2 Kontexte und Fragestellungen

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DOI

10.34663/9783945561140-03

Citation

Rebohm, Simon (2017). Kontexte und Fragestellungen. In: Frühe Mikroskopie: Beobachtung als Forschungspraxis. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

2.1 Naturphilosophie

2.1.1 Erste Beurteilungen: Skepsis und Zögern

Bisherige Kontextualisierungen von mikroskopischen Beobachtungen gehen zumeist davon aus, dass diese jeweils unter bestimmten, disziplinär geprägten Bedingungen stattgefunden haben. Angesichts der bereits angedeuteten personellen und thematischen Überschneidungen und Differenzen erscheint es jedoch ratsam eher danach zu fragen, ob und zu welchem Ausmaß bestimmte geistesgeschichtliche Traditionen in Form von Perspektiven und Thematiken die Durchführung mikroskopischer Beobachtungen beeinflusst haben. Somit kann einerseits die Möglichkeit besser berücksichtigt werden, dass die Akteure ihre Forschung in mehrere Kontexte gestellt haben könnten. Andererseits können etwaige Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Kontexten auf diese Weise leichter erfasst werden. Im folgenden soll es also nicht darum gehen, die Geschichte mikroskopischer Beobachtungen innerhalb der Naturphilosophie (und dann der Naturgeschichte und Medizin) nachzuvolliehen, vielmehr soll der Einfluss und die Relevanz dieser Traditionen auf die Forschung mit diesem neuen Instrument beleuchtet werden. Dabei sind einerseits explizite Auseinandersetzungen mit Traditionen und ihren Begrifflichkeiten zu untersuchen, andererseits ist zu beachten, in welchem Zusammenhang die traditionelle Kontextualisierung einer Thematik und die tatsächliche Ausrichtung spezifischer Beobachtungen standen.

Grundsätzlich lassen sich zwei Ebenen unterscheiden, auf denen Mikroskopie und Naturphilosophie zueinander in Bezug traten: Erstens konzipierte eine Reihe von Forschern ihre Beobachtungen hinsichtlich der Thematik und der Auswahl der Objekte in engem Zusammenhang mit naturphilosophischen Theorien. Hierzu zählen vor allem die Fälle, in denen die Beobachtung von bestimmten Stoffen auf ihre mikroskopischen Strukturen hin dadurch motiviert worden war, dass verschiedene Korpuskularphilosophien versucht hatten, die Eigenschaften und Veränderungen von Materie aus den Formen und Bewegungen kleinster Partikel zu erklären. Zweitens wurden aber die Beobachtungen allgemein aus philosophischer Perspektive bezüglich ihres prinzipiellen Erkenntniswertes unterschiedlich beurteilt, wodurch weitere Forschung angeregt oder behindert werden konnte.

Beide Aspekte traten zunächst eher in allgemein gehaltenen, programmatischen Ausführungen in Erscheinung als im Zusammenhang mit konkreten Untersuchungen: Francis Bacon warnte in seinem Novum Organon (1620) generell vor Fehlinterpretationen von Beobachtungen im Zusammenhang mit theoretischen Konzepten, wobei er sich explizit auf den Atomismus bezog. Zudem wies er darauf hin, dass technische Unzulänglichkeiten eine breite Anwendung des Mikroskops in der Forschung noch behindern würden.1 Galileo Galilei erwähnte im Gegensatz dazu in Il Saggiatore (1623) mikroskopische Beobachtungen gerade als ein Mittel, um den Atomismus zu bestätigen, beließ es aber diesbezüglich ebenfalls bei prinzipiellen Bemerkungen.2

Auch René Descartes beschränkte sich in seiner Dioptrique (1637) darauf, dem Mikroskop einen grundsätzlichen Nutzen im Kontext einer korpuskularen Naturphilosophie zu bescheinigen, ohne detailliert auf konkrete Beobachtungen einzugehen.3 Bemerkungen über die Transparenz von Stoffen bei optischer Vergrößerung, die sich in einem Brief an Marin Mersenne im Januar 1630 finden, deuten jedoch an, dass er zuvor bereits Untersuchungen an verschiedenen Objekten durchgeführt hatte, während er 1640 in einem weiteren Brief eher die technischen Probleme von Mikroskopen betonte.4 In Übereinstimmung hierzu hatte sich auch Descartes’ Epistemologie verändert: Während er der Empirie zunächst noch einen größeren Stellenwert eingeräumt hatte, wurde nun, nicht zuletzt aufgrund von Unzulänglichkeiten in der praktischen Optik, die Deduktion zum zentralen Aspekt. Mit der Entstehung des Cartesianismus und dessen Verbreitung sollte sich dies schließlich mehr und mehr als Hindernis für die mikroskopische Forschung entpuppen.5

2.1.2 Etablierung

Eine größere Relevanz und Verlässlichkeit wurde mikroskopischen Beobachtungen von naturphilosophischer Seite erst durch Pierre Gassendi zugestanden: Einerseits finden sich in seinen Schriften zahlreiche Hinweise auf Beobachtungen an sehr verschiedenen Gegenständen, andererseits wurde auf diese Beobachtungen zumeist vornehmlich deswegen verwiesen, um Aspekte des Atomismus zu illustrieren oder zu untermauern: Anhand der augenscheinlichen und der mikroskopischen Form des Acarus und der Untersuchung von Gegenständen, welche rätselhafte Sinneseindrücke auslösten, konnte Gassendi seine Überlegungen zur Wahrnehmung verdeutlichen.6 Seine Untersuchungen von Salz, während deren er auf eine Selbstähnlichkeit der Partikel bis an die Grenze der Wahrnehmung gestoßen war, erwiesen sich andererseits als nützlich bei Spekulationen über die Eigenschaften von Atomen.7 Wie aus einem Brief an Nicolas-Claude Fabri de Peiresc im Juli 1635 hervorgeht, hatte Gassendi seinen Beobachtungen zumindest zeitweise sogar den Status eines Beweises der epikureischen Naturphilosophie zugestanden, was aber letztlich nur in stark abgeschwächter Form Eingang in seine Schriften fand.8 Ähnlich angelegt waren auch die Beobachtungen von Schneeflocken, über die er im Februar 1629 in einem Brief an Marin Mersenne berichtete, die er darüber hinaus aber auch als einen Beitrag zur Meteorologie verstand.9

Gassendi begriff mikroskopisches Beobachten also zum einen als wichtiges Mittel einer empirisch vorgehenden Naturphilosophie und befand sich damit in direkter Opposition zu Descartes. Dementsprechend schätzte er auch die Chancen der weiteren Forschung deutlich optimistischer ein als dieser: Eine weitere Verbesserung der Instrumente wäre absehbar und es gäbe zudem keinen Grund zum Zweifel am menschlichen Fleiß.10 Zum anderen stand dieses Beobachten für ihn scheinbar immer in einem engen Zusammenhang mit theoretischen Fragen und spielten für diese eine so große Rolle, dass hierfür der Begriff eines „reasoning by visual analogy“ passend erscheint.11

Die mikroskopischen Beobachtungen von Athanasius Kircher, deren naturphilosophischer Hintergrund bisher kaum zur Kenntnis genommen wurde, erscheinen hierzu geradezu als Gegenentwurf.12 Zwar erinnern die Hinweise auf Untersuchungen zu Form, Aufbau und Entstehung von Körpern, die sich ab 1646 in seinen Schriften finden, zum Teil an Passagen bei Galilei, Descartes oder Gassendi, Kircher wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es sich in seinem Fall bei den Beschreibungen der mikroskopischen Partikel und Korpuskel nicht um einen Rekurs auf die atomistische Naturphilosophie handle.13 Stattdessen sollten Kirchers Beobachtungen und Ausführungen hauptsächlich sein Konzept einer Virtus plastica veranschaulichen, wofür allerdings ebenfalls die selbstähnlichen Strukturen von Kristallen und auch von anderen Objekten benutzt wurden. Kircher interpretierte diese Strukturen nicht innerhalb eines atomistischen oder korpuskularphilosophischen Kontextes, sondern legte sie zugunsten des Vorhandenseins ebendieser Kraft aus.14 Zudem wurde auch die spontane Zeugung von kleinen Lebewesen als Folge derselben Kraft verstanden und somit wurden auch Beobachtungen verschiedener kleiner Tiere in einen naturphilosophischen Kontext gestellt.15

Die Bemerkungen über Farbphänomene an Pfauenfeder zeigen zwar, dass sich Kirchers theoretische Erklärungen zusammen mit einen Beobachtungen veränderten, dabei aber weiterhin auf bereits bestehende Begrifflichkeiten zurückgegriffen wurde. Diese stammten allerdings wiederum nicht aus dem korpuskularphilosophischen Kontext: In der Ars magna lucis et umbrae (1646) hatte Kircher die verschiedenen Farben, die an Federn zu beobachten waren, noch auf eine besondere Mischung der vier aristotelischen Elemente zurückgeführt und dabei keinerlei Beobachtungen mit dem Mikroskop erwähnt.16 Im zweiten Teil des Itinerarium extaticum (1657) und dem Mundus subterraneus (1665) beschrieb er hingegen die mikroskopische Struktur der Pfauenfedern als eine Ansammlung von durchsichtigen, prismenförmigen Fasern aus Salz und stellte damit diesmal statt zum Aristotelismus eine Verbindung zur paracelsischen Alchemie her.17

Dementsprechend unterschied sich auch Kirchers generelles Konzept des mikroskopischen Beobachtens deutlich von dem der anderen Forscher: Einerseits verstand Kircher das Mikroskop als Produkt einer von der Hermetik inspirierten Magia naturalis und charakterisierte das Beobachten mit demselben als spektakuläres Erkennen der Macht Gottes. Andererseits wurden die Beobachtungen aber in der gleichen Weise wie bei Gassendi verwendet, das heißt in erster Linie als Illustration im Zusammenhang mit eher theoretischen Fragen. Dies zielte jedoch weniger darauf ab, neue Konzepte zu diskutieren als vielmehr traditionelle Positionen, die im Einklang mit der katholischen Lehre standen, zu festigen.18

Nach anfänglicher Skepsis und Zurückhaltung hatte sich das mikroskopische Beobachten also in den Arbeiten von Gassendi und Kircher zu einer Tätigkeit entwickelt, die trotz der sehr unterschiedlichen Perspektiven der beiden Forscher von beiden als nützliches Mittel eingeschätzt wurde, um eine Reihe zum Teil sehr unterschiedlicher Themen von naturphilosophischer Relevanz zu untersuchen.

2.1.3 Kompilation und Heterogenität

In Pierre Borels Observationum microcospicarum centuria (1656) wurde der naturphilosophische Rahmen der Beobachtungen dann aber bereits in mehrfacher Hinsicht gelockert: Erstens stellte der Text die Beobachtungen in den Vordergrund und ergänzte sie lediglich in einigen Fällen um theoretische Überlegungen, statt wie bei den bisher erwähnten Forschern die Beobachtungen zur Illustration der Theorien zu machen. Zweitens wurde durch den Umstand, dass Borel für diese Sammlung Beobachtungen aus verschiedenen Quellen übernahm, auch eine gewisse Heterogenität hinsichtlich der theoretischen Konzepte und Bezüge geschaffen. Hierbei wurden die unterschiedlichen naturphilosophischen Standpunkte nun von Borel zum Teil zusammengeführt: Ähnlich wie zuvor Gassendi erklärte er Sinneseindrücke und Eigenschaften von Stoffen aus mikroskopischen Strukturen heraus, indem er die Partikel von Essig und Wasser sowie die Oberflächen verschiedener Pflanzen beschrieb. Ferner wurde wiederum die Bildung von Schnee erwähnt. Trotz der thematischen Übereinstimmung mit Gassendi wurde in diesen Fällen jedoch eher auf Descartes und Demokrit verwiesen. Zum einen zeigt dies, dass Atomismus und Cartesianismus von Borel ohne Berücksichtigung des jeweiligen epistemologischen Standpunktes als einander mehr oder weniger entsprechende Konzepte verstanden wurden.19 Zum anderen zeigte Borel auch ein Interesse an Hermetik und sprach in Andeutungen davon, dass das Mikroskop eine wichtige Rolle beim Beweis der Weltseele spielen werde und auch für das Handlesen verwendbar wäre.20 Für die Interpretation von Beobachtungen scheint dies aber nur eine geringe Rolle gespielt zu haben, denn obwohl Borel die Beobachtungen von Kircher zur spontanen Zeugung von Würmern in Blut, Milch und Pflanzenblättern erwähnte und ihnen letztlich zustimmte, wird das Konzept einer plastischen Kraft hierbei nicht erwähnt.21 In den Beobachtungen zu Farben wurden schließlich die Einflüsse aus beiden Bereichen miteinander verbunden: Einerseits verwies Borel in diesem Zusammenhang abermals auf die Beobachtungen Kirchers, die scheinbar eine Anregung für eigene Untersuchungen an weiteren Objekten gewesen waren, andererseits nahm er bei der Interpretation der Phänomene einen explizit atomistischen Standpunkt ein.22

Borels grundsätzliche Herangehensweise scheint jedoch trotz der zahlreichen und vielfältigen naturphilosophischen Verweise in erster Linie aus der Medizin zu stammen: Mit der Anlage des Textes als Beobachtungssammlung bezog er sich auf ein in dieser Disziplin beliebtes und somit in gewisser Weise epistemologisch aufgeladenes Textgenre. Dementsprechend erwähnte Borel auch Beobachtungen, die einen explizit medizinischen Kontext hatten, und ferner solche, die eher naturhistorische Züge zeigten.23

Somit hatte Borel zwar die Kontextualisierung mikroskopischer Beobachtungen im Bereich der Naturphilosophie, wie sie von Gassendi und Kircher etabliert worden war, übernommen, diese Position jedoch in gewisser Hinsicht zugleich geschwächt: Die Beobachtungen verschiedener naturphilosophischer Schulen wurden gleichberechtigt nebeneinander gestellt und darüber hinaus mit naturhistorischen und medizinischen Themen vermengt. Anders als bei seinen Vorgängern waren also einerseits schon durch die Menge der Einflüsse die naturphilosophischen Aspekte von weit geringerer Relevanz als noch bei seinen Vorgängern. Andererseits war aber auch die bloße Anzahl der Beobachtungen deutlich größer als bei Gassendi oder Kircher. Auch wenn ein gewisser Anteil dieser Beobachtungen von anderen Forschern übernommen worden war, so scheint es doch, als hätte sich Borel intensiver und länger mit derartigen Untersuchungen befasst als seine beiden direkten Vorgänger. In diesem Fall könnte Borels Relativierung der Beziehungen zur Naturphilosophie durchaus als Ergebnis einer gewissen Eigendynamik der Untersuchungen verstanden werden, wie sie später auch bei Leeuwenhoek zutage treten sollte. Das heißt, das Beobachten wäre bereits zu diesem Zeitpunkt insgesamt weniger durch Bezüge auf Theorien aus einem bestimmten Kontext als „durch sich selbst“ bestimmt worden.

2.1.4 Stagnation

Bei Forschern, die über keinen so heterogenen Hintergrund wie Borel verfügten, sondern weiter eher im engeren Kontext naturphilosophischer Theorien beobachteten, kam es dementsprechend auch nicht zur Entwicklung einer solchen Eigendynamik. Stattdessen wurden mikroskopische Beobachtungen zunächst immer noch eher sporadisch und nur in Hinblick auf bestimmte Einzelfragen angestellt, wie beispielsweise auch bei Robert Boyle erkennbar ist: Schon in seinem Ende der 1640er Jahre entstandenen Essay of the Atomicall Philosophy nannte er genau wie Gassendi den Acarus als Beispiel für die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit und übernahm an anderer Stelle sogar den von ihm geprägten Begriff Engyskop. Im Sceptical Chymist (1661) wurden zudem wiederum mikroskopische Beobachtungen illustrativ in den Text eingebunden, welche über die Eigenschaften bestimmter Stoffe Aufschluss gaben.24 Auch im Kontext der Farbenforschung standen Boyles Beobachtungen deutlich in der korpuskularphilosophischen Tradition und unterschieden sich auch inhaltlich von den Untersuchungen Kirchers oder Borels: Während letztere spezifische, gewissermaßen singuläre Farbphänomene erklärt hatten, indem sie bestimmte Mikrostrukturen mit bestehenden Begrifflichkeiten interpretiert hatten, lassen Boyles Beobachtungen einen vergleichsweise abstrakten Hintergrund erkennen: Sowohl im Sceptical Chymist als auch in den Experiments and considerations touching colours (1664) erwähnte er Beobachtungen von Farbmischungen, bei denen die Bestandteile unter dem Mikroskop zu erkennen blieben.25 Zudem wurden verschiedene farbige und transparente Körper untersucht, um die Entstehung von Farbe besser zu verstehen. Im gleichen Zusammenhang wurde auch ein Experiment erläutert, in dessen Verlauf versucht wurde, die Erscheinung eines Prismenspektrums durch ein Mikroskop zu verändern.26 Und auch wenn die Beobachtungen, über die Boyle in den New experiments and observations touching cold (1665) kurz berichtete, mit der Auswirkung von Kälte auf verschiedene organische Strukturen ein neues Thema darstellten, so kam auch hier die Inspiration möglicherweise zumindest zum Teil von Gassendi, der in diesem Zusammenhang mehrfach erwähnt wurde.27

Trotz einiger neuer Ideen spielte das Mikroskop für Boyle aber letzten Endes im Vergleich mit anderen Forschungstechniken keine so herausragende Rolle wie für Borel: Weder standen die Beobachtungen im Zentrum des Textes, noch lassen Boyles Aufzeichnungen auf regelmäßige Beobachtungen schließen.28 Zugleich lässt sich aber auch feststellen, dass für Boyle Theorie und Beobachtung weniger eng miteinander verbunden waren als etwa für Gassendi. Spekulationen über Partikelformen ausgehend von mikroskopischen Beobachtungen, wie letzterer sie noch angestellt hatte, finden sich in seinen Ausführungen nicht.

Henry Power erinnerte dadurch, dass er das erste Drittel seiner Experimental Philosophy (1664) als Beobachtungssammlung mit gemischten Themen gestaltete, wieder eher an Borel, mit dem er auch den medizinischen Hintergrund und den Einfluss naturhistorischen Gedankenguts gemeinsam hatte. Dennoch fehlte es thematisch an wirklichen Weiterentwicklungen: Auch wenn Boyle als eine der zentralen Inspirationen genannt wurde, beschränkten sich die naturphilosophisch motivierten Beobachtungen darauf, anhand der Strukturen von Stoffen mit besonderen Eigenschaften korpuskularphilosophische Konzepte, die in erster Linie dem Cartesianismus entlehnt worden waren, zu erklären.29 Die einzige Ausnahme hierfür stellte ein Abschnitt über die Effluvia dar, die im korpuskularphilosophischen Kontext als Erklärungsmodell für bestimmte Phänomene wie Magnetismus gebräuchlich waren. Diese wären Power zufolge zwar vorhanden, aber nicht mit dem Mikroskop zu beobachten.30 Diese Stagnation in naturphilosophischer Hinsicht wurde dann auch von Robert Hooke, der selbst noch stärker in derartigen Zusammenhängen dachte, wahrgenommen und kritisiert.31

2.1.5 Beobachtung, Theorie und Kritik

In seiner Micrographia (1665) versuchte sich Hooke entsprechend seiner Kritik an Power an einer neuen Verbindung von Naturphilosophie und mikroskopischen Beobachtungen. Zwar wählte auch er für seine Schrift die Form einer nach Objekten geordneten Beobachtungssammlung, doch gerade in der ersten Hälfte des Buches schlossen sich an die Beobachtungen längere theoretische und spekulative Ausführungen an, die letztlich auch die Reihenfolge der Kapitel bestimmten: In den ersten zehn Beobachtungen erläuterte Hooke anhand der mikroskopischen Strukturen verschiedener Objekte die geometrisch-physikalischen Grundbegriffe seiner Naturphilosophie, ausgehend von Gedanken zu physikalischen Punkten und Linien über das Prinzip der materiellen Kongruenz, Hitze und Licht hin zur Farbe.32 Dann ging er zur Frage der Entstehung bestimmter einfacher Formen über und bezog sich dabei ähnlich wie Gassendi auch auf Schneeflocken und andere kristalline Strukturen. Hooke schloss jedoch nicht von der Selbstähnlichkeit, die hier zu beobachten war, auf Formen von Partikeln jenseits des Sichtbaren, sondern führte alle Formen auf verschiedene Anordnungen von Globen zurück, lockerte also im Vergleich zu Gassendi den Zusammenhang zwischen Beobachtung und Theorie.33 Darauf folgte die Auseinandersetzung mit der Frage nach inneren Strukturen, genauer gesagt Poren, die einen weiteren zentralen Bestandteil von Korpuskularphilosophien darstellten, der nun anhand mikroskopischer Beobachtungen eines besonderen Steines aus der Gegend von Kettering sowie eines Stückes Holzkohle verdeutlicht werden konnte.34

Doch auch wenn naturphilosophische Fragen eine zentrale Rolle spielten, werden gerade anhand der Micrographia die zunehmenden Schwierigkeiten der Verbindung von Naturphilosophie und mikroskopischem Beobachten deutlich: Erstens waren die Verbindungen zwischen den Beobachtungen und den theoretischen Konzepten keinesfalls enger geworden, auch wenn dies durch die Form des Textes suggeriert wurde. Während Hookes Vorgänger in erster Linie Theorien mittels mikroskopischer Beobachtungen illustriert hatten oder versucht hatten, die beobachteten Phänomene mittels bestehender Begriffe zu erklären, erwecken einige Abschnitte der Micrographia eher den Eindruck, als hätte Hooke einige Beobachtungen lediglich angeführt, um einen Vorwand zu haben, bestimmte Aspekte seiner Naturphilosophie zu erläutern, ohne dass diese überhaupt in einem direkten Zusammenhang mit den Untersuchungen selbst gestanden hätten: So wurde das Prinzip der Kongruenz verschiedener Stoffe ausgehend von einer Untersuchung von Glasröhren erläutert, die zentralen Punkte hierfür waren jedoch das durch den Luftdruck verursachte Aufsteigen von Wasser in diesen Röhren, die Mischung verschiedener Flüssigkeiten, sowie ein Experiment mit in Vibration versetztem Sand, nicht aber das Glas selbst.35 Noch deutlicher wird diese Diskrepanz aber im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Entstehung von Farben: Hooke hatte den Schwerpunkt seiner Untersuchungen von Körperfarben auf „fantastische“ Farben verlagert und dabei noch mehr die Möglichkeit miteinbezogen, Farbphänomene zu manipulieren, um sie besser zu verstehen. Deswegen wurden Plättchen aus dem Schichtsilikat Muskovit, an denen sich Farbringe bildeten, als ein besonders geeignetes Beobachtungsobjekt eingeschätzt.36 Die entsprechenden Beobachtungen widersprachen aber letztlich der angefügten Theorie: Die Reihenfolge der Farben in den Ringen, die an Muskovit beobachtet wurden, unterschied sich von der des Spektrums, welche der Theorie zugrunde lag.37

Zweitens scheint sich das Verhältnis von Theorie und Empirie aber auch auf einer grundsätzlichen Ebene verkompliziert zu haben: Nachdem die Beobachtungen seiner Vorgänger in erster Linie Theorien und Ideen bestätigt hatten, nutzte Hooke seine Untersuchungen auch, um ausgehend von ihnen Kritik an bestimmten korpuskularphilosophischen Konzepten zu üben. Zum einen lehnte er die Vorstellung einer plastischen oder vegetativen Kraft, wie sie von Kircher exponiert worden war, explizit ab.38 Zum anderen wandte er sich polemisch gegen eine spezifische Passage in Descartes’ Principia philosophiae (1644), der zufolge Feuer beim Aufeinanderschlagen von bestimmten festen Körpern unter Beteiligung der Partikel des ersten der drei Elemente der Materie entstünde. Hooke sah in den dabei entstehenden Funken nichts anderes als abgespaltene und erhitzte Partikel mit einem gewissen Anteil Schwefel und ließ sich in diesem Zusammenhang dazu hinreißen, derartigen „philosophischen Neigungen“ eine generelle Absage zu erteilen, obwohl er selbst einen Großteil seines Textes für diesen Zweck verwendet hatte.39 In gewisser Weise fasste Hooke damit aber die Einstellung zusammen, die zumindest ein Teil der Royal Society zu seinem Werk einnahm: Nachdem er bereits geraume Zeit immer wieder den Vorschlägen der Fellows für Beobachtungen und Demonstrationen verschiedener Objekte nachgekommen war, wurde Hooke damit beauftragt ein ganzes Buch mit mikroskopischen Beobachtungen zusammenzustellen. Während ursprünglich scheinbar lediglich vorgesehen war, die mikroskopischen Strukturen verschiedener Gegenstände und Tiere zu beschreiben, arbeitete Hooke zusätzlich einige theoretische Abschnitte aus, die dementsprechend zum großen Teil unabhängig von den ursprünglichen Beobachtungen waren, und fügte diese in die vorgegebene Form der Beobachtungssammlung ein.40 Dadurch entstand aber ein Konflikt mit den anderen Mitgliedern der Royal Society, denen es nicht unbedingt gefiel, dass die Beobachtungen, die ja zum Teil von ihnen angeregt worden waren und zumeist eher einen naturhistorischen Hintergrund hatten, mit Hookes spekulativen Überlegungen vermischt worden waren.41

Einerseits hatte Hooke also den Zusammenhang zwischen Theorien und Beobachtungen scheinbar gestärkt, da er seine Schilderungen auf beiden Ebenen deutlich ausführlicher als seine Vorgänger ausgeführt hatte. Andererseits entpuppt sich der Bezug beider Aspekte aufeinander in Hinblick auf Hookes eigene Theorien bei genauerem Blick als weniger bedeutsam, als er zuerst erscheint. Zugleich wurde durch die Kritik an fremden Theorien aber auch eine negative Perspektive in die Beziehung zwischen Mikroskopie und Naturphilosophie eingeführt und somit in gewisser Weise der Bezug zwischen beiden wiederum geschwächt.

