewinnen, die Rom zuvor erobert und als befestigte Kolonien latinischen Rechts neu gegründet hatte zur Sicherung des Gebietes, wie etwa Fregellae (ab 328 v. Chr. römische Kolonie, von den Samniten vor 313 v. Chr. zurückerobert). Um die für die Misserfolge offenbar als ursächlich angesehen Nachschubprobleme bei der Versorgung des Heeres und der Kolonien dauerhaft zu beseitigen, wurde 312 v. Chr. auf Initiative und unter Leitung des Zensors Appius Claudius Caecus mit dem Bau der Via Appia begonnen, die das umkämpfte Gebiet durchschnitt und die Hauptstadt mit dem weiter südlich gelegenen, mit Rom verbündeten Capua verband. Die Straße wurde anschließend bis nach Benevent verlängert, und weiter bis an die Grenze des griechischen Tarent, wo die Römer die Kolonie Venusia mit zwanzigtausend Siedlern niedersetzten. Nachdem die späteren Kämpfe gegen Tarent, das den griechischen König Pyrrhos zur Hilfe gerufen hatte, abgeschlossen waren, wurde die Appia schließlich 254 v. Chr. bis Brundisium fortgeführt (ab 276/5 römische Kolonie, heute Brindisi). Rom besaß damit eine belastbare Straßenverbindung zu den eroberten Gebieten, und zudem mit Brundisium einen Hafen, von dem aus der Seeweg über die Adria nach Griechenland am kürzesten war. Von den dortigen Häfen Apollonia und Dyrrhachium an der Küste des heutigen Albanien bauten die Römer rund einhundert Jahre später, nachdem sie die vollständige Kontrolle über Griechenland erlangt hatten, die ca. 1120 km lange Via Egnatia, die die beiden Hafenstädte mit Byzanz, bzw. der späteren Reichshauptstadt Konstantinopel, verband. Wie leistungsfähig diese Straßenverbindungen aus militärischer Sicht waren, zeigt sich nicht zuletzt an den in Nordgriechenland ausgefochtenen Entscheidungsschlachten der Bürgerkriege: Schlachten wie die bei Philippi zwischen den Heeren Octavians und Antonius bzw. Brutus und Cassius mit weit über hunderttausend Soldaten konnten in Nordgriechenland nur stattfinden, weil die Appia und die Egnatia die Verlegung solch großer Truppenkontingente in relativ kurzer Zeit ermöglichten.

Am Bau der Via Appia lassen sich neben den politisch-militärischen Hintergründen zugleich auch die in technischer Hinsicht charakteristischen Merkmale des römischen Fernstraßenbaus aufzeigen. Das gilt zum einen für die Trassenführung. Während ältere, gewachsene Straßen in der Regel Siedlungsplätze verbinden und sich in ihrem Verlauf unmittelbar an die natürlichen Gegebenheiten anpassen, also gleichsam dem Weg des geringsten Widerstands folgen, erkennt man bei der Trassenführung der Appia schon in den ersten Abschnitten eine großräumig angelegte Planung, die die Bedeutung natürlicher Hindernisse herabstuft: Sie durchquert die Albanerberge auf nahezu gerader Linie, fast ohne Rücksicht auf Steigungen und Gefälle im Geländeprofil. Der 62 km lange Abschnitt vom Collepardo bis Tarracina (Terracina) gilt bis heute als die längste gerade Trassenführung in Europa. Die Linearität von Trassenverläufen wird im übrigen heute in der Luftbildarchäologie als Indiz für den römischen Ursprung neu identifizierter Straßen angesehen.

Die Motive und Techniken der römischen Planer für solche linearen Trassen sind mangels einschlägiger Quellen nicht direkt klärbar. Sicherlich hatte eine Streckenführung, die zwei Orte auf dem kürzesten Weg verband, prinzipiell den Vorteil, den Materialverbrauch für Fundamente und Straßenbelag zu minimieren. In unebenem Gelände hatte sie allerdings auch evidente Nachteile, weil Stützmauern, Durchbrüche usw. den Bauaufwand wieder erhöhten. Steigungen und Gefälle verlangsamten auch nach Fertigstellung den Wagentransport. Unklar ist auch, wie die Trassenführung geplant wurde. Diskutiert werden in der Forschung unterschiedliche Methoden, wie etwa astronomischer Messungen oder systematisch Geländevermessungen, deren Ergebnisse auf Karten aufgetragen wurde.282 Allerdings sind die erforderlichen maßstäblichen Karten in den Quellen nicht nachweisbar. Die bekannte Tabula Peutingeriana ist unmaßstäblich bzw. stark verzerrend.

Die bautechnischen Probleme der linearen Trassenführung illustriert die Appia bereits in ihren ältesten Abschnitten. Südlich der Albaner Berge, etwa 32 km vor Terracina, beginnt ein schnurgerader Abschnitt, der durch die pontinischen Sümpfe führt. Die Straße wurde hier auf einem eigens erbauten Damm geführt. Um ein Unterspülen des Damms zu vermeiden, wurden in regelmäßigen Abständen Durchlässe in den Damm eingefügt, die ein Abfließen des Wassers von den Sümpfen zum Meer ermöglichten. Die Durchlässe wurden mit Holzkonstruktionen überbrückt. Versuche, die Sümpfe trocken zu legen, schlugen zunächst fehl. Später, im Jahre 162 v. Chr., wurde unter Leitung von Marcus Cornelius Cethegus parallel zur Straße im Abschnitt vor Terracina einen Kanal angelegt, der neben der Entwässerung auch dem Treideln von Booten diente, die von Eseln gezogen wurden, und vermutlich auch den Personen- und Wagenverkehr aufnahmen.283

Abb. 3.32: Via Ostiense. Römisches Strassenpflaster (W. Osthues).

Abb. 3.32: Via Ostiense. Römisches Strassenpflaster (W. Osthues).

Die zunächst fast dogmatisch verfolgte lineare Streckenführung – ohnehin nicht überall realisierbar wie etwa bei den Alpenstraßen – wurde in späterer Zeit relativiert, wie ebenfalls an der Appia erkennbar ist: Der Abschnitt von Benevent nach Brindisi wurde unter Traian um eine alternative Streckenführung ergänzt, die hauptsächlich an der adriatischen Küste entlangführte (Via Traiana genannt). Obwohl deren Streckenführung etwas länger war als die ältere Variante, sparte man bei der Reise nach Brundisium durch den neuen Straßenabschnitt nach Ciceros Angaben einen Reisetag.

Die ursprüngliche Bauweise der Appia, wie sie einige Querschnitte zeigen, bestand über dem Untergrund, also dem anstehenden Boden, der in der Breite der Straße ausgehoben und eingeebnet worden war, aus einem Unterbau aus einer Schicht Schotter, der möglichst nahe bei der Baustelle gewonnen und mit Erde vermischt wurde, und einem Oberbau aus einer etwas weniger starken Schicht aus feinerem Schotter und Kalksteinbruch. Beide Schichten waren eingefasst von Reihen großer Steine. Ein Pflaster als Fahrbahnbelag (ähnlich wie auf (Abb. 3.32) hatte die Appia ursprünglich nicht. Erst 189 v. Chr., also knapp eineinhalb Jahrhunderte nach Baubeginn, wurde ein kurzer Abschnitt von weniger als einer Meile vor der römischen Stadtgrenze gepflastert, wie Livius berichtet.284 Er gibt auch an, dass die innerstädtischen Abschnitte erst 174 v. Chr. ein Pflaster erhielten. Zur gleichen Zeit wurde die Schotterung der Straße außerhalb der Stadt teilweise erneuert. Zudem wurden Fußwege neben der eigentlichen Fahrbahn angelegt.285 Der Steinplattenbelag stammt aus späterer Zeit. Nachgewiesen ist ein solcher Belag außerhalb der Umgebung Roms im Abschnitt zwischen Fondi und Formia. Der Unterbau ist dort allerdings anders angelegt: die unterste Schicht besteht aus Sand, darüber liegt eine dicke Schicht Kalksteinschotter, die von Platten aus Lava von ca. 25 x 40 cm abgedeckt war. Ob die Appia jemals auf voller Länge mit einem Plattenbelag versehen war, ist zweifelhaft.286

Was für die ursprüngliche Bauweise der Appia gilt, dürfte auch für die meisten anderen römischen Fernstraßen gelten: Typisch war die Nivellierung einer Trasse und die bis zu einem Meter starke, mehrschichtige Fundamentierung. Sie garantierte die Belastbarkeit der Straße für den Wagentransport, und vor allem die Stabilität und Passierbarkeit zu allen Jahreszeiten. Das verwendete Baumaterial und der Schichtaufbau variierte je nach Verfügbarkeit lokaler Materialien. Die Ableitung des Regenwassers erfolgte meist durch Überhöhung der Straßenmitte, sowie oft auch durch parallel zur Straße angelegte Straßengräben. Pflaster wurde je nach Bedarf – vor allem auf Steigungen und Gefällestrecken – sowie nach vorhandenen Ressourcen verlegt. Die Spurrinnen in solchen Pflasterungen, die der Wagenbreite entsprechen, entstanden wohl meist durch fortgesetzte Nutzung. Es gibt auch Forscher, die annehmen, dass bei manchen Straßenabschnitten die Spurrinnen (als 'Geleise') absichtlich angelegt worden seien.287

Von der normalen Bauweise abweichende Konstruktionen wurden angewandt, wenn der Untergrund Probleme bereitete. War der Boden besonders weich, wurden zunächst Holzpfähle in den Boden gerammt, die anschließend mit grobem Schotter überdeckt wurden, auf dem dann der weitere Schichtaufbau erfolgte. Nicht selten wurden auch Straßen direkt durch Moore und Sümpfe gebaut. Wenn kein Damm aufgeschüttet wurde, wurde zunächst eine Unterkonstruktion komplett aus Holz aufgebaut, wie man sie aus dem römischen Germanien oder Britannien kennt: Zuerst wurden zwei parallele Pfahlreihen im Abstand der vorgesehenen Straßenbreite eingerammt, und die jeweils gegenüberliegenden Paare von Pfählen quer zur Fahrtrichtung mit starken Balken verbunden. Diese Balkenjoche wurden dann längs zur Fahrrichtung mit Baumstämmen überdeckt, auf die dann wiederum quer zur Fahrtrichtung dünnere Rundhölzer aufgelegt wurden. Die Bauweise erinnert an die von Holzbrücken (s. u.) Diese sog. ,Knüppeldämme‘ konnten zur besseren Befahrbarkeit mit feinem Kies, Schotter, oder auch Pflasterplatten belegt werden.

Zur Ausstattung des Fernstraßennetzes gehörte neben den Meilensteinen mit Entfernungsangaben (oder, in den gallischen und germanischen Provinzen, den Leugensteinen288) vor allem die stationes, die, ähnlich den modernen Autobahnraststätten, die Reisenden mit allem Nötigen versorgten: Verpflegung, Unterkunft, Futter für Zugtiere, Pferde zum Wechseln und Stellmacherwerkstätten für Reparaturen an Wagen.289

Die Verwaltung des Straßensystems war auf Basis des rechtlichen Status der Straßen geregelt.290 Die Fernstraßen, die viae publicae, wurden in Italien von speziellen Beamten, den curatores viarum, verwaltet, oder im Fall der viae militaris von den Legionen. Die nächstuntere Kategorie umfasste die Provinzstraßen, viae vicinalis genannt, die dezentral verwaltet wurden. Häufig wurden die Kosten dieser Straßen an die an der Route liegenden Städte delegiert. Erschließungsstraßen vor allem zu den großen Gutshöfen waren als viae privatae Sache der Eigentümer.

3.7.2 Brücken

Der Brückenbau, ohne den man die großen Fernstraßen nicht hätte realisieren können, war für Rom, die Stadt am Tiber, schon in der Frühzeit ein Thema. Späten Quellen zufolge wurde die erste Brücke über den Tiber noch im 7. Jh. v. Chr. unter dem König Ancus Marcius errichtet.291 Von der Brücke, wohl etwas unterhalb der Tiberinsel errichtet, haben sich keine Baureste erhalten, da sie schon in der Antike mehrfach zerstört und wiederaufgebaut wurde. Allein ihr Name – Pons Sublicius – verrät noch etwas über die Konstruktion: sublicae bezeichnet Holzpfosten, was darauf hinweist, dass es sich um eine von ins Flussbett gerammten Pfählen getragene Balkenbrücke gehandelt haben dürfte.

Der Pons Sublicius gibt zudem einen weiteren Aspekt des römischen Brückenbaus vor: Die Brücke diente einerseits der Anbindung des rechten Tiberufers an die Stadt, andererseits hatte sie militärische Bedeutung, denn sie sollte den Janiculus-Hügel sichern helfen, der entsprechend etwa zeitgleich befestigt wurde, um feindlichen Truppen die dort günstige Angriffsposition auf die Stadt zu verwehren. Der militärischen Bedeutung der Brücken entsprechend, sind später viele von ihnen, wie auch die zugehörigen Straßen, von Militäringenieuren entworfen und von den Legionen gebaut worden.

Die im voraufgehenden Abschnitt schon angesprochene militärische und auch wirtschaftliche Bedeutung des Straßensystems, dem die Brücken zuzurechnen sind, dürfte schon für sich genommen hinreichend erklären, warum die Römer jahrhundertelang bereit waren, die enormen Kosten für diese Projekte zu tragen. Gleichwohl sollte man aber nicht übersehen, dass es noch ein drittes Motiv gab, das beim Brückenbau häufiger Bedeutung gehabt haben dürfte: Die Brücken sollten Roms Macht und Stärke nicht nur befördern, sondern auch veranschaulichen. Charakteristisch in diesem Sinne ist etwa die Aussage Caesars in seinem Bericht über den Bau der Rheinbrücke für die Strafexpedition gegen die rechtsrheinischen Germanen von 55 v. Chr. Er sagt dort, dass die Brücke den Übergang der Truppen sicherer mache, aber auch der „Würde“ eines römischen Heeres – und seiner eigenen. darf man wohl ergänzen – mehr entspreche als ein Übersetzen in Booten.292 Auch Traian hat auf der Säule, die seinen Feldzug gegen die Daker veranschaulichen und verherrlichen sollte, die von seinem leitenden Architekten Apollodor entworfene Brücke über die Donau darstellen lassen (s. u.). Viele Brücken aus der Zeit des Principats trugen zudem Kaiserinschriften oder wurden von den errichteten Städten dem Kaiser dediziert293 Verweisen kann man in diesem Kontext auch auf die Engelsbrücke in Rom, für deren Bau kaum verkehrstechnischer Anlass bestand, da in unmittelbarer Nähe bereits unter Nero eine Brücke errichtet worden war. Leitend war eher die Absicht, die direkte Verbindung zwischen dem Marsfeld und dem Grabmal Hadrians (der sog. 'Engelsburg') herzustellen, und damit die Verbindung zwischen Stadt und Kaiser zu veranschaulichen.

Schon die Expansion Roms in Mittel- und Süditalien, die durch die Gründung von Koloniestädten gesichert und stabilisiert wurde, erforderte, wie oben angesprochen, ein technisch anspruchsvolles Straßensystem, da ein großer Teil der neuen Städte auf dem Seeweg nicht erreichbar war. Folglich musste auch der Schwerlastverkehr über Straßen abgewickelt werden. Vor allem die Expansion Roms nach Gallien und Spanien machte es zudem erforderlich, auch tiefe Flüsse mit zum Teil jahreszeitlich oder dauerhaft starken Strömungen zu überbrücken. Die hierfür erforderlichen, differenzierten Konstruktions- und Bautechniken, die zudem nach Möglichkeit mit jeweils lokal vorhandenem Baumaterial auskommen sollten, haben die römischen Ingenieure im wesentlichen selbst entwickelt. Von den Griechen, bei denen Fern- und Schwerlasttransport fast ausschließlich über See erfolgte, konnten sie sicherlich nur sehr wenig übernehmen, wenn man von den Schiffsbrücken – dem Pendant zur modernen Pontonbrücke – absieht, die in der Regel jedoch nur temporär genutzt wurden.294

Elementare Kenntnisse und Techniken dürften die Römer vor allem von den Etruskern gelernt haben, was sich im Detail jedoch schlecht belegen lässt. Eine große Zahl von zu lösenden technischen Problemen des Brückenbaus stellte sich den römischen Ingenieuren aber erstmals, und die Lösungen, die sie entwickelten und realisierten, blieben fast tausend Jahre lang 'state of the art'. Für das Können der römischen Ingenieure spricht nicht zuletzt, dass eine nennenswerte Zahl ihrer Brücken bis in die Neuzeit erhalten geblieben sind. Einige sind sogar für den Autoverkehr genutzt worden, d. h. sie haben Belastungen standgehalten, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung noch nicht einmal denkbar waren. Innerhalb der gesamten Baugeschichte lassen sich nur sehr wenige Bauten anführen, die eine vergleichbare Nutzungsdauer erreicht haben.

Die Balkenbrücke aus Holz dürfte die konstruktiv einfachste und historisch älteste Form der Brücke sein. Auch die Römer haben diese Brückenform verwendet, nur ist darüber aufgrund der mangelnden Erhaltung des Materials wenig bekannt. Es gibt nur eine Balkenbrücke, deren Konstruktion genauer bekannt ist, nämlich die schon erwähnte Rheinbrücke Caesars von 55 v. Chr., da ihre Herstellung in Caesars Bericht genauer beschrieben ist (s. den Rekonstruktionsversuch Abb. 3.33). Zur Errichtung der Brücke wurden zunächst eineinhalb Fuß (ca. 45 cm) starke, unten angespitzte Baumstämme mit der Flusstiefe entsprechenden Länge mit Querhölzern im Abstand von zwei Fuß (ca. 60 cm) miteinander verbunden. Diese Paare von Stämmen wurden in den Boden des Flusses gerammt mit nicht genauer bekannten Rammen, die auf mit einander verbundenen Booten oder Flößen aufgebaut waren, welche durch Seile vom Ufer aus – wie bei Schiffsbrücken – in Position gehalten wurden. Die Pfahlpaare wurden in zwei Reihen quer zur Fließrichtung eingerammt, und zwar nicht lotrecht, sondern zu einander geneigt wie bei einem Sparrengebinde. Verbunden wurden sie oberhalb der Wasserfläche durch ca. 12m lange Balken, die zwischen den Paaren von Rundhölzern befestigt wurde. Diese „Joche“ bildeten, wenn man den Flussgrund hinzunimmt, jeweils ein Trapez, und wurden untereinander mit Holzstämmen verbunden, auf die quer dazu als Brückenbelag kurze Hölzer und Reisig gelegt wurden. Zudem gab es seitliche Geländer. Zur weiteren Sicherung gegen die Strömung wurden zusätzliche, gegen die Fließrichtung geneigte Pfähle in den Flussgrund eingerammt, um die Joche weiter zu stabilisieren.

Abb. 3.33: Rheinbrücke Caesars von 55 v. Chr. Rekonstruktionsversuch. (J. Soane, 1814).

Abb. 3.33: Rheinbrücke Caesars von 55 v. Chr. Rekonstruktionsversuch. (J. Soane, 1814).

Es geht aus Caesars Text eindeutig hervor, dass die Konstruktion solcher Pfahljochbrücken im Grundsatz bekannt und üblich war. Das Ungewöhnliche an dieser Konstruktion war offensichtlich die Schrägstellung der Pfähle, die angewandt wurde, um die Belastung durch die Menge und Geschwindigkeit des anströmenden Wassers zu kompensieren.

Abb. 3.34: Eurymedon-Brücke bei Selge, vermutlich 2. Jh. n. Chr. (Wikipedia, R. Rochow).

Abb. 3.34: Eurymedon-Brücke bei Selge, vermutlich 2. Jh. n. Chr. (Wikipedia, R. Rochow).

Die Brücke wurde nach Beendigung der Expedition auf das rechtsrheinische Gebiet von den Truppen wieder abgerissen. Eine weitere Pfahljochbrücke war beispielsweise die 17 v. Chr. errichtete, erste Moselbrücke bei Trier.295 Man wird annehmen dürfen, dass dieser Brückentyp mindestens dort die Standardkonstruktion war, wo entsprechendes Bauholz vorhanden war. Dafür spricht vor allem die Kostenökonomie im Vergleich zu den Steinbrücken, die sich indirekt daran ablesen lässt, dass die Rheinbrücke innerhalb von nur zehn Arbeitstagen errichtet werden konnte. Gegen die Verwendung von Holz sprach vor allem die geringere Dauerhaftigkeit des Holzes, das durch Fäulnis, Hochwasser, Treibholz, Feuer und im Norden durch Eisgang beschädigt werden konnte. Technisch nicht erklären, das sei hier vorab bemerkt, lässt sich die Errichtung von Steinbrücken mit den möglichen Stützweiten, etwa in dem Sinne, dass bei Holzbrücken die freien Spannweite durch die Länge der verfügbaren Baumstämme begrenzt gewesen wäre, wie häufiger zu lesen ist. Das Gegenteil ist der Fall: Die mit Abstand größte Spannweite, die die Römer realisiert haben, finden sich an einer Holzkonstruktion (s. u. zur Traiansbrücke).

Abb. 3.35: sog. Pont Julien bei Bonnieux, 3 v. Chr. (Wikipedia, Ampon).

Abb. 3.35: sog. Pont Julien bei Bonnieux, 3 v. Chr. (Wikipedia, Ampon).

Der Bau von Brücken aus Natur- oder Kunststein (Beton, Ziegel) erforderte aufgrund der fundamental verschiedenen Materialeigenschaften grundsätzlich andere Konstruktions- und Bautechniken als der Bau von Brücken aus Holz. Bei diesen, wie der beschriebenen Pfahljochbrücke, werden die Balken Biege- und Zugspannungen ausgesetzt. Holz war das einzige für die Römer verfügbare Baumaterial, das solche Spannungen in nennenswertem Umfang aufnehmen kann. Ziegel im Mörtelverbund, Naturstein und Beton können jedoch, wie im vorhergehenden Kapitel bereits ausgeführt, nur in geringem Umfang auf Zug belastet werden. Daher sind alle römischen Steinbrücken Bogenbrücken, denn bei allen Formen der Bogenkonstruktion treten kaum Zugspannungen auf. Stattdessen entstehen starke Druckspannungen, die von Stein im hohem Maße aufgenommen werden können. Einen Teil der erforderlichen Bau- und Konstruktionstechniken konnten die römischen Ingenieure aus dem Hochbau übernehmen. Das gilt für den gesamten Bereich der Steintechnik, und insbesondere für die Konstruktion von Bogen, die – wie im Hochbau – in der Regel, aber nicht immer, als Halbkreis angelegt wurden.

Im einfachsten Fall, wie beispielsweise bei der Eurymedon-Brücke (Abb. 3.34) bei der antiken Stadt Selge in der heutigen Türkei296 war praktisch überhaupt kein spezifisches know-how erforderlich. Beide Brückenlager ließen sich auf dem felsigen Untergrund problemlos sicher gründen. Anschließend konnte ein Lehrgerüst auf die Kämpfer, die einfach aus dem anstehenden Felsen ausgearbeitet wurden, aufgelegt werden. Eine Abstützung des Lehrgerüstes nach unten war bei der freien Spannweite von 9m sicher nicht notwendig. Auf dem Lehrgerüst wurden anschließend die Keilsteine von ca. 2 Fuß Breite aufgelegt. (Der Mörtel in den Fugen ist modern, die Keilsteine sind trocken versetzt worden.) Anschließend wurden die aufgehenden Seitenwände errichtet, die Zwickel des Bogens verfüllt und die Pflasterung verlegt. Technisch gesehen ist der Bauprozess mit der Errichtung eines Triumpfbogens mit ähnlich breitem Durchlass vergleichbar.

Abb. 3.36: Pons Fabricius, Rom, 62 v. Chr., mehrfach restauriert (Piranesi).

Abb. 3.36: Pons Fabricius, Rom, 62 v. Chr., mehrfach restauriert (Piranesi).

Wo möglich, überspannten die Römer Flüsse bei Steinbrücken mit einem einzigen Bogen, um die Gründung von Pfeilern im Flussbett zu vermeiden. Diese Vorgehensweise hatte allerdings konstruktionsbedingte Nachteile: Bei der üblichen Ausbildung der Bogen als Halbkreis liegt der Scheitel des Bogens in halber Höhe der überbrückten Spannweite, d. h. je größer die Spannweite des Bogens, umso höher liegt die Fahrbahn über dem Wasserspiegel. Im Flachland erfordert der Zugang zum Scheitelpunkt der Brücke folglich mehr oder weniger steile Rampen, die vor allem den Schwerlasttransport mit Wagen erheblich behindern. Das Problem veranschaulicht etwa der 3 v. Chr. erbaute Pont Julien im südfranzösischen Departement Vaucluse (Abb. 3.35): Obwohl die lichte Weite des zentralen Bogens nur 16m beträgt, hat die Brücke einschließlich der Rampen eine Gesamtlänge von 117m, um den Anstieg zum Scheitelpunkt des mittleren Bogens gering zu halten.

Diese hervorragend erhaltene Brücke, die bis 2005 für den öffentlichen Verkehr genutzt wurde, illustriert einige spezielle Konstruktionsmerkmale, die für den römischen Steinbrückenbau typisch sind. Viele südeuropäische Flüsse führen im Sommer relativ wenig Wasser, können aber – wie nicht zuletzt der Tiber in Rom – im Frühjahr sehr stark anschwellen. Diese Verhältnisse machte man sich beim Bau der Brücken zunutze, indem Brückenpfeiler bei Niedrigwasser auf trockenem Boden gegründet wurden. Im Fall des Pont Julien hatten die römischen Ingenieure besonders günstige Bedingungen, da der Untergrund hier felsig war, so dass das Risiko einer Unterspülung der Pfeiler relativ leicht beherrschbar war. Dort, wo das Gelände erdig oder sumpfig war, und nicht bis zum Felsengrund hin abgegraben werden konnte, wurden zunächst Pfähle in den Boden gerammt, um die Tragfähigkeit des Bodens für die Aufnahme der Pfeilerfundamente zu erhöhen. Vitruv empfiehlt hierfür, angekohlte Erlen- oder Olivenholzstämme einzurammen, wobei die Zwischenräume mit Kohle verfüllt werden sollen.297 Auch diese Vorgehensweise übernahmen die Brückenbauer vom Hochbau, der mit der Problematik hohen Fundamentdrucks in weichem Gelände vertraut war (Stadtmauern, Theaterbauten usw.).

Dem Problem des Wasserdruck bei Hochwasser auf die stromaufwärts gewandte Seite der Brücken zu begegnen, war hingegen eine spezifische Problematik des Brückenbaus, für die die Ingenieure verschiedene Lösungen entwickelt haben. Beim Pont Julien kam nur eine davon zur Anwendung: der Bau von Durchlässen auch bei den Teilen der Brücke, die normalerweise nicht vom Wasser erreicht wurden. Diese Durchlässe, die die Zwickel zwischen den Bögen bei Hochwasser vom Wasserdruck entlasteten, sind typisch römisch. Schon die älteste sicher datierbare, römische Steinbrücke, der teilweise erhaltene Pons Aemilius in Rom (,Ponte rotto‘, erbaut 174 v. Chr.), zeigt diese zusätzlichen Durchlässe. Eine weitere Maßnahme, um dem Wasserdruck zu begegnen und die Pfeiler gegen Unterspülung zu sichern, war die im Grundriss dreieckige Ausbildung der vom Wasser angegriffenen, unteren Abschnitte der Pfeiler auf der stromaufwärts gerichteten Seite. Oft wurden als zusätzlicher Schutz große Bruchsteine vor die Pfeilerfundamente geschüttet. Die stromabwärts gerichtete Schmalseite der Pfeiler wurde hingegen oft nicht dreieckig, sondern halbkreisförmig ausgebildet. Dieser schiffsförmige Pfeilergrundriss wurde früh entwickelt, wie auf dem oben widergegebenen Stich Piranesis des Pons Fabricius von 62 v. Chr. zu sehen ist. Der Stich zeigt unten rechts zudem die sehr aufwendige Steintechnik dieser Brücke: Die Tuffsteinquader wurden horizontal und vertikal mit U-Klammern und Dübeln aus Eisen verbunden, die gegen Korrosion mit Blei vergossen worden waren – eine von den Griechen übernommene Technik, die später an vielen Steinbrücken nicht mehr zu finden ist. (Die heute sichtbare Verkleidung der Brückenflanken mit Ziegeln und Travertinplatten gehört zu einer späteren Renovierung der Brücke.)

Zu den technisch anspruchsvollen Aufgaben, denen sich die römischen Ingenieure gestellt haben, zählt die standsichere Gründung von Pfeilern im Wasser, wenn die Flüsse zu breit waren, um mit nur einem Bogen überspannt zu werden. Vitruv beschreibt zwei Techniken, die die Römer für dieses Problem entwickelten, allerdings nicht mit Bezug auf den Brückenbau, den er erstaunlicherweise nirgends behandelt, sondern mit Bezug auf den Bau von Molen für die Anlage künstlicher Häfen:298 Die zunächst beschriebene Methode basiert auf der Eigenschaft des römischen Betons, auch unter Wasser abzubinden. Vitruv fordert dafür ein Mischungsverhältnis von Puzzolanerde zu Kalk von zwei zu eins. Als Schalung für den Guss musste zunächst mit aus Eichenstämmen hergestellten Rammpfählen (also unten angespitzt) ein unten und oben offener Kasten hergestellt werden. Seine Form,299 so wird man ergänzen dürfen, musste im Grundriss der Form des späteren Pfeilers entsprechen. Er wurde an die vorgesehene Position gezogen, und durch Rammen verankert. Anschließend wurde „mit geeigneten Werkzeugen“ der Untergrund eingeebnet und gereinigt, was vermutlich meint, dass der Kasten nicht leergeschöpft wurde, denn dafür wäre ein Kasten anderen Typs, dessen Wände dichten, benötigt worden. In den Kasten wurde der Beton schichtweise eingebracht (und wahrscheinlich durch Stampfen verdichtet). Nach dem Aushärten des Betonsockels konnte der aufgehende Teil des Pfeilers aufgemauert werden.

Vitruv favorisiert diese Vorgehensweise eindeutig, beschreibt aber auch ein Verfahren für den Fall, dass keine Puzzolanerde zur Verfügung stand. Zunächst wurde wiederum ein unten offener, aber in diesem Fall doppelwandiger Kasten hergestellt. Nachdem dieser in Position gebracht und durch Rammen verankert war, wurde der Zwischenraum zwischen den Wänden mit – wasserundurchlässigem – Ton in Sumpfgraskörben verfüllt und durch Stampfen verdichtet. Der so abgedichtete Kasten konnte dann mit entsprechenden Maschinen leergeschöpft werden. Der Verband aus Pfostenreihen und Ton fungierte bei dieser Methode also wie heute eine Spundwand, wobei die doppelte Pfahlreihe mit ihrer Füllung dem Wasserdruck offenbar ohne innere Aussteifung standhalten konnte. Der trockengelegte Boden wurde abgegraben bis auf festen Baugrund, um eine Unterspülung des Pfeilerfundaments zu verhindern, und danach eine Schicht aus Bruchstein, Sand und Kalk aufgeschüttet. War fester Boden nicht erreichbar, wurde der Baugrund – wie unter solchen Bedingungen auch an Land – durch Einrammen von angekohlten Pfählen stabilisiert. Danach wurden die Wände des Pfeilers aus großen Quadern – der Fugen wegen wohl mindestens zweireihig – hochgezogen und der verbleibende Freiraum mit Bruchstein oder Mauerwerk verfüllt.

Eine dritte, von Vitruv nicht erwähnte Methode war das zeitweilige Umleiten von Flüssen, um die Gründung der Pfeiler auf trockenem Boden vornehmen zu können. Realisierbar war ein solches Vorgehen mit den antiken Mitteln nur dort, wo die Flüsse relativ wenig Wasser führten. Konkret belegen lässt sich diese Vorgehensweise erst in spätantiker Zeit bei der großen Reparatur am Ponte Salario bei Rom, die 565 n. Chr. vorgenommen wurde, nachdem die Ostgoten unter Totila den zentralen Bogen der Brücke zerstört hatten.300

Die Römer dimensionierten, im Vergleich zu modernen Konstruktionen, ihre Brückenpfeiler ausgesprochen massiv. Das dürfte bei im Wasser aufgerichteten Pfeilern unter anderem dazu gedient haben, dem Wasserdruck in der ersten Bauphase zu begegnen, in der die Pfeiler noch unverbunden nebeneinander standen, sich also noch nicht wechselseitig stabilisieren konnten (ähnlich einer Säulenstellung, die ohne Gebälk wesentlich instabiler ist als mit). Auch bei der Dimensionierung der Bogen waren die römischen Ingenieure sehr konservativ: In der Regel lag das Verhältnis zwischen der Höhe der Keilsteine des Bogens und der freien Spannweite bei etwa 1 : 20, obwohl bei entsprechendem Steinmaterial und präziser Zurichtung der Keilsteine auch sehr viel schwächer dimensionierte Bogen unproblematisch waren (bis 1 : 35301). Diese Relationen zeigen, nebenbei bemerkt, trotz ihrer meist relativ konservativen Werte deutlich die Überlegenheit des Bogens gegenüber in Stein ausgeführten Stütze-Gebälk-Konstruktionen, die etwa beim Tempelbau kaum über 1 : 4 hinausgingen beim Verhältnis von Balkenbreite zu freier Spannweite.

Waren die Pfeiler hochgezogen und die Bogen fertiggesellt, wurde die Konstruktion weiter stabilisiert, indem die Zwischenräume zwischen den Bogen eingeschalt und verfüllt wurden. Diese Füllungen hatten konstruktive Funktion nicht nur als Basis der Fahrbahn, denn die Masse in den Zwickeln (und nicht im Scheitel) wirkt als selektive Auflast nur auf die unteren Abschnitte der Bögen. Der Druck dieser Masse blockiert das mögliche Aufspreizen der Bögen am Fuß durch den Bogenschub, oder einfacher gesagt: die Masse zwingt die unteren Abschnitte der Bögen, ihre Form beizubehalten, statt in die Breite auszuweichen, was zum Einsturz führen würde. Der Gedanke liegt vor diesem Hintergrund nahe, dass die oben beschriebene, an Kuppeln angewandte Methode, den Seitenschub am Kuppelansatz durch selektive Auflast an ihrem unteren Rand nach unten abzuleiten (Stufenringe und Verfüllungen), aus dem Brückenbau stammt, denn bei Bogenbrücken ergibt sich das Prinzip der selektiven Auflast gleichsam von selbst, da die Zwickel zwischen den Bögen verfüllt werden mussten, um eine horizontale Fahrbahn zu ermöglichen. Damit tragen die unteren Abschnitte der Bögen stets erheblich mehr Auflast als die Scheitel der Bögen, was eine selektive Lastverteilung darstellt.

Neben den Strategien zur Bewältigung der konstruktiven Anforderungen lässt der Brückenbau der Römer auch das Bemühen um die Begrenzung der Baukosten erkennen. Das gilt etwa für mehrbogige Brücken, bei denen Paare von Bögen, oder auch alle Bögen, denselben Radius hatten, denn in diesem Fall ließ sich ein Lehrgerüst umsetzen bzw. mehrfach verwenden, wodurch Arbeitszeit und Holz eingespart werden konnte. Dasselbe gilt für die unverzahnt nebeneinandergestellten Keilsteine bei den Bögen des Pont du Gard (Abb. 3.21), wie schon im Zusammenhang mit den Lehrgerüsten erwähnt.

Abb. 3.37: Brücke von Alcantara, Anf. 2. Jh. n. Chr. (Wikipedia, Dantia).

Abb. 3.37: Brücke von Alcantara, Anf. 2. Jh. n. Chr. (Wikipedia, Dantia).

Unter den erhaltenen römischen Bogenbrücken gehört die Brücke von Alcantara in Spanien über den Tajo (Abb. 3.37) sicher zu den eindrucksvollsten Konstruktionen.302 Sie wurde in nur fünf Jahren während der Herrschaft Traians errichtet, dem auch der Ehrenbogen in der Mitte der Brücke gewidmet war. Die 194 m lange und ohne die Brüstung 8 m breite Brücke ruht auf fünf Bogen, die wegen des Profils der Schlucht keine einheitlichen Radien haben konnten. Die beiden Bögen, die den Fluss überspannen, haben eine Spannweite von rund 28 m, reichen damit aber nicht an die maximalen Spannweiten römischer Brücken heran (ca. 35 m). Der Oberbau der Brücke liegt etwa 50 m über dem normalen Wasserspiegel des Flusses. Die ihn stützenden Pfeiler sind auf ausgearbeiteten Bettungen im anstehenden Schieferfelsen gegründet und im Grundriss langrechteckig. Ihnen vorgelegt sind dreieckige Rampen bzw. Wellenbrecher. Das Mauerwerk ist eine reine Natursteinkonstruktion ohne Mörtel, deren Quader in den kritischen Bereichen vor allem der Pfeilersockel verklammert sind.

An allen bisher angesprochenen Brücken haben die Bögen die Form eines Halbkreises. Die Aussage der älteren Fachliteratur – die man gelegentlich immer noch lesen kann303 –, dass das bei allen römischen Brücken der Fall gewesen wäre, ist jedoch unzutreffend. Die Römer haben sehr wohl auch Brücken gebaut, bei denen die Bogen ein Kreissegment von weniger als 180° bilden, bzw. bei denen die Pfeilhöhe kleiner ist als der Radius der Bögen. Solche sog. Segmentbogenbrücken haben unter bestimmten Umständen eine Reihe von Vorteilen, verhalten sich aber auch statisch anders als die Brücken mit Halbkreisbogen.

Bei halbkreisförmigen Bogen in flachem Gelände liegt der Scheitelpunkt des Bogens bzw. der höchste Punkt der Fahrbahn stets deutlich höher als Anfang und Ende der Fahrbahn, oben am Beispiel des Pont Julien und seiner langen Rampen dargestellt. Eine Segmentbogenbrücke ist demgegenüber insofern vorteilhaft, als sie per se flacher ist, und daher weniger lange, oder auch gar keine Rampen erfordert. Dieser Vorteil kommt umso mehr zum Tragen, je größer die zu überbrückende Spannweite ist, denn je größer die Spannweite, desto höher liegt der Scheitelpunkt des Halbkreisbogens. Ein weiterer Vorteil der Segmentbogenbrücke ist die Materialersparnis, denn ein Bogensegment von weniger als 180° ist bei gleicher Spannweite stets kürzer als ein Halbkreis.

Statisch gesehen unterscheidet sich die Segmentbogenbrücke erheblich von den Brücken mit halbkreisförmigen Bogen. Während bei letzteren bei entsprechend verteilter Auflast fast ausschließlich Druckspannungen erzeugt werden, die vertikal in die entsprechend starken Fundamente abgeleitet werden müssen, ergeben sich bei Segmentbogen starke horizontale Schubspannugen, die von Widerlagern an den beiden Enden der Brücke aufgefangen werden müssen. Je flacher der Bogen, desto größer der Horizontalschub, womit der Druck auf die Pfeiler zugleich entsprechend abnimmt, die deshalb auch geringer dimensioniert werden können. Der Brückenbogen wird – bildlich gesprochen – gleichsam eingeklemmt zwischen die Widerlager, statt auf die Pfeiler zu drücken.

Abb. 3.38: Brücke von Alconetar, Anf. 2. Jh. n. Chr. (Wikipedia, J. M. C. Echevarrieta).

Abb. 3.38: Brücke von Alconetar, Anf. 2. Jh. n. Chr. (Wikipedia, J. M. C. Echevarrieta).

Das Prinzip der Segmentbogenbrücke war bereits in Griechenland bekannt, wurde dort aber kaum entwickelt (sog. Steg von Rhodos, L = 2,8 m304). Bei den Römern tritt dieser Konstruktionstyp relativ früh auf. Schon am Ponte San Lorenzo in Padua, erbaut zwischen 47 und 30 v. Chr., war das Prinzip deutlich erkennbar realisiert: bei den zwischen 12,4 und 14m weiten Bögen beträgt das Verhältnis zur Pfeilhöhe etwa 3,7 : 1 statt 2 : 1 wie beim Halbkreisbogen. Die Bogen ergeben ein Kreissegment von etwa 113° statt 180°. Die Konstruktion zeigt zudem, dass der entwerfende Ingenieur sich der Veränderung der Kräfteverhältnisse innerhalb der Konstruktion durchaus bewusst war, denn wegen des vergleichsweise geringeren Drucks dimensionierte er die Pfeiler sehr schlank. Offenbar waren sich aber nicht alle Brückenbauer, die Segmentbögen entwarfen, über diese Zusammenhänge im Klaren, wie die trotz der sehr flachen Bogensegmente ausgesprochen massiven Pfeiler der Brücke von Alconetar in Spanien aus dem frühen 2. Jh. n. Chr. zeigen (Abb. 3.38).305 Das Konstruktionsprinzip der Segementbogenbrücke hat sich unter den Brückenbauern offenbar nie in der Breite durchgesetzt. Man kennt derzeit nur etwa 17 Brücken dieses Typs, obwohl es bis in die Spätantike hinein nicht aufgegeben worden, wie die relativ gut dokumentierte, aber schlecht datierte Brücke von Limyra (3. oder 5. Jh. n. Chr.?) belegt.306

Unter den wenigen bekannten Mischkonstruktionen aus Holz und Stein nimmt die Traiansbrücke eine besondere Stellung ein. Sie überbrückte die untere Donau nahe des Eisernen Tores bei Turnu Severin. Errichtet wurde sie zwischen 103 und 105 n. Chr. unter Leitung von Apollodor von Damaskus für den Feldzug Traians gegen die Daker und die anschließende Sicherung der neueroberten Provinz Dakien. Erhalten sind lediglich einige Reste der Brückenpfeiler, die heute unter Wasser liegen, und ein Pfeiler an Land auf rumänischer Seite. Die Konstruktion des hölzernen Oberbaus der Brücke zeigt ein Relief auf der Traianssäule. Das Relief dürfte zumindest die Grundkonstruktion des hölzernen Aufbaus über den Pfeilern, wenn auch in den Proportionen gestaucht, zuverlässig wiedergeben. Dafür spricht, dass Apollodor von Damaskus, der Konstrukteur der Brücke, zugleich der leitende Architekt des Traiansforums war, zu dessen Ausstattung die Säule gehört hat. Er hätte eine völlig falsche Darstellung seiner Konstruktion wohl kaum toleriert. Bekannt sind zudem einige Angaben bei antiken Schriftstellern.307

Abb. 3.39: Darstellung der Traiansbrücke, erbaut 103–105 v. Chr., auf einem Relief der Trianssäule in Rom, errichtet 113 n. Chr. Foto: Cichorius 1900.

Abb. 3.39: Darstellung der Traiansbrücke, erbaut 103–105 v. Chr., auf einem Relief der Trianssäule in Rom, errichtet 113 n. Chr. Foto: Cichorius 1900.

Die Brücke war etwa 1135 m lang und ruhte auf 20 Pfeilern. Die Gesamthöhe der Brücke betrug nach den antiken Angaben etwa 45 m, die lichte Weite der Bogensegmente ca. 50 m. Die Spannweiten waren damit deutlich größer als bei Steinbrücken mit Spannweiten von maximal ca. 37 m.

Die Außenschale der Pfeiler war aus großen Steinen, verlegt als opus quadratum, hergestellt. Das Innere wurde mit Gussbeton gefüllt, für dessen Herstellung Puzzolana herangeschafft worden war. Das Tragwerk und die Fahrbahn waren aus Holz in Fachwerktechnik errichtet. Das Relief zeigt einerseits in der Ansicht das Tragwerk als jeweils drei über einander gestaffelte Segmentbogen, andererseits in perspektivischer Aufsicht die Fahrbahn, die von zwei Kastenträgern, ausgesteift mit Andreaskreuzen, eingefasst wird. Das Tragwerk selbst (Abb. 3. 39 unten links) bestand aus polygonalen Sprengwerken, die sich an den Seiten teils an dreieckigen, ausgesteiften Böcken abstützten, teils an den unter den Böcken liegenden Bohlenkästen.308 Die Böcke wurden oben durch die darübergelegten Kastenträger in Position gehalten.

3.8 Die Architekten

3.8.1 Begriff

Die lateinische Bezeichnung für Architekten309 war architectus. Der Begriff ist offensichtlich vom griechischen ἀϱχιτέκτων übernommen worden. Ebenfalls übernommen wurde die breite Fassung des Begriffs bei den Griechen, denn auch bei den Römern bezeichnete architectus beispielsweise auch Schiffbauer und Ingenieure. In der Spätantike findet sich für letzteren zuweilen der Terminus mechanicus, was wiederum direkt dem Griechischen μηχανικός entlehnt ist.

3.8.2 Tätigkeitsspektrum

EOAindexArchitekt!Aufgabenspektrum des ArchitektenDas Aufgabenspektrum der Architekten umfasste zunächst den normalen Tätigkeitsbereich beim Bau öffentlicher und anspruchsvoller privater Gebäude. Bauen war jedoch keine Vorbehaltsaufgabe der Architekten. Wie für alle anderen antiken Kulturen, ist auch für Rom anzunehmen, dass vor allem im ländlichen Bereich einfache Gebäude von ihren Besitzern und deren Familien bzw. Gesinde selbst errichtet wurden. Dabei dürften für spezielle Aufgaben wie die Schreinerarbeiten und die Eindeckung der Dächer Fachleute hinzugezogen worden sein, obwohl direkte Nachweise dafür fast überall fehlen. Deshalb ist in diesem Zusammenhang eine Stelle aus Ciceros Briefen erwähnenswert, aus der hervorgeht, dass sein Freund Atticus einen Bauauftrag im Wert von immerhin sechzehntausend Sesterzen an seinen eigenen Gutsverwalter vergeben hatte.310 Bauen als Vorbehaltsaufgabe hätte im übrigen eine Institutionalisierung des Berufes vorausgesetzt, zu der es zwar in der Kaiserzeit durchaus Ansätze gab, die aber wohl nie die völlige Ausgrenzung der Laien aus dem Bauwesen bewirkt haben dürften. Auch die Vereinigungen der Handwerker, die sich nachweisen lassen, hatten nie den ausschließenden Charakter wie etwa die mittelalterlichen Gilden. Architekten wurden ganz offensichtlich dort eingesetzt, wo die Bauaufgabe aufgrund ihrer konstruktiven Anforderungen nicht ohne einen professionell qualifizierten Fachmann durchzuführen war.

Ein weiterer Bereich, in dem Architekten gearbeitet haben, ist die Stadtplanung. Die Aufgabe selbst stellte sich schon zur Zeit der mittleren Republik wegen der dauerhaften Sicherung eroberter Gebiete durch befestigte Städte und wegen der Städtegründungen zur Veteranenversorgung der Legionäre. Vitruv behandelt Fragen der Stadtanlage und Stadtbefestigung entsprechend mit Selbstverständlichkeit in seinem ersten Buch. Aber auch wenn der Zusammenhang zunächst evident erscheint, so ist doch keineswegs klar, in welchem Umfang Architekten tatsächlich an der Planung Anteil hatten. Die Leitung hatten sie sicher nicht, da diese üblicherweise bei einem Drei-Männer-Gremium lag, dessen Mitglieder der Nobilität angehörten, und die später den Patronat über die neu gegründete Stadt übernahmen. Als Patrone hatten sie vor allem die Anliegen ihrer Gemeinden in Rom zu vertreten. Was die Planung im engeren Sinne anbetrifft, so ist weiter zu berücksichtigen, dass die Römer Standards für die Stadtplanung hatten, die auf die Gliederung der römischen Militärlager zurückgehen. Hinzukommt, dass für die Übertragung des Plans im Gelände eigene Fachleute herangezogen wurden, die Landvermesser (agrimensores). Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass, anders als in Griechenland, unter der großen Zahl bekannter römischen Neugründungen m. W. sich nicht eine Stadt findet, deren Plan einem namentlich bekannten Architekten zugeschrieben werden könnte.

Ein weiteres Teilgebiet, das ohne Zweifel zum Aufgabenspektrum der Architekten gehörte, war der heute sog. Ingenieurbau, d. h. die Errichtung von Zweckbauten mit besonderen technischen Anforderungen. Das ergibt sich schon daraus, dass es in der Antike den Bauingenieur als eigenständigen Beruf nicht gab. Direkte Nachweise sind spärlich, aber etwas weniger selten als im Bereich der Stadtplanung. So ist der Architekt der berühmten Brücke von Alcantara in Spanien durch eine heute verschollene Bauinschrift namentlich bekannt.311 Auch die Inschrift am sog. Hercules-Leuchtturm bei La Coruña – dem ältesten erhaltenen Leuchtturm überhaupt – nennt einen Architekten, als Stifter, der den Turm wohl auch entworfen haben dürfte.312 Am römischen Wasserversorgungssystem hat Vitruv zeitweilig mitgearbeitet, wie er selbst berichtet und Frontinus bezeugt.313 Zu nennen ist hier auch Apollodor von Damaskus als Architekt der Traiansbrücke über die Donau. Zum Ingenieurbau wird man im weiteren Sinne auch die Leitung komplexer Transportaufgaben rechnen können, wie etwa der Versatz und die Aufrichtung von Kolossalstatuen314 und der ägyptischen Obelisken in Rom.

Auch im Bereich der Materialgewinnung waren Architekten tätig, und zwar nicht nur punktuell, d. h. im Kontext der Auswahl des Materials für einzelne Projekte. Man kennt die Namen einiger Architekten, die offenbar dauerhaft in Steinbrüchen beschäftigt waren. Letzteres erklärt sich wahrscheinlich dadurch, dass in antiker Zeit aus Steinbrüchen oft nicht wie heute einfach Blöcke mit Standardmaßen herausgebrochen wurden, sondern der Stein für seine Verwendung am Bau vorbearbeitet wurde. Der jeweilige Stein musste den funktionellen Anforderungen entsprechen – z. B. bei der Verwendung als monolither Säulenschaft oder Architrav – und vorbearbeitet werden, um das Transportgewicht bei schweren Baugliedern zu reduzieren.

Schließlich gehörten zum Aufgabenspektrum der Architekten die erwähnten Bereiche, die man heute dem Berufsfeld nicht mehr zurechnet. Zu nennen ist hier vor allem der Maschinenbau, und zwar nicht nur von Maschinen, die auf der Baustelle eingesetzt wurden,315 sondern auch von Kriegsmaschinen316, Wasserrädern und Schöpfmaschinen, sowie auch von Wasserorgeln und Uhren.317 Sehr schlecht bekannt ist die Arbeit der Schiffbauarchitekten. Die römische Flotte hatte in der Kaiserzeit eigene Architekten.318

Angesichts dieses für moderne Begriffe außerordentlich umfangreichen Aufgabenspektrums und der erforderlichen, entsprechend breiten Qualifikationsanforderungen stellt sich die Frage, inwieweit ein einzelner Architekt tatsächlich in allen oder annähernd allen diesen Teildisziplinen ausgebildet und tätig war, bzw. umgekehrt die Frage nach der Spezialisierung. Eine Antwort darauf fällt vor allem deshalb schwer, weil die Quellen und das epigraphische Material zu den über einhundertfünfzig namentlich bekannten Architekten fast nie die Rekonstruktion eines Oeuvres, einer Berufsbiographie oder einer Karriere zulassen. Das hängt zunächst damit zusammen, dass nach römischer Auffassung prominente Bauwerke dem verantwortlichen Beamten zuzuschreiben waren, auch wenn er keine eigenen Mittel zusätzlich zum bereitgestellten Budget einschloss, und nicht dem planenden oder bauleitenden Architekten. Diese Auffassung spiegeln die Namen der Bauwerke (Basilica Aemilia, Via Appia etc.), die Bauinschriften, und auch die Schriftquellen wider. Es ist bezeichnend, dass Frontinus, der in seinem Buch über die römische Wasserversorgung (de aquaeductu) ausführlich – und mit unverkennbarem Stolz – auf alle zu seiner Zeit bestehenden Leitungssysteme eingeht, nur ein einziges Mal den Architekten namentlich nennt,319 jedoch für alle Leitungen die leitenden Beamten. Auch für das umfassende Bauprogramm des Augustus, der es in seinem Tatenbericht res gestae selbst zu seinen großen Leistungen rechnet, ist kein einziger Name der beteiligten Architekten bekannt. Selbst den überlieferten ,Stararchitekten‘ einzelner Kaiser lässt sich fast nie ein konkret belegbares Ouevre zuweisen. Die Rechtssammlung der Digesten verzeichnet sogar ein kaiserzeitliches Verbot, an öffentlichen Gebäuden andere Namen zu nennen als den des Kaisers oder des Stifters.320 Natürlich hatten Architekten gleichwohl ein Interesse daran, Bauten durch eine Signatur dauerhaft mit ihrem Namen zu verbinden, was auch gelegentlich innerhalb der Stifterinschriften gelang.321 Auch Grabinschriften sind in dieser Hinsicht wenig ergiebig. Folglich steht kein Material zur Verfügung, aus dem man ersehen könnte, wie breit oder spezialisiert das Aufgabenspektrum einzelner Architekten tatsächlich war.

Trotz der in dieser Hinsicht sehr aussagearmen Quellenlage lässt sich aber immerhin punktuell die oben gemachte Aussage belegen, dass es keine durchgängige Trennung zwischen den gleichsam klassischen und den ingenieurtechnischen Aufgaben gegeben haben kann. Dafür spricht vielleicht weniger Vitruvs – erkennbar extensive – Darstellung des Curriculums der Architektenausbildung, als vielmehr sein eigener Werdegang: Er war zunächst unter Caesar, und später auch unter Augustus, Militäringenieur mit Zuständigkeit für Geschütze,322 baute später die Basilica in Fanum Fortunae (Fano), einer Veteranenkolonie Caesars,323, und arbeitete zeitweilig in der cura aquae in Rom, u. a. an Verbesserungen zur Bestimmung der Durchflussmengen der Leitungen.324 Er war also im Maschinenbau, im öffentlichen Profanbau und im Ingenieurbau tätig. Ähnliches gilt für Apollodor von Damaskus, der neben dem Brückenbau (Traiansbrücke) und wohl auch dem Hafenbau (traianischen Häfen von Ostia und Centumcella [Civitavecchia]) beim Bau großer öffentlicher Bauten und Anlagen entwerfend tätig war (Traiansthermen, Traiansforum, Pantheon), und zudem – wie Vitruv – die Konstruktion von Kriegsmaschinen beherrschte, wie aus seiner erhaltenen Schrift zum Thema (Poliorketika) hervorgeht. Apollodor ist damit unter den kaiserzeitlichen Architekten derjenige, dem man noch am ehesten ein Ouevre zuweisen kann.325

Ebenfalls kaum Material gibt es für die von der modernen Forschung häufiger aufgeworfene Frage nach der möglichen Trennung von entwerfenden und bauleitenden Architekten. Vieles spricht aus sachlichen Gründen für die Annahme, dass zumindest bei den erkennbar einheitlich gestalteten Großprojekten wie den Kaiserforen ein Architekt den Gesamtplan entworfen hat, dessen Ausführung von mehreren Architekten auf den einzelnen Baustellen überwacht und geleitet wurde. Auf der anderen Seite ist es jedoch fraglich, ob gerade bei umfangreicheren Projekten eine vollständige Trennung zwischen Entwurf und Bauleitung überhaupt möglich war, denn diese Trennung würde voraussetzen, dass der Entwurf vor Baubeginn vollständig ausgearbeitet vorlag in Form von bemaßten Zeichnungen und Musterstücken für die Bauornamentik. Nachweisbar ist das nicht. Es ist daher m.E. einigermaßen wahrscheinlich anzunehmen, dass Details erst im Baufortschritt festgelegt wurden, und dass, wenn denn Entwurf und Ausführung in getrennten Händen lagen, der bauleitende Architekt zumindest Details in eigener Verantwortung festlegte.

3.8.3 Formen der Berufsausübung und sozialer Status

Ein ebenfalls lückenhaftes, aber gleichwohl vielfältiges Bild ergibt sich bei der Frage, in welcher Form Architekten ihre Arbeit ausgeübt haben, d. h. ob sie sozusagen freiberuflich tätig waren, als Unternehmer ein Bauunternehmen führten, in einem Unternehmen gegen Lohn arbeiteten, oder Positionen in Behörden oder anderen Institution innehatten. Die Frage verschränkt sich mit der Frage der nach dem sozialen, genauer: dem personenrechtlichen Status der Architekten.

Die Tätigkeit als Architekt war zwar an sich an keinen personenrechtlichen Status gebunden. Architekten lassen sich in allen entsprechenden Kategorien nachweisen, als Sklaven, Freigelassene, Fremde ohne Bürgerrecht und römische Bürger. Selbst Angehörige des Ritterstandes und der Senatsaristokratie waren als Architekten tätig, und sogar Kaiser wie Hadrian sind als Amateur-Architekten bekannt. Die Frage nach dem personenrechtlichen Status bestimmte aber umgekehrt, in welcher Form man als Architekt tätig sein konnte. Wer beispielsweise als Architekt beim Militär tätig werden wollte, musste das römische Bürgerrecht besitzen, weil die Legionen sich ausschließlich aus freien Bürgern rekrutierten. Wer hingegen Sklave war, konnte kein Bauunternehmer werden, weil er als nicht rechtsfähige Person keine Verträge mit Bauherrn hätte abschließen können, und ohne eigenes Vermögen auch nicht haften konnte.

Selbständige Architekten mit römischem Bürgerrecht, die 'freiberuflich' tätig waren, ohne ein eigenes Unternehmen zu führen, kennt man beispielsweise aus den Briefen des jüngeren Plinius. Auch das schon angesprochene catonische Bauformular zielt eindeutig auf einen als Experten tätigen Architekten, der kein Unternehmer sein konnte, weil dort der Bauherr das Material und sogar die Werkzeuge stellte. Da der Architekt mit dem Vertrag Haftungsverbindlichkeiten einging, muss er das Bürgerrecht besessen haben. Weil Cato all dies mit kommentarloser Selbstverständlichkeit unterstellt, wird man annehmen dürfen, dass er sich damit auf dieselbe Tradition freier Architekten bezieht, die auch Vitruv anspricht, wenn er schreibt, dass „früher“ die Architekten aus angesehen römischen Familien stammten, was neben dem Bürgerrecht einen gewissen Wohlstand voraussetzt.326

Wesentlich schlechter in den Quellen auszumachen sind freigeborene Architekten, die ein inhabergeführtes Bauunternehmen betrieben haben. Es gibt beispielsweise den sicher ungewöhnlichen, aber bemerkenswerten Fall eines Architekten, der in seinem Grabbau ausdrücklich auch die Bestattung seiner Freigelassenen vorgesehen hatte.327 Es ist aber keineswegs klar, dass damit die Mitarbeiter seiner Firma gemeint waren, denn genausogut könnten die Mitglieder des Hausgesindes gemeint gewesen sein. Auch im Fall des oben erwähnten Haftungsproblems, das im Verres-Prozess angeführt wurde, ist Ciceros Gerichtsrede nicht eindeutig zu entnehmen, ob der verstorbene Vater des beklagten Mündels als Unternehmer zugleich auch selbst Architekt war. Überhaupt nicht nachweisen lassen sich römische Bürger, die auf Lohnbasis innerhalb von privaten Bauunternehmen gearbeitet hätten. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Quellenlage zu privaten Bauunternehmen für alle Perioden gleichermaßen schlecht ist.

Spätestens ab dem 2. Jh. v. Chr. arbeiten auch Fremde ohne römisches Bürgerrecht, vor allem aus dem hellenistischen Osten, als Architekten in Rom. Zu welchen Konditionen sie arbeiteten, ist nicht bekannt. Restriktionen hinsichtlich der Berufsausübung scheinen sie jedenfalls nicht unterworfen gewesen zu sein. Eher schon war das Gegenteil der Fall. Zumindest die Hinweise, die man in den Quellen zu diesen Architekten finden kann, deuten darauf hin, dass nicht die griechischen Architekten von sich aus nach Rom abwanderten, wie man es sich vorstellen könnte wegen des Niedergangs der Wirtschaftskraft in den von den Römern provinzialisierten griechischen Siedlungsgebieten vor der Zeitenwende. Vielmehr waren es die Römer selbst, die die griechischen Architekten angeworben haben (oder als Sklaven angekauft haben, s. u.). Da die Zuwanderung griechischer Architekten eine wesentliche Rolle für den Transfer von Bauwissen nach Rom gespielt hat, wird erst im nächsten Abschnitt über das Bauwissen auf die Arbeit der griechischen Architekten eingegangen werden.