2.1.6 Dominanz der Beobachtungen

Die zunehmend kritische Haltung gegenüber einer naturphilosophisch ausgerichteten Mikroskopie von Seiten der Royal Society und weiteren Forschern sollte sich letztlich auch auf die Forschung von Antoni van Leeuwenhoek auswirken. Aus seinen Briefen, welche die Grundlage für alle seine Publikationen bildeten, lässt sich wiederum deutlich der Einfluss von korpuskularphilosophischen Ideen erkennen, die zu Beginn seiner wissenschaftlichen Tätigkeit teilweise noch von Descartes entlehnt wurden. Allerdings formulierte auch Leeuwenhoek zuweilen Kritik an dessen Ausführungen, wenn diese seinen Beobachtungen zu widersprechen schienen, wie es etwa bei den Formen der Partikel von Wasser der Fall war, die in Les Météores (1637) beschrieben worden waren.42

Für seine eigene Theorie der Materie machte Leeuwenhoek die Kugel zur grundlegenden Form. Im Gegensatz zu Hooke hatte er allerdings diese Globuli in einer großen Anzahl an Beobachtungen tatsächlich gesehen und war nicht im Zuge der Abstraktion auf sie gestoßen. Selbst als sich einige Beobachtungen direkt mit ihnen als mikroskopischen Objekten und nicht nur als Teilen größerer Körper beschäftigten, gingen Leeuwenhoeks Ausführungen im Gegensatz zu denen seiner Vorgänger nie über die Feststellungen hinaus, die sich direkt aus den Beobachtungen ableiten ließen.43 Eine ähnliche Herangehensweise lässt sich auch in zwei Fällen erkennen, in denen Leeuwenhoek versuchte, trotz seiner eingeschränkten Sprachkenntnisse an Beiträge von Boyle in den Philosophical Transactions anzuschließen. So berichtete er 1673 und 1675 über Versuche mit einer Luftpumpe, die hauptsächlich durch dort zu findende Abbildungen angeregt worden waren. Hierbei strebte Leeuwenhoek scheinbar lediglich danach, kleine Luftblasen zu finden, die aus Wasser in einem Glasrohr extrahiert wurden.44 Und auch 1676, als ein weiterer Artikel Boyles den Ausgangspunkt für chemische Untersuchungen darstellte, bei denen Leeuwenhoek Partikel einer Mischung verschiedener Stoffe beobachtete und beschrieb, wurden erneut keinerlei weiterführende Schlussfolgerungen gezogen.45

Vielmehr lassen sich bei Leeuwenhoek sogar Tendenzen dazu erkennen, zumindest zeitweise ganz von naturphilosophischen Fragen Abstand zu nehmen: Seine Untersuchungen von Salzen standen 1674 zunächst unter der Frage der Formbildung und beinhalteten abermals die Entdeckung von Globuli als Grundelementen. Gegen Ende des Jahres begann Leeuwenhoek jedoch zunehmend sich auf die Beschreibung der spezifischen Partikel verschiedener Salze zu verlegen. Mit diesem Perspektivwechsel und der Auswahl der Objekte richtete Leeuwenhoek seine Beobachtungen auf Aspekte aus, die auch eine gewisse Relevanz für naturhistorische und medizinische Fragen beziehungsweise praktische Belange hatten.46 Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass einige von Leeuwenhoeks Korrespondenten, etwa Christiaan Huygens, die ursprünglichen Beobachtungen von Globuli als Grundelementen von Salzen eher kritisch aufgenommen hatten.47 Darüber hinaus schloss Leeuwenhoek trotz mehrfacher Anregungen von Seiten der Royal Society schließlich auch Untersuchungen zur Farbe aus, weil er diese nicht als ein Thema einschätzte, das sich für mikroskopische Beobachtungen eigne.48

2.1.7 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass nach einer anfänglichen, allgemeinen Skepsis gegenüber mikroskopischen Beobachtungen als Mittel der naturphilosophischen Forschung eine Neubewertung durch Gassendi und Kircher dafür sorgte, dass die Forscher in zahlreichen Fällen eine gewisse Anzahl derartiger Themen zum Ausgangs- oder Bezugspunkt ihrer Untersuchungen mit dem Mikroskop machten. Der naturphilosophische Kontext verlor jedoch mehr und mehr an Relevanz, als Forscher nach diesen ersten, vereinzelten Beobachtungen damit begannen, ausführlichere Untersuchungen anzustellen und Beobachtungen stärker zueinander in Bezug zu setzen, da nun die Eigendynamik der Beobachtung beziehungsweise eine eher explorative Auseinandersetzung mit den Objekten bestimmend wurde. Zugleich nahmen die Einflüsse aus Naturgeschichte und Medizin auf die mikroskopische Forschung dagegen scheinbar zu.

Darüber hinaus kann aber auch festgestellt werden, dass sich innerhalb des naturphilosophischen Kontextes bestimmte Strömungen zu stärkeren Einflüssen entwickeln konnten als andere: Während Kirchers und Borels Ansätze zu einer hermetisch beeinflussten Mikroskopie offenbar keine Nachfolger fanden und die expliziten Bezüge auf Gassendi im Laufe der 1660er Jahre mehr und mehr verschwanden, wurde die cartesianische Naturphilosophie zum wichtigsten Bezugspunkt für die Forscher, wenn auch nicht nur in positiver Hinsicht. Hierfür spielte scheinbar keine Rolle, dass Descartes im Gegensatz zu Gassendi das mikroskopische Beobachten relativ früh aufgegeben und ihm in seinen Schriften so gut wie gar keinen Platz eingeräumt hatte. Mit dem Discours de la méthode hatte er eine Schrift vorgelegt, die sich nicht nur auf verschiedene Themenbereiche anwenden ließ, sondern zudem gleichermaßen auf praktische wie theoretische Aspekte des Beobachtens adaptiert werden konnte, wie anhand der Entwicklungen im Kontext der Naturgeschichte noch zu sehen sein wird.

2.2 Naturgeschichte

2.2.1 Verzögerte Einführung

Im Gegensatz zur Naturphilosophie, die sich weniger für die Spezifika von Objekten als für allgemeine Prinzipien interessierte, strebte die Naturgeschichte nach der Beschreibung, Klassifikation und Systematisierung einer möglichst großen Anzahl von Naturgegenständen, und dementsprechend war das Beobachten von vornherein ein zentraler Aspekt der naturhistorischen Forschung.49 Trotzdem verringerte sich auch der Einfluss der naturhistorischen Tradition auf die mikroskopische Forschung schrittweise, wobei wiederum zwei Ebenen zu unterscheiden sind: Erstens spielte der für die Naturgeschichte zentrale Aspekt der Klassifikation und Systematisierung von Lebewesen nur in seltenen Fällen eine Rolle in mikroskopischen Beobachtungen. Zweitens wurden durch die neuen Beobachtungen die Fakten der naturhistorischen Tradition mehr und mehr in Zweifel gezogen; wiederum waren mikroskopische Beobachtungen also Ausgangspunkt für Kritik an bestehendem Wissen. Zugleich lassen sich in den Beobachtungen zunehmend Einflüsse aus anderen Kontexten erkennen. Ursprünglich vor allem naturhistorisch besetzte Themen wurden also in beträchtlichem Maße aus diesem Zusammenhang herausgelöst und unter neuen Perspektiven bearbeitet.

Eine weitere Parallele zeigt sich darin, dass sich das Mikroskop auch für naturhistorische Thematiken nur langsam als Instrument etablierte: Während niederländische Künstler bereits um die Jahrhundertwende zuweilen Vergrößerungsgläser für Untersuchungen von Insekten verwendeten, ist dies für Naturhistoriker zur gleichen Zeit mehr als zweifelhaft.50 So hatte Thomas Moffett in den 1590er Jahren ausgehend von einem Manuskript Conrad Gessners eine naturhistorische Schrift über Insekten mit dem Titel Insectorum sive minimorum animalium theatrum verfasst. Als der Text 1634 schließlich veröffentlicht wurde, erwähnte der Herausgeber, Thomas Mayherne, in einem Widmungsbrief Beobachtungen von Flöhen, Läusen und Milben mit Vergrößerungsgläsern, vielleicht um das Werk insgesamt moderner erscheinen zu lassen. Tatsächlich weisen jedoch die entsprechenden Abschnitte des Haupttextes darauf hin, dass Moffett selbst noch nicht mit dem Einsatz von Linsen vertraut gewesen zu sein scheint, denn seine Beschreibungen widersprechen letztlich denen im Vorwort.51 Allerdings deutet dies zugleich an, dass den Details, welche durch das Mikroskop erkennbar wurden, scheinbar nicht genug Bedeutung zugestanden wurde, um eine Revision des Textes notwendig erscheinen zu lassen.

Im Fall von Nicolas-Claude Fabri de Peiresc ist bekannt, dass er bereits seinem Programm einer Historia im Sinne einer weitläufigen, beschreibenden Wissenschaft nachging, bevor er 1622 Zeuge der Demonstration eines Mikroskopes wurde.52 Folglich dokumentierte er erstens durch einen Bericht das Ereignis als solches. Zweitens beschrieb er sehr detailliert die Gestalt verschiedener Insekten, die im Rahmen der Demonstration vorgeführt wurden, vielleicht schon mit der Idee zu einer Verwendung derartiger Beobachtungen innerhalb einer Naturgeschichte. Drittens untersuchte er mit dem neuen Instrument auch den Abdruck einer alten Münze, und machte es damit auch zu einem Instrument der Historia im allgemeineren Sinne.53 Dennoch machte Peiresc das mikroskopische Beobachten nie zu seiner hauptsächlichen wissenschaftlichen Beschäftigung, auch wenn aus seiner Korrespondenz hervorgeht, dass er später neben Insekten auch Steine und Wasser mit dem Mikroskop untersuchte. Eine mögliche Ursache hierfür könnte gewesen sein, dass Peiresc ab 1633 ein zunehmendes allgemeines Interesse an Optik entwickelte, das Untersuchungen aus einer anderen Perspektive erforderte, die gewissermaßen mit mikroskopischen Beobachtungen in Konkurrenz standen.54

2.2.2 Gespaltenes Verhältnis zur Tradition

Auch wenn Peiresc andere Projekte mikroskopischen Beobachtungen vorzog, bemühte er sich doch darum, durch Empfehlungen und Vermittlungen die Mikroskope weiter zu verbreiten, die von Cornelis Drebbel gebaut wurden und von denen er zumindest für seine ersten Beobachtungen selbst eines benutzt hatte. Dadurch gelangten diese Instrumente auch nach Italien, wo sich einige Mitglieder der Accademia dei Lincei schon seit einiger Zeit mit mikroskopischen Beobachtungen beschäftigten, diese nun aber merklich intensivierten.55 Einerseits wurden diese Beobachtungen als Fortsetzung der naturhistorischen Tradition präsentiert: Die besondere Aufmerksamkeit für bestimmte anatomische Details der Biene wurden in Federico Cesis Apiarium (1625) durch Referenzen auf die Beschreibungen bei Aristoteles und Plinius begründet.56 Andererseits wurde die Biene, die mit der von Francesco Stelluti erarbeiteten Melissographia (1625) sogar in Graphiken detailliert beschrieben wurde, vor allem deswegen für eine so ausführliche Abhandlung ausgewählt, weil Papst Urban VIII diese Tiere in seinem Familienwappen führte. In ähnlicher Weise rechtfertigte Stelluti auch die Beschreibung des Kornkäfers, die er mit einer leicht modifizierten Darstellung der Biene, einer Persius-Übersetzung (1630) beifügte, aus der Relevanz dieses Tieres innerhalb des antiken Textes.57

Auffällig ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass bei zwei zentralen Aspekten des Apiariums nicht auf mikroskopische Beobachtungen verwiesen wurde: Die Systematik der Bienen im Zentrum dieses Faltblattes beinhaltet erstens zwar auch die anatomischen Unterschiede verschiedener Bienenarten und -typen, diese waren jedoch nicht die Grundlage des Schemas. Zweitens wurden auch hinsichtlich der Fortpflanzung beziehungsweise Zeugung der Bienen keine mikroskopischen Beobachtungen erwähnt. In beiden Fällen dominierten stattdessen Analogien zum Papsttum: Die Bienen wurden nicht primär anhand ihrer Gestalt, sondern nach ihren verschiedenen sozialen Eigenarten und Funktionen im Gefüge eines Staates unterschieden und beschrieben, an dessen Spitze ein König mit den Eigenschaften des Papstes stand. Die Zeugung der Bienen fand dementsprechend nicht durch Kopulation statt, sondern durch eine spezielle Einwirkung des Bienen-Königs auf den Honig.58

In ähnlicher Weise war auch die Morphologie nur eine von vielen Kategorien zur Klassifikation innerhalb von Cesis neuem System der Pflanzen, dessen erste Tafeln allerdings erst 1651, also 21 Jahre nach seinem Tod, von Stelluti zusammengestellt und veröffentlicht wurden.59 Die im Zuge der Beobachtungen erstellten Zeichnungen dokumentieren allerdings, dass man zuvor mit viel Aufmerksamkeit die Samen von Farnen und anderen Pflanzen gesucht hatte, und somit anders als bei den Bienen auch die Zeugung genauer untersucht worden war. Diese Bilder wurden jedoch seinerzeit nicht veröffentlicht und werden erst in jüngster Zeit überhaupt den Lincei zugeordnet.60

2.2.3 Emanzipation

Im unmittelbaren Umfeld der kurzlebigen Accademia dei Lincei wurden ebenfalls Beobachtungen an Pflanzen und Insekten durchgeführt, und diese unterschieden sich nicht nur dadurch von denen Cesis oder Stellutis, dass sie keinen expliziten Bezug zur naturhistorischen Tradition herstellten: Francesco Fontana hatte bereits bei der Erarbeitung der Melissographia geholfen, bevor er 1646 seine eigenen Novae coelestium terrestriumque observationes veröffentlichte. Die darin enthaltenen Beobachtungen von sechs verschiedenen Insekten verzichteten erstens bemerkenswerterweise gänzlich auf Graphiken.61 Zweitens wurden die Beobachtungen als einzelne Beschreibungen ohne Versuch einer Klassifikation wiedergegeben. Tatsächlich könnte man einen Abschnitt über ein „namenloses“ Insekt sogar als Andeutung auf eine Diskrepanz zwischen der traditionellen Naturgeschichte und den neuen Entdeckungen verstehen.62 Drittens versuchte Fontana, sowohl seine Beobachtungen von Insekten als auch von Pflanzen auf deren Inneres auszudehnen, und auch wenn es diesbezüglich nur bei kurzen Bemerkungen blieb, erweiterte er damit doch den Rahmen derartiger Untersuchungen deutlich über das hinaus, was etwa die Lincei zu beobachten versucht hatten.63

Giovan Battista Odierna ging mit seinem L'occhio della mosca (1646) ähnliche Wege: Zwar stellte sich Odierna durch Verweise auf Aristoteles, Plinius und Ulisse Aldrovandi in die naturhistorische Tradition, räumte dementsprechend der Bestimmung von Genus und Species des zu untersuchenden Insektes eine wichtige Rolle ein und führte sogar eine Tabelle der ihm bekannten Insekten mit ihren lateinischen und italienischen Namen auf, doch konterkarierte er all dies letztlich dadurch, dass er gleich im Anschluss auf die immense, kaum zu erfassende Anzahl an Unterarten und Varianten hinwies. Die Untersuchung eines möglichst eng gefassten Einzelfalles, nämlich der Struktur der Augen einer einzelnen Insektenart, wurde dann explizit auch als Konsequenz aus dieser Problematik präsentiert.64 Ferner sollte die Untersuchung des Fliegenauges später auch in den Kontext eines breiter angelegten Diskurses zur Optik gestellt werden, was unterstreicht, dass Odiernas Beobachtungen auch durch naturphilosophische Ziele motiviert wurden. Seine Herangehensweise und Technik waren dagegen vor allem durch Anleihen bei der Anatomie geprägt, unterlagen also Einflüssen aus dem Bereich der Medizin.65

Für Pierre Borel bildeten dann die publizierten mikroskopischen Beobachtungen einen neuen Bezugsrahmen anstelle der klassischen Naturgeschichte: In den Beschreibungen der äußeren Gestalt einer beträchtlichen Anzahl von Insekten bezog er sich explizit auf Fontana und brachte seine eigenen Untersuchungen in gleicher Art und Weise vor. Die gilt auch für die steigende Anzahl bisher unbekannter Insekten, welche die Möglichkeit einer Klassifikation noch fragwürdiger erschienen ließen.66 Dass er ferner in den Beobachtungen zuweilen besonderes Interesse an den Augen der Insekten zeigte, ist auf Odierna zurückzuführen, während die zusätzlichen Untersuchungen an Insekteneiern und das zunehmende Interesse für ihre inneren Organe aus Borels medizinischem Hintergrund folgten.67 Zugleich verwies Borel, möglicherweise als neue Legitimation für seine Untersuchungen, an einigen Stellen auf die negativen Einflüsse, die Insekten auf das menschliche Leben haben könnten.68

Auch Borels Beobachtungen von Pflanzen waren eher ein Anschluss an das, was er aus fremden mikroskopischen Beobachtungen erfahren hatte, als eine Umsetzung naturhistorischer Konzepte: Die Beschreibung der inneren Gefäße schloß einerseits wiederum an Fontana an, andererseits nutzte Borel hier anatomisches Vokabular. Dies dokumentiert wiederum den Einfluss medizinischer Ideen auf seine Forschung, auch wenn die Strukturen nur beschrieben und ihnen noch keine Funktionen zugeschrieben wurden. Ferner bezog sich Borel in einigen Passagen, die sich mit auffälligen Formen in Pflanzenstrukturen beschäftigten, auf Athanasius Kircher und brachte somit auch ein gewisses naturphilosophisches Element in diese Beobachtungen mit ein, die jedoch trotzdem in erster Linie deskriptiv blieben.69 Hinsichtlich der Zeugung von Pflanzen wurde schließlich auf Cesis Beobachtungen vermeintlich samenloser Pflanzen verwiesen, die eigenen Untersuchungen gingen jedoch wiederum eher in eine anatomische Richtung und beinhalteten auch die Zerlegung von Samen unter dem Mikroskop.70

Die Idee der Klassifikation von Lebewesen spielte scheinbar weder in den Insekten- noch den Pflanzen-Beobachtungen Borels eine Rolle. Neben dem bereits erwähnten Umstand, dass die Anzahl von Untersuchungen bisher unbekannter Insekten zugenommen hatte, wies Borel auch explizit darauf hin, dass durch das Mikroskop weitere „neue“ Pflanzen und Tiere entdeckt werden würden, wodurch abermals der Gegensatz zwischen dem traditionellen Wissensbestand und den Ergebnissen der mikroskopischen Untersuchungen betont wurde.71

Fontana, Odierna und Borel hatten also jeweils auf ihre Weise und in unterschiedlichem Maß von naturhistorischen Konzepten und Vorgehensweisen Abstand genommen und statt dessen unter Einbeziehung von Ideen aus anderen Kontexten begonnen, Objekte, die klassischerweise der Naturgeschichte zugeordnet worden wären, unter neuen Gesichtspunkten zu erforschen. Hierin kündigte sich wiederum die Entwicklung eines Beobachtens an, dass weniger durch einen spezifischen Kontext als durch den Umgang mit bestimmten Objekten und eine daraus resultierende Eigendynamik geprägt war.

2.2.4 Rückbezug und Neuordnung

Wie bereits bei den naturphilosophischen Fragen wurden auch im Bereich Naturgeschichte Entwicklungen nicht unbedingt von anderen Forschern weitergeführt: Henry Power scheinen die mikroskopischen Beobachtungen seiner Vorgänger weitestgehend unbekannt gewesen zu sein. Doch statt der Klassiker der Naturgeschichte, die für Cesi und Odierna in unterschiedlichem Maße Bezugspunkte gewesen waren, schloß Power hauptsächlich an die vor-mikroskopischen Insekten-Beobachtungen von Moffett an.72 Dennoch versuchte auch Power scheinbar nicht, die einzelnen Beobachtungen einer Systematik zu unterstellen, berichtete aber wiederum von unbekannten Insekten, die er untersucht hatte. Tatsächlich wurde die Klassifikation von Lebewesen sogar in zunehmendem Maße verwischt: Nun wurden auch einige größere Tiere untersucht, die aber in keiner Weise von den Insekten unterschieden, sondern hinsichtlich der gleichen Aspekte studiert wurden.73

Dennoch glich Power seinen Vorgängern insofern, dass auch bei ihm die Beobachtungen von Insekten zunehmend durch medizinische Ideen beeinflusst wurden. Dies zeigt sich vor allem darin, dass neben den Augen und den Stacheln der Insekten auch ihr Herzschlag besonders berücksichtigt wurde.74 Auffällig ist dagegen, dass die Beobachtungen an Pflanzen, bei denen sich keine derartige Vermischung von Fragen aus verschiedenen Kontexten erkennen lässt, vergleichsweise kurz ausfielen.75

Auch Hooke nahm scheinbar keine Notiz von seinen italienischen und französischen Vorläufern. Wie bereits erwähnt, hatten die Mitglieder der Royal Society ihn um konkrete mikroskopische Beobachtungen gebeten, und dabei seine Untersuchungen eher in eine naturhistorische Richtung gelenkt.76 Hookes eigene, eher philosophische Interessen hatten diesbezüglich auch zur Folge, dass er anders als seine Vorgänger seine Beobachtungen nicht mehr nur in einer losen, mehr oder weniger ungeordneten Sammlung präsentierte, sondern darauf abzielte, kapitelweise vom Einfachen zum Komplizierten fortzuschreiten. Diese Ordnung der Beobachtungen war vermutlich von Descartes’ Discours de la méthode inspiriert worden und stellte gewissermaßen eine Alternative zur Klassifikation der Objekte nach traditionellen naturhistorischen Konzepten dar.77 Konsequenterweise wurden grundsätzliche Unterscheidungen von Pflanzen und Insekten dann in den Beschreibungen auch mehr oder weniger aufgehoben und stattdessen etwaige Ähnlichkeiten zueinander betont.78 Ferner glichen sich auch die Fragestellungen für die Untersuchungen der verschiedenen Objekte mehr und mehr: Die Poren und Gefäße von Holzkohle, versteinertem Holz und Kork wurden einerseits in Zusammenhang mit den Beobachtungen einiger Fellows an sensitiven Pflanzen gesetzt, andererseits wurden auch Insekten auf ihre Gefäße und Organe sowie auf bestimmte Fähigkeiten hin untersucht.79 Hinsichtlich der Zeugung von Pflanzen untersuchte Hooke sowohl scheinbar spontan entstehende Gewächse wie auch einige Samen.80 Dies findet wiederum eine Entsprechung in den Beobachtungen von Insekteneiern und vermeintlichen Fällen von spontaner Zeugung.81 Sogar bezüglich ihrer zuweilen schmerzhaften Einwirkung auf den Menschen wurden in Hookes Beobachtungen gewisse Parallelen zwischen Pflanzen und Insekten betont.82

Die von früheren Forschern vorangetriebene Emanzipation mikroskopischer Forschung von der naturhistorischen Tradition war also von Power und Hooke nicht direkt aufgegriffen worden: Während Power sich an neuerer, aber vor-mikroskopischer Literatur aus diesem Kontext orientierte, wurden Hookes Beobachtungen durch seine Verpflichtungen gegenüber den Interessen anderer Forscher in eine entsprechende Richtung gelenkt. Dennoch kam es erstens bei beiden wiederum zu einer Vermischung der Perspektiven verschiedener Kontexte. Zweitens entstand dabei in Hookes Fall durch seine naturphilosophischen Interessen die Idee, Beobachtungen nach ihrer Komplexität zu ordnen und Objekte nach mikroskopischen Ähnlichkeiten in Bezug zu setzen.

2.2.5 Spezialisierung und offene Kritik an der Tradition

Borel, Power und Hooke hatten mit ihren Büchern versucht, ihre Beobachtungen in mehr oder weniger enger Verbindung darzustellen und damit in gewisser Weise angestrebt, ihre thematisch eher heterogene mikroskopische Forschung als Ganzes wiederzugeben. Es folgten Publikationen wie die Micrographia nova (1687) von Johann Frantz Griendel von Ach oder die Micrographia curiosa (1691) von Filippo Buonanni, die mit einer ähnlichen Form das gleiche Ziel verfolgten, jedoch weder in thematischer noch in methodischer oder inhaltlicher Hinsicht bemerkenswerte Neuerungen enthielten.83

Andere Forscher stellten hingegen wieder detailliertere Beobachtungen an einzelnen Objekten oder enger gefassten Gruppen von Gegenständen in den Mittelpunkt ihrer Abhandlungen, setzten dabei aber die Tendenz fort, Objekte mehr und mehr außerhalb traditioneller Kontexte zu untersuchen. Marcello Malpighis Dissertatio epistolica de bombyce (1669) stellte in diesem Zusammenhang einen entscheidenden Wendepunkt für das Studium von Insekten dar. Auch die Entstehung dieses Werkes war eng mit dem Kontakt zur Royal Society verbunden: Henry Oldenburg hatte Malpighi eine Reihe von Themen nahegelegt, von denen er sich zuerst der Untersuchung des Seidenspinners widmete und somit von vorne herein die Beobachtungen auf eine einzelne Insektenart konzentrierte und andere Insekten nur in Vergleichen erwähnte.84 Durch Verweise auf Plinius und Aldrovandi stellte Malpighi dabei zunächst seine Beobachtungen in den Kontext der Naturgeschichte und beschrieb im Gegensatz zu früheren Publikationen nicht nur die inneren und äußeren Strukturen und Organe, sondern setzte verschiedene Stadien des Insekts in Vergleich zueinander und machte somit letztlich die Entwicklungsgeschichte dieses Tieres zum zentralen Thema.85 Dennoch verwendete er hierzu in erster Linie Techniken, die er zuvor im Zusammenhang mit seinen anatomischen Studien entwickelt hatte, und richtete somit die Untersuchungen zu einem großen Teil nach Ideen aus dem Bereich der Medizin aus.86

Einige Jahre später grenzte sich Malpighi dann im Rahmen seiner Anatome plantarum (1675/1679) beziehungsweise des ihr vorausgeschickten Programms (1671) explizit von der naturhistorischen Tradition ab, indem er hervorhob, dass das bisherige Wissen in diesem Bereich unzulänglich sei und auf falschen Voraussetzungen und Methoden beruhe. Dies galt insbesondere für die Klassifikation und Systematisierung von Pflanzen, die Malpighi gerade aufgrund seiner eigenen, ausufernden Untersuchungen als ein unmögliches Unterfangen ansah.87

Im Vorgehen unterschieden sich diese Studien von De bombyce insofern, als sich Malpighi in der Auswahl der Objekte deutlich weniger einschränkte. Dementsprechend entwickelten sich die Untersuchungen jedoch zu einem weitläufigen Langzeitprojekt.88 Ferner wurde der medizinische Einfluss jetzt nicht mehr nur auf der methodisch-technischen Ebene erkennbar, sondern auch in der thematischen Ausrichtung der Beobachtungen: Malpighi bemühte sich von der inneren Struktur der Pflanzen auf Körperprozesse wie Nahrungsaufnahme und -verteilung oder Atmung zu schließen, und Pflanzengallen oder Schwellungen wurden als Krankheiten der Gewächse interpretiert.89 Dennoch handelte es sich auch in diesem Fall zu weiten Teilen um eine Entwicklungsgeschichte, denn im Mittelpunkt standen erneut die Aspekte Wachstum und Fortpflanzung. Hierzu wurden Untersuchungen sowohl an den Stämmen verschiedener ausgewachsener Pflanzen als auch an den Knospen, Blüten, Samen und den in ihnen enthaltenen „Samen-Pflanzen“ (plantulae seminales) in verschiedenen Stadien durchgeführt.90

Obwohl Malpighi die Ergebnisse seiner Forschung in thematisch mehr oder weniger voneinander abgegrenzten Einzelabhandlungen veröffentlichte, waren die verschiedenen Beobachtungen für ihn doch durch Analogien miteinander verbunden. Wie auch Hooke plädierte er dafür, innerhalb der Untersuchungen vom einfachen zum komplizierten fortzuschreiten und Insekten und Pflanzen unter derselben Perspektive, als einander entsprechende Lebewesen zu betrachten. Dieses Konzept war möglicherweise wiederum von Descartes inspiriert, Malpighi präsentierte es jedoch in erster Linie als Lehre aus der eigenen Forschung, deren Verlauf er rückblickend als eher ineffizient einschätzte.91 Somit hatte sich schließlich auch Malpighi im Laufe seiner längeren Studien, die sich jeweils auf einzelne Gruppen von Objekten spezialisiert hatten, zum größten Teil von naturhistorischen Konzepten im engeren Sinn abgewandt und stattdessen für seine Beobachtungen einen eigenen, neuen Kontext geschaffen. Dieser beinhaltete zwar auch, dass Prozesse als Historia im weiteren Sinn untersucht wurden, die Objekte wurden aber, ähnlich wie zuvor bei Hooke, nach ihrer Komplexität und ihrer jeweiligen Ähnlichkeit zueinander in Bezug gesetzt, während die Vorgehensweise im Einzelnen durch anatomische Techniken bestimmt wurde.

Andere Forscher spezialisierten sich hinsichtlich der Objekte sogar noch stärker: Zeitgleich mit Malpighi hatte Nehemiah Grew ebenfalls damit begonnen, Pflanzen mit dem Mikroskop zu untersuchen und dabei ausgehend von seiner medizinischen Ausbildung gleichfalls eine anatomische Perspektive gewählt. Auch in diesem Fall wurde daraus ein Langzeitprojekt, dessen Ergebnisse Grew allerdings von 1671 bis 1677 in fünf kleineren Teilstudien veröffentlichte und 1682 mit anderen Schriften unter dem Titel Anatomy of Plants zusammenfasste.92 In der ersten dieser Abhandlungen, betitelt Anatomy of Plants Begun (1671), lieferte Grew, ähnlich wie Malpighi in dessen Idea, einen groben Überblick und erste Ergebnisse seiner Beobachtungen, die sich vor allem auf das Wachstum der Pflanzen konzentrierten. Die Untersuchungen waren also wiederum auf eine Entwicklungsgeschichte ausgerichtet.93 Mit einer eigenen Idea of a Philosophical History of Plants legte er jedoch bereits im nächsten Jahr ein anderes Konzept vor, das eine merkliche Ausweitung der Forschungsfragen und nun auch von seiner Seite eine explizite Distanzierung von der naturhistorischen Tradition beinhaltete. Als Alternative wurde ein stärker naturphilosophisch ausgerichtetes Vorgehen erörtert: Neben der bereits im Groben skizzierten Entwicklungsgeschichte sollten die Prozesse innerhalb der Pflanzen und die Eigenschaften der in ihnen enthaltenen Stoffe untersucht werden. Zudem sollte das praktische Wissen über Pflanzen für die Bereiche Landwirtschaft, Mechanik und Medizin vergrößert werden, aber auch eine neue Systematik der Pflanzen aufgestellt werden.94

Die in der Folgezeit ausgearbeiteten Studien folgten diesem neuen Konzept aber nur bedingt: Die Texte maßen den neuen Fragestellungen letztlich wenig Bedeutung bei, sondern stellten weiterhin die auf Anatomie und Wachstum ausgerichtete Untersuchung einzelner Pflanzenteile in den Mittelpunkt. Einige der neuen Themen wurden sogar überhaupt nie wieder erwähnt, dafür kamen andere Fragen hinzu, die jedoch wiederum hinter die ursprünglichen Ziele Grews zurückgestellt wurden: So schlossen sich in der Anatomy of Roots (1672/1673) an einen deskriptiven Teil erneut Überlegungen zu Wachstum, Ernährung, Funktionen der inneren Strukturen an, die diesmal allerdings enger miteinander verwoben wurden. Die gleichen Themen finden sich auch in der Anatomy of Trunks (1673/1674) und der Anatomy of Leaves, Flowers, Fruits and Seeds (1676/1677).95 Den neueren Themen räumte Grew hingegen nur jeweils in einer der Schriften Raum ein: Im Zusammenhang mit den Wurzeln widmete er sich einer Untersuchung der Pflanzensäfte, im Anschluss an die Untersuchung der Stämme finden sich Ausführungen zur Stabilität von Holz, und aufbauend auf die Studien an Blättern und Blüten folgt zumindest der Versuch, Prinzipien für eine neue Systematik der Pflanzen aufzustellen.96 Die Entwicklung eines neuen kontextuellen Rahmens anstelle traditioneller naturhistorischer Konzepte war also dem Anschein nach am spezifischen Verlauf der Beobachtungen selbst gescheitert, auch wenn ironischerweise gerade deren Eigendynamik ein derartiges Vorhaben zuerst als sinnvoll hatte erscheinen lassen. Gerade in der Nicht-Ausführung dieser Ideen zeigt sich also, wie stark konzeptionelle Überlegungen im Fall der Mikroskopie den Beobachtungen untergeordnet waren: Sowohl die traditionellen, naturhistorischen Konzepte als auch die neuen, eigenen Pläne schienen schließlich unbrauchbar für das Studium der Pflanzen.

Ähnlich wie Grew seine mikroskopischen Beobachtungen auf Pflanzen spezialisiert hatte, konzentrierten sich die Untersuchungen von Jan Swammerdam in erster Linie auf Insekten. Obwohl Swammerdam ein Medizinstudium absolviert hatte, standen diese Beobachtungen zunächst in einem klar naturhistorisch geprägten Kontext. Dies wird vor allem daran deutlich, dass der Schwerpunkt seiner Historia insectorum generalis (1669) darauf lag, eine neue Systematik für Insekten vorzustellen, welche auf den Unterschieden basierte, welche Insekten im Ablauf ihrer Metamorphose aufwiesen.97 Bei den Untersuchungen hierfür hatte er jedoch kaum auf mikroskopische Beobachtungen zurückgegriffen. Diese erhielten erst einen größeren Stellenwert, als Swammerdam ein Exemplar von Malpighis De bombyce erhielt und versuchte die darin enthaltenen Beobachtungen zu reproduzieren. Bemerkenswerterweise hielten dadurch nicht nur mikro-anatomische Techniken Einzug in Swammerdams Forschung, sondern auch die Beobachtungen selbst wurden in einen ähnlich heterogenen Kontext gestellt, wie er von Malpighi bereits bekannt ist. Die ersten Ergebnisse dieser neuen Studien wurden im Miraculum naturae (1672) veröffentlicht, das sich in erster Linie dem Prioritätsstreit mit Reinier de Graaf um die Entdeckung der Eier in den Ovaria von Säugetieren widmete. Dementsprechend konzentrierten sich auch die Beobachtungen der Insekten einerseits auf ihre Fortpflanzung und Metamorphose, andererseits waren sie über Analogien mit Fragen der Anatomie anderer Lebewesen verbunden.98 Im Anschluss verfasste Swammerdam mit seiner Ephemeri Vita (1675) ebenfalls eine ausführliche Entwicklungsgeschichte, die sich auf ein einzelnes Insekt (die Eintagsfliege) konzentrierte, während andere Insekten nur in Vergleichen erwähnt wurden.99

Trotz dieser Annäherung an Malpighi und der damit einhergehenden wachsenden Distanz zur Naturgeschichte, blieben Swammerdams vier Ordnungen der Metamorphose von seinen Beobachtungen größtenteils unbeeinflusst: Auch sein Spätwerk, die Bybel der natuure (1737/1738), welche aufgrund einer religiösen Krise und der darauf folgenden Umstellung seines Lebens erst lange nach seinem Tod veröffentlicht wurde, war erstens erneut nach diesen Schema untergliedert, wobei auch die Zuordnung der einzelnen Insekten zu den jeweiligen Ordnungen kaum verändert wurde. Zweitens beschäftigten sich die Untersuchungen, die in den einzelnen Kapitel geschildert wurden, zwar detaillierter mit einzelnen Insekten, diese waren jedoch zumeist schon in der Historia beschrieben worden.100 Auffällig ist ferner, dass die Untersuchung von Insekten, die scheinbar spontan aus Pflanzen oder anderen Stoffen gezeugt wurden, nicht in diese Ordnungen eingegliedert, sondern am Ende der Abhandlung angefügt wurden.101

Auch wenn Swammerdam also seine Beobachtungen ebenfalls in einen heterogenen Kontext stellte, war dieser doch keine bloße Kopie der Ideen Malpighis, sondern wiederum ein Ergebnis des individuellen Spannungsfeldes der verschiedenen Einflüsse, in denen er sich befand, sowie seiner eigenen bisherigen Arbeit. Dies und die Spezialisierung der Untersuchungen deuten wiederum daraufhin, dass es sich bei den Veränderungen der Kontextualisierung von mikroskopischen Beobachtungen, größtenteils um eine direkte Folge der Auseinandersetzung mit den Objekten und einer aus ihr resultierenden Eigendynamik der Beobachtungen handelte.

2.2.6 Analogien, Kritik und neue Objekte

Die Tendenz dazu, sich beim Beobachten auf bestimmte Objekte zu spezialisieren, hatte auf die weitschweifigen Untersuchungen Leeuwenhoeks scheinbar keinen Einfluss. Entsprechend seiner stark eingeschränkten, in erster Linie kritischen Kenntnisnahme traditioneller oder zeitgenössischer Literatur zur Mikroskopie und Naturgeschichte wurde die Frage der Systematisierung, die bei Malpighi oder Grew zumindest noch als relevantes Problem thematisiert worden war, bei Leeuwenhoek nicht einmal mehr erwähnt. Stattdessen zeugen seine Briefe erneut von einer sehr individuellen Mischung naturhistorischer und -philosophischer Elemente, in der Naturprozesse nach Möglichkeit auf eine einheitliche Form reduziert wurden, während in den Beschreibungen durchaus die Details des Einzelfalles betont wurden. Hinsichtlich der Anatomie der Insekten konzentrierten sich seine Beobachtungen zumeist auf einige Details, die er zwar des öfteren in explizitem Widerspruch zu anderen Forschern darlegte, die jedoch in vielen Fällen schon vorher Thema seiner eigenen Untersuchungen gewesen waren: Bereits in seinem ersten Brief (1673) hatte Leeuwenhoek Stachel, Kopf und Augen einer Biene sowie Stachel, Kopf und Beine einer Laus beschrieben. Neue Darstellungen des Läusebeines folgten im Februar 1675 als Kritik an entsprechenden Darstellungen bei Redi und im August 1687 als Reaktion auf Illustrationen von Griendel, im Dezember 1693 wurde dann der Kopf erneut abgebildet, nachdem weitere fehlerhafte Darstellungen bekannt geworden waren.102 Den Mückenstachel, dessen Abbildung bei Swammerdam er im August 1688 bemängelte, scheint Leeuwenhoek hingegen schon vor dem August 1673 beobachtet zu haben, allerdings hatte er ihn nicht im Detail beschrieben oder dargestellt.103 Ebenso beschrieb er die „Federn“, die er auf den Flügeln von Schmetterlingen gefunden hatte erst, als ihm Christiaan Huygens 1678 über seinen Vater mitteilte, dass er auf diesen einen besonderen „Staub“ entdeckt hatte.104 Dagegen hatte Leeuwenhoek im Zusammenhang mit einer allgemeinen Kritik an den Darstellungen von Insektenaugen 1694 scheinbar vergessen, dass er bereits eine Beschreibung des Bienenauges angefertigt hatte, denn er bezog sich stattdessen auf Libelle, Fliege, Mücke und Ameise.105 Diese Beispiele zeigen einerseits, wie stark die Beobachtungen auf Einzelobjekte fokussiert waren. Zwar wurden über Analogien und Vergleiche ständig auch Verbindungen zu anderen Objekten hergestellt, von einer Systematisierung der Gegenstände war dies aber weit entfernt. Andererseits wird klar, dass Leeuwenhoeks Beobachtungen im Vergleich zu Malpighi, Grew oder Swammerdam zumeist keiner längerfristigen Planung folgten, sondern eher von momentanen Ereignissen abhingen.

Ähnliches kann auch für Leeuwenhoeks Untersuchung zur Fortpflanzung von Insekten festgesellt werden: Direkte Bezüge auf die Forschung anderer finden sich zum einen erst verhältnismäßig spät, zum anderen waren diese auch dann kaum echte Impulsgeber für neue Beobachtungen.106 Ausnahmen waren diesbezüglich nur die Wiederaufnahme der Beobachtungen von Muscheln als Reaktion auf die spontanistischen Ausführungen von Filippo Buonanni und die Untersuchung zur Fortpflanzung von Bienen nach der Lektüre eines Buches über den Garten von Rosendaal bei Arnhem.107 Auch bei diesen ursprünglich eher naturhistorischen Themen verlief jedoch der Großteil der Beobachtungen eng an den Objekten und beinhaltete als einen zentralen Teil ihre Verbindung über Analogien: Auf die ausgiebige Beschäftigung mit der Frage, ob die von ihm entdeckten mikroskopischen Lebewesen spontan erzeugt werden würden, folgten im Oktober 1677 Beobachtungen an Flöhen, Läusen und Aalen, die explizit zum Ziel hatten, diese vermeintlichen Fälle von Generatio spontanea zu widerlegen.108 Eine ähnliche angelegte Reihe von Untersuchungen folgte 1680, nachdem Leeuwenhoek in der menschlichen Samenflüssigkeit besondere Animalcula entdeckt hatte, die schon bald zentraler Bestandteil seiner eigenen Fortpflanzungstheorie werden sollten. Neben Insekten wurden nun auch Muscheln untersucht.109 Auch für die Beobachtungen des Kornkäfers gab Leeuwenhoek 1687 dessen angebliche spontane Zeugung als Anlass an, wobei ein Nachtrag sogar nahe legt, dass hier konkret die Verbreitung dieser Ansicht bei den Bäckern und Händlern in seiner Heimatstadt Delft eine Rolle spielte.110

Während sich Leeuwenhoek für seine Beobachtungen hinsichtlich der Fortpflanzung von Lebewesen also wiederum kaum auf andere Forscher bezogen hatte, wurden seine eigenen Untersuchungen und Überlegungen nun zunehmend zum Gegenstand der Diskussion, wodurch sich einerseits der Abstand zwischen ihm und anderen Forschern eher vergrößerte, andererseits aber auch neue Beobachtungen angeregt wurden: So wird eine Vielzahl von spöttischen Bitten oder Herausforderungen angesichts seiner Opposition zur Generatio spontanea erwähnt, deren Urheber in der Regel aber nicht namentlich genannt wurden.111 John Hoskins und andere Fellows der Royal Society versuchten hingegen ab 1685, Leeuwenhoek zumindest zu einer Relativierung seiner eigenen Theorie zu bringen, indem sie beispielsweise die Untersuchung der Eier des Seidenspinners vorschlugen. Dies schlug letztendlich fehl, auch wenn sich Leeuwenhoek trotz der deutlich zu erkennenden kritischen Komponente dieser Anfrage und gewisser organisatorischer Probleme bis 1687 bemühte, die notwendigen Beobachtungen umzusetzen.112 Näher mit Leeuwenhoek bekannte Korrespondenten scheinen dagegen unabhängig von derartigen Streitfragen vor allem auf eine kompetente Antwort gehofft zu haben, die ihnen etwa bei Problemen mit Schädlingen weiterhelfen könnte.113 In beiden Fällen sorgte die individuelle Situation Leeuwenhoeks dafür, dass seine Beobachtungen trotz einer gewissen thematischen Ähnlichkeit zu anderen zeitgenössischen mikroskopischen Untersuchungen, ganz klar weder in traditionelle noch aktuelle Kontexte eingebunden waren, noch sich ohne weiteres hätten einbinden lassen können.