Sklaven und Freigelassene (also ehemalige Sklaven) lassen sich unter den Architekten für alle Phasen Roms belegen. Als Architekten ausgebildete Sklaven in größerer Zahl besaß Crassus, der zeitweilig neben Caesar und Pompeius Mitglied im ersten Triumvirat war.328 Jedoch war Crassus kein Bauunternehmer im üblichen Sinne, sondern eher ein Investor, der in Rom den Aufkauf und die Sanierung vor allem brandgeschädigter Wohnhäuser im großen Stil betrieb. Es handelte sich offenbar vor allem um mehrgeschossige Häuser, deren Wohnungen und Läden er anschließend vermietete. Nicht selten waren hingegen Sklaven und Freigelassene, die als Architekten für Familien der römischen Nobilität arbeiteten oder deren Eigentum waren. Ciceros Briefe nennen solche Architekten, und zeigen zudem, dass es innerhalb der Nobilität Familien gab, die mit ihrem Besitz und ihrer 'Bauwut' einen eigenen Architekten auslasten konnten. Auch scheinen solche Architekten gleichsam ausgeliehen worden zu sein. So war der bei Cicero genannte Chrysippus eindeutig ein Freigelassener des Cyrus 329, und stammte – dem Namen nach zu urteilen – aus dem Osten. Die Rechtsstellung von Cyrus, der wahrscheinlich auch selbst Architekt war, ist aber schon wieder unklar, denn er kann Freigelassener oder Peregrinus gewesen sein.330 Jedenfalls war er kein Sklave, denn dann hätte er nicht der Eigentümer des Chrysippus sein können.331 Auch für den ebenfalls bei Cicero genannten Corumbus332 lässt sich nicht entscheiden, ob er Sklave oder Freigelassener war, bzw. ob der ebenfalls dort genannte Balbus sein Besitzer oder sein Patron war. Jedenfalls hielt Cicero ihn für einen guten Architekten. Nicht zweifelhaft ist denn auch, dass freigelassenen Architekten trotz ihres Rechtsstatus bedeutende Kommissionen übertragen werden konnten. Das galt selbst für Sklaven. So gab es den Fall, dass eine offenbar sehr wohlhabende Dame ihren Architektensklaven ihrer Gemeinde für eine Baumaßnahme zur Verfügung stellte. Ungewöhnlich ist allerdings, dass dieser Sklave sogar namentlich in der (kommunalen!) Bauinschrift genannt worden ist.333 Anzufügen ist in diesem Kontext noch eine Überlegung hinsichtlich der Freilassung. Es war in der Kaiserzeit, und auch schon früher, eine gängige Praxis, dass Sklaven ein persönliches Eigentum von ihrem Besitzer übertragen bekommen konnten, und auch auf eigene Rechnung Aufträge annehmen konnten. Auf diese Weise haben viele ihre Freilassung forcieren können, nämlich indem sie ihrem Besitzer von den Einkünften ihrer Arbeit quasi ihren Kaufpreis erstatteten, und eventuell dazu noch einen Gewinn. Gerade die Tätigkeit als Architekt dürfte hierfür gute Voraussetzungen beinhaltet haben, doch ist kein Nachweis für einen solchen Fall bekannt.

Die quantitative Verteilung der Architekten auf die verschiedenen personenrechtlichen Kategorien ist schwer zu bestimmen. Eine Zusammenstellung auf Basis von Grabinschriften334 listet für Rom 15 Architekten, darunter 9 Freigeborene, 5 Freigelassene und 1 Sklaven; für das übrige Italien 13 Architekten mit bestimmbarem rechtlichen Status, darunter 7 Freigeborene, 5 Freigelassene und 1 Sklaven. Generalisierende Schlussfolgerungen auf Basis solch geringer Zahlen sind kaum vertretbar. Selbst die naheliegende Vermutung, dass die Architekten mehrheitlich keine Sklaven waren, ist nicht unproblematisch, da man davon ausgehen muss, dass bei Sklaven die Wahrscheinlichkeit am geringsten war, dass ihr Name in Bau- oder Grabinschriften genannt, und damit überliefert wurde.

Jenseits der Privatwirtschaft in öffentlichen Institutionen dauerhaft beschäftigte Architekten lassen sich meist nur im griechischsprachigen Osten nachweisen, wo die Wahl oder vertragliche Anstellung von Architekten in Stadtverwaltungen oder Heiligtümern eine lange Tradition hatte.335 Es wird solche ,Planstellen‘ gleichwohl auch in Rom selbst und im Westen häufiger gegeben haben, nur sind die Belege dafür selten. Einen solchen Fall dokumentiert eine Grabinschrift aus spätrepublikanischer Zeit. Der Verstorbene war dem Zensor als architectus und praefectus fabrum zugeordent.336 Der Terminus praefectus fabrum, der an sich den Leiter einer Pioniereinheit bei den Legionen bezeichnete, könnte darauf hinweisen, dass der Architekt zugleich der fachliche Leiter einer Art von städtischem Bauhof war. Erinnert sei hier auch an den oben schon zitierten Senatsbeschluss zur cura aquae, die dem Leiter und seinen Stellvertretern je einen Architekten quasi als Planstelle zuwies. Der personenrechtliche Status der Architekten, mit denen diese Stellen besetzt wurden, ist völlig unklar. Frontinus spricht zwar für die Zeit Agrippas von dessen Sklaven, doch war Vitruv auch in eben dieser Zeit an der Cura tätig, und definitiv kein Sklave.

Die mit Abstand sicher größten Arbeitgeber von Architekten in der Kaiserzeit waren ohne Zweifel das Kaiserhaus und das Militär.337 Die römischen Legionen hatten bereits eigene Architekten, als sie in republikanischer Zeit noch ein reines Milizheer waren. Überliefert sind allerdings nur die Namen von Vitruv und seinen drei Kollegen, die er in seinem Werk nennt.338 Zu den Legionen der Kaiserzeit, als stehendes Heer von Augustus geschaffen, zählten Architekten als reguläre Angehörige. Auch die Prätorianerkohorten in Rom hatten einen eigenen Architekten, der für die Kriegsmaschinen im Arsenal verantwortlich war, und sicher noch für weitere Aufgaben in Rom herangezogen wurde.339 Der Bedarf des Heeres an Architekten dürfte in der Kaiserzeit eher noch gewachsen sein, da neben dem Bau der Standlager und dem Straßenbau auch die Errichtung der Grenzbefestigungen limes zu ihrem Aufgabenbereich gehört haben dürfte. Allerdings ist die verbreitete Auffassung, die Legionen hätten standardmäßig über Architekten verfügt, nicht unbedingt gerechtfertigt. Das zeigt sich daran, dass die angesprochene Schrift des Apollodor von Damaskus, eine Anleitung zum Bau einfacher Kriegsmaschinen, wahrscheinlich von dem im Felde stehenden Kaiser Hadrian angefordert worden ist, weil er bei seinen Legionen im Felde kein technisch einschlägig ausgebildetes Personal zur Verfügung hatte. Eben deshalb beschränkt sich Apollodor in seiner Schrift auch auf einfache Maschinen, die nach Anleitung von jedem Handwerker gebaut werden konnten.

Eine nicht geringe Anzahl dieser Architekten des kaiserzeitlichen Heeres ist namentlich bekannt vor allem durch lateinische Grab- oder Votivinschriften. Für sie kennt man den Terminus architectus ordinatus.340 In den Digesten haben sie den besonderen Status des immunus, was bedeutet, dass sie zur Gruppe der Spezialisten gehörten, die von den Lasten des normalen Soldatendienstes befreit waren.341 Es gab aber auch, wie wohl schon im republikanischen Milizheer, Architekten, die im Heer auf Honorarbasis tätig waren, worauf der ebenfalls inschriftlich bezeugte Terminus architectus salariarius hinweist, denn ein Legionsangehöriger bezog ein stipendium, kein salarium.342 Auf diese Weise konnte die Armee auch auf Fremde ohne Bürgerrecht zurückgreifen. Zu diesen zählen wohl auch die schon erwähnten Architekten, die in von Legionen betriebenen Steinbrüchen die technische Leitung hatten. Noch der letzte inschriftlich bekannte Architekt der Antike war ein Festungsbaumeister.343

Architekten des Kaiserhauses344 sind aus zwei Quellen bekannt. Zum einen kennt man die Architekten, die offenbar zum Stab einiger Kaiser des 1. und 2. Jh. n. Chr. gehörten. Sie dürften weitgehend für die Großprojekte der Kaiser fachlich verantwortlich gewesen sein. Zu nennen sind Severus und Celer, die für Nero vor allem nach dem Brand von 64 n. Chr. arbeiteten,345 Rabirius, der für Domitian tätig war und von dem der sonst stets spöttische Martial in Epigrammen mit großem Respekt gesprochen hat,346 sowie Apollodor, der auch noch unter Hadrian für das Kaiserhaus gearbeitet haben soll.347 Erstaunlicherweise nicht namentlich bekannt sind die Architekten, die für Augustus und, neben und nach Apollodor, für Hadrian gearbeitet haben, obwohl gerade diese beiden Kaiser ungezählte prominente Bauwerke haben errichten lassen.

In nicht geringer Zahl bekannt sind jedoch auch Architekten, die in untergeordneter Position für das Kaiserhaus gearbeitet haben. Viele von ihnen sind durch Grabinschriften identifizierbar, die am Namen die Freilassung durch das Kaiserhaus erkennen lassen. Es handelt sich bei ihnen entweder um fachlich qualifizierte Sklaven, die vom Kaiserhaus angekauft worden waren, oder aber um Sklaven, die ihre Ausbildung innerhalb der Kaiserhauses erhalten haben,348 also wohl in den Opera Caesaris. Genaueres über ihre Arbeit ist kaum bekannt. Vermuten kann man, dass im Kaiserhaus die Freilassung von Architekten nach einer bestimmten Anzahl von Arbeitsjahren üblich war.

Die wirtschaftliche Situation der römischen Architekten war, wie aus der Bandbreite der dargestellten Formen der Beschäftigung und des personenrechtlichen Status bereits deutlich geworden sein dürfte, ausgesprochen heterogen. Sie reichte vom Sklaven, der nach römischem Recht selbst Sache war und formal keinen eigenen Besitz haben konnte, vereinzelt bis zum Beamten mit prestigeträchtiger öffentlicher Stellung. Dass Architekten auch ohne besondere Umstände einigen Wohlstand erreichen konnten, zeigen manche Grabbauten, die Architekten für sich selbst entworfen haben oder für Freunde errichtet haben. Die Tätigkeit als Architekt an sich hatte demnach auch keinen klar definierten Prestigewert. Es darf geradezu als soziales Paradoxon angesehen werden, dass in einer Funktion, die von Sklaven ausgeübt werden konnte, und noch dazu aus dem Handwerk stammte, auch Angehörige der obersten Schicht öffentlich aufgetreten sind.

3.9 Das Bauwissen: Quellen, Tradierung und Entwicklung

3.9.1 Die Quellen des Wissens

Die römische Architektur hat keinen Nullpunkt. Als Rom sich mit dem Ende der sog. Königszeit als eigenständiges, selbstverwaltetes Gemeinwesen konstituierte, hatte es bereits in erheblichem Umfang Bauwissen erworben, das aus der Kultur stammte, die Rom zuvor politisch dominiert hatte: Die früheste römische Architektur stammt von den Etruskern. An einigen Elementen dieser Architektur, die insgesamt eher schlecht bekannt ist, haben die Römer erstaunlich lange festgehalten. Zu diesen Elementen gehören verschiedene Merkmale des etruskischen Wohnhauses und des römischen Tempels. Andere Elemente, die aus etruskischer Quelle stammen dürften, sind Grundkenntnisse des Ingenieurbaus, insbesondere im Bereich des Baus von Brücken und Wasserleitungen. Hierher stammt wahrscheinlich auch die Kenntnis des Keilsteinbogens.

Eine weitere maßgebliche Quelle für das Bauwissen waren die Architektur des hellenistischen Ostens. Rom hat dazu auf alle Formen zurückgegriffen, die für die Aneignung dieses Wissens in Frage kamen. Architekten kamen aus dem Osten nach Rom, sei es auf Einladung, sei es auf eigene Initiative wegen der finanziell und fachlich attraktiven Beschäftigungsmöglichkeiten, oder sie wurden einfach als qualifizierte Sklaven angekauft. Diese Architekten haben ihrerseits auch ausgebildet. Eine Rolle bei der Aneignung der hellenistischen Architektur durch die römischen Baumeister und Handwerker hat zweifelsfrei auch der Import von Architekturgliedern gespielt, der durch Funde und Textquellen belegt ist. Zudem gab es noch eine dritte Quelle. Die griechischen Architekten hatten schon sehr früh damit begonnen, Bauwissen zu verschriftlichen, und entsprechende Texte öffentlich zu publizieren. Zumindest für gebildete Römer, und natürlich auch für aus dem Osten stammende Sklaven, dürfte die Sprache kein Hindernis gewesen sein, die griechische Fachliteratur zu rezipieren.

Die dritte wesentliche Quelle für die Entwicklung der römischen Architektur und das dort angewandte Bauwissen waren die Römer selber. Spätestens ab dem Beginn der Kaiserzeit fingen die römischen Architekten an, das Potential, dass in ihren schon länger genutzten Bautechniken enthalten war, voll zu entfalten, indem sie eigene Gebäudetypen entwickelten, die im Osten ohne Pendant waren und mit den Bautechniken des Ostens auch in den römischen Dimensionen kaum oder gar nicht hätten realisiert werden können. Nur die Bauornamentik bleibt noch lange Zeit in ihren wesentlichen Formen griechisch bzw. hellenistisch.

In den folgenden Abschnitten sollen einige Aspekte der Entwicklung des Bauwissens der Römer thematisiert werden, wobei zunächst die Frage, wie Bauwissen weitergegeben wurde, und wo es ursprünglich herstammte, behandelt wird, und erst im Anschluss die großen Innovationen, die den entscheidenden Beitrag der Römer zur Baugeschichte darstellen.

3.9.2 Existenzformen des Wissens und Tradierung

Die Ausbildung der Architekten und Ansätze zur Institutionalisierung der Ausbildung

Um Aussagen über die Ausbildung der Architekten zu machen,349 wird man als wichtigste Quelle Vitruv heranziehen, der mit seinem Werk ja eine Gesamtdarstellung des in seinem Beruf erforderlichen theoretischen Wissens geben wollte. Gleichwohl wird man in Vitruvs Werk keineswegs Antworten auf alle Fragen finden, die sich in diesem Kontext stellen. Es gibt beispielsweise bei Vitruv so gut wie keine Aussagen über die Organisation der Ausbildung, wie überhaupt über die Organisation des römischen Bauwesens. Auch inhaltlich konnte Vitruv wesentliche Teile der römischen Bautechnik nicht darstellen, weil sie zu seiner Zeit noch nicht, oder erst in Ansätzen entwickelt worden waren. So fehlt – aus heutiger Sicht – etwa bei der Behandlung der Materialien ein Kapitel über die gebrannten Ziegel als einen der wichtigsten Baustoffe der Kaiserzeit, und auch die Wölbtechniken werden nur ansatzweise von ihm behandelt. Jenseits von Vitruvs Werk stehen wiederum nur sehr wenige Quellen zur Verfügung: einige Inschriften, Hinweise in literarischen Quellen und den Korrespondenzen Ciceros sowie, für die mittlere und späte Kaiserzeit, verschiedene Rechtsbestimmungen. Texte, die unmittelbar als Unterrichtsmaterialien verwendet wurden, sind ebensowenig bekannt wie Lehraufgaben, für die man aus dem pharaonischen Ägypten und dem Alten Orient Beispiele kennt. Es darf aber immerhin als sicher gelten, dass die Architektenausbildung trotzdem nicht ausschließlich ein ,training on the job‘ war.

Ausbildung in praktischen Berufen fand in der Antike lange Zeit hauptsächlich innerhalb von Familien statt, so dass das Fachwissen unter den Generationen weitergereicht wurden. Dass das auch in Rom in der Frühzeit der Fall war, bestätigt Vitruv explizit, wenn er sagt, dass Bauwissen ,früher‘ von den betreffenden Familien nicht an Fremde weitergegeben wurde.350 Die Forschung hat, entsprechend diesem Muster, versucht, solche Familien vor allem im Inschriftenmaterial zu identifizieren. Von Architektenfamilien im engeren Sinne könnte man sprechen, wenn Vater oder Brüder, Söhne und Enkel alle dasselbe Gewerbe ausübten, zumindest zeitweilig zusammenarbeiteten, und dabei die Älteren an die Jüngeren Wissen weitergaben. Schon Vitruv spricht aber an der zitierten Stelle ausdrücklich von den Verhältnissen früherer Zeiten, und in der Tat kann man Architektenfamilien des angesprochenen Typs im übrigen Quellenmaterial nirgendwo nachweisen. Vitruv selbst stammt jedenfalls nicht aus einer solchen Familie, denn er hatte den Beruf nicht bei seinem Vater gelernt (s. u.). Was man hingegen in Ansätzen belegen kann, entspricht soziologisch den spezifisch römischen Verhältnissen: Man kennt einige gentes, also Familienverbände, die offenbar über mehrere Generationen im Bauwesen aktiv gewesen sind, wie die Cossutii, die Postumii oder auch die Vitruvii. Der Unterschied zwischen einer römischen gens und einer Großfamilie liegt vor allem darin, dass zur gens nicht nur Blutsverwandte (und Hausgesinde) gehörten, sondern auch Sklaven und vor allem Freigelassene, also ehemalige Sklaven derselben Familie, die nach ihrer Freilassung als Klienten dem Familienoberhaupt als Patron verbunden blieben. Die Hinweise darauf ergeben sich meist einfach daraus, dass aus Inschriften für verschiedene Perioden Architekten und Freigelassene bekannt sind, die denselben Gentilnamen tragen, den auch die ehemaligen Sklaven nach ihrer Freilassung annahmen. Wie die Beziehungen im einzelnen aussahen, ist fast nie zu klären. Jedenfalls lässt sich oft nicht einmal klären, ob der ehemalige Besitzer eines freigelassenen Architekten selbst Architekt war und diesen ausgebildet hatte (was dessen Wert als Sklave erheblich gesteigert hätte), oder ob es sich um einen Unternehmer aus dem Baugewerbe handelt, der selbst kein Architekt war, wie weiter oben für Crassus beschrieben worden ist, oder aber ob der Freilasser einfach zu jener Gruppe reicher Römer gehörte, die für ihre Bauvorhaben eigene Architekten besaßen.

Zu den gentes, die länger im Bauwesen aktiv waren, zählt die Familie der Cossutier. Sie ist vor allem bekannt durch den Architekten Cossutius, der im 2. Jh. vor Chr. mit der Fertigstellung des Tempels des olympischen Zeus in Athen beauftragt worden war, wofür der Seleukidenkönig Antiochos IV. Epiphanes die Finanzmittel bereitstellte.351 Dieser Fall ist in höchstem Maße ungewöhnlich, denn in mittelrepublikanischer Zeit begann Rom erst, seinerseits Architekten in Griechenland zu rekrutieren, die mit der gewissermaßen internationalen hellenistischen Architektur des Ostens vertraut waren. Es gibt leider überhaupt keine Anhaltspunkte, aus welchen Motiven heraus eine so prominente Kommission in Athen an einen Römer vergeben wurde. Eine praktisch zwingende Überlegung ist allerdings, dass Cossutius seinen Beruf zumindest in wesentlichen Teilen bei griechischen Architekten gelernt haben muss, denn das Olympieion ist eine rein griechische Architektur, an der auch die Cossutius zugeschriebenen Bauabschnitte keinerlei Unsicherheit im Umgang mit dem Entwurf und der Ausführung der Formen zeigt. Dazu passt die einzige hier sonst einschlägige Information, dass die Familie der Cossutier schon früher im Bauwesen (im Marmorimport?) aktiv war.352 Es wäre daher nicht unwahrscheinlich, dass die Familie angesichts zunehmender Nachfrage nach hellenistischer Architektur in Rom den Sohn in Griechenland bei einem renommierten Architekten ausbilden ließ, oder einen griechischen Sklaven mit entsprechender Qualifikation als Ausbilder gekauft hatte.

Zu den römischen Familien, in denen mindestens ein Angehöriger gelernter Architekt war, und sich zudem auch wenigstens ein freigelassener Architekt nachweisen läßt, gehören die Postumier. C. Postumius Pollio ist durch zwei Inschriften aus Tarracina und Formiae als Architekt bekannt, die in augusteische Zeit datiert werden.353 Eine weitere Inschrift, die im Dom von Pozzuoli vermauert ist, und möglicherweise vom Tempel des Augustus in Puteoli stammt, nennt Postumius, gemeinsam mit Lucius Cocceius Auctus, als Freilasser des Lucius Cocceius Auctus, der – dem Namen nach zu urteilen – aus dem hellenistischen Osten stammte. Auctus wiederum wird auf einem Architravfragment aus Cumae genannt, was auf eine nicht unbedeutende Kommission hinweist. Im Detail sind die Beziehungen dieser drei Personen aber nicht zu klären. Einigermaßen wahrscheinlich ist, dass Postumius und Cocceius gemeinsam ein Bauunternehmen betrieben haben, zu dem Auctus zunächst gehörte. Wahrscheinlich hat Auctus nach seiner Freilassung selbst ein Bauunternehmen besessen.354 Anderson identifiziert Cocceius Auctus auch mit den Architekten Cocceius, den Strabo als Baumeister des Tunnels zwischen dem Averner See und Cumae nennt.355

Auch die Familie Vitruvs ist längere Zeit im Bauwesen aktiv gewesen. Vitruv scheint am Anfang dieser Periode der Vitruvii gestanden haben, denn sein Vater wird noch kein Architekt gewesen sein, da der Autor seinen Eltern ausdrücklich dafür dankt, dass sie ihn den Beruf bei praeceptores haben lernen lassen,356 also vermutlich gegen Lehrgeld. Erst in der Folge scheint die Familie sich im Bauwesen etabliert zu haben. Jedenfalls war der Architekt, der in augusteischer Zeit den Bau des Gavia-Bogens in Verona geleitet hat, ein Freigelassener eines Mitglieds der gens Vitruvia.357 Dazu gehören könnte weiterhin ein Architekt Vitruvius, dessen Grabstein aus dem 1. Jh. n. Chr. in Baiae gefunden worden ist. Auch er war sehr wahrscheinlich ein Freigelassener.358 Es gibt weitere freigelassene Architekten, deren Besitzer selbst Architekten und / oder Bauunternehmer gewesen sein könnten, wie für einige der bei Cicero genannten Architekten diskutiert worden ist, jedoch ohne dass hier sichere Interpretationen möglich wären.359

Die Ausbildung zum Architekten war ein wirtschaftliches Kapital, wofür wohl in allen Phasen der römischen Geschichte entsprechende Preise bezahlt worden sind (s. dazu auch unten), wenn man von den eingangs erwähnten, 'echten' Architektenfamilien absieht, die ihr Wissen nicht an Andere weitergegeben haben. Allem Anschein nach war die Ausbildung von jungen Architekten für die etablierten Architekten ein Teil ihres Gewerbes, sei es wie im Fall von Vitruv als Ausbildung von Bürgersöhnen gegen Lehrgeld, oder sei es als Ausbildung von Sklaven, die verkauft wurden oder als Freigelassene ihrem Patron sicherlich zumindest die Ausbildungskosten zurückgezahlt haben.

Ansätze zu einer Institutionalisierung der Architektenausbildung sind von den Architekten selbst wohl nicht ausgegangen. Zwar kennt man Vereinigungen von Personen aus dem Baugewerbe in Form von collegia, wie inschriftlich nachgewiesen beispielsweise in Ostia. Sie ähnelten wahrscheinlich den aus hellenistischer Zeit bekannten Kultvereinen, deren Basis die Berufsgruppenzugehörigkeit war. Die collegia oder corpora, die es auch für andere Berufe gab, werden in erster Linie dem informellen Austausch von Informationen innerhalb der Berufsgruppe bei gemeinschaftlichen Veranstaltungen und Kulthandlungen gedient haben.

Über staatliche Institutionen, in denen Architekturwissen entwickelt oder weitergegeben wurde, ist nahezu nichts bekannt. Für die republikanischer Zeit kann man die Existenz solcher Institutionen nahezu mit Sicherheit ausschließen – Vitruv hätte sie zweifellos erwähnt, wenn es sie zu seiner Zeit gegeben hätte. Es gibt allerdings eine Reihe von Maßnahmen des Staates aus der mittleren Kaiserzeit, und vor allem aus der Zeit des Dominats, die zwar keine Institutionalisierung der Ausbildung im eigentlichen Sinne bewirkt haben, aber doch eine staatliche Einflussnahme auf die Ausbildung zweifelsfrei belegen. Diese Regelungen gehören zu einem ganzen Komplex von Maßnahmen, die von Seiten des Staates ergriffen wurden, um die angeschlagene Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und des Staates unter der Last der Grenzverteidigung in der Zeit der beginnenden Völkerwanderung aufrecht zu erhalten. Unter diesem Druck haben staatliche Stellen den schon sehr viel früher immer wieder beklagten Mangel an qualifizierten Architekten zu begegnen versucht.

So wurde das Lehrgeld, das trotz der vom Lehrling sicher erbrachten Zuarbeit relativ hoch gewesen sein muss, beschränkt, indem das Maximalpreisedikt Diocletians von 301 n. Chr. das Lehrgeld bei einem architectus magister auf hundert Denare pro Schüler und Monat festsetzte.360 Der Begriff scheint darauf hinzudeuten, dass es zumindest in dieser Zeit Architekten gab, die die Ausbildung professionell betrieben, also nicht mehr als Architekten praktisch tätig waren. Schon früher war auch gesetzlich geregelt worden, dass Sklaven zum Zweck der Ausbildung gegen Geldzahlung an Dritte übergeben werden konnten.361 Ebenfalls schon früher wurde die Ausbildung zumindest zeitweilig aus öffentlichen Mitteln subventioniert. Schon unter Alexander Severus (Regierungszeit 222–235 n. Chr.) wurde Architekten – und auch Lehrlinge anderer qualifizierter Berufe – eine Ausbildungsbeihilfe gezahlt, wenn die eigene Familie freigeboren war, die Kosten aber nicht aufbringen konnte.362 Die Angabe der Quelle ist allerdings unter Historiker umstritten. Sicher ist hingegen, wiederum aus der Zeit des Dominats, ein Erlass Konstantins d. Gr. von 334 überliefert,363 demzufolge achtzehnjährige Lehrlinge aus den Afrikanischen Provinzen zu Architekten durch kostenlosen staatlichen Unterricht (oder Unterricht auf Staatskosten?) ausgebildet werden sollten, sowie dass Schüler und Eltern von Steuern befreit wurden. Die Steuerbefreiung wurde mindestens zeitweise auf alle Architekten ausgedehnt.364 Zu den Eingriffen des Staates in die Ausbildung in spätantiker Zeit gehört des weiteren die verfügte Zwangsmitgliedschaft für die Angehörigen qualifizierter Berufe in den collegia. Dazu gehörte auch der Zwang, dass Söhne – unabhängig von Talent und Neigung – den Beruf des Vaters zu ergreifen hatten, und Beschränkungen der Wahl des Wohnorts. Alle diese Maßnahmen dienten offensichtlich der Beseitigung des Mangels an Architekten, der offenbar als bedingt durch die hohen Ausbildungskosten verursacht angesehen wurde. Eine Sicherstellung der Qualität der Ausbildung oder die Erweiterung des Architekturwissens war augenscheinlich nicht das Ziel der staatlichen Eingriffe. Das Modell einer Forschungs- und Ausbildungsinstitution, wie sie beispielhaft durch das von den Ptolemäierkönigen eingerichtete Museion in Alexandria bekannt war, aus dem unter anderem auch renomierte Militäringenieure hervorgegangen sind, hat es in Rom ziemlich sicher nicht gegeben.

Ansonsten ist die einzige staatliche Institution, die in irgendeiner Form die Architektenausbildung selbst betrieben und zumindest in Ansätzen systematisch organisiert haben dürfte, das Militär gewesen. So ist bei der Rheinarmee ein Legionär ausgebildet worden, der auf einer Bauinschrift für sich den Status eines architectus discens angibt,365 also offenbar eine vom Organisationsplan vorgesehene Ausbildungsposition bekleidete. Details zu dieser Ausbildung fehlen allerdings leider vollständig.

Griechische Architekten in Rom

Die für die römische Architekturentwicklung überaus folgenreiche Arbeit griechischer Architekten in der Stadt und in den von ihr kontrollierten Territorien lässt sich nicht isoliert betrachten und verstehen. Sie ist Teil einer umfassenden Rezeption und Übernahme der Kultur des hellenistischen Ostens, die zu Beginn des 2. Jhs. v. Chr., in der Zeit nach Ende des zweiten punischen Krieges bzw. des Hannibalkrieges, ihren Anfang nahm. Zuvor hatte es allerdings nahezu alle politisch und militärisch relevanten hellenistischen Staaten als eigenständige Akteure ausgeschaltet und ihrer Unabhängigkeit beraubt: zunächst das Reich Hierons II. auf Sizilien, dann in dichter Folge das Königreich der Makedonen und die Bünde der Archäer und Aitoler, und selbst das syrische Königreich der Seleukiden. Die Herrscher des Ptolemäerreiches in Ägypten hatten sich, angesichts der Entwicklungen aus nachvollziehbaren Gründen, den Römern selber angeschlossen, und der letzte pergamenische König überschrieb resignierend sein Reich mit der Kulturmetropole Pergamon den Römer per Testament. Rhodos, eine reiche Seerepublik mit ähnlicher starker Position im Handel im östlichen Mittelmeer wie später Venedig, wurde mit wirtschaftspolitischen Mitteln – durch die Einrichtung des römisch kontrollierten Freihafens auf Delos und durch den Verlust seiner Terra ferma – seiner Macht beraubt.