Dieser große Abstand zur naturhistorischen Tradition und zu zeitgenössischen Entwicklungen lässt sich auch in Leeuwenhoeks Arbeiten zur Pflanzen-Anatomie erkennen. Zwar ist vereinzelt behauptet worden, dass sich in diesem Zusammenhang eine Inspiration durch Hooke nachweisen ließe, da Leeuwenhoek 1674 mit den Beobachtungen von Kork, Hollunderholz und dem Inneren eines Federkiels gleich drei Objekte aufgriff, die schon in der Micrographia beschrieben worden waren.114 Doch zum einen war dies nicht die erste Beobachtung von Leeuwenhoek zur Pflanzen-Anatomie, und zum anderen unterschieden sich die jeweiligen Rahmenbedingungen, in denen diese Objekte untersucht wurden, mehr als deutlich voneinander: Während Hooke die genannten Objekte vornehmlich im Vergleich zu Kork anführte, dessen spezifische Eigenschaften er erklären wollte, wurden sie bei Leeuwenhoek zur Illustration seiner Überlegungen zum Wachstum der Haut benutzt. Dass diese Analogie auch in späteren Beobachtungen als Motivation angeführt wurde, legt nahe, Leeuwenhoeks frühe Beobachtungen von Pflanzen generell als Teil einer breiter angelegten Untersuchung zum Wachstum von Lebewesen zu verstehen, die wiederum höchstens in einem Kontext aus individuellen Ansichten und Gegebenheiten eingebunden war.115

Auch bei der Frage der Fortpflanzung von Pflanzen spielten Analogien eine zunehmend wichtige Rolle: Von 1674 bis 1677 blieben Leeuwenhoeks Beobachtungen an Samen zum größten Teil deskriptiv, dann folgte eine deutliche Zäsur.116 Nachdem er die Idee entwickelt hatte, dass die Animalcula in der männlichen Samenflüssigkeit eine zentrale Rolle im Fortpflanzungsprozess spielten, stellte er sogleich eine Analogie zwischen ihnen und den Samen von Pflanzen auf und ließ 1685 schließlich Untersuchungen folgen, in denen beide Objekte in engem Zusammenhang miteinander studiert wurden. Von diesem Zeitpunkt an fielen die Beobachtungen der Pflanzensamen einerseits ungleich detaillierter aus als zuvor, andererseits wurden Analogien zur Fortpflanzung anderer Lebewesen fast zu einem zwingenden Bestandteil von Leeuwenhoeks Ausführungen.117

Ähnlich wie bei den Insekten waren Leeuwenhoeks Untersuchungen aber auch bei den Pflanzen zusätzlich dadurch geprägt, dass sie Kritik an fremden Beobachtungen übten: Nachdem die Weiterführung von Beobachtungen in diesem Bereich zunächst durch Anfragen von Henry Oldenburg, Thomas Gale, Constantijn Huygens, den Leidener Botaniker Paulus Hermans und Petrus Hotton angeregt worden war, wurde Leeuwenhoek schließlich von Constantijn Huygens auf die Arbeiten Grews hingewiesen und bat im April 1676 darum, seine eigene Beschreibung und Darstellung von Esche an diesen weiterzuleiten. In diesen wies er ausdrücklich darauf hin, dass in Grews Darstellung eine Art von Gefäßen fehle, die für die Zirkulation des Saftes notwendig sei. Letztlich konnte jedoch keiner der beiden den jeweils anderen überzeugen, und jeder blieb bei seinem eigenen Befund.118 Während es hier erneut eher die Abweichungen hinsichtlich bestimmter materieller Details waren, die es Leeuwenhoek verwehrten, Anschluss an die Forschung seiner Zeitgenossen zu suchen, brachten auch Anregungen in konzeptioneller Hinsicht keinen Erfolg in dieser Richtung: Auf eine Anfrage Oldenburgs zur Untersuchung von Pflanzensäften folgten ab 1675 nur sehr sporadische Beobachtungen, ebenso zu angrenzenden Fragen von Hooke oder Hotton.119 Gleichfalls wenig erfolgreich war der Austausch mit Richard Waller, der ihm Februar 1692 einen Abriss seiner eigenen Untersuchungen an Getreide schickte: Leeuwenhoeks Antwort fiel vergleichsweise kurz aus, auf eine weitere Nachricht Wallers im April 1693, reagierte er scheinbar überhaupt nicht.120

In der Zwischenzeit wurde der Abstand zwischen Leenwenhoek und anderen Forschern, die sich mit naturhistorisch relevanten Themen beschäftigten, auch dadurch vergrößert, dass in seinen Beobachtungen zunehmend Objekte eine Rolle spielten, die erst mit dem Mikroskop sichtbar wurden und deren Erforschung von vornherein abseits der Traditionen stand. Vor allem mikroskopische Lebewesen oder Animalcula (diertgens) tauchten unerwartet in Beobachtungen auf, die sich eigentlich mit ganz anderen Objekten beschäftigten und auf Fragestellungen aus verschiedenen Kontexten basierten: Zuerst bemerkte Leeuwenhoek diese Lebewesen bei der Untersuchung eines verfärbten Sees 1674, also im weitesten Sinne in einem naturhistorischen Zusammenhang. Nach mehreren Ankündigungen folgten aber erst im Oktober 1676 ausführliche Beobachtungen, die allerdings Versuche mit einer Luftpumpe und Untersuchungen von Gewürzen als Ausgangspunkte hatten, also Themen die eher den Bereichen Naturphilosophie und Medizin zugeordnet worden wären.121

Aufgrund ihrer geringen Größe und ihres fremdartigen Aussehens sah Leeuwenhoek zunächst die Notwendigkeit, eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Animalcula anzufertigen, die er in verschiedenen Wässern und Gewürzinfusionen gefunden hatte. Eine den naturhistorischen Konventionen entsprechende Nomenklatur hätte hierfür erst erarbeitet werden müssen, und es ist sowohl fraglich, ob Leeuwenhoek überhaupt mit derartigen Systemen vertraut gewesen ist, als auch, ob ein derartiges Unternehmen zu diesem Zeitpunkt schon sinnvoll beziehungsweise überhaupt durchführbar gewesen wäre.122 Aber auch Zeichnungen, wie sie sonst seinen Briefen beilagen, fehlten in den ersten Jahren bemerkenswerterweise, so dass es nahe liegt anzunehmen, dass Leeuwenhoek angesichts der Fremdheit und Neuigkeit seiner Beobachtungen bewusst auf besonders einfache Mittel zurückgriff und es bei einer detaillierten sprachlichen Beschreibung beließ. Selbst auf eine provisorische Benennung wurde verzichtet, was mit sich brachte, dass Bezüge zwischen verschiedenen Animalcula nur unter erschwerten Bedingungen hergestellt werden konnten.123 Ergänzt wurden diese Beschreibungen durch Berechnungen der Größe und Anzahl der Animalcula; also einen mathematischen Zugriff auf die Objekte, welcher aus einer naturhistorischen Perspektive heraus ebenfalls ungewöhnlich war.124

Tatsächlich mussten sich Leeuwenhoeks Beobachtungen aufgrund der ungewöhnlichen Formen und Strukturen der Animalcula aber auch mit Fragen beschäftigen, die sich in ihrer Grundsätzlichkeit deutlich von den Untersuchungen seiner Zeitgenossen unterschieden. Einige seiner Korrespondenten bezweifelten nämlich, dass es sich bei ihnen wirklich um Lebewesen handelte. Dementsprechend zeigte sich Christiaan Huygens besonders an den zu beobachtenden Bewegungen interessiert, da diese auch das Vorhandensein von Organen nahelegten, wenn man entsprechende Analogien zuließ.125 Auch Beobachtungen zur Vermehrung oder Verminderung der Animalcula im Verlauf der Zeit und ihre Reaktionen auf Veränderungen, die in ihrer Umgebung erzeugt wurden, beschäftigten sich letztlich mit der Frage nach ihrer Lebendigkeit.126 Das Aufkommen derartiger Fragen macht erneut klar, dass sich Leeuwenhoeks Beobachtungen in einigen Fällen am Rande oder ganz außerhalb traditioneller disziplinärer Kontexte bewegten.

2.2.7 Zusammenfassung

Nachdem von Seiten naturhistorischer Forscher offenbar zunächst nur ein geringes Interesse an mikroskopischen Beobachtungen bestanden hatte, folgten schließlich erste Untersuchungen, welche jedoch auf einzelne Detailfragen beschränkt waren, die vornehmlich als Ergänzung des naturhistorischen Wissensbestandes beziehungsweise als Fortsetzung der Tradition mit neuen Mitteln verstanden wurden. Mit zunehmender Länge der Beobachtungen wurde das Verhältnis zwischen Tradition und neuen Beobachtungen jedoch immer stärker strapaziert, und die Forscher unterließen es zunehmend, ihre Untersuchungen auf die Naturgeschichte zu beziehen. Thematiken, die traditionell in den Kontext der Naturgeschichte gehörten, wurden also aus diesem gewissermaßen herausgelöst. In einer ganzen Reihe von unabhängigen Fällen entstand in Folge mithilfe von Perspektiven und Techniken aus anderen Bereichen ein neuer, eher heterogener Kontext für die Beobachtungen, der sich besonders dadurch von der naturhistorischen Tradition abhob, dass Objekte in ihm primär durch Ähnlichkeiten und Analogien zueinander in Bezug gesetzt wurden.

In einer späteren Phase, in der wiederum Umfang und Länge der Untersuchungen merklich ausgedehnt wurden und die Beobachtungen stärker auf einzelne Objekte spezialisiert wurden, folgte dann sowohl inhaltlich als auch methodisch eine explizite Abwendung von der naturhistorischen Tradition. Während die Suche nach Analogien zwischen Objekten weiterhin ein zentrales Anliegen blieb, wurden nun auch verstärkt die Beobachtungen anderer Forscher, die mit den eigenen kritisch verglichen wurden, zum neuen Bezugspunkt. Allerdings wurde ein wirklicher Austausch zwischen den Forschern dadurch erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, dass jeder von ihnen seine Beobachtungen den individuellen Einflüssen und Gegebenheiten entsprechend anders ausrichtete.

2.3 Medizin

2.3.1 Die neue Anatomie

Die Medizin unterschied sich als Kontext von der Naturphilosophie und der Naturgeschichte dadurch, dass sie eine institutionalisierte Disziplin darstellte, zu der auch eine geregelte Ausbildung in Form eines Universitätsstudiums gehörte. Zudem fiel hier die Verwendung des Mikroskops mit einem grundlegenden Wandel des Kontextes selbst zusammen, denn über Anleihen aus der Naturphilosophie entstand etwa zur gleichen Zeit ein neues Konzept von Anatomie, das weniger den Bezug zur medizinischen Praxis in den Vordergrund stellte, sondern eine auf Ursachen gerichtete Forschung vorsah.127 Dementsprechend knüpften die Forscher, die selbst eine medizinische Ausbildung durchlaufen hatten, in ihren mikroskopischen Beobachtungen an eine der naturphilosophischen Schulen an, immer aber wurde Mikroskopie als eine neue, von traditionellen Vorgehensweisen abgegrenzte Methode präsentiert. Darüber hinaus lag vielen Beobachtungen die Idee zugrunde, dass in der Anatomie aller Lebewesen eine gewisse Uniformität bestünde und Beobachtungen an verschiedenen Objekten somit aufeinander übertragen werden könnten. In den späteren Phasen begannen sich dann diese Untersuchungen, wie bereits erwähnt, zunehmend mit den Thematiken zu überlappen, die ursprünglich dem naturhistorischen Bereich entstammten. Neue Themenfragen wurden vor allem von Außenseitern eingebracht, dann aber kaum von anderen Forschern aufgegriffen und weiterentwickelt. Ebenso blieben skeptische Äußerungen gegenüber mikro-anatomischen Beobachtungen in der Regel ohne weitreichende Auswirkungen.

William Harvey sollte entsprechend der Idee einer neuen Anatomie zum wichtigen thematischen Bezugspunkt der meisten Forscher werden, zumal er in seiner Exercitatio de motu cordis et sanguinis in animalibus (1628) schon Beobachtungen mit einem Mikroskop erwähnt hatte.128 Diese hatten jedoch allenfalls die Funktion, seine Vivisektionen und Experimente zu ergänzen und zu verallgemeinern, und sie beschränkten sich auf eine sehr spezifische Forschungsfrage, die allerdings von vielen späteren Forschern aufgegriffen werden sollte: Ausgehend von der Idee einer nach Ursachen forschenden Anatomie, die er in Anlehnung an Aristoteles formuliert hatte, versuchte Harvey, Herz und Herzschlag in „fast allen Tieren“ nachzuweisen. Hierdurch sollte verdeutlicht werden, dass es sich beim Prozess des Blutkreislaufes um ein universelles Prinzip handelte, auch wenn dies einen Widerspruch zur Ansicht von Aristoteles mit sich brachte, dass nur größere Lebewesen überhaupt über ein Herz verfügten.129

Ein weiteres, nicht minder einflussreiches Themengebiet folgte 1651 mit den Exercitationes de generatione animalium, in denen Harvey Untersuchungen an Hühnereiern beschrieb. Mithilfe des Mikroskops war es ihm hierbei gelungen, bereits am Ende des dritten Tages des Brütens erste Anzeichen von Leben zu erkennen: Ein Punkt, der rhythmisch auftauchte und verschwand, wurde von ihm per Analogieschluss als schlagendes Herz interpretiert, ferner wurde der gesamte Prozess der Formbildung als Ausprägung einer plastischen Kraft der Natur verstanden. Hierbei stellten entsprechende Beobachtungen bei Aristoteles, welcher dieses Phänomen ohne Mikroskop erst einige Stunden später erkennen konnte, für Harvey wiederum einen wichtigen Bezugspunkt dar.130 Darüber hinaus berichtete Harvey mit Beug auf das Mikroskop nur noch davon, dass die sich bildenden Knochen des Foetus mit ihm ebenfalls schon früher sichtbar wurden.131

Beide Abhandlungen überschnitten sich insofern, als das Herz in beiden eine zentrale Rolle einnahm. Sie glichen sich darüber hinaus aber auch darin, dass mittels des Mikroskops in erster Linie die Anwesenheit eines Organes nachgewiesen werden sollte: Scheinbar wurden weder die Herzen der verschiedenen Lebewesen, die Harvey untersucht hatte, hinsichtlich ihrer Struktur studiert, noch wurde der Foetus eingehender untersucht, sobald er eine Größe erreicht hatte, in der er auch mit bloßem Auge sichtbar war.132

Nathaniel Highmore, der ebenfalls über einen medizinischen Hintergrund verfügte und zeitweise mit Harvey zusammengearbeitet hatte, veröffentlichte in seiner History of Generation ebenfalls 1651 Beobachtungen an Hühnereiern. Anders als bei bei seinem früheren Partner bildete jedoch statt des Aristotelismus der Atomismus, den Highmore über Boyle vermittelt bekommen hatte, den zentralen Bezugspunkt für seine Beobachtungen. Möglicherweise war dies die Ursache dafür, dass er ein größeres Interesse für Mikrostrukturen an den Tag legte und die Beschreibungen dementsprechend etwas detaillierter gestaltete.133 Darüber hinaus glichen sich die Beobachtungen jedoch inhaltlich sehr: Wiederum wurde bei der Beobachtung des Wachstums ein Schwerpunkt auf die Entstehung des Herzens gelegt. Ferner wurde erneut vor allem die zeitliche Verschiebung der Sichtbarkeit mit und ohne Mikroskop hervorgehoben und die Verwendung des Instrumentes scheinbar eingestellt als der Foetus eine entsprechende Größe erreicht hatte. Allerdings unterschied sich Highmore insofern von Harvey, als er seine Untersuchungen in einen weniger direkten Zusammenhang mit naturphilosophischen Konzepten oder älteren Beobachtungsberichten stellte.134

Beide Forscher hatten also, ausgehend von jeweils einer philosophischen Schule, Mikroskope verwendet, um die Beobachtungen, die sie im Kontext neuer anatomischer Forschung durchführten, auf Bereiche auszudehnen, die mit bloßem Auge nicht zugänglich waren, um somit zu zeigen, dass auch dort die gleichen Prinzipien galten wie im Sichtbaren.

2.3.2 Neue Themen

Athanasius Kircher verfügte, anders als Harvey oder Highmore, nicht über eine medizinische Ausbildung, griff aber im Mundus subterraneus (1665) Harveys Beobachtungen an Hühnereiern auf und legte dabei abermals ein besonderes Augenmerk auf die Entstehung von Herz und Blutgefäßen. Die zu beobachtenden Prozesse führte er ebenfalls auf eine plastische Kraft zurück, verzichtete aber darauf, einen expliziten Bezug zu einer bestimmten Naturphilosophie herzustellen. Kircher lieferte hier allerdings keine wirklich neuen Informationen, sondern stellte in Anschluss an die Beobachtungen stattdessen eine weitschweifige Analogie von den Hühnerembryonen zur Entstehung des Kosmos auf.135 Eine neue Idee war hingegen die Anwendung des Mikroskops für die Untersuchung von Krankheiten: Bereits in der Ars magna lucis et umbrae (1646) hatte Kircher das Vorhandensein von Würmern im Blut von Fieberkranken als ein Beispiel für spontane Zeugung erwähnt und damit wiederum ein medizinisches Thema mit einem naturphilosophischen Erklärungsmodell verbunden.136 Angesichts einer Pestepidemie in Rom wurde diese Beobachtung 1658 im Scrutinium pestis wieder aufgegriffen und durch Ausführungen zu verschiedenen Experimenten ergänzt, mittels deren gezeigt werden sollte, dass bei Fäulnis Würmer aus Samen in den betroffenen Stoffen entstünden, welche letztlich die Ursache für alle Krankheiten seien, da sie mit der Nahrung in den Körper aufgenommen würden.137 Allerdings wurde dabei wie schon 1646 lediglich eine Beobachtung des Blutes „fieberkranker“ Arbeiter zugrunde gelegt, während weder zur Pest noch zu anderen Krankheiten entsprechende Untersuchungen erwähnt wurden. Statt einer im engeren Sinne empirischen Grundlage der Überlegungen, die Kircher im Textverlauf immer wieder in Anspruch nahm, handelte es sich also um eine sehr grobe Verallgemeinerung. Möglicherweise spielte auch dieser Faktor eine Rolle dabei, dass gerade das Scrutinium eines der Werke Kirchers war, bei denen die Zensoren der Jesuiten große Bedenken für die Veröffentlichung anmerkten.138 Einerseits hatte Kircher also ein neues Thema für mikroskopische Beobachtungen gefunden, das klar einen medizinischen Bezug hatte, und dabei bemerkenswerterweise anders als diejenigen Zeitgenossen, die über einen entsprechenden fachlichen Hintergrund verfügten, keinen Bezug zu einer spezifischen naturphilosophischen Schule hergestellt. Andererseits waren die Analogien, die er an diese Beobachtungen anschloss, deutlich weitschweifiger und „freier“ als bei ihnen.

Pierre Borel, der auch auf dem Titelblatt seiner mikroskopischen Centuria den Titel eines Leibarztes des französischen Königs führte, griff Kirchers Ideen auf und erwähnte in Entsprechung zu den Animalcula im Blut von Fieberkranken auch ein „schneckenförmiges Insekt“ in der Samenflüssigkeit, die angeblich von einem Soldaten stammte, der an Gonorrhoe litt.139 Zudem beschäftigten sich seine Beobachtungen auch mit Hautirritationen als Symptomen verschiedener Krankheiten. Einerseits waren den Beobachtungen zufolge auch diese Krankheiten auf die Präsenz mikroskopischer Lebewesen zurückzuführen. Andererseits bestand nun zumindest prinzipiell die Möglichkeit, mit einem Mikroskop früher als bisher Diagnosen zu stellen. Ähnlich praxisorientiert gaben sich auch die Untersuchungen von Stacheln, mit denen die menschliche Haut verletzt werden konnte, sowie von Quecksilber, das unter der Perspektive seiner Verwendung als Medikament untersucht wurde.140

Hinsichtlich der Fragen von Zeugung und Blutkreislauf wiederholte Borel allerdings wiederum hauptsächlich das, was bereits von seinen Vorgängern gesagt worden war, vermischte dabei aber die entsprechenden Beobachtungen, die an Insekten vorgenommen wurden, mit naturhistorischen Inhalten.141 Neu war dagegen die Idee, die Strukturen einzelner Organe zu beschreiben, um deren Funktion besser zu verstehen, also wirklich Anatomie auf mikroskopischer Ebene zu betreiben. Die entsprechende Passage ist jedoch sehr kurz gehalten und reduziert letztlich Herz, Hoden, Leber und Lunge und alle weiteren Parenchymata auf die gleiche Struktur. Wie in anderen Fällen stellte Borel auch hier einen engen Bezug zwischen seinen Beobachtungen und dem Atomismus her: Die Strukturen in den einzelnen Organen bestünden in erster Linie aus Poren, die in ihrer Form den Atomen der einzelnen Körperflüssigkeiten entsprächen.142

Anders als seine Vorgänger hatte Borel also zum einen den praktischen medizinischen Wert mikroskopischer Beobachtungen betont, zum anderen hatte er anders als Kircher, von dem er verschiedene Ideen übernommen hatte, wieder einen stärkeren Bezug zwischen Medizin und Naturphilosophie hergestellt.

2.3.3 Zweifel an mikro-anatomischen Strukturen

Obwohl Henry Power ebenfalls medizinisch ausgebildet war und Borels Schriften zumindest teilweise kannte, sah er in der menschlichen Anatomie oder der Diagnose von Krankheiten scheinbar keine lohnenswerten Beobachtungsthemen. Dies wird aus den Bemerkungen über Beobachtungen an Haaren deutlich, die Power in seiner Experimental Philosophy erwähnt: Einige Anatomen und vor allem Borel würden zwar berichten, dass sich die innere Höhlung der menschlichen Haare mit dem Mikroskop beobachten ließe, dies sei jedoch auch mit den besten Instrumenten keineswegs möglich. Vielmehr ließe sich dies lediglich aus Analogien zu den Beobachtungen von Pferdehaaren oder aus dem Bluten der Haare bei einer Erkrankung an Plica Polonica schlussfolgern.143 Dennoch ähneln Powers Beobachtungen denen Borels insofern, als auch bei ihm Herz und Eier zentrale Momente der Untersuchungen von Insekten darstellten. Allerdings waren diese inzwischen so eng mit anderen Fragen verbunden, dass sie mehr als Erweiterung naturhistorisch geprägter Insekten-Beobachtungen erschienen.144

Eine gewisse Skepsis gegenüber mikro-anatomischen Beobachtungen findet sich auch bei Hooke: Auch wenn er kein Mediziner war, stellte er doch seine Beobachtungen an Haaren in Zusammenhang mit der Plica Polonica. Allerdings zeigte Hooke dann auf, dass die Haare verschiedener Lebewesen mitnichten über die gleiche Struktur verfügten. Inwieweit solche Unterschiede sich auf Analogieschlüsse auswirken würden, wurde allerdings nicht weiter thematisiert.145

2.3.4 Malpighi: Ausweitung der mikroskopischen Anatomie

Nachdem die Neigung der Mediziner zu bestimmten philosophischen Schulen zunächst ein charakteristisches Merkmal für ihre mikroskopischen Beobachtungen dargestellt hatte, war die Entwicklung neuer Forschungsfragen vor allem durch den Außenseiter Kircher angestoßen worden, während die älteren Themen zunehmend ihren ursprünglichen Kontext verloren und mit naturhistorischen Untersuchungen verschmolzen. Ferner war der grundlegende Gedanke, die Funktion und Funktionsweise von Organen ausgehend von ihrer Mikrostruktur zu erschließen, zwar von Borel formuliert, jedoch vorerst nicht von anderen Forschern aufgegriffen worden.

Erst Marcello Malpighi machte die mikroskopische Anatomie über einen längeren Zeitraum zum hauptsächlichen Thema seiner Forschung. Dabei wurden die Beobachtungen nicht mehr auf die Konzepte einer einzelnen naturphilosophischen Schule bezogen, sondern standen nur noch in losem Bezug zu einer Mischung von Konzepten Gassendis, Galileis und Descartes’, die zudem nur selten explizit oder in spezifischer Form hervorgehoben wurden.146 Vielmehr charakterisierte Malpighi selbst seine Beobachtungen vor allem in Abgrenzung zum traditionellen Wissen der Medizin, aber auch mit einer gewissen Skepsis gegenüber der zeitgenössischen Forschung.147 Ein zentraler Faktor für die Durchführung der Untersuchungen war dabei wiederum, dass Malpighi bis zu einem gewissen Grad eine Uniformität der Anatomie von Lebewesen voraussetzte und Beobachtungen an den Organen von sehr verschiedenen Tieren miteinander verband.148

Die Funktionen der einzelnen Organe zu bestimmen war jedoch nicht immer ohne Probleme möglich: In seiner ersten Schrift, den zweiteiligen De pulmonibus observationes anatomicae (1661), sah sich Malpighi noch dazu gezwungen, seine eigenen Überlegungen, denen zufolge die Lunge zum Durchmischen des Blutes dienen sollte, an die Vorstellungen seines Mentors Borelli anzupassen, nachdem dieser zwar seine Beobachtungen gelobt, ihre Interpretation aber kritisiert hatte.149 Hinsichtlich der Funktion der Fetthaut war sich Malpighi hingegen trotz umfangreicher Untersuchungen so unsicher, dass die entsprechende Abhandlung zunächst nur als anonyme Schrift an seine Epistolae anatomicae (1665) angehängt wurde.150 Und auch im Fall des Gehirns, dessen Untersuchung zusammen mit drei anderen Schriften den Hauptteil der Epistolae bildete, konnte die Frage nach dessen Funktion, das heißt beispielsweise die Lokalisierung von Körperfunktionen, nicht gelöst werden, auch wenn Malpighi zumindest feststellen konnte, dass die dort endenden Nerven entgegen der Lehrmeinung nicht hohl waren.151 Selbst spätere Beobachtungen am Gehirn, welche in die Schrift De viscerum structura exercitatio anatomica (1666) einflossen, lieferten auf die eigentliche Frage keine konkreten Antworten.152 In anderen Fällen schlossen sich an Beobachtungen, die als erfolgreich eingestuft wurden, neue Untersuchungen an: Nachdem Malpighi ausgehend von der Struktur der Zunge eine Erklärung des Geschmackssinnes formuliert hatte, beschäftigte er sich im unmittelbaren Anschluss daran mit dem Tastsinn, indem er verschiedene sensitive und insensitive Stellen des Körpers untersuchte.153 Und schließlich resultierten diese Beobachtungen einzelner Organe in einer langwierigen Untersuchung verschiedener Drüsen, die 1689 als De structura glandularum conglobatarum consimiliumque partium epistola veröffentlicht wurden.154 Erneut hatten die Untersuchungen also scheinbar eine gewisse Eigendynamik entwickelt, die für die Beobachtungen von größerer Relevanz waren als eine disziplinäre Kontextualisierung.

Zusätzlich zu den Untersuchungen zu Organfunktionen griff Malpighi später aber auch Harveys Beobachtungen zur Fortpflanzung auf und verfasste 1672 ausgehend von der Weiterentwicklung seiner eigenen Methoden gleich zwei Berichte über Untersuchungen an Hühnereiern. Dabei griff er häufiger und mit größerer Selbstverständlichkeit auf das Mikroskop zurück als seine Vorgänger, außerdem räumte er der Bildung des Herzens gegenüber den anderen Organen keine Sonderrolle mehr ein.155 Bemerkenswerterweise hatte Malpighi bereits 1667 die Uteri und Ovaria von Hühnern und Rindern untersucht. Er hatte diese Untersuchungen, wie er später selbst einräumte, jedoch als wenig fruchtbar empfunden, und die entsprechenden Ausführungen erschienen erst 1684 als Teil eines vermischen Beitrages in den Philosophical Transactions.156 Beide Entwicklungen zeigen wiederum, dass trotz der thematischen Übereinstimmung mit Harvey die Ideen für weitere Untersuchungen vor allem durch der Verlauf der Beobachtungen selbst bestimmt wurden.

Wie bereits erwähnt wandte sich auch Malpighi, nicht zuletzt aufgrund seines Kontaktes zur Royal Society, phasenweise Untersuchungen zu, die eher einen naturhistorischen als medizinischen Hintergrund hatten und sich unter anderem dadurch abgrenzten, dass sie den Fokus stärker auf Prozesse legten: Seine Studien zur Seidenraupe hatte nur noch wenig mit den Insekten-Beobachtungen Harveys gemeinsam, und seine Anatome plantarum hatte nur noch insofern einen Bezug zur Medizin, als Analogien zur tierischen Anatomie benutzt wurden, um die Prozesse im Inneren der Pflanzen zu erklären.157

Auch die Thematik der Krankheiten, deren mikroskopische Diagnose sich ja bei Kircher und Borel zumindest als Idee fand, spielte in Malpighis Forschung eine ganz andere Rolle: Die Untersuchung von krankhaften Organen war zwar ein wichtiger Bestandteil seiner Beobachtungen, diese zielten jedoch nicht so sehr darauf ab, mehr über die Krankheiten zu erfahren, sondern sollten die Strukturen dieser Organe anhand von Schwellungen noch besser ermitteln können. Zum zentralen Aspekt wurde dieses Vorgehen in der De polypo cordis dissertatio (1666) gemacht, indem ausgehend von Herzpolypen auf die Beschaffenheit des Blutes geschlossen wurde.158 Der Versuch, Körperflüssigkeiten in ihrem Normalzustand mit dem Mikroskop zu untersuchen, war hingegen laut einer Bemerkung in De viscerum structura gescheitert.159

Malpighi hatte also eine insofern mit seinen Vorgängern gebrochen als er eine lange Reihe spezialisierter Einzeluntersuchungen zur mikroskopischen Anatomie durchgeführt hatte. Hierbei wurden zwar einige eher traditionelle Themen wieder aufgegriffen, allerdings waren naturphilosophische Konzepte weniger von Bedeutung als Analogien zwischen verschiedenen Objekten und die Eigendynamik der Untersuchungen.

2.3.5 Leeuwenhoeks Weg zur Kritik

Antoni van Leeuwenhoek hatte, wie er selbst betonte, keinerlei medizinische Ausbildung, pflegte aber einen engen Kontakt zu verschiedenen Medizinern in seiner Umgebung und tatsächlich war es auch ein Mediziner, Reinier de Graaf, der Leeuwenhoeks Untersuchungen erstmals über die Grenzen von Delft bekannt machte, indem er in einem Brief an die Royal Society über sie berichtete.160 Dementsprechend wurde ein nicht unerheblicher Teil seiner Beobachtungen von Anfang an durch Fragen motiviert, welche durch derartige Bekanntschaften entstanden, allerdings zumeist eher den Anstoß für Untersuchungen gaben, die eigenen Ideen folgten: Nachdem er Ende der 1660er Jahre Zeuge eines fehlgeschlagenen Experiments von de Graaf geworden war, in dem bei einem Hund Blut durch Milch ersetzt werden sollte, begann Leeuwenhoek sich mit der Zusammensetzung von Blut zu beschäftigen.161 Ausgehend von den in diesen Beobachtungen entdeckten Globuli untersuchte er auch das Blut verschiedener Lebewesen auf ähnliche Körper und griff zudem die Frage auf, ob in jenem auch Luft enthalten wäre.162 Schließlich wurden auch andere Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen wie Kot, Cerumen, Sputum, Speichel und Urin untersucht, wenn auch in deutlich geringerem Umfang.163

Die Samenflüssigkeit war von diesen Beobachtungen zunächst ausgeschlossen: Auch wenn Oldenburg schon 1674 entsprechende Untersuchungen anzuregen versuchte, wurden diese durch eine Aversion Leeuwenhoeks gegenüber dem Gegenstand verhindert. Diese Einstellung änderte sich erst, als er 1677 Besuch vom Leidener Mediziner Theodorus Craanen und dessen Studenten Johan Ham erhielt, die bei eigenen mikroskopischen Beobachtungen Animalcula in der Samenflüssigkeit gesehen hatten.164 Während die beiden Mediziner und einige Zeitgenossen zunächst davon ausgingen, dass es sich hierbei um das Ergebnis einer spontanen Zeugung handeln könnte, machte Leeuwenhoek diese Animalcula bald zum zentralen Moment einer neuen Zeugungstheorie.165

Einerseits stellten diese Überlegungen eine Verbindung zu Leeuwenhoeks Forschung bezüglich der Fortpflanzung von Insekten und anderen Lebewesen her, und motivierten somit zu weiteren Beobachtungen und zu Analogien zwischen den verschiedenen Objekten. Andererseits sah sich Leeuwenhoek nun aber auch dazu veranlasst, einen zunehmenden Anteil seiner Briefe für argumentative Zwecke zu verwenden. Dabei widersprach er immer vehementer den Ansichten seines anfänglichen Gönners de Graaf und auch eines nicht unerheblichen Teiles seiner Korrespondenten, welche den Ovaria eine bedeutendere Rolle für die Fortpflanzung zuwiesen.166 Seiner Ablehnung dieser Position folgend waren seine Beobachtungen an Eiern dann auch nicht mehr wie bei seinen Vorgängern darauf ausgerichtet, die Entwicklung des Foetus nachzuvollziehen. Stattdessen versuchte Leeuwenhoek, dessen Ab- und Anwesenheit vor beziehungsweise nach dem Kontakt mit der Samenflüssigkeit nachzuweisen.167 Erneut hatte er also ausgehend von einer eigentlich aus dem medizinischen Bereich kommenden Frage eine eher individuelle Herangehensweise entwickelt.

Ein weiterer zentraler Unterschied zu Kircher, Borel oder auch Craanen bestand darin, dass Leeuwenhoek die Animalcula in der Samenflüssigkeit nicht als Teil einer Krankheit oder als spontane Zeugung verstand.168 Derartige Überlegungen waren ihm aber nicht unbekannt: Vermutlich mit Bezug auf Athanasius Kircher erwähnte Leeuwenhoek im Februar 1679 angebliche Beobachtungen in Rom, bei denen Animalcula im Blut gefunden worden seien, als Ausgangspunkt für eigene Untersuchungen von Blut und Speichel. Auch wenn er dabei nicht fündig wurde, begann er dennoch, weitere Fälle von Parasitenbefall zu untersuchen, da er es für möglich hielt, dass es sich bei diesen Animalcula um den Ursprung der Würmer handeln könnte, die beispielsweise in den Lebern von Schafen zu finden waren.169 An Stelle der Pest, die Leeuwenhoek als Kontext der ursprünglichen Beobachtungen nicht erwähnte, trat also ein anderer Bezug, der eher durch seine eigene Umgebung geprägt war.

In ähnlicher Weise hingen auch Leeuwenhoeks Beobachtungen zu verschiedenen Krankheiten und Gebrechen zumeist direkt mit ihrem Auftreten in seinem unmittelbaren Umfeld oder bei ihm selbst zusammen.170 Medikamente wurden hingegen zumeist ohne einen derartigen Anlass untersucht, die Beobachtung ihrer Zusammensetzung und ihrer Wirkung auf das Blut glich allerdings den Untersuchungen einiger anderer Objekte.171

Auch bei seinen Untersuchungen der Mikrostrukturen von Organen ging Leeuwenhoek anders vor als seine Vorgänger oder Zeitgenossen: In den meisten entsprechenden Berichten sagte er nichts über die Funktionsweise der jeweiligen Körperteile aus, sondern begnügte sich vor allem in seinen frühen Briefen damit nachzuweisen, dass die untersuchten Organe aus Globuli bestünden. In einigen Fällen wurden diese Beobachtungen zwar später korrigiert, dennoch lässt sich weiterhin die Tendenz dazu erkennen, Organe auf mikroskopische Elemente zu reduzieren.172 In den Untersuchungen, welche er dagegen im Zusammenhang mit seiner bereits früh entwickelten Vorstellung einer rein mechanischen Verdauung erwähnt hatte, wurde der Fokus bemerkenswerterweise eher auf Beobachtungen an der verdauten Nahrung als am Magen oder an angrenzenden Organen gelegt.173

Die Frage nach dem Blutkreislauf als universellem Prozess wurde ebenfalls aufgegriffen, aber wiederum auf andere Weise untersucht als bei Harvey und anderen stärker medizinisch geprägten Forschern: Der Nachweis von Herz und Blutgefäßen verschiedener Lebewesen war aus Leeuwenhoeks Perspektive nicht ausreichend, um etwas über den tatsächlichen Prozess der Zirkulation auszusagen. Nur die direkte Beobachtung des mehr oder weniger ungestörten Ablaufes lieferte hierfür eine zulässige Grundlage, so dass ein Aspekt der Beobachtungen darin bestand, nach Lebewesen zu suchen, bei denen die Blutgefäße es durch ihre Lage ermöglichten, den Blutfluss durch die Haut hindurch am lebenden Objekt zu studieren.174

Trotz seines Kontaktes zu mehreren Medizinern und der Rolle, welche diese für seine Beobachtungen zuweilen spielten, hatte Leeuwenhoek also seine Beobachtungen in erster Linie an eigenen Überlegungen ausgerichtet, die oft in engem Zusammenhang mit seinem Umfeld standen. Dabei war er schließlich zu Ansichten gelangt, die in mehreren Fällen in Widerspruch zur gängigen Lehrmeinung und auch zu den Standpunkten seiner früheren Förderer standen.

2.3.6 Zusammenfassung

Auch wenn sich die Medizin durch ihre Institutionalisierung als möglicher Kontext von der Naturphilosophie und -geschichte unterschied, lässt sich doch auch hier feststellen, dass sich das Mikroskop zunächst nur zur Untersuchung einiger weniger, sehr eng gefasster Themen etablierte. Dabei spielte zunächst der Bezug zu bestimmten naturphilosophischen Lehren eine wichtige Rolle. Spätere, ausführlichere Beobachtungen folgten dann einer erweiterten Thematik und wiesen eine gewisse Heterogenität in philosophischer Hinsicht auf. Daneben fällt auf, dass neue Themen trotz ihrer medizinischen Relevanz vor allem von Außenseitern in die Beobachtungen eingebracht wurden, allerdings nicht von anderen Forschern aufgegriffen wurden, ebenso wie die Skepsis, die zwischenzeitlich an mikro-anatomischen Beobachtungen geäußert wurde, keinen Einfluss auf die Weiterführung entsprechender Beobachtungen hatte.

Auffällig ist zudem, dass die Beobachtungen die gleiche Verwandlung durchmachten wie in Bezug auf andere Kontexte: Nachdem mikroskopische Untersuchungen als Beobachtungsmethode für bestimmte Fragen etabliert waren, folgten über längere Zeiträume durchgeführte, eher explorative Untersuchungen, die in erster Linie einer gewissen an den Objekten und an Analogien ausgerichteten Eigendynamik folgten und weniger eng in einen Kontext eingebunden wurden. Im Zuge dieser Entwicklung wird auch besonders deutlich, wie distanziert Leeuwenhoeks Beobachtungen eigentlich von den disziplinären Kontexten seiner Zeit waren: Auch wenn Fragestellungen aus verschiedenen Gebieten zum Ausgangspunkt seiner Beobachtungen wurden, spielten diese doch für die Art und Weise, in der er seine Untersuchungen anstellte, kaum eine Rolle, sondern wurden im Lauf der Zeit eher zum Gegenstand seiner Kritik.

Der Einfluss der traditionellen Kontexte, in welche die Wissenschaftsgeschichte die frühen mikroskopischen Beobachtungen normalerweise einordnet, erweist sich also, wenn man die Beobachtungen selbst zum Ausgangspunkt nimmt, als eher gering: Sowohl in der Naturphilosophie als auch in Naturgeschichte und Medizin lässt sich eine anfängliche Zurückhaltung gegenüber dem Mikroskop erkennen. Umfangreiche Beobachtungen begannen bemerkenswerterweise in dem Moment, als Forscher anfingen, sich weniger stark auf diese Kontexte zu beziehen, sondern stattdessen Fragestellungen aus verschiedenen Bereichen miteinander zu vermischen. Was bedeutet dies nun hinsichtlich der Frage nach möglichen Beobachtungsstilen? Eine gemeinsame Tradition im engeren Sinn, auf welche sich die Forscher hätten beziehen können, gab es allen Anschein nach nicht. Vielmehr ging die Positionierung der Untersuchungen zwischen den etablierten Kontexten mit einem erkennbaren Mangel an übergeordneten Leitlinien einher, der sich vor allem darin manifestierte, dass die Beobachtungen sich zunehmend nach Fragestellungen ausrichteten, die aus den Untersuchungen selbst erwuchsen und in vielen Fällen mit der besonderen Rolle zusammenhingen, die Analogien zwischen den Objekten für die Forscher spielten.

Fußnoten

„Primi generis sunt [...] ea quae nuper inventa sunt perspicilla; quae latentes et invisibiles corporum minutias, et occultos schematismos et motus (aucta insigniter specierum magnitudine) demonstrant [...] Democritus, exiluisset forte, et modum videndi atomum (quem ille invisibilem omnino affirmavit) inventum fuisse putasset. Verum incompetentia hujusmodi perspicillorum, praeterquam ad minutias tantum (neque ad ipsas quoque, si fuerint in corpore majusculo), usum rei destruit. Si enim inventum extendi posset ad corpora majora, aut corporum majorum minutias, [...] magnae procul dubio ex eo invento commoditates capi possent“ (Novum Organon (1620), Lib. II, Aph. 39; zitiert nach: Bacon (1996, 11.342–344)).

„Prenda egli qualsivoglia materia, o sia pietra, o sia legno, o sia metallo, e tenendola al Sole, attentissimante la rimiri, ch'egli vi vederà tutti i colori compartiti in minutissime particelle, e s'ei si servirà per riguardargli d'un Telescopio per veder gli oggetti vicinissimi, assai più distintamente vederá quant'io dico“ (Galilei 1890–1909, 6.290). Zum Stellenwert des Mikroskops in Galileis Forschung siehe Lüthy (1995, 216–225).

„[Je] les juge toutes fois beaucoup plus vtiles, a cause qu'on pourra voir par leur moyen les diuers meslanges & arrengemens des petit parties dont les animaus & les plantes, & peutestre aussy les autres cors qui nous enuirronnent sont composés, & de là tirer beaucoup d'auantage pour venir a la connoissance de leur nature. Car, desia selon l'opinion de plusieurs Philosophes, tous ces cors ne sont faits que des parties des elemens diuersement meslées ensemble; & selon la miene, toute leur nature & leur essence, au moins de ceux qui sont inanimés, ne consiste qu'en la grosseur, la figure, l'arrangement, & les mouuements de leurs parties“ (Descartes 1964–1986, 6.226–227).

„La pluspart des petit corps regardez auec des lunettes paroissent transparens, pour ce qu'ils le sont en effet; mais plusieurs des ces petits corps mis ensemble ne sont plus transparens, pour ce qu'ils ne sont pas joints ensemble également, & le seul arrengement des parties, estant inegal, suffit pour rendre opaque ce qui estoit transparent [...]“ (Descartes 1964–1986, 1.109; s.a. 2.177).

Wilson (1995, 20–21, 97); Ruestow (1996, 61–68).

Bezüglich des Acarus, der damals als das kleinste Lebewesen galt, siehe bspw. Gassendi (1658, 1.270a; 2.388; 3.456b-457b) und die Erläuterungen von Lüthy (1995, 276–281). Ähnlich wie bei Syrones handelt es sich um einen Begriff, unter den aus heutiger Perspektive insbesondere verschiedene Arten von Milben fallen. Zu den weiteren Phänomenen zählen der Schmerz beim Urinieren durch das Vorhandensein von Partikeln im Urin, auf die er wahrscheinlich von Peiresc aufmerksam gemacht wurde (Gassendi (1658, 2.115b, 560a; 5.306a); Peiresc (1888–1896, 3.465)), und das Jucken nach dem Berühren von schlechtem Käse (Gassendi 1658, 2.463a, 560a).

„Si permiseris nempe aquam salsam ad solam evaporari, relinquetur Sal totum conformatum in figuras cubicas [...] Quódque adhuc sit mirum, observare licet grandiores cubos conformatos ex minoribus, istosque ex aliis adhuc minutioribus [...] Ex quo profectò intelligitur, illos quoque, quos memoravi, insensibileis cubulos contexi ipsos adhuc ex aliis, & istos rursùs ex aliis, donec perveniatur ad exilitatem nisi Atomorum, saltem molecularum quasi seminearum, ex quibus Salis natura constet [...]“ (Gassendi 1658, 1.271a). S.a. ebd. (1.268b–269a) und Peiresc (1888–1896, 4.538).

So zumindest die Interpretation von Fisher (2005, 351–354), die sich hauptsächlich auf folgende Textstelle gründet: „Seulement ne puis-je pas me tenir de vous dire que je justifie tousjours quelqu'une de mes anciennes resveries touchant les principes de la philosophie d'Epicure“ (Peiresc 1888–1896, 4.538).

„Fortassis verò hanc quoque historiam perjucunde accipies, quod nix ista videatur unum ex iis naturae miraculis, quae pulcherrime disquisita possint Meteorologiam maximopere illustrare. [...] De causis aliàs, si videbitur“ (Mersenne 1945–1988, 2.197–199).

„[...] ita possit fortè aliquando Engyscopium sic perfici, ut illa de quibus loquimur, principia [...] ex quibus causae tot effectorum, quae iam obstupemus, reddantur, perinde demonstret: attamen utcumque nihil sit desperandum de humani ingenii sagacitate, solertia, industria [...]“ (Gassendi 1658, 2.560a).

Die bisherige Kontextualisierung von Kirchers Mikroskopie bezieht sich vor allem auf seine Ars magna lucis et umbrae (1646) und das Scrutinium pestis (1658) und betont dementsprechend optische und medizinische Fragen (Belloni (1985); Wilson (1995, 155–159, 192–193, 200)); Fournier (1996, 26, 35, 154); Ruestow (1996, 37–38, 82–83, 188, 201, 262–263).