Rom hat sich in der Zeit der mittleren und späten Republik der Kultur des griechischsprachigen Ostens – und das hieß aus der Sicht konservativer Römer: der Kultur der Besiegten – in einem Umfang geöffnet366, der in dieser Konstellation wohl ohne Beispiel ist, und bis zur Identifikation reichte: Rom sah sich selbst ideologisch als Teil der östlichen Mittelmeerwelt, indem es die Gründung der Stadt mit dem Troianischen Krieg verknüpfte, wofür Vergil mit seiner Aeneis in augusteischer Zeit die für die Römer gültige Darstellung schrieb. Bezeichnend dafür auch, dass Cicero lakonisch von 'unseren beiden Sprachen' redete. Protagonisten dieser Entwicklung waren einflussreiche, gebildete Mitglieder der römischen Nobilität, die die intellektuelle und künstlerische Überlegenheit der Kultur des Hellenismus offenbar ohne Umschweife anerkannten. Diese Kreise rezipierten aber nicht nur, gleichsam intern, griechische Literatur und Philosophie, und schafften griechische Kunstwerke in ihre Stadthäuser und Villen, sie popularisierten die Kultur des Hellenismus auch in anderen Teilen der Bevölkerung. Eine Form dieser Popularisierung waren die Triumpfzüge. Auf ihnen wurde, der römischen Tradition entsprechend und der Verherrlichung der Siege der konsularischen Heere und ihrer Heerführer dienend, dem Volk die Beute, also der Ertrag der Kriege, im Wortsinne vor Augen geführt. Nach den Siegen im Osten wurden bei den Triumpfzügen nicht nur, wie sonst auch, Gold, Geld und Gefangene vorgeführt, sondern ebenso Kunstwerke, die die Bevölkerung beeindruckt haben müssen, und später – wie etwa in der Porticus Metelli, s. u. – öffentlich ausgestellt wurden. Es gab auch andere Formen der Popularisierung. So finanzierten reiche Römer schon zu Anfang des 2. Jhs. v. Chr. Aufführungen griechischer Theaterstücke. Plautus etwa, wohl ein unteritalischer Grieche und Leiter einer Theaterkompanie, adaptierte Stücke der neuattischen Komödie für die Aufführung in Rom, womit er für sich (und seine Geldgeber) wiederholt Preise erhielt. Die Motive, die führende Römer veranlassten, die Werke der hellenistischen Kunst nach Rom zu bringen, waren also nicht nur rein intellektuelle Interessen: Das Staunen der Bevölkerung über die herangeschafften Werke diente immer auch der Förderung des Prestiges derer, die sie herangeschafft hatten, und damit der Sicherung des politischen Einflusses der betreffenden Politiker und ihrer Familien.

Die Offenheit der Römer für die hellenistische Kultur führte im 2. Jh. dazu, dass nicht nur die Kunstwerke, sondern auch die Künstler selber, sowie auch Intellektuelle und Ärzte, und nicht zuletzt Architekten, nach Rom gebracht wurden. Nicht in jedem Falle geschah das freiwillig, wie das Beispiel des Polybios zeigt, der heute vor allem als der Geschichtsschreiber der punischen Kriege bekannt ist367. Unbegrenzt war die Offenheit der Römer für diese Entwicklung allerdings nicht. Es gab eine Opposition gegen diese Tendenzen unter konservativen Römern, die befürchteten, dass die Übernahme der hellenistischen Kultur eben die Kräfte in den Familien und im Staat schwächen würde, die den Römern letztlich ihre militärischen Siege über die östlichen Staaten ermöglicht hatte. Prominentester Vertreter dieser Opposition war der ältere Cato, der die Protagonisten der hellenistischen Kultur verächtlich als graeculi bezeichnete ('Griechlein'), obwohl er selbst noch im hohen Alter Griechisch lernte.368 Noch Ciceros Großvater hatte die graeculi mit syrischen Sklaven verglichen, die je weniger taugten, je besser sie Griechisch sprächen.369 Die Opposition erreichte unter anderem die bekannte Ausweisung der 'Philosophengesandtschaft', einer athenischen Gesandtschaft, deren Delegierte alle renommierte Philosophen waren. Sie wurden zum 'Schutz der Jugend' schnellstens wieder verabschiedet. Insgesamt aber hat die konservative Opposition sich nicht durchsetzen können, vielleicht vor allem deshalb, weil ab der zweiten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. kein hellenistischer Staat mehr existierte, der der Macht der Römer hätte gefährlich werden können.

Die Tätigkeit griechischer Architekten in Rom ab der Zeit der mittleren Republik steht in direktem Zusammenhang mit den oben skizzierten politischen Interessen führender römischer Politiker und Militärs. Sie dürften erkannt haben, dass viel nachhaltiger als die einmalige Präsentation von Kunstwerken als Beute auf Triumpfzügen die Errichtung von öffentlichen Bauten in ihrem Namen war, die technisch und künstlerisch auf dem Niveau der Beutekunst lagen, und damit auf einem Niveau, dem die seinerzeitige römische Architektur sicherlich nichts Vergleichbares entgegenzusetzen hatte: Während der Hellenismus, und vorher schon die Klassik, den griechischen Quaderbau mit Stützte-Gebälk-Systemen zur Perfektion gebracht hatte, operierte der römische Tempelbau noch mit der Holz-Lehmziegel-Technik, die die Römer von den Etruskern erlernt hatten. Um Bauten von vergleichbarem Anspruch zu realisieren, waren allerdings Wissen und Fertigkeiten gefordert, die die römischen Architekten seinerzeit kaum gehabt haben können. Um Vergleichbares zu bauen, mussten folglich die interessierten Mitglieder der Nobilität den Transfer von Wissen aus den griechischen Siedlungsgebieten organisieren. Dabei ging es vorrangig um zwei Bereiche: zum einen um konzeptionelles Wissen, um den Entwurf der Gebäudetypen und die hauptsächlichen Formen der Bauglieder, und zum anderen um bautechnisches Wissen. Das Fehlen des entsprechenden konzeptionellen Wissens bei den römischen Architekten kann man gelegentlich noch heute feststellen, etwa an dem spätrepublikanischen Tempel von Cori. Der Bau, angelegt als römischer Podiumstempel, sollte eine Vorhalle griechisch-dorischer Ordnung erhalten. Das Gebälk zeigt, dass den Architekten seine eigene Lösung für den Eckkonflikt der dorischen Ordnung auf der einen Vorhallenseite so wenig überzeugte, dass er für die andere Ecke eine andere Lösung wählte. Eine solche Unsicherheit des entwerfenden Architekten, die sich darin manifestiert, dass nicht einmal die Anzahl der Triglyphen über den Eckjochen einheitlich ausfiel, findet man an keinem anderen antiken Bau dorischer Ordnung. Vor diesem Hintergrund kann man die Tatsache, dass die Eckjoche der Halle nicht gegenüber den Normaljochen verkürzt (kontrahiert) wurden, dahingehend deuten, dass dem Architekten bei der Festlegung der Jochmaße gar nicht klar war, dass er im Gebälk mit einem Problem konfrontiert sein würde, dessen Lösungsmöglichkeiten er mit seiner Positionierung der Säulen bereits eingeschränkt hatte.370 Des weiteren fehlte den römischen Architekten und ihren Mitarbeitern auch das Wissen und die Erfahrung im Umgang mit dem attraktivsten Material der hellenistischen Architektur, dem Marmor, den die römischen Baumeister bis etwa zur Mitte des 1. Jhs. v. Chr. nie verwendet hatten. Marmor ist wesentlich schwerer und härter als die römischen Tuffe, und hat eine andere Struktur als der poröse Travertin aus Tivoli. Daher ist einerseits die Bearbeitung anspruchsvoller, und setzt unter anderem andere (besser gehärtete) Werkzeuge voraus. Andererseits ergaben sich auf Basis dieses Materials aber auch neue Möglichkeiten, die sich die Architekten und Handwerker erst erschließen mussten. So konnten die Dimensionierungen der Bauglieder anders gewählt werden (bzw. auf Tragbalken aus Holz verzichtet werden), und Ornamentformen konnten ausgearbeitet werden, die in weicherem oder porösem Gestein zu Problemen geführt hätten. Auch der Arbeitsaufwand musste zweifellos neu kalkuliert werden.

Wie eingangs dieses Kapitels erwähnt, spielten bei dem erforderlichen Wissenstransfer unterschiedliche Medien eine Rolle. Der schnellste, effizienteste und zuverlässigste Weg, das erforderliche Know-how nach Rom zu bringen, war jedoch zweifellos, die griechischen Architekten und Handwerker gleich selbst nach Rom zu bringen, und eben das haben die Römer auch getan. Ein aufschlussreiches Beispiel dafür ist der Architekt Hermodoros von Salamis auf Zypern. Q. Caecilius Metellus Macedonicus hatte 148 v. Chr. als Befehlshaber eines konsularischen Heeres die Truppen des makedonischen Thronprätendenten entscheidend geschlagen, womit die endgültige Zerschlagung des makedonischen Königreichs eingeleitet war, und dafür vom Senat einen Triumph zuerkannt bekommen. Im darauffolgenden Jahr finanzierte er, wohl mit Mitteln aus der Kriegsbeute, mehrere große Bauprojekte, die dauerhaft mit seinem Namen und dem seiner Familie verbunden werden sollten. Dazu gehörte die Porticus Metelli, eine Säulenhalle, in der dem älteren Plinius zufolge eine große Zahl von Kunstwerken – sicherlich aus der Beute des griechischen Feldzugs – ausgestellt wurde.371 Die Halle umschloss zwei zeitgleich errichtete Tempel für Jupiter und Juno.372 Für den Bau eines der Tempel, den des Jupiter Stator, engagierte Metellus Hermodoros, wie Vitruv angibt.373 Hermodoros muss demnach zu diesem Zeitpunkt bereits in Griechenland ein renommierter Architekt gewesen sein, denn sonst hätte Metellus ihn sicherlich nicht für sein Projekt nach Rom geholt. Velleius bezeichnet den Tempel des Jupiter Stator als den ersten römischen Marmortempel, was plausibel erklären würde, warum Metellus einen griechischen Architekten beauftragte. Doch dürfte Velleius' Aussage kaum zutreffen, denn Plinius selbst zufolge wurde Marmor erst weit später erstmals nach Rom gebracht, und zunächst auch nur in Form von bereits fertig ausgearbeiteten Baugliedern.374 Zudem waren die Brüche von Carrara zu dieser Zeit noch nicht erschlossen, entsprechende Materialmengen in Italien noch nicht verfügbar. Wahrscheinlich verwechselte Velleius das Material der Halle mit dem der dort aufgestellten Kunstwerke.

Hermodoros scheint nach Fertigstellung des Tempels in Rom geblieben zu sein, und dort für seine Arbeit viel Anerkennung gefunden zu haben, denn er wurde von D. Junius Brutus Callaicus 138 v. Chr. mit dem Bau des Marstempels beim Circus Flaminius beauftragt.375 Das im Tempel aufgestellte Kultbild war eine kolossale Darstellung des Mars und eine der Venus, beide von der Hand des spätklassischen Bildhauers Skopas von der Insel Paros (von wo die Römer später Marmor bezogen).376 Tempel und Kultbild illustrieren deutlich die Präferenz führender römischer Adeliger für griechischer Baukunst und Plastik schon in dieser Zeit, denn andernfalls hätte Metellus niemals die Genehmigung für sein Projekt erhalten.

Noch später wird Hermodoros von Cicero als Baumeister der restaurierten oder erweiterten Schiffswerften (navalia) am linken Tiberufer genannt. Da Cicero den (Gerichts-) Redner Marcus Antonius – den Großvater des späteren Triumvirn – als potentiellen Verteidiger des Hermodoros nennt,377 nimmt man an, dass das Werftprojekt in dessen Zeit als Konsul 99 v. Chr. (oder seine Zeit als Zensor ab 97 v. Chr.?) fällt. Hermodoros muss folglich entweder bis ins hohe Alter aktiv gewesen sein, und dabei bedeutende Kommissionen zuerkannt bekommen haben, oder aber – und wahrscheinlicher – der Erbauer der navalia war sein Sohn, was bedeuten würde, dass sich die Familie auf Dauer erfolgreich in Rom etabliert hatte.

Die schon wiederholt angesprochenen griechischen Architekten aus spätrepublikanischer Zeit, die Cicero in seiner Korrespondenz erwähnt, illustrieren einen weiteren, für den Wissenstransfer bedeutsamen Punkt. Denn die Briefe zeigen, dass nicht nur für prestigeträchtige Großprojekte des Staates griechische 'Stararchitekten' angeworben wurden, sondern auch für nicht öffentliche Bauten griechische Architekten von wohlhabenden Privatleuten beauftragt wurden. Auch war der soziale Status dieser Architekten ein anderer, denn sie waren – wie schon dargestellt – häufig Sklaven oder Freigelassene, die mindestens zum Teil in Rom von griechischen Architekten ausgebildet wurden. Da auf kaum einer privaten Baustelle ausschließlich griechische Handwerker gearbeitet haben dürften, erlernten viele römische Handwerker auch ohne jede Form der Organisation Grundkenntnisse vor allem der griechischen Architekturformen. Das griechische Architekturwissen wurde auf diese Weise auch jenseits der besonders ambitionierten Projekte verbreitet, wenn auch nicht immer in seiner vollen Ausprägung, wie sich oft an Baugliedern von Privathäusern ablesen lässt.

Auch in der Kaiserzeit lassen sich in Rom und in Italien Architekten aus den ursprünglich griechischen Teilen des Imperiums nachweisen. Eine herausgehobene Bedeutung hat dabei das Kaiserhaus selbst. Beim Umfang der Bauaktivitäten des Kaiserhauses muss man die doppelte Struktur des römischen Staates in der Kaiserzeit berücksichtigen. Seit Augustus stand auf der einen Seite die alte Struktur des republikanischen Staates mit ihren Wahlbeamten, deren Leitung formal beim Senat lag, wobei allerdings der Wille der Kaiser für die Senatsentscheidungen praktisch immer den Ausschlag gab. Auf der anderen Seite stand unmmittelbar das Kaiserhaus, das einen großen Teil der Reichsprovinzen direkt verwaltete. Das Kaiserhaus war damit nicht allein mit den Amtsgeschäften und der Verwaltung des Privatvermögens der Kaiser befasst, sondern leitete u. a. direkt einen großen Teil der öffentlichen Bauaktivitäten in Rom selbst und in bedeutenden Provinzen. Das ist der Hauptgrund dafür, dass das Kaiserhaus, wohl im Rahmen der nur schlecht bekannten opera Caesaris, in großem Umfang Architekten beschäftigte. Viele von ihnen waren, wie ebenfalls schon angesprochen, Sklaven oder Freigelassene, die dem Kaiser als ihrem Patron verbunden blieben. Vor allem letztere sind durch die Namen auf ihren Grabsteinen in nicht geringer Anzahl bekannt. Weiterhin kennt man einige der Architekten, die für die Kaiser bei ihren Großprojekten tätig waren und zum persönlichen Umfeld der Kaiser gehörten. Apollodor, ein syrischer Grieche, ist der am besten bekannte unter ihnen. Ob die beiden spartanischen Architekten, die unter Augustus den Umbau der Porticus Metelli zur Porticus Octaviae, benannt nach der Tochter des Kaisers, leiteten, und ebenso die Restaurierung der beiden Tempel, von denen der eine ein Werk des Hermodoros war, zum direkten Umfeld des Kaisers oder Agrippas gehörten, ist hingegen nicht bekannt.378 Auch jenseits des Kaiserhauses sind bis in die Spätantike hinein Architekten aus dem Osten belegt, die auch an großen öffentlichen Kommissionen beteiligt waren. Das belegt eine an die Wende vom 3. zum 4. Jh. n. Chr. zu datierende Grabinschrift eines Perikles aus Mylasa (Kleinasien), der sich rühmt, einen „Riesentempel“ in Rom gebaut zu haben. Gemeint sein könnte damit die Restaurierung des Tempels der Venus und Roma unter Maxentius.379

Die Tätigkeit von Architekten aus dem griechischsprachigen Reichsteilen in Rom und Italien während der Kaiserzeit ist im hier diskutierten Kontext anders zu interpretieren als zuvor für die republikanische Phase dargestellt. Das primäre Motiv für die Rekrutierung der Architekten kann in nachaugusteischer Zeit nicht mehr der Import von Kenntnissen der hellenistischen Architektur gewesen sein, denn Rom hatte in dieser Zeit bereits seine eigenen Entwurfstraditionen entwickelt. Vor allem aber dominierte ab dieser Zeit die nun in ihrer Anwendung ausgereifte Bauweise des opus caementitium, d. h. eine in Rom selbst entwickelte und in Griechenland unbekannte Form der Baukonstruktion. Warum hat dann aber Rom sich immer noch Architekten aus dem Osten geholt, zumal wenn sie in wesentlichen bautechnischen Verfahren – insbesondere in der Verwendung der Puzzolana – in ihrer Heimat gar nicht ausgebildet werden konnten? Anführen könnte in diesem Zusammenhang das immer weitere Vordringen von Marmorarchitekturen und -dekorationen ('Marmorstil') in Rom und seinen Provinzen, denn das Arbeiten in Marmor war und blieb ein Kernbereich der griechischen Bau- und Handwerkstradition. Wohl niemals in der Antike ist soviel Marmor verbaut worden wie in der römischen Kaiserzeit. Der wesentliche Grund dürfte allerdings der oben schon geschilderte Mangel an Achitekten gewesen sein. Rom fehlte es schon in der frühen Kaiserzeit an Architekten, jedenfalls gemessen an seinem Bedarf für die äußerst umfangreichen Bauleistungen der Kaiserzeit. Ein bekannter Beleg dafür ist die Begründung Traians, mit der er dem jüngeren Plinius die Überstellung von Architekten nach Bithynien (NW-Kleinasien) verweigerte: Rom habe selbst zu wenig Architekten, und müsse sie daher in Griechenland rekrutieren.380 Weitere Belege für die späteren Jahrhunderte sind oben schon genannt worden. Wie auch immer man diesen fortdauernden Mangel erklären mag, wenig zweifelhaft dürfte sein, dass spätestens ab etwa dem Beginn des zweiten Jahrhunderts nicht mehr der Import von Wissen, sondern der schlichte Mangel an Fachkräften die Ursache für die Rekrutierung von Architekten aus dem Osten gewesen ist.

3.9.3 Die Bedeutung von Schriften für die Tradierung von Bauwissen

In Griechenland hatte die Darstellung von praktischem Wissen in Texten eine lange Tradition, wozu auch eine Reihe von – allerdings vollständig verlorenen – Architekturschriften zu rechnen sind.381 In Rom gab es ebenfalls Fachschriftsteller, die ihre Werke ausdrücklich als Lehrschriften auf Basis eigener praktischer Erfahrung verstanden wissen wollten. Bekannt – und erhalten – sind vor allem Werke über die Landwirtschaft. Das älteste von ihnen, geschrieben um 150 v. Chr., stammt vom älteren Cato (de agri cultura). In spätrepublikanischer Zeit gab Varro sein enzyklopädisches Werk heraus, zu dem auch ein Buch über die Landwirtschaft (de re rustica) gehörte. In der frühen Kaiserzeit schließlich publizierte Columella sein ebenfalls de re rustica überschriebenes, sehr umfangreiches Werk. Am Rande finden sich in diesem Schriften Hinweise auf Bauwissen, die der Beratung von Bauherren bei der Anlage von Gutshöfen dienen sollten. Auf die einschlägigen Abschnitte im Werk Cato ('catonisches Bauformular') ist weiter oben schon eingegangen worden. Vereinzelt wurde auch fremde Fachliteratur ins Lateinische übersetzt. So soll Cicero eine Übertragung von Xenophons Oikonomika vorgelegt haben, eine Art Handbuch zur Hauswirtschaft in Dialogform. Ein Werk über die Landwirtschaft des sonst nicht bekannten Puniers Mago hatte sogar die wohl singuläre Ehre, auf Initiative von D. Iunius Silanus zu lasten der römischen Staatskasse ins Lateinische übersetzt zu werden. Es soll auch eine griechische Übersetzung gegeben haben. Magos Schrift ist ein Beleg dafür, dass schon in der Antike Fachwissen in Schriftform gleichsam international rezipiert wurde.

Lateinische Architekturschriften jenseits des Werks von Vitruv sind hingegen kaum bekannt. Wir wissen durch Vitruv selbst, dass es vor seinem Werk Texte über einzelne Architekturthemen gab, aber keine Gesamtdarstellung.382 Konkret bekannt ist, dass Varro, ohne selbst Architekt zu sein, für seine disciplinarum libri IX auch ein Buch über Architektur geschrieben hat, das allerdings verloren ist. Vitruv nennt ansonsten nur zwei weitere römische Autoren, deren Werke ebenfalls verloren sind.383 Aus späterer Zeit ist nur eine einzige – ebenfalls verlorene – Architekturschrift bekannt, Apollodors Darstellung des Baus der Donaubrücke. Der Text ist erwähnt bei Prokop.384 Cassius Dio scheint die Schrift noch vorgelegen zu haben, denn er nennt einige – allerdings sehr grobe – Maßangaben zur Konstruktion der Brücke,385 die zu seiner Zeit bereits abgetragen worden war. Von den weiteren Schriften Apollodors ist nur die erwähnte Darstellung der einfachen Kriegsmaschinen erhalten.386 Sie ist allerdings die einzige Schrift, bei der man sicher davon ausgehen kann, dass das in ihr schriftlich dargestellte Wissen die zentrale Grundlage praktischer Arbeit war, da der Text ausdrücklich von Hadrian angefordert worden war, da er in seinem Heer keine Architekten oder Handwerker hatte, die über Wissen über den Bau von Maschinen verfügten. Vielleicht, so könnte man spekulieren, ist der Text überliefert worden, weil er später bei der Ausbildung von Ingenieuren innerhalb der Legionen als Lehrtext verwendet worden ist. – Zu den erhaltenen ingenieurtechnischen Schriften zählt zudem das Werk von Frontinus über die Wasserversorgung Roms. Bauwissen enthält der Text nur an sehr wenigen Stellen.

Die Tatsache, dass außer der Schrift Apollodors sich kein einziger Hinweis in der überlieferten römischen Literatur auf weitere Architekturschriften aus der Kaiserzeit findet, legt die Vermutung nahe, dass es zumindest kein umfassendere neuere Darstellung des Architekturwissens gegeben haben dürfte. Apollodors Schrift würde dann eher der griechischen Tradition zuzurechnen sein, in der Architekten bedeutender Bauten ihre Werke selbst darstellten und erläuterten.

Die Rezeption von Vitruvs Werk war, nach den wenigen Erwähnungen bei anderen Autoren zu urteilen, nicht sehr intensiv, belegbar ist jedoch, dass er in allen späteren Jahrhunderten gelesen worden ist. Der ältere Plinius, der geradezu enzyklopädisches Wissen in seiner zwischen 77 und 79 n. Chr. publizierten naturalis histora zusammengestellt hat, und dabei auch Architekturwissen streift, zitiert ihn als einzigen Architekten, und zwar an drei Stellen.387 Von den berühmten kaiserlichen ,Stararchitekten‘ wie Severus, Celer, Rabirius oder auch Apollodor erwähnt er hingegen niemanden. Vom Anfang des 3. Jhs. n. Chr. ist sogar ein teilweises Exzerpt des sechsten Buches über die Privathäuser bekannt, was zeigt, dass Vitruvs Text immer noch als aussagefähig angesehen wurde.388 Auch von spätantiken Autoren wird Vitruv gelegentlich angeführt.389 Hätte es ein aktuelleres Architekturlehrbuch gegeben – was ja geboten gewesen wäre angesichts der Tatsache, dass essentielle Neuerungen der römischen Bautechnik erst nach Vitruvs Zeit entwickelt worden sind –, dann sollte man erwarten, dass zumindest irgendein späterer Autor dieses neuere Werk angeführt hätte.

Zur praktischen Bedeutung von Vitruvs de architectura

Vitruvs erklärtes Ziel war, in systematisch geordneter Form das gesamte theoretische Architekturwissen seiner Zeit darzustellen. Sein Werk sollte ein Lehrbuch für Architekten sein. Das bedeutete zugleich, dass elementare Handwerkstechniken für ihn kein Thema waren, da diese von einem angehenden Architekten bei der praktischen Arbeit auf der Baustelle zu erlernen waren. Neben den Architekten dachte Vitruv aber auch an weitere Adressaten, die nicht selbst praktisch tätig werden wollten. Er wollte Bauherren Basiswissen vermitteln, das ihnen „Sicherheit“ geben sollte bei Planungsentscheidungen, die gemeinsam mit dem Architekten getroffen werden mussten.390 Schließlich wendete er sich an alle Gebildeten,391 womit sein zweites großes Thema angedeutet ist: die Präsentation der aus der Handwerkstradition stammenden Architektur als Wissenschaft (nostra scientia.392). Dieser Anspruch, den er, wie schon geschildert, durch umfangreiche theoretische Erklärungen des dargestellten praktischen Wissens zu untermauern versucht, geht klar auf die älteren griechischen Architekten zurück, die diesen Anspruch als erste erhoben und durch Schriften begründet hatten. Für Vitruv war daher die Kenntnis der griechischen Architektur und der Schriften ihrer herausragenden Vertreter unerläßlich für die Ausbildung eines kompetenten Architekten.393 Dass Architektur als Wissenschaft zu gelten habe, war auch in Rom kein völlig neuer Anspruch, wie sich daran zeigt, dass schon Varro die Architektur zu den disciplinae gerechnet hatte, also auf eine Stufe gestellt hatte mit Grammatik, Dialektik, Geometrie, Arithmetik bzw. Musik, Astronomie und Medizin.

Hinweise darauf, dass ein Lehrbuch für die Ausbildung von Architekten von irgendeiner Seite als Desiderat angesehen wurde, etwa von Augustus, dem das Werk gewidmet war, oder von Agrippa, der für den Kaiser eine enorme Zahl von Bauprojekten leitete, und daher ständig mit Architekten zusammengearbeitet haben muss, gibt es nicht. Man darf wohl annehmen, dass Vitruv das erwähnt hätte, zumal er sich für die Abfassung seines Werkes und die Widmung an den Kaiser den Erhalt einer Pension versprach.

Um seinem Buch praktischen Wert für Architekten zu geben, stellt Vitruv eine große Zahl von Bauaufgaben dar. Im Sinne seines Anspruchs, dem Architekten eindeutige Regeln (praescriptiones terminatas394) für das Bauen an die Hand zu geben, bietet er für die Entwurfsentwicklung nicht nur allgemeine Erläuterungen zu den verschiedenen Gebäudetypen an, sondern liefert teilweise umfassend erläuterte Entwurfsschemata, die die proportionalen Verhältnisse der Bauglieder angeben, so dass die Entwürfe skalierbar sind auf die für ein konkretes Projekt vorgesehene Größe. Das gilt vor allem für die Tempelentwürfe, also die – zumindest lange Zeit – prominenteste Bauaufgabe in der griechischen Architektur. Bei anderen Gebäudetypen wie Bädern, Theaterbauten, Basiliken usw. beschränkt er sich darauf, grundlegende Entwurfsformen zu skizzieren und für die gebäudespezifischen technischen Probleme Lösungen aufzuzeigen, wie etwa zur Beheizung von Thermen, zur Gründung von Brückenpfeilern im Wasser oder sumpfigen Untergrund und ähnliches. Eine vollständige Anleitung für ein ausführbares Projekt enthält der Text nicht.

Im Bereich der Entwurfsarbeit gibt er für die sogenannten optischen Korrekturen nicht nur deren Begründung und allgemeine Grundsätze an, sondern auch konkrete Korrekturfaktoren, nach denen etwa die Höhe von Gebälken in Abhängigkeit von der absoluten Größe errechnet werden soll, oder Winkel geändert werden sollen. Vitruv will theoretisch fundiertes Bauen praktisch handhabbar machen.

Während die angesprochenen Konzepte für die Entwurfsarbeit dem übergeordneten Ziel der Schönheit der Gebäude zuzuordnen sind, gibt Vitruv auch in bautechnischer Hinsicht eine große Zahl von Verfahrensweisen an, die der Standsicherheit und der effizienten Nutzung von Bauten dienen sollen. Das gilt für die Wahl und Beurteilung geeigneter Baustoffe wie für die Baukonstruktion. Ein Beispiel für letzteres ist etwa der Entlastungsbogen, den er nicht nur aus statischen Gründen empfiehlt, sondern auch, weil durch das seitliche Ableiten der Lasten durch den Bogen ein gebrochener Tür- oder Fenstersturz einfach und sicher ausgetauscht werden kann.395 Ein Beispiel aus dem Bereich der Materialauswahl ist etwa der Rat, für das Verfugen von Fußbodenplatten in Bädern Lehm, gemischt mit Haaren, zu verwenden anstelle von Mörtel:396 Lehm wird noch heute bei der Sanierung feuchter Kellergewölbe verwendet wegen seiner Fähigkeit, in hohem Maße Feuchtigkeit aufzunehmen und bei Trockenheit wieder abzugeben, also feuchtigkeitsregulierend zu wirken. Das Beimischen von langen natürlichen Fasern, die nicht schimmeln, stabilisiert die Lehmmasse. Solche Hinweise finden sich in großer Zahl verstreut in allen der zehn Bücher.

Kurz gesagt: Vitruv hat viel dafür getan, seinem Werk praktischen Wert zu verleihen. Trotz aller dieser BemühungeBn wird man die Bedeutung von Vitruvs Büchern als Trägermedium für die Vermittlung von Bauwissen an aktive Architekten sehr zurückhaltend beurteilen müssen. Für einige Themenbereiche geht sie sogar nachweislich gegen null. Das hat immanente Gründe, die im Werk selbst liegen, vor allem aber Gründe, die in der folgenden Entwicklung der Architektur in Rom begründet sind.

Zu den immanenten Gründen gehört in gewissem Umfang das Fehlen bestimmter bautechnischer Informationen an vielen Stellen des Werks. So macht Vitruv keine Angaben zu einigen elementaren Konstruktionsfragen. Er gibt beispielsweise nirgendwo an, welchen Durchmesser eine Mauer haben muss, die eine vorgegebene Höhe haben soll, um standsicher zu sein. Er sagt auch nichts in diesem Kontext darüber, welchen Einfluss die unterschiedlichen Arten von Mauerwerk, die er beschreibt, auf das Verhältnis Mauerstärke zu Mauerhöhe haben. An den Mauerwerkstechniken kann man zugleich einen ersten Beleg dafür finden, dass Vitruvs Argumente bei seinen aktiven Berufskollegen kaum überzeugend gewirkt haben können: Er kritisiert das im 1. Jh. v. Chr. aufgekommene Reticulat wegen der Diagonalfugen, die unter Druck zur Rissbildung tendieren, und empfiehlt deutlich das griechische Emplektron, das den Zusammenhalt der Mauerschalen durch Anker und Bindersteine zu sichern sucht, sowie auch die innere Verbindung von Mauerschalen durch Quermauern.397 Die tatsächliche Entwicklung verläuft aber nahezu umgekehrt: das Reticulat wird in den nächsten eineinhalb Jahrhunderten sehr häufig verwendet, das griechische Emplektron spielt demgegenüber kaum eine Rolle.