„Haec autem dum affero, nemo sibi persuadeat velim, me Democriti sententiam de atomis hoc loco tenere, [...] cum impossible sit de polymorphis Democritorum corpusculis, ex quibus omnia constare docuit, veram physicae scientiae normam concinnare, cum sensibus repugnent, & nihil aliud sint, quam otiosa hominum maleferiatorum sigmenta: Aliud de nostris particulis statuendum est, haec enim verè in dissolutione corporum Spagyrica ars manifesta facit, ita non negari possit, quod sensibus adeò obvium est: Accedit & Smicroscopium, cujus solius ope que prius insensibilia latebant, in apertam lucem jam sensibus obvia educuntur & demonstrantur [...]“ (Kircher 1665, 2.397b).

Vgl. hierzu die Beschreibung kristalliner Strukturen im Mundus subterraneus (Kircher 1665, 2.25b). Laut einem im Anschluss geschilderten Experiment zeichnet sich die Form einer Pflanze im Mikroskopischen wieder ab, wenn ihre Asche mit Wasser vermischt und gefroren wird (ebd. 2.26–27). Anmerkungen zu den Formen von Rizinusblättern (Kircher 1646, 834) sind vielleicht ebenfalls in dieser Richtung zu deuten. Diese wurden später von Borel aufgegriffen (s.u. S. 3839, 6869).

„Certe multa corpora omni vita & anima destituta, hucusq[ue] creditu[m] est, qu[ae] tamen dioptica vivere deprehendit. Quis credere posset acetu[m], & lac innumerabili multitudine vermiu[m] scatere, nisi id smicroscopia ars hisce ultimis temporibus summa omnium admiratione docuisset? [...] Omitto hic quammulta [...] de sanguine febrentium verminoso, aliisque innumeris hucusque omnibus Medicis incognitis, & à nemine Medicorum penetratis, cognosci possint. Videbis non animalia tantum, sed & singulas herbas sua naturalia proferre animalia, ex putrefacto eius humore tanquam semine pullulantia, nullumque esse muscarum, aut aerucarum genus, quod non aliquam matrem ex dictis rebus agnoscat“ (Kircher 1646, 834). Vgl. ähnliche Stellen im Mundus subterraneus (1665, 2.25, 27, 352, 357, 363, 366, 370–371). Wie das obige Zitat nahelegt, bezieht sich ein nicht unerheblicher Teil der Beobachtungen zugleich auf medizinische Fragen (s.u. S. 5657).

Kircher (1646, 85) zufolge nähmen auf der Erde lebende Tiere über ihre pflanzliche Nahrung vor allem Wasser auf, Vögel hingegen zusätzlich Luft. Demzufolge hätten sie eine höhere Vielfalt an Farben. Im Rahmen der mikroskopischen Beobachtungen wird lediglich auf die Farbe von Pflanzenblättern eingegangen (ebd. 834).

„Te Lector, scire velim, crystallina corpora vitreaque non secus ac caetera omnia mixta mineralium corpora suis corporibus Salino-mercurialibus constare, cum vitrum ex cineribus sale turgeidis, crystallinorumque corporum, salium videlicet, quorum nullum est, quod non diaphanum sit, uti ex microscopio patet [...] Volucres sulphure & salibus turgere, inde constat, quod ex stabulis & columbariis ingens nitro caeterorumque salium copia extrahatur. [...] sed quomodo in pavonibus, anatibus & columbis tam varia, inconstans & mutabilis colorum varietas ad diversum lucis allapsum producatur, istius nemo, quod sciam, adhuc rationem veram & genuinam reddidit. Ego quid observavim, paucis aperiam, Ex frequenti hujusmodi pennarum, ope smicroscopii inspectione mihi innotuit, quod omnes illae pennae tanta colorum varietate radiantes, & in pavonibus caeterisque avibus conspicue nascantur, ex naturali pennarum constitutione, quarum filamenta Natura ita disposuit, ut & diaphanae sint, & in angulosam formam trigonis vitreis haud absimilem concinnae sint, que omnia smicroscopium luculenter demonstrat [...]“ (Kircher 1665, 2.15, 17). Diese Beschreibung dient, ähnlich wie eine frühere Version im Itinerarium extaticum dazu, die Eigenschaften von Salz als paracelsischem Element zu erläutern (Vgl. Schott 1660, 604–607). Zu Kirchers Verbindung zur Alchemie siehe Hirai (1985) und Rowland (2004, 194, 199–201).

„dici vix potest, in quantam inspectantis animum admirationem infinitae huiusmodi Dei omnipotentiae, sapientiae, & bonitatis quasi ludentis in orbe terrarum & maximam se, vel in minimis prodentis spectacula rapiant“ (Kircher 1646, 834). S.a. Ruestow (1996, 58). Das Mikroskop gehört für Kircher in den Bereich der Magia parastatica, d.h. der Darstellung wundersamer Naturdinge mittels Optik (Kircher 1646, 799). Bezüglich der magischen und hermetischen Aspekte von Kirchers Wissenschaft siehe Godwin (1988, 23) und Ebeling (2007, 60). Es liegt angesichts der oben erwähnten Ablehnung des Atomismus nahe, den Vergleich zur kosmologischen Kontroverse zu ziehen. Auch hier kehrte Kircher neueste wissenschaftliche Überlegungen so um, dass sie letztlich wieder für traditionelle, d.h. durch die katholische Kirche vertretene Ansichten, sprachen (Siebert 2006, 295–305).

Seine Beobachtung von Essig sah Borel (1656a) als Bestätigung von Descartes und Demokrit; hinsichtlich des Wassers meinte er hingegen Descartes zu bestätigen (ebd. LXXVII). Bezüglich der Erklärung der haptischen oder optischen Eigenschaften von Pflanzen anhand ihrer mikroskopischen Oberflächenstrukturen siehe ebd. (VI, XXIX, LXV, LXXXVI, LXXXVII, XCVIII). Gassendi wird lediglich in der Beobachtung einer Laus erwähnt (ebd. XI). Zur Beobachtung von Schnee, die keine derartigen Bezüge enthält, siehe ebd. (XCII).

„Microscopii inventum etiam insignia multa & notabilia jam nunc detexerit, & porrò deteget, quae argumenta subministrabunt, de animâ universi & partium ejus“ (Borel 1656a). In Borels kosmologischen Diskurs über die Vielzahl der Welten (Borel 1657) wurde das Mikroskop hingegen nicht erwähnt. Zum Handlesen siehe Borel (1656a). Erwähnt sei ferner der von ihm zusammengestellte Katalog hermetischer Bücher (Borel 1654).

Borel (1656a). In den ersten beiden Abschnitten wird auf Kircher unter dem Zusatz verwiesen, dass Borel bisher dessen Beobachtungen noch nicht bestätigen konnte. Als Ursache der Bildung von Schnee wurde hingegen eine Art Magnetismus vermutet (ebd. XCII).

Wie Kircher erwähnte Borel die Farben von Pfauenfedern und Zitronenblättern, nur im zweiten Fall verwies er explizit auf Kircher (Borel 1656a). Weitere Beobachtungen, in denen die Farbe der Objekte eine wichtige Rolle spielte, umfassten bei Borel Metalle, Insekten, Fische und verschiedene Pflanzen (ebd. XXII, XXXVI–XXXVII, LV, LXV, LXX). Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch seine Äußerungen hinsichtlich der körperlichen Natur des Lichtes (ebd. LXXII).

Zum „epistemischen Genre“ der Beobachtungssammlungen siehe Pomata (2011, 45–49, 57–64). Borel selbst hatte neben seinen mikroskopischen Beobachtungen vier Centuriae mit medizinischen Beobachtungen publiziert (Borel 1656b). Zu den naturhistorischen und medizinischen Einflüssen s.u. (S. 3839, 5758).

Zu den Beobachtungen siehe Boyle (1999–2000, 2.229, 273, 342; 13.229), zum Engyskop ebd. (10.237–238). Die Verbindung von Wahrnehmung und mikroskopischen Bildern wurde in späteren Schriften abermals erwähnt (ebd. 7.281, 12.399), ebenso die Frage nach den Eigenschaften bestimmter Stoffe wie Quecksilber, Diamanten und Mineralwässern (ebd. 5.314; 7.18; 10.237–238).

Boyle (1999–2000, 4.35, 38–40, 52, 69, 104). Für spätere Bezüge auf mikroskopische Beobachtungen zum Thema Farbe siehe ebd. (6.9; 9.416).

Gassendi wurde im Zusammenhang mit der Struktur von Schnee und Eis kritisiert (Boyle 1999–2000, 4.69, 309–310) bevor Boyle über seine mikroskopischen Beobachtungen berichtete, welche die Veränderungen an Körperflüssigkeiten, Äpfeln, Zungen und Holz umfassten (ebd. 4.445–446). Dennoch hatten beide Forscher grundsätzlich eine ähnliche Vorstellung von Formbildung und führten ähnliche Untersuchungen von Kristallstrukturen durch (Emerton 1984, 43–44).

In Boyles erhaltenen Notizbüchern findet sich nur eine einzige Stelle, die sich eindeutig auf eine mikroskopische Beobachtung bezieht (Hunter, Michael und Alison Wiggins 2001, WD19, Entry 17). Tatsächlich nahmen auch die Verweise auf das Mikroskop in Boyles Schriften im Laufe der Jahre eher ab, denn schon 1685 erwähnte er, dass ihn eine Sehschwäche zur Aufgabe der mikroskopischen Beobachtungen gezwungen habe (Boyle 1999–2000, 10.237–238). Neben den o.g. Themen werden mikroskopische Beobachtungen aber noch im Zusammenhang mit Porosität, Finalursachen und spontaner Zeugung erwähnt, jedoch immer nur kurz (ebd. 10.110, 127; 11.100; 13.285).

Vgl. Lüthy (1995, 504–505, 510–511, 517). Power nannte Boyle „doubly Honourable (both for his parts and parentage)“ (Power 1664). Dass Powers Untersuchungen eng mit den Überlegungen Descartes' verbunden waren, geht ebenfalls aus dem Preface hervor, in dem einige Prinzipien der cartesianischen Naturphilosophie ausgeführt wurden. Allerdings traf auch Power keine scharfe Unterscheidung zwischen dessen Korpuskularphilosophie und dem Atomismus. Borel wurde hingegen neben anderen Medizinern hinsichtlich der von ihnen beschriebenen (bzw. angenommenen) Höhlung der Haare kritisiert (s.u. S. 58).

Power (1664, 36, 42–45, 54). Bezüglich der Effluvia siehe die letzte Beobachtung (ebd. 57–58) sowie ein Experiment, innerhalb dessen sie indirekt mittels einer alternden Zwiebel nachgewiesen werden sollten (ebd. 29). Zur Farbenproblematik äußerte sich Power nur beiläufig (ebd. 42–43, 72).

Hooke schrieb im Juli 1663 an Boyle: „There is very little in Dr. Power’s microscopical observations but what you have since observed [...]“ (Boyle 2001, 2.98), s.a. Birch (1756–1757, 1.266). Da sich in der Experimental Philosophy aber eine beachtliche Menge Insektenbeobachtungen findet (s.u. S. 87), bezieht er sich damit scheinbar auf die naturphilosophischen Aspekte. Daraus folgt aber auch, dass folgende Beteuerung Hookes am Ende des Vorwortes der Micrographia nicht ganz der Wahrheit entsprach: „After I had almost compleated these Pictures and Observations (having had divers of them ingraven, and was ready to send them to the Press) I was inform’d, that the Ingenious Physitian Dr. Henry Power had made several Microscopical Observations [...]“ (Hooke 1665). Denn auch wenn Hooke schon im November 1662 mit regelmäßigen mikroskopischen Beobachtungen begann, zogen sich diese doch bis in den Dezember 1663 hin (Harwood 1988, 124–125), und ihre Publikation war im November 1664 immer noch nicht abgeschlossen, wie aus einem weiteren Brief an Boyle hervorgeht (Boyle 2001, 2.412).

Die Abhandlung der Formen-Frage schreitet in den Beobachtungen XI–XIV von den einfacheren Formen von Sand zu komplexeren kristallinen Formen fort (Hooke 1665, 79–92). Dies entspricht dem Gliederungsprinzip der gesamten Micrographia (s.u. S. 40). Die Frage nach der Formenbildung im organischen Bereich schließt sich in den Beobachtungen XVI–XVIII an (ebd. 100–120). Das grundlegende Prinzip, dass sich alle Formen aus Globen bilden lassen, wird anhand von Salzen in Beobachtung XIII erläutert und auch auf andere kristalline Formen angewendet (ebd. 87–88, 92). Der Globus wurde bereits in Beobachtung VIII als elementare Form eingeführt, welche direkt aus der unterschiedlichen Kongruenz verschiedener Stoffe folgte (ebd. 44–47).

Der naturphilosophische Bezug wird vor allem beim sog. Kettering-Stein offensichtlich, da sich an die Beobachtung direkt Überlegungen an die Ausbreitung des Lichtes anschließen, die Hooke als eine Bewegung in einem feinen Stoff verstand, welcher die Zwischenräume in Luft, Wasser und auch Glas durchdringen würde (Hooke 1665, 96–100). Die Schlussfolgerungen aus der Porosität von Holzkohle sind konkreterer Natur und betreffen einige Eigenschaften dieses spezifischen Stoffes (ebd. 102–103) sowie den Verbrennungsprozess selbst (ebd. 103–106).

Hooke (1665, 10–15). Das aus den Versuchen hergeleitete Prinzip wird dann auf die anfänglich erwähnte Beobachtungen zurück übertragen (ebd. 20–21).

„[...] this laminated body is more simple and regular then the parts of Peacocks feathers [...] the parts of this body are much more manageable, to be divided or joyned, then the parts of a Peacocks feather [...] we are able from a colourless body to produce several coloured bodies, affording all the variety of Colours imagineable [...]“ (Hooke 1665, 49). Zu den Körperfarben schrieb Hooke hingegen: „In the true ordering and diluting, and deepning and mixing, and fixing of each [tincture], consists one of the greatest mysteries of the Dyers; of which particulars, because our Microscope affords us very little information, I shall add nothing more at present [...]“ (Hooke 1665, 79).

Da die Farbringe an Muskovitplatten, welche den Ausgangspunkt für Hookes Ausführungen bilden, nicht die Reihenfolge des Regenbogenspektrums aufwiesen (Hooke 1665, 48), die in dem meisten anderen erwähnten Experimenten und Beobachtungen auftrat, musste Hooke seine Theorie zuletzt deutlich für diesen Einzelfall modifizieren, weil hier die von ihm verorteten Grundfarben Rot und Blau nicht an den äußeren Positionen der Farberscheinung lagen (ebd. 65–67). Heute werden beide Fälle als unterschiedliche Phänomene verstanden, die durch Refraktion oder Interferenz verursacht werden.

„we see by this Instance, how much Experiments may conduce to the regulating of Philosophical notions. For if the most Acute Des Cartes had applied himself experimentally to have examined what substance it was that caused that shining of the falling Sparks struck from a Flint and a Steel, he would certainly have a little altered his Hypothesis [...] whereas by not examining so far as he might, he has set down an Explication which Experiment do’s contradict“ (Hooke 1665, 46). Vgl. Descartes (1964–1986, 8/1.251–252). S.a. Lüthy (1995, 545–546).

Neben den o.g. Diskrepanzen trifft dies vor allem für die sechste Beobachtung zu, die sich mit Luftdruck bzw. der Kongruenz von Stoffen (Hooke 1665, 10–32) befasste, ferner für die Beobachtungen IX, X, XXXV und XXXVI, in denen es um die Ursachen von Farben ging (ebd. 35–36, 165–169), und auch für die Beobachtungen von einfachen Formen (i.e. XI und XII; ebd. 79–82). Vgl. hierzu die Übersicht zu Beobachtungen und Akademiesitzungen bei Harwood (1988, 124–125).

Harwood (1988, 129–130, 132). Dies führte zu einem entsprechenden Vermerk in der Widmung für die Royal Society: „You have been pleas’d formerly to accept these rude Draughts. I have since added to them some Descriptions, and some Conjectures of my own. [...] there may be some Expressions, which may seem more positive then Your Prescriptions will permit: And though I desire to have them understood only as Conjectures and Quaeries (which Your Method does not altogether disallow) yet if even in those I have exceeded, ’tis fit that I should declare, that it was not done by Your Directions“ (Hooke 1665).

Snelders (1982, 65–67), Fournier (1996, 87–88), Ruestow (1996, 183–184). Zentrales Moment dieser Interpretation ist eine Bemerkung über die Zusammensetzung der Luft aus drei Formen von Materie, die an Descartes' drei Elemente in den Principia philosophiae erinnert, sich aber eben nicht auf Materie im allgemeinen sondern nur auf Luft bezieht (vgl. Descartes (1964–1986, 8-1.105) und Leeuwenhoek (1939–1999, 1.56)). Dahingegen kritisierte Leeuwenhoek (1939–1999, 5.24–27) explizit die in Les Météores (Descartes 1964–1986, 6.233) beschriebene Form der Partikel von Wasser (in den Principia (ebd. 8-1.232) ist hingegen von zwei Arten Partikeln die Rede). Seine spätere Kritik an vermeintlichen Beobachtungen elementarer Korpuskel (Leeuwenhoek 1939–1999, 13.368–379) zeugt laut Lüthy (1996, 26) schließlich von einer Entwicklung hin zu einer insgesamt kritischeren Haltung gegenüber der Korpuskularphilosophie.

Schierbeek u. Roseboom (1959, 188) zufolge nahm Leeuwenhoek bereits 1685 Abstand von seiner Globulitheorie, weil sie letztlich seinen Beobachtungen widersprochen habe. Tatsächlich werden die Globuli, die nie ein feststehender Terminus waren, sondern Leeuwenhoeks aktuellem Sprachduktus angepasst wurden (Damsteegt 1982, 24), auch in seinen späteren Briefen fast durchgängig erwähnt. Dass Hooke für diese Überlegungen ein tatsächlicher Einfluss gewesen sein könnte, ist aufgrund von Leeuwenhoeks begrenzten Sprachkenntnissen eher unwahrscheinlich (Berkel 1982, 189).

Leeuwenhoek (1939–1999, 1.56–61, 336–339). Die kombinierte Verwendung von Luftpumpe und Mikroskop geht aus einer späteren Bemerkung hervor: „Inden Jare 1675 ontrent half September, besig sijnde met het observeren vande Lugt, wanneer ik die door het water seer geparst hadde, ontdecten ik levende schepselen in regenwater [...]“ — „In the year 1675 about mid-September being busy with studying air when I had much compressed it by means of water I discover’d living creatures in Rain water [...]“ (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.64–65). Vgl. auch die ähnlich angelegten Beobachtungen von Cerumen (ebd. 11.16–21) und Blut (s.u. S. 6162). Für Leeuwenhoeks Korrespondenten waren dessen pneumatische Versuche im Vergleich mit anderen Themen weitaus weniger interessant, weshalb er wahrscheinlich von weiteren Versuchen absah (Ruestow 1996, 158–160).

Boyle hatte die Farbveränderungen einer Mischung aus Kupfer und Spirit of Salt (Salzsäure) unter Einfluss von Luft thematisiert (Phil. Trans. 10.1675, Nr. 120, 467–476, bes. 467–470). Leeuwenhoek (1939–1999, 2.44–59) untersuchte hingegen die sichtbaren Partikel einer Mischung aus Ammoniak und Kupfer; der Einfluss von Luft spielte keine größere Rolle für ihn. Diese Veränderungen im Versuch sind vielleicht dadurch zu erklären, dass Leeuwenhoek sich laut eigener Aussage diesmal mit einem Wörterbuch behelfen musste. Vgl. auch die Untersuchungen von 1703, in denen er ausgehend von einem Artikel von Robert Southwell (Phil. Trans. 20.1698, Nr. 243, 296) chemisches Experimentieren mit mikroskopischen Beobachtungen verband und dabei eine „Neigung“ von Partikeln zueinander feststellte (Leeuwenhoek 1939–1999, 14.182–213; bes. 190, 196, 204; ferner 15.114–123, 136–155). Allerdings hatte er bereits 1658 eine Sympathie ähnlicher Stoffe vermutet, um vergleichbare Phänomene zu erklären (ebd. 5.346–351).

Leeuwenhoek hatte 1674 gegenüber Oldenburg Salz als Beispiel dafür genannt, dass alle Materie aus Globuli zusammengesetzt wäre (Leeuwenhoek 1939–1999, 1.104–107, 156–159). Zuvor hatte er, etwas ausführlicher, auch Constantijn Huygens darüber geschrieben (ebd. 1.86). Kurz darauf folgten Ankündigungen für Beobachtungen zu Pflanzensalzen, die nahe legen, dass diese Untersuchungen zumindest zum Teil durch Oldenburg angeregt wurden (ebd. 1.184, 190–193, 232–255). Während Salz-Partikel in den folgenden Jahren eher im Zusammenhang mit medizinischen Fragen thematisiert wurden (ebd. 3.122–135; 4.28–37; S.u. S. 64, Fn.), wandte sich Leeuwenhoek dem Thema in zwei Briefen vom Januar 1685 (auch) wieder aus einer naturphilosophischen Perspektive zu (ebd. 5.4–67, 70–137). Diese Rückorientierung war möglicherweise das Ergebnis einer Anfrage von Francis Aston, der zusammen mit einem Delfter Bürger als Interessent erwähnt wurde (ebd. 5.4), zumal für den März des Vorjahres eine Diskussion zwischen Martin Lister, Grew und Hooke über das Wachstum von Salz belegt ist, die der Ausgangspunkt für eine solche Anfrage hätte sein können (Birch 1756–1757, 4.275). Die Beobachtungen wurden dann folgerichtig auch von Lister besonders kritisch begutachtet (ebd. 4.361, 383). Während der erste der beiden Briefe einen eindeutigen medizinisch-physiologischen Bezug hatte, wurden im zweiten vornehmlich Stoffe untersucht, die einen handwerklichen Bezug hatten, z.B. Asche aus Zinn- und Bleiöfen, Kalk oder Sal ammoniac.

Im März 1675 schrieb er an Oldenburg: „UEdt segth, datter persoonen van groot Oordeel te parijs, en elders sijn, die niet toe en stemmen de globule, die ick veelderhande lichamen ontdect heb, jck ben daer gansch niet over becommert [...]“ — „You observe that people of great knowledge in Paris and elsewhere do not agree on the globules I have discovered in a great many bodies. I do not mind this at all“ (Leeuwenhoek 1939–1999, 1.278–279). Bereits im Januar hatte Christiaan Huygens passend dazu an Oldenburg geschrieben: „Je voudrois bien scavoir quelle foy on adjoute chez vous aux observations de nostre Monsieur Leeuwenhoek, qui convertit toute chose en petit boules. Pour moy apres avoir en vain taschè de voir certaines choses qu'il voit, je doute fort, si que ne sont pas des deceptions de sa vue, et encore plus, quand il pretend decouvrir les particules , dont l'eau, le vin et d'autres liqeurs sont composées, a quoy il a mandè a mon pere qu'il estoit occupè“ (Huygens 1888–1950, 7.400). Als Huygens 1688 durch ein Gespräch mit Leeuwenhoek eine Untersuchung verschiedener Baustoffe anregte (Leeuwenhoek 1939–1999, 7.280), erwähnte Leeuwenhoek bemerkenswerterweise seine Globulitheorie nicht, obwohl er seine frühen Beobachtungen von Kalk und eine Untersuchung von Ton auf diese bezogen hatte (ebd. 1.158–161).