Weitaus bedeutsamer unter den immanenten Gründen für die geringe Wirkung von Vitruvs Büchern auf die Baupraxis dürfte jedoch seine erstaunliche Fehleinschätzung der Tendenzen der Architekturentwicklung sein, und zwar sowohl im Bereich der Bautechnik wie der Stilentwicklung. Der von ihm neben dem ionischen am präzisesten und umfassendsten vorgestellte Tempelentwurf, der dorische, spielt überhaupt keine Rolle – es gibt nicht einen einzigen stadtrömischen dorischen Tempel aus augusteischer oder späterer Zeit, ebensowenig in den italienischen Provinzen. Sogar in Griechenland selbst wurden nur noch extrem selten Bauten dorischer Ordnung errichtet. Das korinthische Kapitell hingegen, dass sich während seiner Zeit zum ,augusteischen Normalkapitell‘ entwickelt und in den Folgejahren dominierende Kapitellform wird,398 streift er so knapp, dass seine Angaben für einen Steinmetzen kaum brauchbar sind.399

Vitruvs Erklärungsversuche von Materialeigenschaften auf Basis der Vier-Elemente-Lehre sind hingegen einfach ohne Wert für die Auswahl geeigneter Grundstoffe. Das ist besonders auffällig im Abschnitt über die Puzzolanerde, wo er ganze zwei Sätze auf die Herstellung des caementitium verwendet, und dabei nicht einmal das für die Durchhärtung des Betons sehr wichtige Mischungsverhältnis von Wasser zu Puzzolanerde nennt. Stattdessen gibt er im restlichen Teil des Abschnitts einen ausführlichen, in praktischer Hinsicht jedoch nutzlosen Erklärungsversuch für die extrem hohe Festigkeit des Betons im Rahmen der Vier-Elemente-Lehre.400

Man tut Vitruv wahrscheinlich nicht unrecht, wenn man sagt, dass vor allem anderen seine unverkennbare Bewunderung für die griechische Architektur ihn daran hindert, festzustellen, dass Rom unter Augustus dabei war, sich aus der hellenistischen Architektur des östlichen Mittelmeerraums herauszulösen und einen Akzente zu setzen, die die Verbindlichkeit der griechischen Säulenordnungen zunehmend aufhob. Dabei wäre gerade die Entwertung der dorischen Ordnung auch in der hellenistischen Koiné selbst deutlich zu beobachten gewesen. Es wirft ein Schlaglicht auf Vitruvs Orientierung, dass er für den ebenso berühmten wie uralten dorischen Eckkonflikt – nicht ohne Stolz – eine neue Lösung präsentiert, als niemand sie mehr braucht.401

Mit seiner Fixierung auf die griechische Tradition entgehen ihm aber nicht nur Tendenzen im Bereich der Ausgestaltung von Bauentwürfen, sie hindert ihn auch bei der Darstellung der Gebäudetypen, und dem Erkennen der Bezüge zu gesellschaftlichen Entwicklungen, die sie tragen: Vitruv widmet einen ganzen Abschnitt dem Gymnasium, d. h. der griechischen Trainingsstätte für Athleten, obwohl Rom nirgends Gymnasien baut und bauen wird, weil in Rom der sportliche Wettkampf unter Freigeborenen der höheren und höchsten Schichten – anders als in Griechenland – keine Tradition hat und haben wird. Das römische Pendant zu den griechischen Spielen waren die ,Spiele‘, bei denen meist Sklaven als Berufsathleten auftraten, was allerdings erst später zum Bau der Amphitheater in Stein führte, die die älteren Holzkonstruktionen ersetzten. Der Übungsort der Gladiatoren ist kein Gymnasium, sondern die Kaserne. Auch das von ihm beschriebene ,Schatzhaus‘ gehört zur griechischen Kultur der konkurrierenden Repräsentation unabhängiger Städte in gemeingriechischen Heiligtümern. Im römischen Imperium gab es keine solchen Heiligtümer, in denen sich Roms Zentralgewalt neben konkurrierenden Staaten hätte präsentieren müssen. In diesem Sinne war zwar nicht alles, aber vieles, was Vitruv mit Sorgfalt beschreibt, historisch schon zu seiner Zeit obsolet geworden, und war folglich ohne Nutzen für Architekten der späteren Generationen.

Mindestens ebenso sehr gegen die Relevanz seines Textes für die zeitgenössische und spätere Baupraxis wirkten allerdings Faktoren, auf die Vitruv keinen Einfluss haben konnte. Gegen Ende seines Lebens und in den Jahren danach beginnen sich gerade die neuen Gebäudetypen und Bautechniken zu entwickeln, die die Höhepunkte der kaiserzeitlichen Architektur ausmachen, und damit die Aufgabenstellungen der ambitioniertesten Architekten der Folgezeit bestimmen. Diese Wende lässt sich im mancher Hinsicht fast genau fixieren: Wenn Vitruv tatsächlich gegen 15 v. Chr. gestorben ist, dann hat er noch die Fertigstellung der Agrippathermen in Rom miterlebt, bei denen erstmals in Rom,und vielleicht erstmals überhaupt,402 ein groß bemessener Rundbau mit einer Betonkuppel überwölbt wurde. Der Kuppelsaal gehörte zu den Bauten, an denen sich erstmals die technischen Fragen stellten, die mit dem Bau großer Gewölbe verbunden waren und für die Lösungen erst gefunden werden mussten. Die Architekten der frühen Kaiserzeit haben hier erkennbar vorsichtig, aber doch voranschreitend, viel Energie und Nachdenken investiert.

Vitruv hingegen kennt zwar die meisten der Materialien und Konstruktionstechniken, die an solchen Bauten eingesetzt wurden, aber nur in ihrer elementaren Form. Er beschreibt den Keilsteinbogen, das Problem des Bogenschubs, Techniken zur Stabilisierung der Widerlager durch Mauerstützen, die Vorteile von Betonkuppeln in Thermen gegenüber hölzernen Dachtragwerken, die Belichtung durch eine zentrale Öffnung in der Kuppel, und nicht zuletzt das caementitium. Fast alle diese zukünftig relevant werdenden Themen streift er aber gleichsam nur en passant und gibt allenfalls knappe Erläuterungen. So wird der Bau einer Kuppel wird von ihm wohl erwähnt, aber nicht beschrieben.403 Gravierende Probleme, die sich aus den neuen Dimensionen der Gewölbe ergeben, wie etwa die oben beschriebenen Probleme mit der Stabilität der Lehrgerüste, kannte er augenscheinlich nicht, und natürlich nicht die erst später entwickelten Konstruktionsformen und Bautechniken, die zur Beherrschung der in den großen Gewölben auftretenden Kräfte führten. Ähnliches gilt für das Bauen mit gebrannten Ziegeln. Vitruv kennt sie, auch bereits ihre Standardisierung zu bestimmten Größenklassen,404 und schätzt sie wegen der Brandsicherheit im Vergleich mit den älteren Lehmziegeln.405 Aber die Möglichkeiten, monumentale Bauten in dieser Technik zu errichten, waren zu seiner Zeit noch nirgendwo erschlossen, ihre Massenproduktion wohl noch nicht einmal begonnen. Was hätte er dazu schreiben können?

Folgt man den hier vorgetragenen Argumenten,406 dann ergibt sich zunächst, dass Vitruvs zehn Bücher nur sehr begrenzt als Lehrbuch für zukünftige Architekten gedient haben kann, weil die prominente Stellung, die Vitruv der griechisch-hellenistischen Architektur einräumen wollte, obsolet geworden war, und vor allem, weil er das technische Wissen nicht vermitteln konnte, was in seiner vollen Ausprägung und Leistungsfähigkeit erst nach seinem Tod entwickelt wurde. Probleme des Mediums, in dem Vitruv sein Wissen weitergeben wollte, spielen demgegenüber wohl kaum eine größere Rolle. Die meisten der Verständnisschwierigkeiten, die sich für die nachantiken Leser seines Werks ergeben haben, dürften sich den römischen Architekten kaum gestellt haben. Sie werden weder mit der Sprache – den in der heute erhaltenen Literatur selten belegten technische Termini – Probleme gehabt haben, noch mit sinnentstellenden Abschreibfehlern der Kopisten späterer Jahrhunderte. Vor allem werden sie noch Vitruvs Schemazeichungen zur Verfügung gehabt haben, deren Fehlen das Verständnis mancher Abschnitte heute stark erschwert.

3.9.4 Objekte als Träger von Wissen

Wissen kann im Bauwesen auch indirekt, durch Objekte, in denen dieses Wissen verkörpert ist, weitergegeben werden. Technisch möglich war das durch die griechische Bauweise, die bei anspruchsvollen Bauten auf Bindemittel verzichtete, und stattdessen die einzelnen Blöcke durch Klammern und Dübel verband. Entsprechend konnte, sorgfältiges Arbeiten vorausgesetzt, sogar der Oberbau kompletter Gebäude abgebaut und an anderer Stelle wieder errichtet werden, wie die sog. ,Wandertempel‘ zeigen.407

Nach Rom gelangten vor allem Bauglieder aus Säulenstellungen in verschiedener Form. Am Anfang haben offenbar die Beutestücke gestanden. Ein prominentes Beispiel dafür gab schon Sulla, der nach der Eroberung Athens vom dortigen Olympieion einige der riesigen korinthischen Säulen abtragen, nach Rom verschiffen und auf dem Kapitol wieder aufstellen ließ. Durch den Abbau der Säulen waren die Handwerker zwangsläufig mit den von den Erbauern verwendeten Verbindungstechniken der Lagerfugen konfrontiert, die am fertigen Gebäude nicht sichtbar waren. Eine andere, weniger kriegerische Form des Imports von Architekturgliedern war der Handel, der mit einzelnen Baugliedern, oder auch ganzen Ensembles von Bauteilen getrieben wurde. Der berühmte Schiffsfund des sog. Mahdia-Wracks vor der tunesischen Küste hat unter anderem eine Reihe von Baugliedern erbracht, die von einem bereits fertiggestellten Gebäude stammen müssen, wie die Einlassungen für Dübel und Klammern belegen.408

An den importierten Stücken konnten römische Architekten und Steinmetzen Proportionen und komplexe Ornamentformen studieren, und – in begrenztem Maße – auch die Herstellungstechnik (in derselben Weise wie heute die moderne Bauforschung). An sich war das Kopieren als Form der Aneignung von Wissen und Fertigkeiten immer schon übliche Praxis, denn es war eine der wichtigsten Formen der Ausbildung. Es war zudem auch auf den Baustellen von nicht unerheblicher Bedeutung, da komplexe Formen in Serien gar nicht anders hergestellt werden konnten als durch Kopieren. Aus Griechenland selbst kennt man prominente Beispiele dafür, wie das bekannte Musterkapitell des jüngeren Polyklet für die Innensäulen des Tholos genannten Rundtempels im Asklepios-Heiligtum von Epidauros. Das heute im Museum des Heiligtums ausgestellte Kapitell war, obwohl fertig ausgearbeitet und ohne Fehler, niemals verbaut, wie das Fehlen von Verdübelungen zeigt. Es kann sich demnach nur um ein Musterstück gehandelt haben, die im Griechischen ,Paradeigma‘ genannt wurden, und auch inschriftlich vielfach bezeugt sind.409 Bekannt ist weiterhin, dass sich im Bereich der Skulptur speziell zur Deckung der entsprechenden Nachfrage seitens der Römer professionelle Kopierwerkstätten etablierten, die auch geeignete Techniken für das Kopieren komplexer Formen entwickelten (wie z. B. das Punktieren für die Herstellung von 1 : 1 Kopien).

Im einzelnen lässt sich die Bedeutung der Aneignung von Wissen und Fertigkeiten durch das Kopieren griechischer Bauteile in Rom aber nicht bestimmen, da hierfür entsprechende Belege und Untersuchungen fehlen. Es spricht viel dafür anzunehmen, dass Bauteile nicht nur direkt kopiert wurden, sondern auch freiere Nachahmungen eine Rolle gespielt haben. Dass das Kopieren von einzelnen Bauteilen jedoch nicht das gesamte know-how vermittelte, das zum Bau eines hellenistischen Gebäudetyps erforderlich war, belegt der schon angeprochen dorische Tempel von Cori (ca. 100–80 v. Chr.). Der an diesem Bau tätige Architekt hat an der Gebälkordnung des Baus erkennbare Fehler gemacht, die beweisen, dass er mit den systematischen Problemen der dorischen Ordnung nicht vertraut gewesen sein kann. Das Beispiel illustriert im übrigen nicht nur die Grenzen, die der Aneignung von Wissen durch Kopieren gesetzt waren, sondern zudem sehr anschaulich den Unterschied zwischen dem know-how eines Steinmetzen, der Vorlagen oder Musterstücke zu kopieren hatte, und dem eines entwerfenden Architekten, der einen Bau im Rahmen der Ordnungssysteme zu planen hatte.

3.10 Innovationen

Im folgenden sollen die Innovationen im römischen Bauwesen zunächst zusammenfassend beschrieben und klassifiziert werden. Die Einteilung orientiert sich einfach daran, in welchem Umfang die einzelnen Entwicklungen im Bauwesen als Innovation angesehen werden können. Im einfachsten Fall handelt es sich um reine Übernahmen von anderen Kulturen, also um einfaches Kopieren bzw. Dinge, die nur für die Römer selbst neu waren. Davon trennen kann man Mischformen, bei denen Elemente des Eigenen und des Fremden kombiniert werden. Neu ist hier also nur die Kombination, nicht die Elemente, aus denen sie gebildet ist. Die dritte Kategorie sind die Transformationen, bei ebenfalls etwas übernommen wird, aber an eigene Vorstellungen oder Bedürfnisse angepasst wird, also Vorhandenes zumindest mit Elementen echter Innovation verbunden wird. Die letzte Kategorie bilden die reinen Innovationen, die für die Römer selbst und die Anderen vollkommen Neues darstellen.

Diese Einteilung soll natürlich verbunden sein mit der Frage nach den Impulsen, die die innovativen Entwicklungen bewirkt haben. Einige der Grundlinien, die man in dieser Hinsicht ausmachen kann, sollen hier kurz vorweggenommen werden. Die erste betrifft die Aneignung des Fremden. Hierzu ist bereits oben im Zusammenhang mit den griechischen Architekten das meiste gesagt worden. Rom hatte schon früh eine singuläre Machtstellung, die vieles erklärt. Die Römer konnten, kurz gesagt, übernehmen, was sie wollten, denn ihnen stand der Zugang zu fast allen Kulturen und Ressourcen zur Verfügung, die in der Mittelmeerwelt vorhanden waren. Auffällig ist dabei zunächst nur, in welchem Umfang die Römer davon Gebrauch machten, das heißt, wie weit sie bereit waren, Eigenes durch Fremdes zu substituieren. Keine der älteren Kulturen, die ebenfalls von einander gelernt haben, hat das in diesem Umfang getan. Die Griechen haben, cum grano salis, von den Ägyptern nur Bautechnik übernommen, nicht aber die Formenwelt. Das hellenistische Ägypten übernahm die fortgeschrittene griechische Architektur, ließ aber die eigenen Bautraditionen parallel weiter bestehen (vor allem im Tempelbau). Die Römer hingegen haben spätestens mit dem Beginn der Kaiserzeit ihre eigenen Architekturtraditionen gerade bei den ambitioniertesten Projekten praktisch aufgegeben. Keines der Kaiserforen wurde in etruskisch-tuskanischer Ordnung erbaut. Dabei ist ein weiterer Punkt zu berücksichtigen. Die Bereitschaft der Römer, vieles von ihrem Eigenen aufzugeben, lag nicht zu letzt daran, dass das, was sie zunächst hatten, in gewissem Sinne gar nicht ihr Eigenes war. Es ist bezeichnend in dieser Hinsicht, dass Vitruv, wenn er von dem redet, was man zunächst als genuin römisch bezeichnen möchte, gerade nicht davon spricht, sondern den Begriff der consuetudo italica verwendet.410 Bezeichnend im selben Sinne ist, dass er dort, wo man die Darstellung des römischen Tempels – immerhin einem der kultisch und gesellschaftlich wichtigsten Bauten früher Staaten – erwartet, den ,tuskanischen‘ Tempel präsentiert. Selbst ein genuin römisches Gebälk findet man bei Vitruv nirgends.

Das Vordringen des Fremden hatte allerdings eine gewissermaßen natürliche Grenze. Je mehr die Römer übernahmen, umso näher rückte das Fremde ihnen gleichsam in ihre eigene Lebensweise hinein, die sie jedoch keineswegs aufgeben wollten. Das erklärt vor allem die Mischformen und Transformationen. Das römische Haus war, wie noch zu zeigen sein wird, auf die Lebensweise der (wohlhabenden) römischen Familie abgestimmt, und eben deshalb konnte es nicht einfach gegen das griechische Peristylhaus ausgetauscht werden.

Das wirklich Neue hingegen entstand nicht einfach aus den neuen Möglichkeiten, Kenntnissen und Ressourcen, sondern war in vieler Hinsicht der Tatsache geschuldet, dass Rom sich zu einem Staatswesen entwickelte, dessen Umfang und Strukturen unter den älteren Staatswesen kein Beispiel hatte. Kein früherer Staat hatte etwa vor der Aufgabe gestanden, seine Truppen von England nach Judäa verlegen zu müssen, und keine Staat hatte vor der Aufgabe gestanden, in seiner Hauptstadt für eine Million Einwohner Wohnraum und Versorgung organisieren zu müssen. Hinzukommt, dass die Römer ihre Machtstellung nicht nur ausbauen und sichern, sondern auch repräsentiert sehen wollten. Außerdem, und sicher nicht zuletzt, wollten sie von dieser Machtstellung auch in ihrem Alltag profitieren. Kein hellenistischer Herrscher hatte es sich zum Ziel gesetzt, für Tausende von Bürgern seiner Hauptstadt Bademöglichkeiten – oder vielleicht eher: eine ,recreation area‘ – bereitzustellen. Ähnliches gilt für die Amphitheater, bei denen zigtausende Zuschauer aus nächster Nähe ohne Risiko Kämpfe der gefährlichsten Raubtiere beobachten konnten. Die politischen Wurzeln dieser Entwicklungen gehen auf das alte römische Patronagesystem zurück, nur dass der Kaiser als oberster Patron seinen Klienten, also aller römischen Bürgern, im Gegenzug für deren Loyalität nicht nur Sicherheit bot, sondern auch Möglichkeiten für ein wenigstens gelegentlich angenehmes und unterhaltsames Leben. Das galt zunächst natürlich für die Hauptstadt und das römische Kerngebiet, später aber auch für die von ihnen beherrschten Territorien, wie vor allem die enorme Zahl der von Hadrian initiierten Bauprojekte belegt. Es war eine politische Überlegung im Kontext der Sicherung der römischen Herrschaft, den Unterworfenen die Überlegenheit der romanitas vor Augen zu führen, und auch zu zeigen, dass das Leben unter römischer Hoheit erhebliche Vorteile bieten konnte.

Übernahmen

Unter dem, was die Römer von anderen Kulturen ohne größere Änderungen übernommen haben, nehmen die griechischen Säulenordnungen sicher die prominenteste Stellung ein. Dazu zählen neben den grundlegenden Typen von Säulen- und Gebälkformen auch Details wie die Schmuckbänder (Kymatien, Astragale, Mäander usw.), die später vor allem die Gebälke des 2. Jhs. n. Chr. überfrachten sollten. Der Begriff der ,Ordnung‘ im Sinne einer festen Verkettung von Säulenschaft-, Kapitell- und Gebälkformen ist in diesem Kontext allerdings nur begrenzt zutreffend, denn die Römer kombinierten die Formen untereinander relativ frei. Das hat seinen Grund aber nicht in einem mangelnden Verständnis des Formenkanon auf Seiten der Römer, sondern entspricht den Tendenzen der seinerzeit aktuellen späthellenistischen Architektur, in der die Ordnungen ihre Verbindlichkeit bereits verloren hatten.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist zunächst, dass die ,eigene‘, etruskische oder tuskanische Ordnung zwar nicht aufgegeben wird, aber erkennbar am unteren Ende der Hierarchie der Ordnungen rangiert. Sie fusionierte spätestens ab augusteischer Zeit mit der ebenfalls schon im hohen Hellenismus abgewerteten dorischen Ordnung zu einem System von Formen minderen Anspruchs, das eher für Zweckbauten verwendet wurde. Bei den Ursachen dafür überlagern sich ästhetische und pragmatische Motive: Das dorisch-tuskanische hatte nicht die Pracht der ionisch-korinthischen Ordnungen, und war damit auch erkennbar preiswerter herzustellen. Bemerkenswert ist des weiteren, dass die Römer mit der Übernahme der griechischen Säulenordnungen sich fremde Architekturformen in einem Umfang aneignen, wie das keine andere der großen antiken Kulturen vor ihnen getan hat. Eine Regionalmacht wie Ägypten baute in hellenistischer Zeit neben der ,modernen‘ hellenistischen Architektur auch weiterhin Tempel der in pharaonischer Zeit entwickelten Typen, und selbst eine viel begrenztere Regionalarchitektur wie die Lykiens (im Bereich der türkischen Südküste) hielt an ihren eigenen Bauformen viel länger fest als die Römer.

Die Übernahme der griechischen Säulenordnungen ist, theoretisch gesehen, ein einfaches Kopieren. In der Praxis dürfte dieses Kopieren jedoch erhebliche Anforderungen an die Ausführenden gestellt haben, und zwar aus drei Gründen. Säulen und Gebälke etruskischer Tempel waren aus Holz. Steinmetzen hatten natürlich auch schon vorher in Rom gearbeitet, jedoch stellte – wie im Zusammenhang mit der Ausbildung schon angesprochen – das Bearbeiten von Hartgesteinen wie Marmor ganz andere Anforderungen an Werkzeuge und Technik als das Bearbeiten von relativ weichem Tuff oder Travertin. Zudem waren die komplexen griechischen Formen, wie insbesondere das korinthische Kapitell, eher Aufgaben Bildhauer als für Steinmetzen. Auch konzeptionell war das 'einfache Kopieren' nicht immer einfach, wie das schon erwähnte Beispiel des Tempel von Cori belegt.

Was die Römer übernahmen, ist nur zu einem geringen Teil als griechische ,Klassik‘ einzustufen, und insofern handelt es sich auch nicht um irgendeine Form von Historismus. Die Römer waren vielmehr an der aktuellen späthellenistischen Architektur interessiert. So haben sie sehr wahrscheinlich von der Architektur des ptolemäischen Alexandria und seiner Einflussgebiete411 das Konsolgeison, die verkröpften Gebälke und die Konchen412 von dort übernommen. Zu diesem Komplex gehört sicherlich auch der sog. erste pompeianische Stil. Dieser sog. ,Mauerstil‘ bezeichnet an Wänden von Räumen eine Sockelzone, bei der Quadermauerwerk in Putz oder Stuck imitiert wurde.413 Das Vorbild solcher Wanddekorationen war die Verkleidung von Mauern in Inkrustationstechnik, d. h. das Verblenden mit Platten aus wertvollem, farbigen Gesteinen. Alle diese Elemente stehen für den Luxus, der sich in den Nachfolgestaaten des Alexanderreiches mit ihren enormen Ressourcen entwickelt hatte, im griechischen Mutterland hingegen kaum finanzierbar war. An eben diesem Luxus waren vor allem die Mitglieder der spätrepublikanischen Oberschicht Roms, die durch die römischen Eroberungen teilweise zu kolossalem Reichtum gelangt waren, beim Bau ihrer Privathäuser interessiert.

Im Gegensatz zu den Architekturformen kopierten die Römer nur sehr selten komplette Gebäudetypen, sondern modifizierten die Typen, an denen sie Interesse hatten. Eine Ausnahme davon ist der Rundtempel, den die Römer schon am Ende des 2. Jhs. v. Chr. übernahmen (in Rom auf dem Forum Boarium). Sei Vorbild war die griechische Tholos. Im Bereich der Bautechnik übernahmen die Römer vor allem den Keilsteinbogen (ausführlich dazu unten), sowie die Technik der Herstellung von hydraulischem Mörtel für Zisternen und Wasserleitungen durch Beimischung von Ziegelmehl und Ziegelsplitt (sog. Cocciopesto bzw. opus signinum, phönizisch414 oder etruskisch415). Cocciopesto wurde ab spätrepublikanischer Zeit auch im Wohnbereich von Häusern als hochwertiger Estrich verwendet.

Mischformen

Häufig kombinierten die Römer Elemente aus der eigenen Architektur mit Elementen fremder Architekturen. Der Grund, das fremde Vorbild nicht vollständig zu übernehmen, liegt praktisch nie nachweisbar darin, dass es am know-how dafür gefehlt hätte, und auch nicht darin, dass spezielle Materialien nicht verfügbar gewesen wären. Man kann hier einen gewissen Konservatismus der Bauherren annehmen, ein Traditionsbewusstsein, oder auch, dass sich bestimmte Elemente der heimischen Bauweise im Sinne der Ansprüche und Bedürfnisse einfach bewährt hatten.

Ein typisches Beispiel für ein hybrides Entwurfsmuster – mit erheblichen Freiheitsgraden – ist der ,römische‘ Tempel der späten Republik und der Kaiserzeit416, der Komponenten der etruskischen und der griechischen Bautradition miteinander verband. Von den Etruskern übernahmen die Römer den Unterbau des Tempels in Form eines Podiums mit vorgelagerter Freitreppe anstelle des umlaufenden Stufenbaus der Griechen (Krepis). Auch bei den Grundrissformen wurden etruskische Elemente beibehalten. Dazu gehört, dass häufig anstelle der an allen vier Seiten umlaufenden Säulenstellung des griechischen Peripteros die Römer an der Rückseite eine durchgehende Wand platzieren, die die dann dreiseitige Säulenstellung abschloß (sog. sine postico). Zur etruskischen Grundrisstradition zählt weiter, dass – bei Tempeln für mehrere Götter – die maximal drei Kulträume (Cellen) nebeneinander angeordnet wurden, während sie bei den Griechen normalerweise417 hintereinander angeordnet waren, was bei einer abschließenden Rückwand keinen eigenen Zugang für die hintere Cella zugelassen hätte. Auch einige Details des Aufrisses gehörten zur etruskischen Tradition, die man oft – aber nicht immer – findet, etwa der etwas spitzere Winkel des Satteldachs, oder die Flaschenform der Entasis, bei der der maximale Säulendurchmesser nicht am Fuß des Schaftes liegt, sondern unterhalb der halben Höhe der Säule. Trotz aller dieser etruskischen Elemente des Entwurfs wird das Erscheinungsbild der Bauten von griechischen Formen dominiert, denn für die Säulenstellungen einschließlich der Gebälke verwenden die Römer ab der späten Republik an Tempeln nahezu ausschließlich griechische Architekturformen, und zwar meist die korinthische Ordnung.

Ein weiteres Beispiel desselben Typs sind die luxuriösen Privathäuser, wie man sie vor allem aus den Vesuvstädten kennt. Sie entsprechen nicht einfach dem zeitgenössischen hellenistischen Typ des Peristylhauses. Vielmehr wurde das traditionelle etruskisch-römische Atriumhaus418 um ein Peristyl erweitert, das häufig eine kleine Ziergartenanlage mit einem Säulenumgang einfasste. Eine einfache Übernahme des Peristylhauses dürfte für die Römer schon deshalb nicht infrage gekommen sein, weil das Atriumhaus auf die gesellschaftlichen und rituellen Konventionen der römischen Oberschicht abgestimmt war, indem etwa bestimmte Hausbereiche für den täglichen Empfang der Klienten durch den Inhaber bzw. Patron reserviert waren, andere für die Verehrung der Vorfahren, und ähnliches.

Hybride findet man auch im Bereich der Architekturformen. Besonders prägnant in dieser Hinsicht ist das sog. Kompositkapitell, bei dem der untere Teil des korinthischen Kapitells, ein Kelch aus Blattranken (Kalathos) mit den dem oberen Teil des ionischen Kapitells, den Voluten und dem flachen Abakus, kombiniert wurde.419

Weiterentwicklungen und Transformationen

Es gibt eine ganze Reihe von römischen Gebäudetypen, bei denen deutlich der Einfluss der hellenistischen Architektur spürbar ist, aber ohne dass – wie bei den Mischtypen – römische und hellenistische Elemente einfach miteinander verbunden worden wären. Die hellenistische Interpretation bestimmter Bauaufgaben fungiert hier gleichsam als Anstoß, eigene Typen (weiter) zu entwickeln, wobei bestimmte hellenistische Elemente aufgenommen und integriert werden.

Ein Beispiel dafür ist das römische Forum.420 Als gewachsenes administratives und merkantiles Zentrum existierte es bei den Römern gleichsam schon immer, denn der ,Urtyp‘, das Forum Romanum, stammt aus einer Zeit, in der die Römer noch gar keine Kontakte mit dem hellenistischen Osten hatten. Anregungen haben die Römer später aufgenommen, vor allem aus den spätklassischen und hellenistischen Stadtanlagen, bei denen die Agora planvoll in das orthogonale Straßenraster integriert war421 Die geordnete Verbindung von Platz und Straßen war allerdings ein Planungsgedanke, den die Römer schon von ihren Militärlagern her kannten, wo die Hauptgebäude (principia) auch am Schnittpunkt der Hauptstraßen errichtet wurde. Hinzukam aus dem Osten die vollständige Einfassung des Platzes mit offenen Säulenhallen, in deren Rückseite häufig Ladenzeilen integriert wurden. Das römische Forum bleibt aber eine eigenständige Entwicklung durch den Einschluss der genuin römischen Basilika,422 den Tempeltyp (Podiumstempel als Capitol oder Jupitertempel) und anderes. Die Römer haben solche Platzanlagen immer an örtlichen Gegebenheiten, Traditionen oder Vorbebauungen ausgerichtet, und niemals im strikten Sinne typisiert.

Ein anderes Beispiel für ein komplexes Konzept, das ebenfalls deutlich hellenistischen Einfluss offenbart, ist das Terrassenheiligtum. Die Römer nahmen hier, ohne Zweifel in Kenntnis der entsprechenden Anlagen des Ostens (Asklepiosheiligtum auf Kos, Heiligtum der Athena Lindia auf Rhodos), den Planungsgedanken auf, nicht nur die Platzierung der Gebäude in eine Gesamtplanung zu integrieren, sondern die gesamte Anlage auf die Lage des Ortes an einem Hang oder auf einer Bergkuppe abzustimmen. Die Bauten wurden sozusagen auf das Panorama ausgerichtet, das der Ort schon von Natur aus vorgab. Die prominentesten Beispiele für solche Anlagen, das Heiligtum der Hercules Victor in Tibur (Tivoli) und das Heiligtum der Fortuna Primigenia in Praeneste, sind in diesem Kontext vor allem von Bedeutung, weil die Römer hier nicht nur eine eigene Interpretation dieses Typs von Heiligtumsanlage vorlegten, sondern dabei auf ihre eigene Bautechnik zurückgriffen, die ihnen Gestaltungsmöglichkeiten bot, die im griechischen Osten nicht gegeben waren: Die Römer legten ihre Terrassen nicht nur durch Anschüttungen und Planierungsarbeiten an, sondern durch den Bau großer Substruktionen in Keilstein- oder Betontechnik, die die Terrassen trugen und vergrößerten.

Dasselbe gilt auch für das römische Theater. Die Römer griffen hier einerseits noch weit stärker auf griechische Vorbilder zurück, die sie modifizierten, indem sie etwa den Zuschauerraum auf einen Halbkreis reduzierten, der bei den griechischen Theatern größer als 180° war. Andererseits und vor allem aber konnten die Römer mit Hilfe ihrer Bautechnik große Theater auch freistehend errichten, während die griechischen Theater für den Zuschauerbereich stets in einen natürlichen Hang nutzten. Die die Sitzreihen für die Zuschauer tragende, massive Konstruktion aus Bogen und Gewölben erreichte dabei häufig Dimensionen, die deutlich über das hinausgingen, was im Osten technisch – und wohl auch finanziell – möglich war. Jedenfalls waren dort freistehende Zuschauertribünen, wenn nicht ohnehin aus Holz, durch einfache Erdanschüttungen realisiert worden. Ähnliches ergibt sich, wenn man den römischen Circus mit dem griechischen Stadion vergleicht.

Neuentwicklungen (Innovationen im engeren Sinne)

Die Römer entwickeln aus ganz unterschiedlichen Gründen Gebäudetypen, die zuvor in der Antike unbekannt waren. Auch deren architekturgeschichtliche Bedeutung unterscheidet sich stark: Einige blieben an die römische Lebensweise gebunden, und gingen gemeinsam mit ihr unter, andere haben großen Einfluss auf die nachantiken Epochen gehabt.

Zu den neuen Gebäudetypen, die eng mit der römischen Kultur verbunden waren, und daher weder Vorläufer noch Nachfolger haben, gehört das Amphitheater:423 Das sog. Gladiatorenspiel (munus gladiatorum) und die Tierhetzen (venationes) gehörten zur römischen Tradition, die zunächst in temporär errichteten Bauten aus Holz stattfanden. Die älteste Arena dieses Typs aus Stein ist das Amphitheater in Pompeji. Im Zusammenhang mit der Brandgefahr der alten Holzbauten entstand in Rom unter Augustus der Plan, auch in Rom selbst einen permanenten Bauten aus Stein zu errichten,424 doch wurde der erste – und für das übrige Imperium vorbildhafte – solche Bau, das Kolosseum, erst 80 n. Chr. unter Vespasian fertiggestellt. Über zweihundert bekannte Anlagen vor allem aus dem 2. Jh. n. Chr. bezeugen den Erfolg des Typus, obwohl er im Osten, der eigene Traditionen der Athletenspiele hatte, kaum aufgegriffen wurde. Trotz des aus dem griechischen abgeleiteten Namens (,Doppeltheater‘) aufgrund der Kombination zweiter Halbkreise für die Zuschauerränge ist der Gebäudetyp mit seinem ovalen Grundriss, seinen freistehenden Rängen und den verschiedenen technischen Einbauten rein römisch.

An Rom gebunden bleiben auch die großen überirdischen Wasserleitungssysteme, die gemeinsam mit den Thermen, die sie unter anderem mit Wasser versorgen, in nachantiker Zeit aufgegeben wurden. Eine der Hauptursachen hierfür ist sicherlich, dass die enormen Ressourcen, die solche Anlagen erforderten, schon in der Spätantike, und erst recht in den folgenden Jahrhunderten der Völkerwanderungszeit, vor keiner Stadt mehr aufgebracht werden konnten. Zu den Architekturinnovationen der Römer, die in nachantiker Zeit keine Verwendung mehr finden konnten, gehört schließlich das mehrgeschossige Mietshaus mit Mauern aus Backstein. Wegen des enormen Zustroms an Einwohnern und wegen der Brandgefahr bei der älteren Fachwerk-Lehmziegelbauweise in Rom entwickelt, fand es schon in römischer Zeit jenseits der unmittelbaren Umgebung der Stadt (Ostia) kaum Verbreitung. So auffällig die äußere Ähnlichkeit zu großen städtischen Wohnbauten weit späterer Epochen ist, kann trotzdem von einer Tradierung des Typs nicht gesprochen werden, da es in Rom nicht – wie später – aus Vollziegelmauern, sondern in caementitium Bauweise gebaut wurde.

Einen vollkommen anderen Stellenwert innerhalb der Baugeschichte hat die römische Basilica. Auch hier ist bisher, trotz der ebenfalls griechischen Bezeichnung (basilike [stoa] = königliche Halle), von einer rein römischen Entwicklung auszugehen, auch wenn von der Baukonstruktion her (Stütze-Gebälk-System) die frühen Basiliken Gemeinsamkeiten mit den griechischen Stoen haben. Für Rom selbst kennt man mindestens drei solcher Hallenbauten, die meist als Markt- und Gerichtshallen genutzt wurden, und schon mittelrepublikanischer Zeit errichtet worden sind: die Basilica Porcia von 185 v. Chr., die Basilica Aemilia von 179 v. Chr., und die Basilica Sempronia von 169 v. Chr., alle benannt mit dem Familiennamen der Zensoren, die ihre Errichtung initiiert hatten. Leider ist von der originalen Architektur dieser Hallen nahezu nichts erhalten.425 Eine Münzdarstellung, die in das Jahr 61 v. Chr. datiert ist (also in die Zeit vor dem augusteischen Neuaufbau nach Brand), zeigt eine zweigeschossige Säulenfassade, wie man sie von einigen hellenistischen Stoen des Ostens kennt. Architektonisch besser bekannt ist die Stoa am Forum von Pompeji (um 120 v. Chr.) .426 Der Bau ist eine geschlossene Halle mit einer innen an allen vier Seiten umlaufenden Säulenstellung, also vom Typus her eine Art monumentales, überdachtes Peristyl. Griechische Stoen waren hingegen immer mindestens nach einer Seite offene Hallenbauten. Die für die Baugeschichte folgenreiche Umformung des alten Bauweise der Hallen fand erst in der Kaiserzeit statt, wofür exemplarisch die Basilica des Maxentius steht: ein dreischiffiger Hallenbau mit einer Apsis an einer Schmalseite und einem überhöhtem Mittelschiff, in dessen oberen Bereich Fenster zur direkten Belichtung des Mittelschiffs eingefügt waren.427 Dieser Typus ist durch die spät- und nachantiken Kirchenbauten über Jahrhunderte von Bedeutung geblieben.

Zu den bautechnischen Innovationen der Römer zählt in erster Linie das Ziegelmauerwerk und die Verwendung von Beton zum Mauer- und Gewölbebau. Mit letzterem direkt zusammen hängen die verschiedenen Formen der Konstruktion von Mauerschalen, die – mit Ausnahme des opus incertum und des opus quadratum – alle von den Römern entwickelt worden sind. Auf die Bedeutung dieser bautechnischen Innovationen soll im Folgenden ausführlich eingegangen werden.

3.10.1 Arbeitsökonomie und Produktivitätssteigerungen

Die Bauweise der Römer, d. h. die Bautechnik und die Bauorganisation, führte zu einer erheblichen Steigerung der Produktivität gegenüber der älteren griechisch-hellenistischen Bauweise. Zu diesem Zugewinn an Effizienz trugen Innovationen in sehr unterschiedlichen Bereichen des Bauwesens bei, die ihrerseits mit sehr unterschiedlicher Zielsetzung entwickelt worden sind. Erst in der Summe führten sie zu:

1einer Reduktion des Arbeitsaufwandes,

2einer Reduktion des Anteils qualifizierter Arbeit, und

3einer Effektivierung der gesamten Materialwirtschaft einschließlich der Logistik.

Ablesbar waren die Ergebnisse der verschiedenen Neuerungen an, gemessen am Bauvolumen, beeindruckend kurzen Bauzeiten. So konnten in der Kaiserzeit komplexe Anlagen wie Foren, Thermen und Paläste in sehr großem Maßstab – mit Seitenlängen von 200 bis über 300 m – in wenigen Jahren fertiggestellt werden:

1die Traiansthermen in 5 Jahren (104 bis 109 n. Chr.)

2das Traiansforum in 7 Jahren (106/7 – 113 n. Chr.)

3die Caracallathermen in 10 Jahre (206-216 n. Chr.)

4die Diokletiansthermen in 8 Jahre (298 – 306 n. Chr.)

5der Diokletianspalast in 10 Jahre (295 bis 305 n. Chr.)

Die Griechen brauchten – unter günstigen Bedingungen – vergleichbare Bauzeiten für die Errichtung eines einzelnen Tempelbaus mittlerer Größe, wie etwa für den Zeustempel in Olympia (16 Jahre, 472–456 v. Chr.) oder für den Parthenon in Athen (9 Jahre, 447–438 v. Chr.). Deutlich größere Projekte konnten häufig gar nicht fertiggestellt werden, wie der Apollontempel auf Naxos, der Apollontempel von Didyma, der zweite Heratempel auf Samos, die Olympieia in Athen und Akragas und sog. Tempel G in Selinunt. Großprojekte der Römer, die unvollendet aufgegeben wurden, wie das Jupiterheiligtum in Baalbek, sind demgegenüber sehr selten.

Zweifellos haben diese Unterschiede bei den Bauzeiten mit den weit größeren finanziellen und materiellen Ressourcen auf Seiten der Römer sowie finanziellen und politischen Problemen bei den Griechen zu tun. Die Tatsache jedoch, dass es selbst dem römischen Kaiser Hadrian mit seinen Möglichkeiten nicht gelang, das Didymaion fertigzustellen, weist aber schon darauf hin, dass die Ursachen nicht allein bei den finanziellen Mitteln und ähnlichen Faktoren zu suchen sind. Zu den Faktoren, die die Bauzeiten wirksam reduzierten, zählen einerseits bestimmte Reorganisationsmaßnahmen innerhalb des Bauwesens, die dauerhaft institutionalisiert wurden, um Abläufe zu beschleunigen und Friktionen zu vermeiden. Instrument dafür war vor allem die Zentralisierung der Bewirtschaftung und Steuerung der Marmorbrüche durch die ratio marmorum (vgl. Abschnitt 3.4.4). Zu den Faktoren zählen zum anderen bestimmte Aspekte in der Entwicklung der Bautechnik, und zwar sowohl bei beim Bauen in caementition Bauweise wie bei reiner Ziegelbauweise. Während die Reorganisationsmaßnahmen direkt auf die Beschleunigung von Bauprozessen zielten, waren die entsprechenden Effekte der Bautechnik kein primäres Ziel bei der Entwicklung dieser Techniken. Sie wurden aus anderen Gründen eingeführt und entwickelt, trugen also indirekt, aber wirksam zur Erhöhung der Produktivität des Bauwesens bei.

Faktoren beider Ebenen wirkten zusammen bei der Entkoppelung von Materialproduktion und Bauprozess. Während im griechischen Werksteinbau die Quader, Steinbalken und Säulentrommeln im Steinbruch erst gebrochen werden konnten, wenn die entsprechenden Bestellmaße vorlagen, also ein konkretes, durchgeplantes Projekt vorher entwickelt worden war, ließen sich die formlosen Materialien des caementitiums wie Kalk, Bruchstein und Puzzolana auf Vorrat produzieren, und anschließend flexibel, also für die unterschiedlichsten Projekte verwenden. Ähnliches gilt für die Ziegel, die zwar kein formloses Material waren, aber durch die Normierung auf nur drei Größenklassen problemlos vorproduziert und gelagert werden konnten. Die Standardisierung der Ziegelmaße war erstaunlicherweise schon zur Zeit von Vitruv etabliert, also zu einer Zeit, als der Ziegel noch gar kein massenhaft verwendetes Baumaterial war. Dass die Römer diese Formate konsequent beibehalten haben, scheint wegen der evidenten praktischen Vorteile aus heutiger Sicht keiner weiteren Begründung zu bedürfen. In der Antike war das aber nicht so, denn die einheitliche Standardisierung der Ziegelmaße ist letztlich an politische Voraussetzungen gebunden, wie man leicht an den Folgen der griechischen Partikularismus erkennt, der dort selbst die Durchsetzung einheitliche Längenmaße verhinderte.

Die Entkoppelung von Produktion und Verwendung bei Marmorbauteilen war hingegen nicht ohne weiteres möglich. Die entscheidende Neuerung war hier die Standardisierung: vor allem Säulentrommeln und Gebälke wurden offenbar, wie schon die Ziegel, in Größenklassen eingeteilt, und konnten dadurch ebenfalls auf Vorrat produziert werden. Die Römer waren in dieser Hinsicht ausgesprochen konsequent: Selbst an einem so bedeutenden Bau wie dem Pantheon in Rom wurden für die Vorhalle Säulenschäfte aus Granit mit ,Normlänge‘ verwendet (40 Fuß).428) Und sogar die Ornamentik marmorner Bauglieder wurde mindestens phasenweise standardisiert, so dass vor allem aus Kleinasien Bauglieder und Sarkophage aus Marmor als Halbzeuge bezogen werden konnten.429 Das bedeutete wiederum, dass man auf der Baustelle selbst auf fachkompetente Steinmetzen, die mit den spezifischen Eigenschaften des Materials vertraut waren, zumindest weitgehend verzichten konnte. Teilweise wurden diese spezialisierten Handwerker auch für größere Projekte von den Steinbrüchen gleichsam ,auf Montage‘ abgeordnet. Die Standardisierung ermöglichte zudem eine Verkürzung der Transportzeiten, da das Material für Zentren wie Rom auf Stapelplätzen in der Nähe zwischengelagert werden konnte. Dadurch wurden zugleich die Bestellzeiten wirksam verkürzt, denn allein eine Bestellung mit Maßen und Stückzahlen von Rom nach Kleinasien zu übermitteln hätte in antiker Zeit Wochen gedauert.

Diese Entkoppelung von Herstellungs- und Bauprozess auch geformter Materialien ist an gewisse Voraussetzungen gebunden: Standardisierung ist nur dann effizient, wenn sie einheitlich Geltung hat, und mit einer effektiven Steuerung des Materialflusses verbunden ist. Dies durchzusetzen war praktisch nur einer zentralen staatlichen Behörde möglich, die die Römer auch etablierten. In diesem Punkt waren die Römer offensichtlich aber nicht dogmatisch. Während beim Marmor die ratio marmorum die Steuerung selbst übernahm, verblieb die Ziegelproduktion lange Zeit bei einer größeren Anzahl privater Unternehmen. Eine gewisse Zentralisierung und zunehmende staatliche Steuerung fand aber auch hier im 3. Jh. n. Chr. statt, indem die Ziegelproduktion zunehmend von den Legionen übernommen wurde.

Zur Entkoppelung von Materialproduktion und Bauprozess tritt als weiterer Faktor die höhere Effizienz der römischen Bautechnik auf der Baustelle hinzu. Das Bauen von Mauern mit caementitium war – anders als das mit Lehmziegeln oder in griechischer Emplektron-Technik – keine technische Beschränkung der Möglichkeiten gegenüber dem älteren Bau mit Naturstein, denn die Druckfestigkeit des römischen Betons lag im Bereich harter Gesteine. Bei reiner Ziegelbauweise war sie geringer, was aber durch größere Mauerstärken annähernd ausgeglichen werden konnte. Die römischen Bauweisen hatten in diesem Sinne keine limitierenden Nachteile, im Sinne der Effizienz aber große Vorteile: Die Endbearbeitung der Quaderflächen auf der Baustelle, also jedes einzelnen Steins vor seinem Versatz, und auf den Sichtflächen nach dem Versatz, konnte ersatzlos entfallen. Dasselbe galt für die Vertikal- und Horizontalverbindungen der Quader, also die von einem Schmied aus Eisen herzustellenden Dübel und Klammern, die Ausarbeitung der Bettungen in den Quadern, in die diese eingesetzt wurden, und das Verbleien der Eisenteile zum Schutz vor Korrosion. Damit war die Baustelle zugleich in sehr viel geringerem Maße auf Fachkräfte angewiesen, denn anders als die Zurichtung der Werksteine erforderte das Mischen des Mörtels und das Vermauern der Ziegel keine bzw. nur geringe Qualifikationen. Römischen Bauleiter konnten also flexibel ihren Bedarf an Arbeitskräften auf den allgemeinen lokalen Arbeitsmärkten decken. Man hat daher auch mit sehr wenig ,festangestellten‘ Baufacharbeitern in entsprechenden Unternehmen zu rechnen. Zur höheren Produktivität im Sinne der Kostenökonomie gehört weiterhin die im Vergleich zur griechischen Bauweise relativ sparsame Verwendung teurer Materialien: Die Römer haben, soweit erkennbar, von Anfang an darauf verzichtet, Mauern aus massiven Marmorblöcken zu bauen. Stattdessen wurden Wände mit vergleichsweise dünnen Marmorplatten verblendet, um die Optik der Marmorarchitektur beizubehalten. Diese Inkrustationstechnik ist keine römische Erfindung, sondern vereinzelt wohl schon in spätklassischer Zeit angewandt worden430 In diesen Kontext gehört wahrscheinlich eine der ganz wenigen Werkzeuginnovationen der Römer, denn die Herstellung von sehr dünnen Inkrustationsplatten ist ohne Säge kaum machbar.431 Für Rom sind mit Wasserkraft angetriebene Steinsägen in jüngerer Zeit nachgewiesen worden.432

Die hier angesprochenen Entwicklungen werfen die Frage auf, ob zu den Innovationen der Römer nicht nur neue Gebäudetypen und Bautechniken zu zählen sind, sondern auch ein Konzept von Rationalisierung des Bauwesens. De facto lassen sich viele Elemente finden, die zu einem solchen Konzept gehören würden: Die Arbeitsorganisation erscheint, wenn man sie der älteren griechischen Bauweise gegenüberstellt, als eine Taylorisierung der Arbeit, denn an die Stelle der bei den Griechen dominierenden Steinmetzen als hochqualifizierte Arbeitskräfte tritt bei den Römern eine Kette von jeweils einfachen Tätigkeiten, die vom Ziegelstreicher bis zum Betonierer reicht. Die Bautechnik der Römer ist im Sinne der Kostenökonomie zweifelsfrei überlegen, aber nicht weniger leistungsfähig, und darüberhinaus gleichermaßen einheitlich und flexibel anwendbar: vom Fundament über die Mauern bis hin zu den Gewölbedecken konnte alles mit der gleichen Bautechnik realisiert werden. Die Kombination von zentralisierter Steuerung des Materialflusses und Standardisierung von Bauteilen entspricht durchaus modernen Strategien zur Rationalisierung von Produktionsabläufen. Der einzige wichtige Punkt moderner Ansätze, der sich in Rom nicht aufzeigen lässt, ist die Substitution von Arbeit durch Maschinen, wofür man aus der Antike aber auch in anderen Wirtschaftsbereichen kaum Beispiele findet.433

Die genannten Elemente der römischen Bauweise haben auch zu Ergebnissen im Sinne einer Rationalisierung geführt, denn die eingangs angeführten Beispiele für enorm kurze Bauzeiten veranschaulichen ja einen deutlichen Fortschritt bei der Produktivität. Trotzdem wäre es aus mehreren Gründen unangemessen, bei den Römern von einer Rationalisierung des Bauwesens im modernen Sinne zu sprechen. Zum einen handelt es sich eindeutig nicht um ein einheitliches Konzept mit der Ökonomisierung des Bauens als übergeordneter, leitender Zielsetzung. Der Vorstellung von Gewinnmaximierung steht bereits unmittelbar entgegen, dass die großen Bauprojekte in der Kaiserzeit meist ja nicht von privaten, auf Gewinn ausgerichteten Unternehmen realisiert wurden. Die Kaiser, die die Projekte initiierten und finanzierten, verkauften ihre Bauten nicht, so dass für sie per se kein Gewinn anfallen konnte, der zu maximieren gewesen wäre. Ihnen ging es um den Prestigewert ihrer Bauten, womit gleichsam die Legitimation ihrer Herrschaft maximiert werden sollte. Man kann an Einzelfragen sogar zeigen, dass beides – Prestigegewinn und Kostenökonomie – im Widerspruch zu einander stand: die Kaiser verbauten häufig auch bei großen Säulen monolithe Säulenschäfte, die wegen der Transportprobleme wesentlich teurer gewesen sein müssen als die bei den Griechen übliche Zusammensetzung der Schäfte aus einzelnen Trommeln. Es gab zudem explizite Äußerungen, die in dieselbe Richtung weisen. So hat der der Kaiser Vespasian einen, im Detail leider unbekannten Vorschlag eines Ingenieurs zum effizienteren Transport von Säulenschaften mit der Begründung abgelehnt. „Du musst mir erlauben, auch den Mann aus dem Volk sein Brot verdienen zu lassen“.434 Den gleichen Gedanken – Bauprojekte als Arbeitsbeschaffung für die Bevölkerung – findet man im 2. Jh. n. Chr. auch bei Plutarch, nur rückprojeziert auf das perikleische Bauprogramm im Athen des 5. Jhs. v. Chr.435

Der Tatsache, dass Kostenökonomie keine übergeordnetes Ziel war, entspricht auch, dass die einzelnen Faktoren, die oben im Sinne der Produktivitätssteigerung angeführt worden sind, mit jeweils unterschiedlichen bzw. eigenen Begründungen eingeführt worden sind: das caementitium ist offensichtlich als Mittel zur Steigerung der Festigkeit und Dauerhaltbarkeit von zweischaligen Mauerwerk eingeführt worden, der Ziegel in Rom als Mittel zur Verbesserung des Brandschutzes, die Standardisierung und zentrale Steuerung der Produktion von Marmorbaugliedern zur Vermeidung von Stillständen bzw. zur Verkürzung von Bauzeiten.

Auch wenn für die Römer ,Rationalisierung‘ kein einheitliches Konzept war, so kann man gleichwohl fragen, ob bei den einzelnen Faktoren die Römer von anderen gelernt haben, und ob möglicherweise später die Ökonomie des römischen Bauens als solche erkannt und fortgeführt worden ist. In ersterem Sinne kann man anführen, dass die Verstaatlichung und zentrale Steuerung vor allem von Produktion und Transport wertvoller Gesteine keine römische Neuerung war: Sie wurde seit ewigen Zeiten im pharaonischen Ägypten praktiziert. Sie gehört damit aber nicht zu den Konzepten, die die Römer der hellenistischen Staatenwelt entlehnt haben, denn das griechisch-ptolemäische Ägypten hatte die zentrale Steuerung nur aus dem pharaonischen Ägypten übernommen und fortgeführt. Zudem gab es unter den hellenistischen Staaten kein auch nur ansatzweise ähnlich stark zentralisiertes politisches System wie das des alten Ägypten, was die Voraussetzung für die strikte Zentralisierung war. Aus eben diesem Grund konnte sie in nachantiker Zeit auch nicht fortgesetzt werden. Zudem bestand in dieser Zeit auch kein entsprechender Bedarf mehr: es war viel einfacher und kostengünstiger, die zahllosen aufgelassenen Monumente des römischen Imperiums zu plündern. Das opus caementitium konnte sich schon im römischen Imperium selbst nicht universell durchsetzen, weil es an die Verfügbarkeit der Puzzolanerde gebunden blieb. Nur der Ziegelstein mit seinen evidenten Vorzügen als Standard-Baumaterial hat sich auf Dauer – bis in die jüngste Zeit – breit durchgesetzt.

3.10.2 Das Opus Caementitium und der Gewölbebau

Unter neueren Architekturhistorikern bezeichnet das Stichwort opus caementicium die bedeutendste Neuerung der Baugeschichte, die mit den römischen Architekten verbunden wird. Gesprochen wird heute, wie schon kurz angesprochen, von der „concrete revolution“, der „roman architectural revolution“, dem „triumph of concrete“ und in ähnlichen Formulierungen.436 Etwas früher hat John Ward-Perkins das opus caementicium als das „Zentralthema der späten kaiserzeitlichen Architektur“ und als „größten Einzelbeitrag Roms zu Geschichte der europäischen Architektur“ eingestuft, und auch Friederich Rakob hat sich früh damit beschäftigt.437

Alle diese Formulierungen meinen natürlich mehr, als sie sagen, denn niemand hätte sie verwendet, wenn es nur darum gegangen wäre, dass die Römer ihre Mauerschalen mit einer sehr harten Gussmasse gefüllt haben, was – nebenbei bemerkt – fast genau das ist, was die Römer die ersten rund zweihundert Jahre mit ihrem Beton im Wesentlichen gemacht haben. Gemeint ist natürlich immer das caementitium als der Baustoff, mit dem die großen Gewölbe hergestellt wurden, die die eindrucksvollsten römischen Bauten gedeckt haben, bzw. letztlich deren Bau überhaupt erst ermöglichten. Beides, Beton und Gewölbe, haben aber unterschiedliche Wurzeln, und deshalb dürfte es zweckmäßig sein, ihnen hier getrennt kurz nachzugehen.

Die Verwendung der Puzzolanerde als Baustoff wird Ende des 3. oder Anfang des 2. Jhs. v. Chr. angesetzt. Nicht exakt ist zu klären, wo das passiert ist. Der Name, den die Römer selbst dafür gewählt haben (pulvis puteolanus), verweist auf Kampanien, da Puteoli (heute Pozzuoli) zu den Vesuvstädten gehört. Vielleicht handelt es sich genaugenommen nicht um eine römische ,Erfindung‘, denn Puteoli, von den Griechen gegründet und später von den Samniten bewohnt, wurde 194 v. Chr. zu einer römischen Kolonie, was ziemlich genau zusammenfällt mit dem Baubeginn des ersten großen Gebäudes in Rom, das in caementicium Bauweise errichtet worden ist: die Porticus Aemilia, eine Hafenhalle am Emporion genannten Tiberhafen (errichtet 193–174 v. Chr.). Sie wird nicht der erste Bau in dieser Technik gewesen sein, was bedeuten würde, dass in Kampanien schon mit Puzzolanerde gebaut worden ist, bevor die Stadt an Rom fiel.

Wie die Qualitäten des pulvis puteolanus entdeckt worden sind, lässt sich ebenfalls nicht mehr genau nachvollziehen. Zweischalige Mauern, die mit Bruchstein sowie Lehm, Sand oder Schutt gefüllt wurden, waren eine sehr viel ältere Form der Bautechnik, die, wie Vitruv anerkennend hervorhebt, von den Griechen strukturell dadurch verbessert worden war, dass sie den Zusammenhalt der Schalen durch Bindersteine oder Eisenklammern sicherten.438 Es ist daher immerhin plausibel anzunehmen, dass in einem Gebiet, wo Vulkanasche als Füllmasse sich anbot und Kalkmörtel zum Mauern verwendet wurde, früher oder später beide Materialien an derselben Mauer verwendet worden sind, und irgendjemandem anschließend auffiel, das diese Mauer stabil blieb, auch nachdem Steine der Schale – die beim Emplektron tragend ist – herausgebrochen waren. Wie auch immer das gewesen sein mag, die Römer hatten jedenfalls reichlich Vulkanasche in der Umgebung ihrer Stadt, so dass Versuche, mit Puzzolana auch Mauern großer Gebäude zu errichten, kein größeres Kostenrisiko dargestellt haben dürfte. Dass diese Art des Mörtels vorher an kleineren Projekten erfolgreich erprobt worden war, ist anzunehmen. Weit weniger spekulativ als solche Überlegungen ist der obige Hinweis, dass es rund zweihundert Jahre gedauert hat, bis das caementitium als geeigneter Baustoff für die Errichtung großer Gewölbe erprobt wurde. Noch für Vitruv war caementitium stattdessen einfach nur ein ungewöhnlich harter Mörtel, der zudem die erstaunliche Eigenschaft hatte, unter Wasser abzubinden.

Parallel dazu, und weitgehend unabhängig von der Nutzung des caementitiums, verläuft die Verwendung der Wölbtechniken. Sie sind ganz sicher keine genuin römische Entwicklung. Umstritten ist nur, von wem die Römer sie gelernt haben. In der Forschung dominiert heute die Auffassung, dass sie von den Etruskern übernommen wurde. Stark umstritten ist allerdings, zu welchem Zeitpunkt. Ein Teil der Forscher sieht die Cloaca Maxima als Beleg dafür an, dass sie in Rom schon im 6. Jh. v. Chr. eingesetzt wurde.439 Sehr gut dazu passt, dass die Etrusker in Südetrurien ab dem 8. Jh. v. Chr. Kanäle in wasserführendem Vulkangestein angelegt hatten, die zur Sammlung von Trinkwasser dienten. Sie wurden zum Teil mit Keilsteinen abgedeckt (sowie in einigen Abschnitten mit opus signinum abgedichtet).440 Andere Forscher haben zwar nicht die Übernahme von den Etruskern, aber deren vorgeschlagene Datierung bestritten, unter anderem mit Verweis darauf, dass die am Ausfluss des römischen Abwassersystems in den Tiber noch heute sichtbaren Bogen einer der vielen späteren Reparaturen angehören. Etruskische Bauten mit Keilsteinbogen, die als Vorbild gedient haben könnten, seien kaum vor dem späten 3. Jh. nachweisbar.441

Geht man mit der Datierung bis ins 3. Jh. v. Chr. herunter, käme auch eine Übernahme der Technik aus den unteritalischen Griechenstädten infrage, denn die Griechen verwendeten die Keilsteintechnik ab der Mitte des 4. Jhs. v. Chr. Interessanterweise berührt man damit Diskussionen, die zum Thema in der Antike selbst geführt worden sind. Seneca erwähnt in einem seiner Briefe,442 dass der stoische Philosoph Poseidonios, der in Rom geachtet war und die Stadt mehrfach in diplomatischer Mission besuchte, den Keilsteinbogen Demokrit zuschrieb. Demokrit habe erkannt, dass es der Schlussstein sei, der die übrigen zusammenhält. Seneca selbst bezweifelt das und nimmt an, dass der Keilsteinbogen älter sei, womit er gemeint haben könnte, dass eben nicht die Griechen, sondern die Etrusker die Technik den Römern vermittelt hätten.