Auf einen ersten, eher allgemein formulierten Vorschlag von Francis Aston erwiderte Leeuwenhoek im September 1683, dass er befürchte eine solche Untersuchung würde keine Ergebnisse liefern (Leeuwenhoek 1939–1999, 4.152). Als ihn Richard Waller im April 1693 etwas konkreter bat, Federn hinsichtlich ihrer Farben zu untersuchen, antwortete er, dass bisherige Beobachtungen in dieser Richtung erfolglos waren und beschränkte sich ansonsten auf ein paar kurze Bemerkungen zu den Federn seines Papageis und zu gefärbten Textilien (ebd. 9.206–209). Demnach hatte er sich also, entweder auf Astons Anfrage oder aus eigenem Antrieb, zumindest an diesem Thema versucht. Auf eine weitere diesbezügliche Anfrage von Waller im Januar 1694 reagierte er dann anscheinend gar nicht mehr (ebd. 9.349).

Ogilvie (2006); Daston (2011); Park (2011); Pomata (2011).

Ruestow (1996, 48–53).

In Mayhernes Widmungsbrief heißt es: „Atque adeo [...] si conspicilia ex Crystallo [...] sumas, miraberis Cataphractorum pulicum obscurè rubentem habitum [...] Imò ipsi Acari prae exiguitate indivisibiles [...] caput rubrum, & pedes quibus gradiuntur, ad solem prodent.“ Dahingegen schrieb Moffett im Haupttext über die Acari oder Syrones: „Syronibus nulla expressa forma [...] praeterquam globi: vix oculis capitur magnitudo tam pusilla, ut non atomis constare ipsum, sed unum esse ex atomis Epicurus dixerit. [...] Mirum est quomodo tam pusilla bestiola nullis quasi pedibus incedens, tam longos sub cuticula sulcos peragat“ (Moffett 1634, 266). Zur Publikationsgeschichte siehe Lüthy (1995, 188–189).

Zu diesem Programm siehe Miller (2005). Ferner erinnert eine Bemerkung Gassendis an die Morallehren der spätmittelalterlichen Naturgeschichte (vgl. hierzu Ogilvie 2006, 101–102): Peiresc hätte seinen ursprünglich eher aggressiven Charakter nach der Beobachtung eines Kampfes zwischen einer Laus und einem Floh gemäßigt (Gassendi 1658, 5.333b).

Das Manuskript dieses Berichtes wurde von Humbert (1951) transkribiert. Beschrieben werden verschiedene Milben und Läuse, eine Mücke, eine Spinne, ein abgetrennter Fliegenkopf sowie der erwähnte Münzabdruck. Peiresc griff auch später auf Linsen und Mikroskope zurück, um Schrift zu vergrößern, wie aus seinen Briefen (Peiresc 1888–1896, 5.67, 547, 321, 547–548) und seiner Vita (Gassendi 1658, 333b) ersichtlich ist. Für andere historisch motivierte Untersuchungen (ohne Mikroskop) siehe Miller (2005, 361–368).

Bezüglich der Beobachtungen von Peiresc siehe diverse Briefe zwischen 1622 und 1636 (Peiresc 1888–1896, 3.465, 477–478; 4.434–436; 6.28–30) sowie entsprechende Bemerkungen in seiner Biographie, denen Gassendi zuweilen auch naturphilosophische Kommentare angefügt hat (Gassendi 1658, 5.301a, 306a, 319a). 1636 erwähnte Peiresc dann verschiedene mikroskopische Beobachtungen im Zusammenhang mit seinen optischen Versuchen (Peiresc 1888–1896, 3.465), und auch sein Bericht über die Demonstration von 1622 wurde letztlich dem Manuskript zu optischen Fragen hinzugefügt (Humbert (1951, 154); Miller (2005, 371–372, Fn. 75, 80–82)).

Freedberg (2002, 152–153).

Cesi erwähnt Plinius hinsichtlich der äußeren Gestalt der Biene und bedauert sogar, dass dieser nicht bereits ein Mikroskop benutzen konnte (Galluzi, Paolo und Luigi Guierrini 2006). Aristoteles wird hingegen kritisiert, weil er den Bienen Ohren absprach, obwohl auch Cesi diese nicht beobachten konnte und auf ihr Hörvermögen nur indirekt schließt (ebd. Feld 31).

Siehe hierzu Galluzi u. Guierrini (2006), Stelluti (1630, 47, 51–54, 126–127) sowie die Erläuterungen bei Freedberg (2002, 160–163, 189). Dementsprechend wurde auch nicht behauptet, die mikroskopischen Beobachtungen des Kornkäfers wären den Beschreibungen bei Persius überlegen: „e quindi vedrassi come Persio habbia bene indovinato la sua forma, benche non credo sia stato da lui cosi minuramente osservato, come da noi con l'aiuto di detto Microscopio [...]“ (Stelluti 1630, 126). Insofern ist auch die Einschätzung von Freedberg (2002, 192) nicht zutreffend, dass sich der Persio tradotto hinsichtlich des rhetorischen Rückgriffs auf antike Autoren grundlegend vom Apiarium Cesis unterscheidet. Denn zwar wird in der Beschreibung der Biene nur kurz auf Aristoteles verwiesen (Stelluti 1630, 51), in der des Kornkäfers hingegen auf Vergil, Symphosius und Plautus (ebd. 126). Bei Vergleichen verschiedener Körperteile des Kornkäfers mit denen anderer Insekten werden neben der Biene auch Ameise, Fliege, Moskito und Mücke erwähnt (Stelluti 1630, 126). Die Biene wird hinsichtlich ihrer Flügel außerdem mit der Fliege und auch mit der Fledermaus verglichen (ebd. 53). Dies deutet weitere Untersuchungen Stellutis an, die jedoch vermutlich mangels ihrer literarischen Relevanz nicht ausgearbeitet wurden.

Hinsichtlich der Systematik der Bienen beachte man unter anderem, wie bei der Beschreibung der Apes civiles (Galluzi, Paolo und Luigi Guierrini 2006) sogar die Bemerkungen über die physische Gestalt losgelöst vom Haupttext, beinahe als Zusatz stehen (ebd. Felder 48, 53). Zur Zeugung der Bienen siehe ebd. (Felder 9, 47, 49). Woolfson (2009, 296–298) sieht in dieser Erklärung vor allem paracelsistische und neoplatonische Elemente, entgegen seiner Aussage wird aber auch die Möglichkeit einer Zeugung von Bienen aus Ochsenkadavern erwähnt (Galluzi, Paolo und Luigi Guierrini 2006), auch dies allerdings ohne Rückgriff auf Beobachtungen.

Bereits das Apiarium wurde im vollen Titel als Vorbote von Cesis unvollendetem Hauptwerk, dem Theatrum naturae, ausgewiesen (Galluzi, Paolo und Luigi Guierrini 2006). Die hierfür ebenfalls vorgesehenen Tabulae phytosophicae erschienen schließlich in verschiedenen Fassungen als Anhang zu mehreren Ausgaben des Rerum Medicarum Novae Hispaniae Thesaurus von Francisco Hernández (Freedberg 2002, 225–228, 266–267, 286, 370). Hinsichtlich der verschiedenen Ansätze zur Klassifikation siehe Hernández (1651, 901–960, v.a. 909–914). Freedberg (2002, 377, 383–384) charakterisiert dieses Projekt trotz des Rückgriffes auf mikroskopische Beobachtungen als Fehlschlag. Die Beobachtungen und die Versuche zur Systematisierung hätten jedoch den Drang gemeinsam gehabt, zum Essentiellen der Dinge vorzudringen (ebd. 286).

Fontana wurde zwar auf dem Originaldruck der Melissographia nicht erwähnt, hat aber Stelluti (1630, 47) zufolge deren Darstellungen angefertigt (s.a. Freedberg 2002, 185, 189). Das Fehlen von Graphiken in seinen eigenen Beobachtungen fällt besonders deswegen auf, weil solche im astronomischen Teil seines Buches durchaus zu finden sind.

Die Begegnung mit dem „Animalculum anonymum“ wird als ein Zufall beschrieben (Fontana 1646, 150); so wie auch bei den ähnlichen Beobachtungen von Borel (s.u. S. 38, Fn.). Die anderen Beobachtungen umfassten Käsemilben, Flöhe, Ameisen, Fliegen, Spinnen und Bienen (Fontana 1646, 148–151).

Siehe Kommentare zum Inneren des Flohs (Fontana 1646, 148–149) und zu Blut und Blutgefäßen der Fliege (ebd. 149). Hinsichtlich der Pflanzen beließ Fontana es bei folgendem Kommentar am Ende seiner Beobachtungen: „In herbis, & arborum frondibus, venas ingenioso opificio ductas, in ijsque succum, quo aluntur ea, quae radicibus continentur, inspeximus, & quo modo in illis succus gelet, & fluat, perspecimus [...] Conspicitur etiam in floribus succus, venulisque florida innatans ambrosia“ (ebd. 151).

Zu den naturhistorischen Bezügen und der Tabelle siehe die entsprechenden Stellen im Text, der bei Pighetti (1961, 319–322, 328) wieder abgedruckt wurde. Odierna nannte zudem Girolamo Cardano und Albertus Magnus als Vertreter der falschen Ansicht, dass Fliegen keine Augen hätten (ebd. 324). Zur Ausrichtung seiner eigenen Beobachtungen schrieb er: „Or tutte queste specie d'Insetti, e ciaschuna d'esse vien diuisa, e vengono distinte in numerosissime specie suba'ternate, in tanto che sotto il Genere della Mosca sene anummerano più di 70. [...] Vedesi dunque, per cominciare la Descritione di questa singolarissima Anatomia [...] nell'estrinseco dell'Occhio della Mosca, e in qualsiuoglia indiuiduo delle specie annouerate sotto il Genere degl'Insetti“ (Pighetti 1961, 323).

Hinsichtlich der philosophischen Einflüsse vergleiche den vollen Titel (Pighetti 1961, 319) sowie die Ankündigungen für verschiedene Schriften zur Optik (ebd. 331, 334–335). Der medizinische Einfluss äußerte sich einerseits in der Verwendung anatomischer Begriffe bzw. der Charakterisierung der ganzen Untersuchung als Anatomie (ebd. 323, 326, 329, 330, 332). Hinsichtlich der Methoden s.u. S. 121.

Siehe die Beschreibungen verschiedener Insekten (Borel 1656a). Dazu kommen zwei von Fontana übernommene Beobachtungen (ebd. L, LXIV) und eine Beobachtung, die sich besonders den Fühlern der Insekten widmete (ebd. LIX). Die Anzahl der unbekannten Insekten war unter Einbezug einer Beobachtung von Fontana auf zehn angewachsen. Von diesen wurden vier auch graphisch dargestellt (Borel 1656a), während die anderen nur im Text beschrieben wurden, ähnlich wie bei Fontana zuweilen mit einer narrativen Einleitung (ebd. LI, LVIII, LXIV (übernommen von Fontana), LXIX, LXXIV, LXXVIII). Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass es noch unzählige andere Insekten gäbe, die noch nie beschrieben worden seien (ebd. LI). Ein in gewisser Weise ähnliches Thema sind Borels Beobachtungen von Lebewesen, die mit bloßem Auge unsichtbar sind. Diese gehören jedoch allesamt in den medizinischen Bereich (s.u. S. 5758).

Die Augen werden zwar nur in einigen der Insekten-Beobachtungen besonders hervorgehoben (Borel 1656a), bekamen jedoch auch eigene Textabschnitte zugestanden, welche Spinnen, Ameisen und Skarabäen betreffen (ebd. IX, XXXIV, LXXIII). Hinzukommen zwei Beobachtungen, die von Odierna übernommen wurden (ebd. XXXIII, XLIX). Auch ein Abschnitt zu den Augen von Schnecken und Krebsen (ebd. XC) erinnert an entsprechende Vergleiche bei Odierna (Pighetti 1961, 324, 329). Die bezüglich der Eier besprochenen Fragen reichen von ihrer Identifikation (Borel 1656a) über die Beobachtung des Herzschlages einer Spinne im Ei (ebd. XX) bis hin zur Möglichkeit mittels Beobachtungen an ihren Eiern zu klären, ob Ameisen Augen haben (ebd. XXXIV). Darüber hinaus werden Eier in zwei weiteren Insekten-Beobachtungen erwähnt (ebd. XII, LVIII). Hinsichtlich der Organe werden vor allem Herz und Blutgefäße erwähnt (ebd. IX, XI, LXXXIV), vermutlich ausgehend von zwei Beobachtungen, die von Fontana übernommen wurden (ebd. XII, L), wohingegen bezüglich des Gehirns einmal mehr auf Odierna verwiesen wird (ebd. XLIX). Zur Tradition mikroskopischer Beobachtungen an Eiern im medizinischen Kontext s.u. S. 5461.

Hinsichtlich der Problematik des Schädlingsbefalls siehe die Beobachtungen zu Läusen (ebd. XI), Flöhen (ebd. XII), Silberfischchen (ebd. XXXVI) und Küchenschaben (ebd. LXXIV, XCI).

Während bezüglich einiger Blätter lediglich die Rede von Öffnungen in ihnen ist (Borel 1656a), werden bei nicht näher benannten Blüten (ebd. XXVI, übernommen von Fontana) sowie den Blättern von Geißblattgewächsen, Lorbeer und Thymian Venen ausgemacht (ebd. XXVI, LXIII), bei den Blättern von Salomonssiegel hingegen Nerven (ebd. LXXI). Bemerkenswerterweise werden diese Untersuchungen nicht in Verbindung mit der Frage der Oberflächenstrukturen der Pflanzen und den aus ihnen resultierenden Sinneseindrücken gesetzt (s.o. S. 2526). Man beachte ferner besonders das „Nebeneinander“ zweier Beobachtungen über Öffnungen (ebd. V) und sternförmige Strukturen (ebd. VI) in Blättern. Borel erwähnte Kirchers Beobachtung der selbstähnlichen Struktur von Rizinus, die ursprünglich vermutlich ein Beispiel für Formbildung dargestellt hatte (Kircher (1646, 834); s.o. S. 2324). Borel konnte eine derartige Struktur bei Rizinus nicht finden, beschrieb allerdings entsprechende Formen bei der Zypresse u.ä. Pflanzen (Borel 1656a). Auch im Rahmen der eher den Farbuntersuchungen zuzuordnenden Beobachtung von Federn wurde Selbstähnlichkeit festgestellt (ebd. XVI).

Bezüglich der Suche nach Samen von Farn und des Verweises auf Cesi siehe Borel (1656a). An anderer Stelle spricht Borel explizit von einer „Anatomie“ von Samen (ebd. XVII; s.a. XXXIX). Der Vergleich von Hirse mit Eiern (ebd. XLIV) deutet ebenfalls in die medizinische Richtung (s.u. S. 58, Fn.).

„sicque hoc Conspicillo novae plantae, nova animalia &c. deteguntur“ (Borel 1656a).

Dabei stand für Power außer Frage, dass erst Mayherne über ein Mikroskop verfügte, bemerkte er doch hinsichtlich des Acarus: „Certainly Scaliger and Muffet would have far more admired this almost invisible subcutaneous Inhabitant, had they had the happiness to have seen it in our Microscope. [...] Our famous Mayhern (who had the advantage of an Ordinary Microscope) gives this short, but very neat description of this poor Animal. [...]“ (Power 1664, 22–23; s.a. 2–3, 6, 10, 12, 28–29, 52). Bemerkenswert ist auch Powers Widerspruch gegen Moffets Beschreibung von Nissen hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Insekten (ebd. 52). Ein Vergleich mit einem Abschnitt zu Zikaden (ebd. 28–29) legt nahe, dass hier einer Zeugung von Läusen aus Eiern grundsätzlich widersprochen werden sollte, denn dort wurde angemerkt, dass jede Pflanze ihre eigenen Insekten erzeugen würde, während hier die Entsprechungen von Nissen bei Menschen und Pferden betont wurden. Die andernorts beschriebenen Spinneneier (ebd. 15) könnten dabei eine Ausnahme bilden, da diese nicht als Parasiten beschrieben wurden. Zu Powers mikroskopierenden Vorgängern findet sich lediglich eine kurze Erwähnung Borels im Zusammenhang mit einer medizinischen Frage (s.u. S. 58).

Zwar ist der mikroskopische Teil der Experimental Philosophy grob unterteilt in Beobachtungen von Insekten und kleineren Tieren (Power 1664, 1–42), von anorganischen Stoffen (ebd. 42–46) und von Pflanzen und Pflanzensamen (ebd. 46–51), die Insektenbeobachtungen sind jedoch in sich nicht weiter geordnet, wenn man einmal von einer gewissen Häufung der Beobachtungen von Milben (ebd. 16–20) und unbekannter Insekten (ebd. 30–32) absieht. Zu letzteren finden sich jedoch auch andere Stellen, die aber anders als bei Borel weniger an ihren Namen als an den ähnlichen Einleitungen zu erkennen sind (ebd. 10–11, 26–27, 20). Eine narrative Einleitung findet sich dagegen nur für eines der unbekannten Insekten (ebd. 19), aber auch für die Beobachtung einer Feldspinne (ebd. 15). Die Beobachtungen von Schnecken und Lampreten (ebd. 36–42) hatten den gleichen Schwerpunkt wie die der Insekten: Augen und Herzschlag. Deutliche Unterschiede zeigen sich hingegen in der Beobachtung des Essigaals, s.u. S. 107.

Die Beobachtungen umfassten Flöhe, Bienen, verschiedene Fliegen, Schmetterlinge, Läuse, verschiedene Spinnen, Glühwürmer, Grashüpfer, Ameisen und Heuschrecken (Power 1664, 1–10, 11–15, 23–26, 30–32). Die Abschnitte über verschiedene Milben mussten sich hingegen wegen deren geringer Größe auf die grobe äußere Gestalt beschränken (ebd. 16–23). Zu den medizinischen Einflüssen s.u. S. 58.

Untersucht wurden die Samen von Farn, Frauenhaar, Erdbeere, Mohn und Lilien (Power 1664, 46–50). Ausgangspunkt für diese Themenwahl war „the old quarrel in Herbalism, Which is the least of Seeds“ (ebd.46–47). Die beschriebenen Strukturen umfassten besondere Blätter (ebd. 50), die Kapselfrüchte von Nelken und Nesselhaare (ebd. 51).

Direkte Anregungen für einzelne Beobachtungen sind belegt für versteinertes Holz, Salbeiblätter und Haare (Harwood 1988, 124–125, 129), zudem wurden Nüsse mit darin eingeschlossenen Insekten von Peter Ball bereitgestellt (Hooke 1665, 190). Bereits im Mai 1663 wurde das besondere Interesse der Fellows an Insekten dadurch ersichtlich, dass ausgehend von den mikroskopischen Beobachtungen von Christopher Wren ein Komitee zu ihrer Erforschung gebildet wurde (Birch 1756–1757, 1.21–23).

„As in Geometry, the most natural way of beginning is from a Mathematical point; so is the same method in Observations and Natural history the most genuine, simple, and instructive. [...] We will begin these our Inquiries therefore with the Observations of Bodies of the most simple nature first, and so gradually proceed to those of a more compounded one“ (Hooke 1665, 1). Man beachte die Ähnlichkeit zu den Ausführungen in Descartes' Discours (Descartes 1964–1986, 6.20–21). Dementsprechend folgen auf die ersten 10 Beobachtungen, die eine Art geometrisch-philosophische Einleitung bilden, zunächst einfache anorganische Strukturen (XI–XV), dann Beobachtungen zu Pflanzen und ihrem Wachstum (XVI–XXIII), ihren Auswüchsen und Stacheln (XXIV–XXVII), sowie ihren Samen (XXXVIII–XXI). Darauf folgen Beobachtungen zum Äußeren von Tieren (XXXII–XL), eine Beobachtung zu den Eiern des Seidenspinners (XLI), sowie schließlich stärker ins Detail gehende Beschreibungen von Insekten (XLII–LVII). Die letzten Kapitel befassen sich dann mit Fragen der Optik und Astronomie.

Dementsprechend findet auch die Überleitung von anorganischen zu pflanzlichen Strukturen über die porösen Strukturen des Kettering-Steines und von Holzkohle statt (Hooke 1665, 93–94; 100–101). Die Beobachtungen von tierischem Gewebe beginnen mit Haaren, die in einer Analogie als „a kind of Vegetable growing on an Animal“ (ebd. 158) charakterisiert werden. Noch kurz zuvor hatte Hooke die Ähnlichkeit zwischen Portulak-Samen und der Schale eines Nautilus festgestellt (ebd. 156), später wies er auf die Übereinstimmung bestimmter Formen bei Insekten und Krustentieren, insbesondere des Äußeren eines unbekannten Insektes mit dem einer Krabbe hin (ebd. 207).

Hooke verstand die beobachteten Poren als Teil von Gefäßen der Pflanzen, in denen Nährsaft transportiert werde (Hooke 1665, 100–101, 113–114). Im Zusammenhang mit einem längeren Zitat über die Beobachtungen verschiedener Fellows an sensitiven Pflanzen, erwähnte er auch seine Suche nach Klappen wie in Blutgefäßen und seine Erfolglosigkeit in der Mikroanatomie solcher Pflanzen (ebd. 116, 120); s.u. S. 7071. Beschreibungen von Blutgefäßen und Innereien finden sich in der Beobachtung einer aufgeschnittenen Fliege (ebd. 184) sowie von von vier Insekten mit zum Teil transparenten Körpern (ebd. 185–186, 194–195, 212–213, 214); zu dieser Verbindung s.u. S. 130131. Die näher analysierten Fähigkeiten von Insekten umfassten ihren Flug (ebd. 167, 172–174, 195–198), die Fortbewegung mit den Füßen (ebd. 169–171, 210–211), ihre Ernährung (ebd. 209–210, 212) sowie das scheinbar rationale Verhalten von Spinnen und Ameisen (ebd. 200–202, 203–205), bezüglich der Sicht von Insekten wurde erneut das Auge der Fliege untersucht (ebd. 175–180).

Bei den vermeintlich spontan erzeugten Pflanzen handelte es sich um parasitäre Pflanzen (Hooke 1665, 121–125), Schimmel (ebd. 125–131), Moos (ebd. 131–135) und Seegras (ebd. 140–141). Hooke schien trotz des Fundes von samenähnlichen Partikeln in der ersten Beobachtung die Idee einer spontanen Zeugung, in der durch Verfall einer Pflanze eine weitere niedrigerer Art entstünde, vorzuziehen (ebd. 123), auch wenn er an anderer Stelle einräumt, dass es sich auch hierbei nur um eine Vermutung handle (ebd. 134). Die Auswahl der zu untersuchenden Pflanzensamen konzentrierte sich erneut auf besonders kleine Arten, wodurch wie schon bei Power nichts genaueres zum Inhalt derselben gesagt werden konnte (ebd. 152–156). Stattdessen sollten die Samen von Kornveilchen, Thymian, Mohn und Portulak als Referenzen für weitere Beobachtungen in dieser Richtung dienen (ebd. 153). Auch wird in diesem Zusammenhang eine gewisse Kritik an den bisherigen Herbaria der Naturgeschichte geäußert (ebd. 155).