Wie auch immer man die eben angerissenen Fragen beurteilen will, sicher dürfte zunächst einfach sein, dass die entscheidende und auch die genuine Leistung der römischen Baumeister darin zu sehen ist, den Beton als Baustoff mit seinen natursteinähnlichen Eigenschaften und die Wölbtechniken zusammengebracht zu haben, nachdem beides zunächst sehr lange nebeneinander genutzt worden war, denn vom mit drei Keilsteinen überdeckten Abwasserkanal bis zur freitragenden Kuppel des Pantheons war es sicherlich ein weiter Weg. Oder, um genauer zu sein: Die eigentliche Leistung war, die dabei auftretenden Probleme des Bogenschubs und seiner Folgen verstanden, und dafür Lösungen entwickelt zu haben, die auf diesem Verständnis beruhen. Denn die Lösungen, die oben im Abschnitt über den Gewölbebau dargestellt worden sind, beruhen nicht darauf, Festigkeitsproblemen einfach mit massigeren Dimensionierungen zu begegnen, was konstruktiv auch kaum zu brauchbaren Ergebnissen geführt hatte. Die römischen Lösungen zeigen vielmehr sehr genau, dass die Baumeister wussten, wie das Tragverhalten von Gewölben einzuschätzen war, denn anders hätten sie nicht bestimmen können, wo Belastung und wo Entlastung der Stabilisierung der Konstruktion dienen konnte. Wie also sind die römischen Architekten diese Fragen angegangen, und wie haben sie ihr Verständnis der im Bogen wirkenden Kräfte entwickelt, obwohl doch erst in allerjüngster Zeit durch computergestütze Verfahren die Kräfteverhältnisse genau bestimmt und quantifiziert werden konnten? Direkte Aufschlüsse darüber gibt es mangels Quellen nicht, aber einige begründete Vermutungen lassen sich vielleicht formulieren.

Zunächst einmal wird man festhalten können, dass die römischen Baumeister sicher nicht einfach nur von der Festigkeit des seinerzeit schon lange erprobten caementitiums als Baumaterial ausgingen. Die Gewölbe für den Tempel des Hercules Victor im Heiligtum in Tivoli zeigen ein Vorgehen, dass gleichermaßen Experiment und Sicherheitsdenken einschließt. Einerseits verwendete man Beton für die Schalen, andererseits zog man aber an den als besonders belastet angesehenen Abschnitten Rippen ein. Diese Rippen waren Bogen aus Travertin, was nichts anderes bedeutet, als dass man vorsichtshalber in die neuartige Betonschale die bewährteste Technik integrierte, die zur Verfügung stand: die Rippen sind ja letztlich genau die Keilsteinbogen aus Naturstein, deren Tragvermögen aus dem Brückenbau lange bekannt und gesichert war.

Diesen Ansatz, in die Gussschale Verstärkungen einzuziehen, die auf dem Keilsteinprinzip basieren, finden sich in der einen oder anderen Form an fast allen römischen Betongewölben: als Ziegelrippen aus den großen besales, oder auch als Rippen in der Technik, die oben als Lamellenstruktur bezeichnet worden ist. Die römischen Baumeister sind demnach nie davon ausgegangen, dass ihr caementitium beliebig hohe Kräfte aufnehmen konnte, d. h. dieselben Eigenschaften hat wie ein Monolith (eine Kuppel aus einem einzigen Stein, wie am Grab Theoderichs in Ravenna).

Woher aber wussten die Baumeister, in welchen Bereichen der Betonguss selbst durch Auflast stabilisiert werden, und wo eine möglichst leichte Konstruktion das Gewölbe stabilisiert? Beides waren ja Prinzipien, die den Erfahrungen bei Stützte-Gebälk-Systemen direkt widersprachen, da bei Tragbalken Auflast (außer im Bereich der Stützen) immer die Bruchgefahr erhöht. Ein Ansatz für das Verständnis der Spannungen könnten Bauschäden in Form von Rissen im Beton oder Fugenklaffungen in Keilsteinbögen gewesen sein. Solche sich öffnenden Risse auf der Außenseite (vgl. Abbildung oben „Versagen eines Bogens“, Abb. 3.16) geben an, wo der Bogen seine ursprüngliche Form zu verlieren beginnt und wo die entsprechenden Kräfte am stärksten sind. Es liegt nahe, Rissen auf der Oberseite eines Bogens zu begegnen, indem man durch Auflast die Fuge wieder schließt und den sich verformenden Bogen in seine ursprüngliche Form zurückzwingt. Die beschriebenen Stufenringe im äußeren Bereich von Kuppeln kann man aus dieser Sicht als eine Art ,präventiver Reparatur‘ verstehen. Eine andere Erfahrung, die in die gleiche Richtung weist, könnte an den Brücken gemacht worden sein. Die Auffüllungen in den Zwickelfeldern zwischen den Bogen bis zur Fahrbahnebene sind ja ebenfalls hohe Auflasten, die ungleichmäßig die Bogen belasten – außen stark, in der Mitte kaum. Die Baumeister werden sicherlich beobachtet haben, dass diese selektiv aufgebrachten Lasten den Brückenbogen keineswegs verformten, sondern im Gegenteil seine Form stabilisierten.

Die unterschiedlich starken Kräfte, die in den Segmenten eines Bogens wirken, waren auch auf andere Weise beobachtbar beobachtbar. Friedrich Rakob hat, wie schon angesprochen, bei seinen Untersuchungen in Baiae festgestellt, dass in den Kuppeln Deformationen vorhanden sind, die sehr wahrscheinlich von der Überlastung der Lehrgerüste beim Bau herrühren. Das bedeutet, dass der Deformation des Gewölbes eine analoge Deformation des Lehrgerüstes entsprochen haben muss, und zwar ebenso selektiv, wie die Deformationen der Kuppeln selbst. Daran hätte sich gleichsam ablesen lassen, in welchen Bereichen eine Reduktion des Eigengewichts der Kuppel Vorteile bringen würde. Die Umsetzung dieser Beobachtung in eine konstruktive Maßnahme war allerdings ein eigener Schritt. Die Lösung, das spezifische Gewicht des Betons zu variieren durch Verwendung besonders leichter bzw. besonders schwerer Zuschlagstoffe oder durch das Einfügen von Hohlräumen (Tongefäße), wie im Abschnitt über die Baukonstruktion beschrieben, zeigt gleichermaßen Verständnis der Kräfteverhältnisse und Kreativität. Die Beobachtung der Lage und Richtung von Rissen, des Tragverhaltens von Lehrgerüsten und die selektiven Lasten auf den Bogen von Brücken könnten jedenfalls Ansatzpunkte gewesen sein, an denen die Baumeister ihr Verständnis von den im Bogen wirkenden Kräften und den Methoden zur ihrer Sicherung entwickelt haben.

Ein letzter Aspekt der ,concrete revolution‘, der hier noch kurz ausgeführt werden soll, betrifft die Verbreitung der in Rom neuentwickelten Technik des Betongewölbes. Interessant ist hier vor allem der Osten des Imperiums, und speziell die auf dem Gebiet der heutigen Türkei liegenden Provinzen. Dort lag eine nicht geringe Anzahl reicher Städte, die schon in hellenistischer Zeit ein sehr hohes urbanistisches Niveau erreicht hatten, und auch keineswegs ihre eigenen Bautraditionen zugunsten der Entwicklungen in der Hauptstadt aufzugeben bereit waren. Zu den Ursachen dieses Beharrungsvermögens zählt aber nicht nur das erkennbare Selbstbewusstsein, mit dem diese Städte bei den hergebrachten Bauaufgaben beispielsweise ihre eigenen Gebäudetypen (Tempel, Stoen usw.) und Architekturformen beibehielten, sondern auch ein schlichter Mangel: Es gab dort keine Puzzolanerde. Je eindrucksvoller die Bauten in der Hauptstadt sich entwickelten, umso stärker wurde zugleich der Druck, nachzuziehen. Das gilt natürlich vor allem bei den Bautypen, die in Italien völlig neu entwickelt worden waren, und für die kein eigenes, gleichwertiges Pendant zur Verfügung stand. Das beste Beispiel dafür sind die großen Thermen, und damit notwendig verbunden, die Wasserleitungen. Daraus ergab sich der Anstoss für eine Entwicklung, die letztlich enorm folgenreich war. Man entschloss sich im Verlauf des 1. Jhs. n. Chr. zum Bau von großräumigen Thermenanlagen, blieb dabei aber zunächst bei der eigenen, bewährten Bautechnik: Die erforderlichen Gewölbe für die großen Räume wurden in Keilsteintechnik errichtet, und zwar mit Naturstein. Wegen der notwendigen, relativ aufwändigen Steinbearbeitung waren solche Projekte sicher nicht schnell zu realisieren, und vor allen auch entsprechend teuer. Im 2. Jh. n. Chr. wurde daher hier eine neue Technik eingesetzt, die einerseits den Bau großer Gewölbe ermöglichte, und andererseits aber ohne Puzzolane auskommen konnte: das Ziegelgewölbe. Paradigmatisch steht dafür der Rundtempel im Asklepiosheiligtum von Pergamon (erbaut 140–175 n. Chr.). Der Bau ist von den Grundzügen des Entwurfs her gesehen – Rotunde mit vorgesetzter Tempelfassade – eine verkleinerte Kopie des Pantheon (Spannweite 23 bzw. 43m). Bautechnisch ist er jedoch alles andere als eine Kopie: Die Rotunde hatte die wohl größte bis dato gebaute Ziegelkuppel, und war daher konstruktiv völlig unabhängig von der Betonkuppel des Pantheon. Bauten mit Backsteingewölben wurden ab der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. im Osten in großer Zahl errichtet.443 Unter den erhaltenen Rundbauten sei hier nur auf die sog. Georgsrotunde in Thessaloniki verwiesen444 Beim Bau dieser Ziegelgewölbe teilweise eigene Mauertechniken entwickelt, die man in Italien nicht findet. Diese Entwicklung war für die langfristige Entwicklung des Gewölbebaus weitaus folgenreicher als die römischen Betonkuppeln. Das läßt sich an einem prominenten Beilspiel illustrieren: Die Hagia Sophia, ein Meisterwerk der byzantinischen Baumeister, war einschließlich ihrer berühmten Kuppel fast vollständig aus Ziegel gebaut.445 Der Kuppelbau vom Typ der römischen Betonkuppeln wurde hingegen – obwohl in Mittelitalien Puzzolana durchaus weiter als Baustoff verfügbar war und verwendet wurde – in nachantiker Zeit nie mehr gebaut. Die ,concrete revolution‘ der Römer bleibt damit innerhalb der Baugeschichte eine isolierte Erscheinung, jedenfalls bis zur Entwicklung des Portlandzements und der Verwendung von Stahlbeton im 19. Jahrhundert.

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Antike Autoren und Sammelwerke

Antike Autoren und Sammelwerke sind nach den international üblichen Abkürzungen zitiert, die nachfolgend aufgelöst sind. Die lateinischen (bzw. griechischen) Originaltexte und englische Übersetzungen der angeführten Werke liegen – wenn hier nicht anders angegeben – in der Loeb Classical Library vor.

App. Appian
– civ. bella civilia / ‚Bürgerkriege‘
Caes. Caesar
– Gall. de bello Gallico / ‚Über den gallischen Krieg‘
Cass. Dio Cassius Dio
Ῥωμαϊκὴ ἱστορία / Römische Geschichte
Cato Cato der Ältere
– agr. de agri cultura / ‚Über den Landbau‘
Cetius Faventinus H. Plommer, Vitruvius and later Roman building manuals, Cambridge: Cambridge University Press 1973, 39–85.
Cic. Cicero
– Verr. in Verrem / ‚Gegen Verres‘
– ad Q. ad Quintum fratrem / Briefe an Quintus
– Att. ad Atticum / Briefe an Atticus
– leg. de legibus / Über die Gesetze
– orat. orator / ‚Der Redner‘
– Tusk. Tusculanae disputationes / ‚Gespräche in Tusculum‘
Cod. Theod. Codex Theodosianus
C. Pharr, The Theodosian Code. And Novels. And the Sirmondian Constitutions. A Translation with Commentary, Glossary, and Bibliography, Princeton: The Lawbook Exchange, 1952
Colum. Columella
de re rustica / ‚Über den Landbau‘
Edict Diocl. Edictum De Pretiis Rerum Venalium
S. Lauffer (Hg.), Diokletians Preisedikt, Berlin: de Gruyter 1971
Dig. Digesta oder Pandekten, Teil des Corpus Iuris Civilis
zitierte Autoren:
Gai. Gaius
Ulp. Ulpian
Th. Mommsen, P. Krüger (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Hildesheim 1889
Diod. Diodorus Siculus
bibliotheca historica/Universalgeschichte.
Dion Hal. Dionysos von Halikarnassos
– ant. Ῥωμαικὴ ἀρχαιολογία / ‚Römische Altertümer‘
Fest. Festus
de verborum significatione / ‚Über die Bedeutung der Wörter‘
Frontin. Frontinus
– de aq. de aquis urbis Romae / ‚Über die Wasserversorgung Roms‘
Gell. Gellius
noctes Atticae / ‚Attische Nächte‘
Iuv Juvenal
saturae / ‚Satiren‘
Liv. Livius
ab urbe condita / Geschichte Roms
Nep. Nepos
ap. priscian / Fragmente
P. K. Marshall (Hg.), Cornelii Nepotis Vitae cum fragmentis, Leipzig 1977
Plin. Plinius der Ältere
– n. h. naturalis historia / ‚Naturgeschichte‘
Plin. Plinius der Jüngere
– epist. epistulae / ‚Briefe‘
Plut. Plutarch
– Cato mai. Cato Censorius / Cato d. Ä.
– Crass. Crassus
– Demetr. Demetrios
– Per. Perikles
– Pomp. Pompeius
Polyb. Polybios
Ἱστορίαι / Geschichte
Prok. Prokop
– aed. Περὶ κτισμάτων / Über die Bauten
Sen. Seneca
– ep. epistulae morales ad Lucilium / ‚Briefe an Lucilius‘
Serv. Servius
–Aen. commentarius in Vergilii Aeneida / Kommentar zu Vergils Aeneis
SHA Historia Augusta
Sidon. Sidonius Apollinaris
– epist. epistulae / ‚Briefe‘
Strab. Strabon
–geogr. Γεωγραφικά / Geographie
Suet. Suetonius
de vita Caesarum / ‚Kaiserbiographien‘
Aug. Augustus
Caes. Caesar
Tib. Tiberius
Vesp. Vespasian
Stat. Statius
– silv. Silvae / ‚Gedichte‘
J. S. Phillimore, Silvae. Oxford 1905 ff. (Oxford Classical Texts)
Tac. Tacitus
– ann. Annalen
Theophr. Theophrast
– hist. plant. historia plantarum / ‚Naturgeschichte der Gewächse‘
– caus. plant. de causis plantarum / ‚Über die Ursachen des Wachstums‘
Varro Varro
– L. L. de lingua Latina / ‚Über die lateinische Sprache‘
Vell. Velleius
historia Romana / ‚römische Geschichte‘
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Personenindex

Ortsindex

Fußnoten

Cic. Tusk. 1.5. (O. Gigon) – Antike Autoren und Werke sind im Folgenden nach den international üblichen Abkürzungen zitiert. Eine Liste, in der die hier verwendeten Abkürzungen aufgelöst sind, befindet sich am Ende dieses Beitrags.

Umfassende Darstellungen zur Geschichte Roms: Scheidel et.al. 2007; Haase and Temporini 1972ff.; Bengtson 1982; Gabucci 2007; Heuss 2007.

Beispiele unten S. 385.

Für den folgenden Abschnitt zur Tätigkeit der Zensoren ist zu beachten, dass die zur Verfügung stehenden Quellen alle relativ spät sind, d. h. im wesentlichen aus dem späten 1. Jh. v. Chr. oder aus noch späterer Zeit stammen.

Im 1. Jh. n. Chr. haben allerdings einige Kaiser die Zensur selber übernommen, u. a. Claudius und Vespasian.

Diese Zeitspanne, lustrum genannt, entsprach einem periodischen Reinigungsritus.

Polyb. 6.13.3.

Liv. 40.46.16.

Liv. 43.16. Zu den Finanzmitteln vgl. Strong 1968, 97f..

Frontin. de aq. 6.

Liv. 35.41.10.

App. civ. 1.4.28; Velleius 1.15.3.

Liv. 6.32.1.

Frontin. de aq. 5.

Liv. 4.22.7.

Vgl. z. B. Liv. 43.16.13.

Liv. 40,51,4.

Frontin. de aq. 5.

Frontin. de aq. 6.

Ihr Aufgabenbereich ist zusammenfassend beschrieben bei Cic. leg. 3.3.7. Vgl. dazu Kunkel and Wittmann 1995.

Frontin. de aq. 95.

So bauen die kurulischen Ädilen 193 v. Chr. zwei Portiken, beide Aemilia genannt, und einen Handelsmarkt (Emporium) am Tiber; im Folgejahr 192 noch eine weitere Säulenhalle; Liv. 35.41.10.

Frontin. de aq. 7.

Mitglieder des Senats war als einzige wirtschaftliche Betätigung die Landwirtschaft erlaubt.

Badian 1972. Der Terminus publicani, der an sich alle Unternehmer bezeichnet, die staatliche Aufträge übernahmen, bezeichnet in der Literatur häufig speziell die Steuerpächter.

Liv. 39.44.6-8, Plut. Cato mai. 19.

Liv. 43.16.

ILLRP 465, 465a, 466 = ILS 5799; = CIL VI, n. 40904 a.

CIL I 809.

ILLRP 518 = ILS 5317 (FIRA III 153). Die bis heute ausführlichste Darstellung ist die Dissertation von Wiegand 1894, 661–775.

Die Lesung ist unsicher.

Vgl. zur Syngraphé Abschnitt. 8.2.10 im Beitrag über das griechische Bauwesen.

Cic. Verr. 2.130–153. Zu berücksichtigen ist dabei naturgemäß, dass es sich dabei um eine Anklage handelt, die den Streitfall einseitig aus Sicht des Klägers darstellt. Die Rede ist im übrigen nie vor Gericht gehalten wurde, sondern schriftlich veröffentlicht worden, nachdem Verres zuvor auf Anraten seines Rechtsbeistandes ins Exil nach Massilia (Marseille) gegangen war, womit das Verfahren beendet war.

In den englischen Übersetzungen ist diesbezüglich von „whitewashing“ (B. O. Foster) die Rede, in deutschen analog von „Tünche“ (Gerhard Krüger). Das dürfte sachlich falsch sein. Die Säulen des republikanischen Tempels waren aus Travertin, einem porösen Gestein, das üblicherweise mit einer Stuckschicht überzogen wurde. Sie musste nach Demontage der Trommeln zwangsläufig erneuert werden.

Wahrscheinlich Decimus Junius Brutus, der Vater des Caesarenmörders Decimus Iunius Brutus Albinus. Publius Junius könnte auch ein Freigelassener des älteren Decimus Junius Brutus gewesen sein; vgl. Kolb 1995, 475.

Die Zuständigkeit erklärt sich zum Teil dadurch, dass zwischen 86 und 70 v. Chr. keine Zensoren amtierten.

Strenggenommen nicht, weil das Mündel seine Selbstkosten ja nicht erstattet bekommen würde.

Damit waren Bauten aus Lehmziegeln, nicht aus gebrannten Ziegeln, gemeint.

Suet. Aug. 28.3.

Frontin. de aq. 117.

Frontin. de aq. 116.

Frontin. de aq. 99; 102; 104; 106; 125; 127.

Frontin. de aq. 100.

Für den vom Staat, d. h. vom Senat finanzierten Teil der Cura standen 250.000 Sesterzen an Einnahmen aus dem Verkauf von Wasserrechten zur Verfügung, soweit sie nicht unterschlagen wurden. Mit Domitian hat sich selbst ein Kaiser an dieser Kasse bedient; Frontin. de aq. 118.

Frontin. de aq. 119.

Frontin. de aq. 117.

Vgl. dazu die jüngeren Untersuchungen der Reihe „Cura Aquarum in...“, der Kongress-Serie zur Geschichte des Wasserbaus des Leichtweiß-Instituts der Technischen Universität Braunschweig. Erschienen sind Bände zu Ephesos, Sizilien, Jordanien und Israel.

Inschriftlich bekannt durch CIL 6.8631, 301, 8482, 33790; 11.31995. Allerdings ist nicht einmal der Name der Behörde gesichert. Ausführlicher zur ratio marmorum hier S. 297.

Vgl. Kolb 1993.

Zu den Militärarchitekten s. S. 377.

Siehe die oben erwähnten Inschriften zu den Reparaturen an der Via Caecilia.

Cato agr. 14f.

Zusammengestellt von Martin 1982.

Sie wurde aber noch in der juristischen Literatur beispielhaft herangezogen. Frage Stipulator: „Versprichst Du, ein mehrstöckiges Wohnhaus an diesem Ort innerhalb von 2 Jahren zu bauen“ – Antwort Promessor: „Ich verspreche“. Dig. 45.1.124.

Mehr zum personenrechtlichen Status unten im Abschnitt über die Architekten.

Auch Setzwaage genannt. Sie bestand aus Holzleisten, die in der Form des Buchstaben „A“ zusammengesetzt waren, an dessen Spitze ein an einer Schnur aufgehängtes Lot befestigt war. Sie diente zum Nivellieren, ähnlich wie die spätere Wasserwaage.

Cic. ad Q. 3.1.

Plin. ep. 9. 39.

Gai. D 19, 2, 25, 7.

Lab D 19, 2, 62

Gell. 19.10.

Vitr. 1. 2. 2.

Ausführlicher dazu im Beitrag über das griechische Bauwesen im vorliegenden Band, Abschnitt. 2.3.5.

Vitr. 6.8.9.

Suet. Caes. 1.31,1.

Die Geschichte ist in einer mittelalterlichen Quelle enthalten. Der Autor war ein Mönch des 11. Jhs. mit Namen Xiphilinus, der vor allem aus Cassius Dio exzerpierte.

Plut. Pomp. 42. 4. Die Übersetzung bei Heisel 1993, 184, derzufolge Pompeius den Plan selbst gezeichnet haben, halte ich für unzutreffend.

Frontin. de aq. 1.17.

Zur Maßstäblichkeit Heisel 1993, 205f.. Die von ihm angeführte Vitruvstelle (1.2.2) ist in diesem Punkt aber gerade nicht eindeutig auf Zeichnungen bezogen. Nach meinem Verständnis geht es Vitruv hier, sozusagen im Gegenteil, darum, dass die Dimensionierungen eines Gebäude durch Rechnung, und gerade nicht durch Zeichnung bestimmt werden sollte, und zwar durch proportionale Ableitung von sekundären Größen aus den Hauptmaßen. Dieser Punkt ist für Vitruv essentiell, denn nur durch rechnerische Bestimmung der Größen lässt sich die Kommensurabilität der Maße erreichen, die die ,Symmetrie‘ sichert, die für Vitruv der Schlüssen für harmonisch gestaltete Entwürfe ist.

Modulus, griechisch Embater, Vitr. 1.2.4; 4.3.3.

Vitr. ebenda.

Diese eindeutig aus der griechischen Architekturtradition stammende Vorgehensweise ist im Detail im Beitrag über die griechische Architektur in diesem Band, Abschnitt 8.8.6 beschrieben.

Der Geminus zugeschriebene Text findet sich angehängt an die Schrift des byzantinischen Autors Damianos über die antike Optik; s. Schöne 1897.

Zur Konstruktion der Entasis in der frühneuzeitlichen Architektur vgl. den entsprechenden Beitrag von A. Becchi in dieser Publikation. Eine authentische graphische Konstruktion einer griechischen Entasis zeigt die Abb. 2.8. im Beitrag über die griechische Architektur.

Vitr. 9. praef. 4f.

Vitr. 1.1.12.

Vitr. 1. praef. 3.

Sozusagen Vitruvs Grundbekenntnis zur Naturphilosophie in 2.2; die Behandlung der Puzzolana in 2.6. Auch bei der Darstellung der Eigenschaften der verschiedenen Bauhölzer wird von ihm auf die Vier-Elemente-Lehre häufig Bezug genommen.

Vgl. Vitr. 5.4f. – Die von ihm vorgeschlagenen Schallbecken als Verstärker sind weder theoretisch plausibel noch durch Funde nachweisbar.

Vitr. 3.3.11.

Zu den Refinements vgl. die Beiträge im von L. Haselberger organisierten Symposion zu diesem Thema, in Haselberger 1999.

Vitr. 6.2

Vitr. 3.5.9.

Vitr. 4.4.2f.

Vitr. 3.5.11 (Winkel); 3.5.9 (Architravhöhe); 3.3.11 (Verstärkung der Ecksäulen).

Cic. Att. 2.3.

Zu Cyrus ausführlich Anderson 1997, 32–34. Cyrus dürfte entweder ein Freigelassener oder ein freigeborener Fremder (ohne römisches Bürgerrecht) gewesen sein.

Vgl. unten S. 290ff.

Zu nennen ist hier vor allem die These von Noëttes 1931, derzufolge die Antike keine effiziente Anschirrung der Zugtiere gekannt habe, was die Transportleistung, und damit die gesamte Wirtschaftsentwicklung der Antike nachhaltig behindert habe.

Vitr. 2.9.14. Frisch geschlagenes Lärchenholz hat ein Raumgewicht von 900 bis 1000 kg/cbm. Weitgehend ausgetrocknet, liegt das Gewicht deutlich niedriger, so dass es sicher schwimmt.

Vgl. Abschnitt 3.5.6 über die Produktion gebrannter Ziegel.

Plin. n.h. 36.1.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist etwa das durch die Beschreibung bei Athenaios bekannte, spektakuläre Großprojekt Hierons II. von Syrakus. Das mit extremem Luxus ausgestattete Schiff sollte unter anderem auch als Getreidefrachter dienen, absolvierte aber nur wenige Fahrten.

Zur Geschichte Ostias s. Calza and Nash 1959; Meiggs 1973.

Die porticus inter lignarios wurde 192 erbaut, Liv. 35.41.10. Das Viertel der Schreiner und Holzhändler dürfte demnach noch älter sein.

Schon im 2. Jh. v. Chr. hatte Rom Getreide aus dem ptolemäischen Ägypten bezogen. Diese Lieferungen gehörten aber noch nicht zur normalen Versorgung der Stadt, sondern waren eine politische Geste der um ein Bündnis mit Rom bemühten Ptolemäerkönige.

Zu den Hafenbauprojekten und Hafenerweiterungen unter Traian zählen neben der Neuanlage des Portus-Hafens und dem Hafenbau in Centumcellae (Civitavecchia) auch die Anlagen bei Terracina; vgl. Seelentag 2008, 5.

Zum Fernstraßennetz vgl. unten Abschnitt 3.7.1.

Iuv. 3.252-4.

Iuv. 3,236f.

Plin. n.h. 36.24.

Schönfelder 2000; zum keltischen Wagenbau Karl 2003.

Langdon a. a. O.

Die Anschirrung für nur ein Zugtier war natürlich auch bekannt, wie einige in der hier angeführten Literatur abgebildete Wandmalereien und Reliefdarstellungen belegen.

Etwa auf einer Wanddekoraktion in der Villa Regina in Bosco Reale, wo ein fest mit der Achse verbundenes Scheibenrad dargestellt ist (DNP6, 1101).

Das Abschmieren der Radnaben ist schon beim älteren Cato erwähnt.

DNP 6,1999, 1100, sv Landtransport, cf. Colum. 7.2.1.

DNP 6, 1104.

Vgl. den Beitrag über das griechische Bauwesen im vorliegenden Band Abschnitt 2.5.1.

Vgl. den Beitrag über das griechische Bauwesen im vorliegenden Band Abschnitt 2.5.2.

Zum aktuellen Stand der Diskussion zusammengefasst Anderson 1997, 171ff.. Vgl. auch Bernard 2010.

Die als Beleg hierfür in der Forschung häufiger angeführte Passage bei Suetonius (Tib. 49.2.) belegt die Verstaatlichung von Steinbrüchen nicht, denn dort ist nur angegeben, dass Tiberius Gemeinden und Privatleuten die Schürfreche für Erze (das ius metallorum) entzog.

Unter Hadrian soll die ratio nach dem Vorbild der Militärorganisation reformiert worden sein, vgl. die Epitome de Caesaribus s.v. Hadrian; s. auch Anderson 1997, Anm. 157.

Eine der bekanntesten Katastrophen ereignete sich 27 n. Chr. in Fidenae (Fidena) bei Rom kurz nach der Fertigstellung des für Gladiatorenkämpfe in Holz errichteten Amphitheaters. Ursache war anscheinend die mangelnde Festigkeit des Baugrunds, in Verbindung mit Qualitätsmängeln bei der Zimmermannsarbeit. Nach Tacitus (ann. 4. 62f.) kamen bei dem Einsturz 50.000 Menschen ums Leben. Sueton (Suet. Tib. 40) spricht von 20 000 Toten. Tacitus schreibt den Einsturz nicht der Holzkonstruktion an sich zu, sondern der extrem billigen Bauausführung, die dem Besitzer – einem Freigelassenen namens Atilius – umso größeren Profit bringen sollte.

Dazu ausführlich hier S. 359.

Dion Hal. 1.37.4.

Vitr. 2.9f. Als Herkunftsländer der Zeder nennt er Kreta, Syrien (d. h. den heutigen Libanon) und ,Africa‘, womit das heutige Algerien und Marokko gemeint sind.

Strab. 5.2.5.

Vitr. 2.9.16. Verwendet wurde Lärchenholz in Rom für Brücken.

Plin. n.h. 12ff.

Theophr. hist. plant.; caus. plant.

Vitr. 2.9f.

Vitr. 2.9.5.

Vitr. 2.10.1-2.

Plin. n.h. 16.36.

Suet. Aug. 28.3. Vgl. Cass. Dio 56.30.3–4.

Strab. 5.3.7.

Epit. de Caes. 13, 13.

Martial 7, 20, 20.

Cic. Att. 14.9.

Plut. Crass. 2

Entsprechendes Quellenmaterial ist zusammengestellt bei Bottke 1999, Kap. 5.4.

Plin. n.h. 36.24. Er erwähnt diese Tatsache übrigens im Zusammenhang seiner Ansicht, dass Rom die bedeutendsten Bauleistungen der Geschichte geschaffen habe.

Vgl. Vitr. 2.8.16.

Vitr. 2.8.16-18.

Vitr. 2.8.18.

Erstaunlich insofern, als Herculaneum am Fuße des Vesuv buchstäblich auf Puzzolanerde gegründet war, womit hoch belastbares, betonähnliches caementitium Mauerwerk kostengünstig hätte verwendet werden können.

Der Verputz ist im Inneren Hauses auch erhalten. Vitruv spricht ihn 2.8. 20 mit Selbstverständlichkeit an, und erwähnt dabei das Problem der Risse im Putz durch das Arbeiten des Holzes.

Das Bauen in Fachwerktechnik wurde in Rom sicher nie ganz aufgegeben, denn beispielsweise für das nachträgliche Einfügen von Trennwänden, die schon aus statischen Gründen kein hohes Gewicht haben durften, waren die leichten und dünnen Fachwerkwände gut geeignet.

Vgl. dazu den Artikel über das Bauen im Neolithikum von D. Kurapkat im Band I.

Vitr. 2.3.

Vitr. 2.3.1.

Stroh erhöht die Wärmedämmung des Ziegel, was von Vitruv jedoch nicht erwähnt wird.

Vgl. dazu Vitr. 2.8.16–18.

Vitr. 2.3.2.

Er führt hier (2.8.8ff.) unter anderem den Palast des Königs Mausolos an, der für sich auch das berühmte Mausoleum – eines der sieben Weltwunder – errichten ließ. Ein Beispiel für einen klassischen Tempel, bei dem die Cellawände über einem Orthostatensockel aus Lehmziegeln erbaut worden sind, wäre der Tempel der Despoina in Lykossoura.

Vitr. 2.8.8. Stillschweigend vorausgesetzt dürfte dabei sein, dass die Mauerkronen gesichert waren (dazu im folgenden) und die Außenflächen gegen Schlagregen durch Putz geschützt bzw.regelmäßig außen mit Lehm neu bestrichen wurden.

Vitr. 2.8.18. – Eine Bauweise, die man noch heute an Backsteinbauten des 19. oder 20. Jahrhunderts beobachten kann, bei denen über der eigentlichen Ziegelwand ein solches Gesims, ebenfalls aus Ziegeln, vorkragend aufgemauert ist.

Plin. n.h. 2.84.(82).

Stichworte, teilweise auch von Vitruv gestreift, wären hier: Schnelligkeit der Bauausführung, einfache Wiederverwendbarkeit des Materials, Wärmedämmung in Winter und Hitzeschutz im Sommer.

Vitr. 2.7.1.

Vitr. 2.7.

Vitr. 2.8.

Vgl. dazu Kap. 3.9.2.

Plin. n.h. 36.3 (3.) bzw. 37.1. Der Hymettos ist ein Berg in Attica, in dem bereits im 6. Jh. v. Chr. Marmor gebrochen wurde.

Plin. n.h. 36.7 (mit bezug auf Nepos). Mamurra war auch für einen – temporären – Theaterbau zuständig, nach dessen Niederlegung er die Säulen in sein Privathaus geschafft haben könnte.

Plin. n.h. 36.5 (6.)

Plin. n.h. 36.48.

Plin. n.h. 36.49; vgl. 10 (7).

Plin. n.h. 36.1.

Strab. 5.2.5.

Lehm enthält immer einen Anteil Ton. Ist dieser Anteil relativ gering, haben die Backsteine eine geringere Festigkeit.

Mittleilung des LWL http://www.lwl.org/pressemitteilungen/mitteilung.php?urlID=24843. Vgl. auch http://www.archaeologie-online.de/magazin/nachrichten/roemischer-ziegelbrand-brachte-hohe-leistung-und-gute-qualitaet-17670/.

Die Basilica wurde um 120 v. Chr. errichtet. Ohr and Rasch 1991.

Sie werden gesammelt im Band XV.1 des CIL.

Das gilt allerdings nicht für alle Formen von römischem Mauerwerk. Mehr dazu unten im Abschnitt über die Mauern.

Prominente Beispiele dafür sind etwa der zweite Dipteros im Heiligtum von Samos, der hellenistische Tempel von Dydima bei Milet, das Olympieion in Athen, und in Selinunt der sog. Tempel G. Bei den meisten dieser Bauten haben sicher auch andere Ursachen für die Bauunterbrechungen eine Rolle gespielt. Es bleibt aber bezeichnend, dass selbst die Initiativen des Kaisers Hadrian nicht zur Vollendung der genannten Tempel in Athen und Didyma ausgereicht haben.

Vitr. 2.5.1. Silex bezeichnet genaugenommen eine Basaltlava, wurde aber auch als allgemeine Bezeichnung für harten Stein verwendet.

Vitr. 2.5.

In der italienischen Literatur auch cocchiopesto genannt, vgl. dazu Marta 1990, 34. Wurde opus signinum für Fußböden verwendet, wurden die Masse, der auch größere Terrakotta-Fragmente beigemischt wurden, anschließend poliert, gefirnisst und poliert mit unterschiedlichen Rezepturen, die Leinöl, Wachs, aber auch Rotwein enthalten konnten. Ausführlich dazu Vassal 2006.

Der sog. Romancement.ist nicht antik, sondern ein Baustoff des späten 18. Jhs,, der als hydraulischer Kalk aus stark tonhaltigem Kalkmergel gebrannt wurde, und etwa ab Mitte des 19. Jhs. von dem neuentwickelten Portlandzement verdrängt wurde.

Daher halte ich die Überlegung von L. Lancaster, die einen Zusammenhang zwischen dem Bau der ersten römischen Aquaedukte und dem Aufkommen des opus caementitium sieht, für nicht überzeugend.

Das gilt etwa für den Stillwater Staudamm in Colorado. Die Parallelen beziehen sich auf die Zusammensetzung des Beton. Es wurde neben Portlandzement ca. 70% Flugasche aus Kohlekraftwerken – ein künstliches Puzzolan – anstelle des sonst üblichen Sandes verwendet. Auch die Verarbeitung dieses Betons mit relativ wenig Wasser und zusätzlichem Verdichten ähnelt der römischen Bautechnik. Vgl. Moore 1995.

Vitr. 3.4; 6.8.

Marcellus-Theater (Rossetto 1995, 99), Circus von Arles (Sintès and Arcelin 1996, 78).

s. Abschnitt 3.7.2 über Brücken.

in Sardeis, Kleinasien: Hanfmann 1983; Maxentius-Basilica in Rom: Calabresi and Fattorini 2005, 77–79; Kolosseum in Rom: Lancaster 2005b, 57–59.

Vgl. Lancaster 2008 Abb. 10.1.

Grundlegend bis heute Lugli 1968, 140ff.. Sehr ausführliche und reich bebilderte Darstellung der Mauerwerksformen bei Adam and Mathews 1994, 127–150.

So am Amphitheater von Grand, s. Adam and Mathews 1994, 139. Der Fall ist das auch bei vielen Brücken- und Festungsbauten, s. u.

Der Abstand zwischen den durchbindenden Ziegelschichten beträgt häufig rund zwei Meter, s. Adam and Mathews 1994, 126.

Vitr. 2.8.1.

G. Lugli etwa bezeichnet in seiner grundlegenden Arbeit La tecnica edilizata als opus caementitium nicht jedes Gussmauerwerk bzw. den Gusskern, sondern nur Bruchsteinmauerwerk mit unregelmäßiger, kleinsteiniger Verblendung, vgl. Lugli 1968, 140ff..

Nachweise zu Vitruvs Begrifflichkeit oben in Abschnitt 3.5.2.

Vitr. 2.8.1 und 5.

Plin. n.h. 36.51.

So am Capitolinum von Terracina (Mitte 1.Jh. v. Chr.), s. Kammerer-Grothaus 1974, 229.

Vgl. etwa die sehr ähnlichen Definitionen bei Lamprecht 1996, 40 (quadratum) und Lamprecht 1996, 43 (vittatum).

So nachgewiesen an den Stabianerthermen, s. Adam and Mathews 1994, 147 Fn. 59.

Suet. Tib. 37.1. Strenggenommen lag das Lager zur Zeit seiner Erbauung außerhalb der Stadt, weil das Gesetz verbot, dass bewaffnete Truppen sich in der Stadt aufhielten.

Zum Brand Tac. ann. 15.42.

Vgl. Abschnitt 3.5.2 über die Holz-Lehmziegel-Bauten vor allem in den Wohnbereichen der Stadt.

Vitr. 2.8.3ff. Vitruv denkt bei der Sicherung des Verbandes aber nicht an opus mixtum, das er – wegen der marginalen Bedeutung von Backstein zu seiner Zeit – auch nirgendwo erwähnt, sondern an Bindersteine wie beim griechischen Emplektron, und an die Verwendung von Eisenklammern.

Vgl. zu den verschiedenen Erklärungsansätzen Adam and Mathews 1994, 143.

Vgl. die Angaben der Tabelle S. 39 in: Ulrich 2007. Das Odeion des Agrippa auf der Athener Agora hatte eine Holzdecke mit einer Spannweite von 25,75 m, ist aber der römischen Architektur zuzurechnen.

An der Traiansbrücke über die untere Donau und am Odeion des Herodes Atticus am Südabhang der Athener Akropolis, beide aus dem 2. Jh. n. Chr.

Die folgenden Abschnitte sollen lediglich versuchen, einige grundlegende Zusammenhänge der in Bogen und Gewölben wirkenden Kräfte deutlich werden zu lassen. Exakte Analysen sind ausgesprochen komplex, so dass im Kontext historischer Gebäude nach wie vor Fragen offen sind. Noch 1951 kam eine amerikanische Untersuchung zu dem Ergebnis: „A general survey of the methods in use for the design or analysis of a voussoir arch indicated that these were largely of an empirical nature.“ Pippard and Chitty 1951. Eine für das theoretische Verständnis des Tragverhaltens von Baukonstruktionen wichtige Vorgehensweise ist die Analyse der Stützlinien, die zu den Methoden der graphischen Statik gehört. Eine ausführlichere Darstellung, wie sich Stützlinien römischer Gewölbe bestimmen lassen, findet sich im Appendix 4 von Lancaster 2005a, 255ff. In den letzten Jahren wurden zudem vermehrt neu entwickelte numerische Verfahren zur Analyse historischer Bauten eingesetzt, vor allem die Finite-Elemente-Methode (FEM), sowie Materialuntersuchungen, durch die exaktere Daten zu Materialqualität in Berechnungen und Simulationen einfließen können.

Zit. nach Fitchen 1986, 72.

Strenggenommen ist jeder Bogen in der Architektur ein Tonnengewölbe. Im Folgenden werden als Bogen Gewölbe bezeichnet, deren Achse kleiner ist als die Spannweite.

Schon Vitruv empfiehlt für Thermen wegen der Feuchtigkeit Decken ex structura, also aus Mauerwerk statt aus Holz, gibt aber alternativ für Balkendecken auch die Konstruktion einer abgehängten Hohldecke aus Ziegeln an, die an Eisenstangen zu befestigen waren, um die Feuchtigkeit vom Gebälk fernzuhalten (Vitr. 5.10.3).

Beispielsweise am Serapeum der Villa Hadriana, s. Rasch 1985, 133. Stichkappen werden erst in der Barockarchitektur zu einer Normalform der Belichtung.

Vgl. die Liste bei Rasch 1985.

Vitr. 6.8.3.

Ward-Perkins 1988, 107f.; die am Pantheon von außen sichtbaren Entlastungsbogen sind hingegen durchbindend.

Im Orient bekannt war das aus Lehmziegeln erbaute, nubische Gewölbe, bei dem die Ziegel mit Seilen und Gewichten fixiert wurden, so dass der zu überdeckende Raum beim Bau leer bleiben konnte. Beispiele aus Ninive und Ktesiphon bei Hart 1965.

Bei einer Maueröffnung – Fenster, Tür oder Tor – konnte man den offenen Raum auch provisorisch, z. B. mit gestapelten Ziegelsteinen ausfüllen, die nach dem Aufmauern und Erhärten des Bogens wieder entnommen wurden, wie es schon bei Philon (2. Jh. v. Chr.) für den Bau eines Kragsteintores beschrieben ist (Philon, Buch 8 Paraskeuastika).

Die Mehrheit der Forscher nimmt ein solches, zentrales Lehrgerüst an; contra Adam and Mathews 1994, 175f.; Taylor 2003, 195–208.

Auf solchen Balkennestern beruhen auch die meisten Rekonstruktionen von hölzernen Dachtragwerken.

Hingewiesen sei hier nur auf die Belagerung von Rhodos 305/4 v. Chr. durch die Truppen des Königs Demetrios. Die Angaben zur Basislänge und zur Höhe des berühmten Belagerungsturmes des Athener Architekten Epimachos schwanken in den Quellen stark (Höhenangaben zwischen ca. 30 und 45m, vgl. Diod. 20.91.2; Plut. Demetr. 21.1; Vitr. 10.16.4).

Zum mehrgeschossigen Wohnbau in Fachwerktechnik vgl. oben Abschnitt 3.5.2.

Bei Dachstühlen, die lediglich die Lattung und die Dachziegel tragen mussten, sind die genannten freien Spannweiten allerdings schon früh deutlich überschritten worden (mit Tragwerken vom Typ der sog. Palladiana? Zur Bedeutung solcher Tragwerke in der Spätantike vgl. Valeriani 2006). Erwähnt sei als Beispiel dafür das theatrum tectum in Pompeji, das kurz nach 80 v. Chr. erbaut wurde, nachdem die Stadt von den Römern erobert und durch Sulla zur römischen Kolonie gemacht worden war. Der Bau war vom Typus her einem griechischen Odeion zu vergleichen. Das namensgebende Dach, dessen Konstruktion anhand der Baureste nicht rekonstruierbar ist, hatte eine freie Spannweite von ca. 25 m, was mit einfachen Balken nicht zu überdecken gewesen wäre.

Vgl. Abb. 20 bei Lancaster 2005a.

Zur Traiansbrücke s. unten S. 369.

F. Rakob, Römische Kuppelbauten in Baiae, RM 95 (1988).

Rakob 1961, 138f.; Datierung „augusteisch“ bei 188, Abb. 447.

Schnittzeichnung mit Details bei Hess 1943.

Abgebildet bei Adam and Mathews 1994, 425, Zeichnung F. A. Choisy.

Vgl. dazu ausführlich Lancaster 2005a, 29ff. sowie die Liste entsprechender Bauten, ebenda Appendix Catalogue 2D.

Zum Gewicht der unterschiedlichen Gesteinsarten der caementa umfassend Lancaster 2005b, 59ff.

Beschrieben mit Proportionsregeln für die Dimensionierung bei Vitr. 6.8.6.

Zum folgenden vgl. Lancaster 2005a, 268f.

Zur Verwendung von Eisenankern ausführlich Lancaster 2005a, 113ff.

Dion. Hal. 3.67.5.

della Portella 2004 (org. italienisch 2003)

Appia teritur regina longarum viarum; Stat. silv. 2.2.

Strab. 5.3.6.

Liv. 38.28.3.

Liv. 41. 27.5. Die Angabe von G. Pisani Sartorio in della Portella (2004) 26, die Appia sei schon 191 v. Chr. bis Capua komplett gepflastert gewesen, ist unzutreffend.

Die Leuge war ein (ursprünglich keltisches?) Längenmaß, das eine Wegstunde bezeichnete. Sie wurde ab traianischer Zeit als Wegmaß verwendet und mit eineinhalb römischen Meilen gleichgesetzt (ca. 2,2 km).

Überblick über die in Südwestdeutschland nachgewiesenen Formen der stationes bei Seitz 2005.

Ulpian Dig. 43.8.2.20-24.

Liv. 1.33.6. Die Regierungszeit des Königs Ancus Marcius wird von der Tradition in die Jahre 640–616 v. Chr. gesetzt.

Caes. Gall. 4.17.

Zu den Brücken über den Bosporus und die Dardanellen siehe den Beitrag über die griechische Architektur im vorliegenden Band Abschnitt 2.6.9.

Vitr. 5.12.5(6).

Vitr. 5.12, 1–5.

Man könnte, wie etwa Fensterbusch in der entsprechenden Passage seiner Übersetzung, von einem Senkkasten sprechen. Das ist allerdings missverständlich insofern, als „Senkkasten“ in der heutigen Terminologie einen unten geschlossenen Kasten bezeichnet. Vitruvs Verfahren entspricht eher dem, was man heute als „Kofferdamm“ (engl. coffer dam) ansprechen würde.

CIL VI 1199a.b = CLE 899; Galliazzo and Chevallier 1995, 45.

So am Pont-Saint-Martin im Aostatal, vgl. O’Connor 1993, 169.

So beispielsweise bei Schneider 2005, 9.

Die Aufnahme zeigt spätere Reparaturbogen. Die originalen Segmentbogen sind jedoch gesichert durch die Ansätze der Bogen an Pfeilern, bei denen das Mittelstück der Bogen nicht mehr erhalten ist.

Cass. Dio 68.13 und Prok. aed. 4.6.11–18.

Die Darstellung ist in dieser Hinsicht nicht ganz eindeutig. Sicher scheint zu sein, dass der jeweils unterste Sprengbogen an dem Bohlenkasten unter den dreieckigen Böcken abgestützt war. Ob auch die mittleren Sprengbögen dort abgestützt waren (wie auf der Detail-Abbildung rechts), oder schon an den Streben der Böcke (wie auf der Detail-Abbildung links), ist uneinheitlich dargestellt.

Cic. Att. 3.1

Zur Inschrift vgl. Donderer 1996, A142.

Vitr. 8.6.2; Frontin. de aq. 1.25.

Apollodor beispielsweise soll noch unter Hadrian die Aufrichtung der der ca. 30m hohen Statue der Luna geleitet haben, die der Kolossalstatue des Sol (die zuvor eine Kolossalstatue Neros war) beigefügt werden sollte. SHA Hadrian 19,12.

Vitr. 10.1f.

Belegt unter anderem durch Apollodors Schrift über die einfachen Kriegsmaschinen.

Vitr. 10.3ff. Der Uhren- und Orgelbau durch Architekten ist nur bei Vitruv bezeugt (vgl. Vitr. 9.)

Zu den Inschriften, die Schiffbauarchitekten nennen, s. Donderer 1996, 45f. und Katalog. Textquellen zum Schiffbau sind nicht erhalten.

Mit Ausnahme von Vitruv, der jedoch kein Neubauprojekt geleitet hat, cf. Frontin. de aq. 1.25.

Dig. 50.10.3.2.

Zur Terminologie der Inschriften vgl. Donderer 1996, 18–24.

Vitr. 1. praef. 2.

Vitr. 5.1.6–10.

Frontin. de aq. 1.25, vgl. Vitr. 8.6.2.

Auch hier fehlen allerdings für die erwähnten Projekte meist dezidierte Angaben. Explizit bestätigt ist für ihn in den Quellen nur die Traiansbrücke und das Traiansforum. Vor allem fehlt der Nachweis, dass er das Pantheon entworfen hat.

Vitruv erwähnt, dass diese Architekten sich nicht um Kommissionen bewarben, sondern von den Bauherrn angesprochen wurden; Vitr. 6. praef. 6. Vgl. aber für die Kaiserzeit Gell. 19.10.2.

Plut. Crass. 2.

Sicher unzutreffend als „slave architect Cyrus“ angesprochen bei Burford 1972, 126.

Cic. Att. 14.3.

Es handelt sich um eine kampanische Bauinschrift aus der Mitte des 1. Jhs. v. Chr., deren letzte Formulierung lautet: „Architekt (war) Hospes, der Sklave der Appia“. Vielleicht war die Namensnennung eine Bedingung der Besitzerin. Donderer 1996, A118.

Vgl. die entsprechenden Abschnitte im Artikel über das griechische Bauwesen.

Vitr. 1. praef. 2.

Donderer 1996, 41–45. Dort wird auch deutlich, dass innerhalb der Legionen für Architekten ein Aufstieg von der Fachabteilung zu einem regulären militärischen Kommando möglich war.

Dig. 50.6.7.

A. Victorinus, tätig unter Justinian: Donderer 1996, A24–29.

Zu den Freigelassenen und den Sklaven des Kaiserhauses allgemein s. Chantraine 1967.

Tac. ann. 15.42.

Zu Rabirius vgl. Anderson 1997, 55.

SHA Hadrian 19.13; Dieselbe Quelle, die Historia Augusta, enthält allerdings auch den – wenig glaubwürdigen – Bericht über die Ermordung Apollodors auf Befehl Hadrians, kann also nicht als durchgängig glaubwürdig eingestuft werden.

Vgl. Donderer 1996, 51–55 mit Sammlung der Belege.

Vitr. 6. praef. 6.

Das Material ist zusammengestellt bei Donderer 1996, 58 m. A. 204f.; vgl. auch Anderson 1997.

Rom bezog seinen Marmor in dieser Zeit – allerdings kaum zur Verwendung in der Architektur – aus dem Ägäisraum. Die Brüche von Carrara waren seinerzeit noch nicht erschlossen.

Dabei wird – etwa von Anderson 1997, 45 – angenommen, dass der in der Inschrift genannte Unternehmer (redem[ptor]) mit Namen L(ucius) Cocc(eius) identisch ist mit dem oben angesprochenen freigelassenen Architekten Lucius Cocceius Auctus; zurückhaltender hingegen Donderer 1996, A105, der zu bedenken gibt, das die in der Inschrift genannten Person auch der Freilasser der Auctus gemeint gewesen sein kann

Strab. 5.4.5.

Vitr. 6. praef. 4.; vgl. auch 4.8.7.

Donderer 1996, A155 mit entsprechendem Kommentar.

Freigelassene waren die im voraufgehenden Abschnitt schon genannten Architekten Chrysippus und Corumbus, wobei bei beiden nicht klar ist, ob ihr Freilasser selbst Architekt war oder nicht, und wenn ja, ob der Freilasser selbst freigeborener römischer Bürger oder seinerseits ein Freigelassener war. Vgl. zu beiden Anderson 1997, 33.

Edict Diocl. 7,74.

Dig. 19.2.13.3 (Ulpian).

Hist.Aug.Alex.Sever. 44,4.

Cod. Theod. 13.4.1.

Cod. Theod. 13.4.2.3.

Polybios kam als Geisel nach Rom, nachdem der Archäerbund, an dessen Leitung er beteiligt war, von den Römern vernichtend geschlagen worden war. Er hatte später Zugang zu führenden römischen Persönlichkeiten ('Scipionenkreis'), und wurde auch als Berater der Scipionen bei Feldzügen geschätzt.

Zu Catos Auffassungen vgl. etwa Plin. n. h. 29.14.

Cic. orat. 2.265.

Zum Tempel von Cori ausführlicher und mit der weiteren Literatur Osthues 2005, 67f.

Plin. n. h. 34.31; 36.42

Vell. 1.11; 2.1.

Vitr. 3.2.5.

Vgl. dazu ausführlicher die Angaben zum Marmorimport oben im Abschnitt über die Baumaterialien.

Nep. ap. Priscian 8.17.

Plin. n.h. 36.25f.

Cic. orat. 1.62. Mit der möglichen Verteidigung des Hermodoros durch M. Antonius will Cicero sagen, dass ein kompetenter Gerichtsredner auch sachgerecht über Fachgebiete sprechen könne, die nicht in sein eigenes Fachgebiet fallen.

Plin. n. h. 36.42. Allerdings hat der Hinweis bei Plinius eher anekdotischen Charakter, denn die Architekten Saura und Batrachus (wörtlich: Eidechse und Frosch) sollten ihr Werk trotz Verbot signiert haben mit kleinen Ritzzeichnungen, die ihre Namen bildlich darstellten; vgl. Donderer 1996, 31.

Plin. epist. 10.40.3.

Vgl. dazu den Beitrag über die griechische Architektur im vorliegenden Band Abschnitt 2.8.2

Vitr. 4. praef. 1.

Vitr. 7. praef. 12.

Prok. aed. 4.6.12–13.

Cass. Dio.68.13.

Plinius erwähnt Vitruv im Zusammenhang mit Holz (n.h. 16,1), Stein (n.h. 36,1) und Farbe (n.h. 35,1).

Bei Cetius Faventinus unter dem Titel de diversis fabricis architectoniae.

So bei Servius in seinem Vergil-Kommentar vom Ende des 4.. Jhs. n. Chr. (Serv. ad Aen. 6.43). Sidonius Apollinaris, Stadtpraefekt von Rom und später Bischof, zitiert ihn in seinen Briefen ebenfalls (Sidon epist. 4.3.5 und 8.16.10).

Vitr. 6.8.8.

Vitr. 1.1.18.

Vitr. 1. praef. 3.

Vitr. 6. praef. 4.

Vitr. 1. praef. 3.

Vitr. 6.8.3.

Vitr. 5.10.3–4.

Vitr. 6.8.7.

Vitr. 4.1.1f.

Vitr. 2.6.

Zur Entwertung der dorischen Ordnung, zum Tempel von Cori und zu Vitruvs Lösung des Eckkonflikts ausführlicher Osthues 2005.

Weitere Kandidaten für die Stellung als erster Rundbau von zwanzig oder mehr Metern Durchmesser mit Betonkuppel wären der sog. Mercurtempel in Baiae und der sog. ,Apollontempel‘ am Averner See, die beide ebenfalls zu Thermenkomplexen gehörten. Siehe oben S. 336.

Vitr. 5.10.4.

bessales und sesquipedales, Vitr. 5.10.2.

Vgl. oben S. 302.

Kurze, aber kritische Bewertung der praktischen Relevanz Vitruvs auch bei Anderson 1997, 187, sowie bei Jones 2000b.

Ein solcher Wandertempel ist aus Kassope in Nordwestgriechenland bekannt. Der Anlass für die Zerlegung und den Wiederaufbau des Tempels an anderer Stelle war die Gründung der Stadt Nikopolis (,Siegerstadt‘). Sie wurde von Augustus zum Gedenken seines Sieges bei Actium angelegt. Die Bewohner der umliegenden alten Gemeinden wurden gezwungen, in die neuangelegte Stadt umzusiedeln. Vgl. dazu Hoepfner and Schwandner 1994, 144, und weiter zu Wandertempeln die ebd. Anm. 324 genannten Literatur.

Sowohl die genaue Herkunft wie die Art des Gebäudes hat sich jedoch nicht bestimmen lassen. Zum Wrack s. Hellenkemper-Salies et.al. 1994.

Vgl. den Beitrag über die griechische Architektur im vorliegenden Band Abschnitt 2.3.6.

Vitr. 5.11.1; 6.3.10; 6.7.7. Vitruv bezieht sich damit summarisch auf die Bautraditionen Mittelitaliens, die er von denen der Kelten im Norden und der Griechen im Süden absetzt. Vgl. dazu Spoleto 2004.

Der Einfluss der alexandrinischen Architektur lässt sich zwar nur sehr begrenzt an Ausgrabungen in Alexandria selbst nachvollziehen, da die Stadt modern überbaut ist. Wichtige Hinweise gibt aber die Architektur der Cyrenaika im heutigen Lybien, die direkt von Alexandria beeinflusst gewesen sein dürfte; vgl. dazu Pesce 1950; speziell zum Konsolgeison Hesberg 1981.

Konchen, griechisch „Muschel“, lateinisch concha, bezeichnet eine im Grundriss runde Nische in Wänden, mit halbkuppelförmigem oberem Abschluss, der oft mit in Stuck ausgeführter Kassettierung ausgestaltet war.

Zu den pompeianischen Stilen grundlegend: Mau 1882; speziell zum ,Mauerstil‘ Laidlaw 1985.

Cocciopesto findet man früh im westlichen Teil Siziliens, in Selinunt und Solunt, d. h. von Griechen gegründeten Städten, die lange Zeit unter punischer Herrschaft standen.

Cocciopesto wurde bereits in archaischer Zeit von den Etruskern zur Abdichtung von Wasserkanälen verwendet, vgl. Ravelli and Howarth 1984.

Das Nebeneinander zweier Kulträume ist vereinzelt auch in Griechenland anzutreffen, etwa bei den Tempeln auf dem sog. Dörpfeld-Fundament auf der Athener Akropolis.

Das Atriumhaus ist bisher frühestens im 4. Jh. v. Chr. nachweisbar, und zwar in Etrurien wie auch in Rom. Allein aufgrund von Baubefunden wäre es daher nicht eindeutig zu sagen, ob es sich um einen etruskischen oder einen römischen Haustyp handelt; s. auch Barton 1996. Die Römer selbst schrieben das Peristylhaus aber den Etruskern zu, so Varro (LL 5.161.5) und auch Sextus Pompeius Festus (Paul. Fest. 12.18ff.).

Kompositkapitelle finden sich zuerst in flavischer Zeit (letztes Drittel des 1. Jhs. n. Chr.). Der Typus wurde noch in frühbyzantinischer Zeit.verwendet.

Die Integration der Agora in ein rechtwinkliges Straßenraster gilt als Konzept, das Hippodamos von Milet bei der Anlage des Piräus – des Kriegs- und Handelshafens von Athen – im ersten Viertel des 5. Jhs. v. Chr. erstmals entwickelt und verwirklicht hat; vgl. Hoepfner and Schwandner 1994.

Zur Basilika s. den folgenden Abschnitt.

Suet. Vesp. 9.

Eine Ausnahme davon ist die Basilica Aemilia; allerdings ist die Zuordnung der Bauglieder zu den verschiedenen Bauphasen bzw. Restaurierungen nicht mit Sicherheit möglich.

Zur Maxentiusbasilica s. oben S. 352.

So an dem aus Lehmziegeln erbauten Palast des karischen Königs Maussolos, cf. Plin. n. h. 36,47. Plinius nennt hier den Palast des Königs als erstes (ihm bekanntes) Bauwerk mit Marmorinkrustationen, für die Marmorblöcke mit der Steinsäge in zu Platten zerschnitten wurden. Vitruv (2.8.10), auf den sich Plinius ausdrücklich bezieht, spricht allerdings nicht von gesägten Marmorplatten, sondern von Verputz, womit er einen Putz aus Kalk und Marmormehl gemeint haben könnte, der anschließend geschliffen worden sein dürfte („Sie sind so glatt verputzt, daß sie die Durchsichtigkeit von Glas zu haben scheinen“). Zu römischen Inkrustationen vgl. Bitterer 2013.

Die Steinsäge war bereits in augusteischer Zeit bekannt; Vitruv erwähnt eine Säge mit gezahntem Blatt für das Schneiden weicher Tuffe, Vitr. 2.7.2.

Vespasion hat die Vorteile der vorgeschlagenen Verfahrensweise sicherlich erkannt, denn er honorierte den Vorschlag, obwohl er ihn nicht aufgriff; Suet. Vesp. 18.

Plut. Per. 10.

Vitr. 2.8.5f.

Sen. ep. 90.32.

Noch häufiger, „als die Zahl der registrierten Beispiele vermuten lässt“, Ward-Perkins 1988, 177.

Nur die vier die Kuppel tragenden Pfeiler sind aus Naturstein errichet.