Die Beobachtungen umfassten die Eier von Seidenspinnern, Spinnen, Schmetterlingen und Fliegen, wobei der Schwerpunkt in der Beschreibung auf ersteren lag (Hooke 1665, 181–182). Die eigentlichen Überlegungen zur Zeugung oder Fortpflanzung standen jedoch in Zusammenhang mit der Beobachtung der Metamorphose einer Mücke (ebd. 187–189; hier wird auf Willem Piso und Johannes Goedart verwiesen) sowie der Untersuchung von Pflanzengallen (ebd. 189–190) und von Fruchtfliegen befallenen Nüssen (ebd. 191–193). Hier äußerte Hooke zumindest die Vermutung, dass auch diejenigen Insekten, denen gemeinhin eine spontane Zeugung nachgesagt werde, aus an geeigneten Stellen abgelegten Eiern geschlüpft sein könnten (ebd. 190–191). Ähnlich vorsichtige Bemerkungen finden sich in den Beobachtungen von Milben (ebd. 207, 214–215). Auch die Feststellung verschiedener Geschlechter bei Mücken war nur eine Vermutung (ebd. 195).

Siehe hierzu die Beobachtungen zu den Nesselhaaren von Salbei, Brennnessel und Juckbohnen (Hooke 1665, 142–147) sowie die Beschreibungen des Bienenstachels mit entsprechenden Vergleichen (ebd. 163–164). Die Beobachtungen zu den Saugrüsseln von Mücken und Läusen entbehren hingegen derartige Vergleiche (ebd. 195, 212).

Griendels Micrographia Nova, die zeitgleich in lateinischer und deutscher Sprache erschien, gliederte sich in acht Kapitel, die nach kurzen technischen Ausführungen Beobachtungen zu verschiedenen Insekten, Milben, Blüten, Textilien, Haaren, Samen und Partikeln verschiedenen Ursprungs enthielten, die zum einen allesamt nicht über äußerliche Beschreibungen hinausgingen, zum anderen ohne nennenswerte Bezüge der Objekte aufeinander blieben. Insbesondere bei den Darstellungen von Floh und Laus (Griendel von Ach 1687, Obs. II, Fig. III, IV) sowie von Schimmel (ebd., Obs. IV, Fig. IV) wird zudem deutlich, dass Hookes Micrographia nicht nur ein Einfluss hinsichtlich der Titelwahl darstellte. Während jedoch bei seinem englischen Vorbild die Beobachtungen einer Nadelspitze, Textilien u.ä. vornehmlich aus rhetorisch-didaktischen Gründen angeführt wurden, waren sie für Griendel offenbar vollwertige Objekte (ebd., Obs. I, Fig. I; Obs. V, Fig. I–VI). Buonannis Micrographia curiosa bildete hingegen den Anhang zu einer Schrift zur spontanen Zeugung (Buonanni 1691). Auch hier wurden bei den Insektenbeobachtungen erneut Hookes Abbildungen von Floh und Laus reproduziert (ebd., Fig. 55, 56). Ferner finden sich Beobachtungen zu verschiedenen spitzen Objekten wie Dornen oder Zähnen, Blüten, zu Körperflüssigkeiten, zu den Animalcula Leeuwenhoeks und zu Fischschuppen. Auch hier kam es zu keinerlei Verbindung oder Systematisierung der Objekte.

Zur Entstehung siehe Adelmann (1966, 1.338–339, 673) und Meli (1997, 51). Besonders hervorzuheben sind die Vergleiche mit der Heuschrecke (Malpighi 1687, 2.18, 20–22, 39, 42) und der Zikade (ebd. 18, 26, 38), weitere Vergleiche mit Insekten und größeren Tieren ebd. (2.8, 18, 23, 26, 39, 42, 44).

Malpighi charakterisierte seine Arbeit mehrfach explizit als eine Historia (Malpighi 1687, 2.7, 8, 48). Nach ausführlicher Beschreibung von Äußerem und Inneren zweier Stadien der Raupe (ebd. 2.9–14, 14–27), folgen Beobachtungen an Larven verschiedenen Alters (ebd. 2.29–34) bevor wiederum Äußeres und Inneres der Falter sowie deren Koitus und Ablage der Eier beschrieben werden (ebd. 2.34–36, 36–44, 44–47). Hierin zeigt sich eine gewisse Ähnlichkeit zur Erforschung der Entwicklung von Foeten durch Mediziner, s.u. S. 5461.

Allerdings wurden Herz und Blutkreislauf, die sonst bei derartigen Beobachtungen von medizinischer Seite von zentralem Interesse waren, unter den Organen oder Körperprozessen nicht besonders hervorgehoben (Malpighi 1687, 2.20–21, 42–43); s.u. S. 5961. Bezüglich der Methoden s.u. S. 132137.

„Mirum est, Plantarum genus [...] ad haecusque tempora menti nostrae latuisse, & postremò suae compagis cognitione nos erudire tantâsse [...]“ (Malpighi 1687, Bd. 1, ) – „Bonarum artium literarúmque incrementis [...] non eam, ut reor, bellorum clades, populorúmque novitates intulêre labem, quàm inversa studiorum methodus, artiúmque incongrua electio. Currentis enim saeculi genio ut plurimùm studia selegimus, vel parentum majorúmque caecis legibus ducimur ad artes [...]“ (ebd. 1.1) – „antiqua enim distinctio [...] suas quoque invenit difficultates apud Botanicos [...] Nec defuerunt, qui attenta varia seminum & foliorum forma, reliquisque phaenomenis, prima vegetantium genera adeò multiplicaverint, ut eadem planta sub diversis specibus decies describuntur; unde sanioribus passim impossibile videtur, plantas omnes in determinatos ordines distinguere“ (ebd. 1.17). Der Grundlagentext von 1671 wurde schließlich als Idea anatomes plantarum dem ersten Teil des Hauptwerkes vorangestellt (Adelmann 1966, 1.355, 371–372).

Adelmann (1966, 1.216) versteht eine Bemerkung von Malpighis Mentor Borelli im März 1663 als Anfangsmoment seiner Pflanzenbeobachtungen, möglich ist aber auch, dass erst Oldenburgs Anfrage von 1667 den entscheidenden Anstoß zu den Beobachtungen gab, da spezifischere Hinweise zu diesem Großprojekt erst 1669 nachgewiesen werden können (ebd. 1.353; s.a. Meli (1997, 51)).

Derartige Fragen wurden schon in der Idea erwähnt (Malpighi 1687, 1.12–14), im Hauptwerk dann aber in weniger enger Verbindung voneinander weiter bearbeitet: Schlussfolgerungen zur Ernährung finden sich in den Kapiteln über Rinden (ebd. 1.23), Stämme (ebd. 1.34–35) und Blätter (1.54–55), zur Atmung nur im Kapitel über Stämme, wobei hier explizit erwähnt wurde, dass Malpighi gezielt nach Öffnungen für die Atmung gesucht hatte (ebd. 1.32–33). Im zweiten Teil wurde im Zusammenhang mit parasitären Gewächsen lediglich auf die Frage der Ernährung eingegangen (ebd. 1.144). Pflanzengallen wurden bereits in der Idea auf die Ablage von Insekteneiern zurückgeführt (ebd. 1.10–11), eine Charakterisierung als Krankheit und Vergleiche mit menschlichen Leiden fand jedoch erst im zweiten Teil des Hauptwerkes statt (ebd. 1.112, 130–132), hier wurden zudem auch andere Schwellungen erwähnt und ähnlich interpretiert (ebd. 1.133–135). Fraglich blieb hingegen, ob es sich bei den vielfach an Pflanzen zu findenden Haaren und Dornen um Organe für ihren Schutz oder um zufällige Schwellungen handelte (ebd. 1.137–138).

Bereits in der Idea hatte Malpighi angedeutet, dass Untersuchungen des Holzes das Wachstum von Pflanzen erklären könnten (Malpighi 1687, 1.3–4). Im ersten Teil der Anatome wurde dies wieder aufgegriffen (ebd. 1.23), aber auch das Wachstum von Sprossen und Knospen thematisiert (ebd. 1.36, 39–40, 45). Wie in fast allen Kapiteln wurde dabei zuweilen bei mehreren Pflanzen die gleiche Struktur festgestellt (bspw. ebd. 1.20–21, 25, 40). Im zweiten Teil wurde das Wachstum von Ranken (ebd. 1.139) behandelt, bei Wurzeln wurde es eher nebensächlich erwähnt (ebd. 1.148–153), ebenso bei parasitären Pflanzen (ebd. 1.140–144). Auch die Beobachtungen von Knospen, Blüten und Samen wurden bereits in der Idea im Zusammenhang mit der Fortpflanzung der Pflanzen erwähnt (ebd. 1.5, 7–10). Der erste Teil der Anatome umfasste dementsprechend detaillierte Beobachtungen zu den einzelnen Teilen der Blüte und Schlussfolgerungen bezüglich ihrer jeweiligen Funktion bei der Fortpflanzung (ebd. 1.68–70, 77, 85–87). Die Entwicklung der Samen und der in ihnen enthaltenen Keimlinge beschrieb Malpighi zunächst in zwei Stadien: in der Entstehung an der Pflanze (ebd. 1.71–77) und losgelöst von ihr (ebd. 1.87–93). Im zweiten Teil kam mit den eingepflanzten Samen ein drittes Stadium hinzu, in dem zudem auch mit dem Wachstum experimentiert werden konnte (ebd. 1.97–112). Das Problem „samenloser“ Pflanzen wurde nur noch im Zusammenhang mit parasitären Pflanzen erwähnt (ebd. 1.140–144).

„Rerum natura tenebris obvoluta, cùm solo analogismo pateat, tota percurrenda venit, ut mediantibus simplicioribus machinis, in sensum faciliùs occurrentibus, implicatiores retexamus. [...] Etenim, fervente aetatis calore, Anatomica agressus, licèt circa pecularia fuerim sollicitus, ut in perfectoribus tamen haec rimari sum ausus. Verum, cùm haec propriis involuta tenebris obscura jaceant, simplicium analogismo egent; unde Insectorum indago illico arrisit; quae cùm & ipsa suas habeat difficultates ad Plantarum perquisitionem animum postremò adjeci, ut diu hoc lustrato mundo, gressu retroacto, Vegetantis Naturae gradu, ad prima studia iter mihi aperirem. Sed nec fortè hoc ipsum sufficit, cùm simplicior Mineralium Elementorúmque mundus praeire debeat“ (Malpighi 1687, 1.1–2). Die Kenntnis zumindest einiger Schriften Descartes' ist durch den Briefwechsel mit Borelli belegt, der Malpighi im März 1664 für seine ihm deplaziert erscheinende Wertschätzung für diesen tadelte. Eine Zusammenfassung von Hookes Micrographia erhielt Malpighi hingegen erst 1671 (Adelmann 1966, 1.177, 217, 236–237, 364–367).

Zur Publikationsgeschichte und den Textfassungen siehe LeFanu (1990).

Dies deutet zum einen bereits der volle Titel an: An Anatomy of Plants Begun with a General Account of Vegetation founded thereupon (Grew 1682, 1). Zum anderen ist Wachstum das Hauptthema der ersten vier Kapitel (ebd. 6–10, 14–18, 22–28, 28–29). In den Kapiteln V und VI geht es dagegen vor allem um die Funktionen der Blütenteile und der Früchte (ebd. 35, 37, 39–40, 44–45), während im siebten Kapitel vor allem die Zeugung (generation) der Pflanze in Abgrenzung zu ihrem Wachstum (vegetation) thematisiert wird (ebd. 45–46).

Nach einleitendem Lob neuerer Forschung bemängelte Grew fehlende oder ungenaue Informationen zu den Wirkungen verschiedener Pflanzen, unzureichende Beschreibungen, sowie eine ungenügende Systematik und verworrene Namen (Grew 1682). Dass Grew mit seinen eigenen Untersuchungen auch naturphilosophische Ziele verfolgte, macht besonders folgende Äußerung deutlich: „So also the consideration of the Colours, Smells and Tastes of Vegetables, may conduce to the Knowledge of the same Qualities in General; or of what it is, that constitutes them such, in any other Body: not as they are actually received by Sense; but so far, as much Materials or external Circumstances, are requisite to their becoming the Adequate Objects thereof“ (ebd. 4). Aber auch an anderen Stellen wird das Wissen um Prinzipien, Ursachen, Qualitäten und Fakultäten in den Vordergrund gestellt (ebd. 4–5, 8, 10, 12–13, 15, 18, 21, 23). Zu den praktischen Zielen und der neuen Systematik siehe ebd. (3–5). Die Zirkulation von Saft war bereits 1671 von Grew erwähnt worden (Grew 1682, 17–18, 23–26).

Während es diesbezüglich in der Anatomy of Roots und der Anatomy of Trunks einen getrennten Textabschnitt gab (Grew 1682, 81–92, 123–137), wurden diese Fragen in der Anatomy of Leaves... jeweils am Ende der einzelnen Kapitel behandelt. Zu den Funktionen einzelner Teile siehe dementsprechend ebd. (150–156, 170–173, 189–190, 203–208), zum Wachstum ebd. (156–160, 173–174, 191–192, 209–212).

Für diese Themen scheinen jedoch mikroskopische Beobachtungen keine Rolle gespielt zu haben, zumindest werden sie nicht erwähnt (Grew 1682, 92–96, 137–140, 174–176). Dies gilt auch für einige der ebenfalls 1676/1677 entstandenen Lectures, welche sich zum Teil bemühten allgemeine Aussagen über die stofflichen Eigenschaften von Pflanzen zu treffen (ebd. 233–236, 238–242, 255–260, 261–268, 269–278, 279–283, 290–292, 292–293), jedoch wiederum kaum mikroskopische Beobachtungen enthielten.

Einige Insekten konnten jedoch vorerst keinem dieser Typen zugeordnet werden (Swammerdam 1669, 165–168).

Swammerdam (1672, 16–18), Ruestow (1996, 110–113), Cobb (2002, 122–123, 126–127).

Dabei spielten vor allem die Bienen (Swammerdam 1675, 18, 29, 36, 78, 108, 118, 120, 176, 178), die Swammerdam bereits seit einiger Zeit besonders eindringlich erforschte (Ruestow 1996, 110, 113–116, 121) und der Seidenspinner (Swammerdam 1675, 27, 34, 78, 80, 81, 87–88, 175) herausragende Rollen. Malpighis Arbeit wurde in diesem Zusammenhang allerdings nur kurz erwähnt (ebd. 88).

Der Skorpion, der zuvor ohne Zuordnung blieb (Swammerdam 1669, 167–168) wechselte nun in die erste Ordnung (Swammerdam 1737–1738, 1.92–96), zu der auch zwei Schnecken gezählt wurden (ebd. 1.97–194, 194–208). Zur zweiten Ordnung kam ein Stachelkäfer hinzu (ebd. 1.220–228). Die Beobachtungen der Milbe, die zuvor zur ersten Ordnung gezählt wurde (Swammerdam 1669, 71–72), wurden ganz aus dem Schema ausgegliedert (Swammerdam 1737–1738, 2.695–722).

Nachdem der Acarus erneut als Beispiel der ersten Ordnung genannt worden war, folgte nach den Ausführungen zur vierten Ordnung eine längere Abhandlung über Milben, in der vor allem die vermeintliche Zeugung aus Käse hinterfragt wurde (Swammerdam 1737–1738, 1.57; 2.695–722). Daran schlossen sich wiederum verschiedene Untersuchungen zur Entstehung von Insekten aus Pflanzengallen an (ebd. 2.723–788). Von den hier untersuchten Insekten war zumindest ein an Weiden zu findender Käfer (ebd. 2.743–747) bereits in der Historia erwähnt worden, wo er zur dritten Ordnung gehört hatte (Swammerdam 1669, 127). Weitere, dem Haupttext der Bybel nachgestellte Untersuchungen umfassten die Metamorphose und Anatomie von Fröschen (Swammerdam 1737–1738, 2.789–860), die Anatomie des Tintenfisches (ebd. 2.876–902), der Meeresschnecke (ebd. 2.902–906) und des Meeresfarns (ebd. 2.906–910). Auf den Gesamttext bezogen wurden diese Abschnitte zumindest zum Teil durch allgemeinere Überlegungen zu den Prinzipien der Fortpflanzung ergänzt (ebd. 2.861–875).

Leeuwenhoek (1939–1999, 1.46; 7.344–355). Die Struktur des Mückenstachels war 1673 als Entsprechung zum Bienenstachel erwähnt worden, ohne dass darauf 1688 (als er mit dem Stachel einer Pferdebremse verglichen wurde) Bezug genommen wurde. Leeuwenhoek datierte diese Beobachtungen sogar auf 1671 (ebd. 1.44).

Huygens schrieb im November 1678 an seinen Bruder: „Une chose inanimee qui est belle a voir c'est la poussiere qui est sur les ailes de grands papillons, lors qu'elle en est detachée. J'en ay veu de ces differentes formes, mais elles sont outre cela ouvragees et rayées a merveille“ (Huygens 1888–1950, 8.125). Zur Weiterleitung des Briefes siehe ebd. (8.139). Leeuwenhoek antwortete: „Dit heb ick doorgaens veeren vande vleugels vande Cappellen genoemt, en mogen oock mijns oordeels met recht veeren genoemt worden, want sij beslaen het Hoornachtigh Vlies daer uijt de vleugels vande Cappellen bestaen, in soo netten ordre als de veeren de lichamen van het gevogelte doen, want soo wel als ijder veertge versien is met een schaft die inde Huijt vande vogel vast is, soo is insgelijcx ijder van dese Capel-vleugels-veeren, mede met een schaft versien [...]“ — „I have always called this the feathers on the wings of butterflies and in my opinion we are justified in calling them feathers for they cover the horny membrane of which the wings of butterflies are composed as neatly as the feathers of a bird cover its body. For just as every feather has a shaft fixed in the bird’s skin, so also every one of the feathers on a butterfly’s wing has a shaft, fixed in the above-mentioned horny membrane [...]“ (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.404–405). Hooke (1665, 196) und Malpighi (1687, 2.36) sprachen in ähnlichen Fällen ebenfalls von „Federn“. Leeuwenhoek beschäftigte sich später auch mit den Federn von Vögeln (Leeuwenhoek 1939–1999, 9.70–79) und benutzte auch in späteren Insekten-Beobachtungen weiter diesen Begriff (ebd. 8.284, 302; 9.50–67; 14.124–131).

Leeuwenhoek (1939–1999, 1.32; 10.124–129). Er kehrte bereits im November desselben Jahres zu den Libellenaugen zurück; diesmal in einer vergleichenden Untersuchung, die auch die Augen von Krabben, Hummern und Schrimps umfasste (ebd. 10.154–161). Neben den Darstellungen kritisierte er zudem die immer noch verbreitete Ansicht, einige Insekten hätten keine Augen (ebd. 10.128–131). Die Hinweise auf Anfragen zu diesem Thema sind spärlich gesät und erwähnen nicht deren Urheber (ebd. 10.156; 12.218). Insektenaugen fanden darüber hinaus ab dem Oktober 1676 auch Erwähnung als Vergleichsobjekte für die Größenbestimmung von Animalcula (ebd. z.B. 2.72, 89).

Im April 1692 zitierte Leeuwenhoek (1939–1999, 9.256) aus der niederländischen Fassung von Kirchers Mundus subterraneus einen Abschnitt zur Generatio spontanea des Flohs; seine eigenen Beobachtungen diesbezüglich waren jedoch durch Bitten Pieter Rabus' angeregt worden (s.u. S. 50, Fn.). Aus dem gleichen Werk und John Jonstons Beschrijving van de natuur zitierte er im Februar 1696 bezüglich der Zeugung von Läusen, während die Untersuchungen selbst aber als Fortsetzung seiner Beobachtungen an Blattläusen zu verstehen sind (Leeuwenhoek 1939–1999, 11.178, 208–213). Ein weiterer Verweis im Juli desselben Jahres (ebd. 11.314–317), der Beobachtungen von Milben mit der angeblichen Zeugung von Läusen aus Feigen kontrastiert, lässt sich ebenfalls zu Kircher (1665, 2.371) zurückverfolgen und ist deutlich als Seitenhieb zu erkennen, der keinen Bezug zur Motivation der Beobachtungen hatte. Diese lag wahrscheinlich in alltäglichen Begebenheiten (s.u. S. 9294). Auch seine Erwähnungen von Aristoteles gehen in die gleiche Richtung (ebd. 10.130, 251).

Über den Erhalt einer Zusammenfassung von Buonannis Observationes circa viventia (1691) berichtete Leeuwenhoek (1939–1999, 10.28–31) im März 1694. Bereits im April schickte er dann seine eigenen Beobachtungen (ebd. 10.90–137; bes. 96–99, 112–117). Im Gegensatz zu 1680 (ebd. 3.208–213) konzentrierte er sich nun aber bemerkenswerterweise auf die Ovaria und Eier der Muscheln, während sich zuvor und in späteren Studien sein Interesse vor allem auf die Samen-Animalcula richtete. Über Fortpflanzung der Bienen schrieb Leeuwenhoek 1700 nachdem er sich zuletzt 1673 mit ihnen befasst hatte (ebd. 13.116–129).

„Het gemeene seggen alhier is dat Ael en Palingh, uijt een bedervinge in stinckende poelen en slooten voort gebracht worden; Andere seggen weder dat den dauw inde maent van Meij de Palingh en ael voortbrengt. [...] Dit siende nam ick in gedachten, dat Ael, en Palingh, weder Ael en Palingh voortbrachten.“ — „It is a common saying here that eels are produced by corruption in stinking pools and ditches; others again maintain that they are produced by dew in the month of May [...] Seeing this I imagined that eels gave life to eels“ (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.240–243). Ähnlich strukturierte, aber detailliertere Bemerkungen finden sich in einem Brief vom September 1692 als Einleitung zu einer weiteren Untersuchung (ebd. 9.140–145, 164). Über den Rogen verschiedener Fische hatte Leeuwenhoek bereits ab dem Januar 1675 berichtet (ebd. 1.215, 273), also noch vor seinen ersten belegten Beobachtungen an Insekteneiern im November 1676 (erwähnt ebd. 2.244). Zu den Animalcula s.u. S. 108114.

Beobachtungen von Muscheln finden sich in einem Brief vom April 1680 (Leeuwenhoek 1939–1999, 3.208–213). Im November folgten dann die Ergebnisse einer vergleichenden Untersuchung, durch die für Maikäfer, Libellen, Grashüpfer, Fliegen, Bremsen und Flöhe die Fortpflanzung mittels Samen-Animalcula nachgewiesen werden konnte (ebd. 3.314–329; s.a. Smit (1982, 180)). Mit Ausnahme des Flohs waren die anderen Insekten zuvor nicht erwähnt worden. Muscheln wurden im Laufe der Jahre noch mehrfach hinsichtlich ihrer Fortpflanzung untersucht, wobei sich die Perspektive zu ihrer Fortpflanzung mehrfach änderte (s.u. S. 114).

Leeuwenhoek (1939–1999, 7.6, 8.184). Bezüglich der Rolle der Delfter in Leeuwenhoeks Forschung s.u. S. 9294.

Leeuwenhoek (1939–1999, 8.184–187, 322, 324–329; 10.188; 12.38; 13.318/344–363; 14.48–51). Durch spätere Briefe ist jedoch das Interesse von Christiaan Huygens an der Fortpflanzung des Aales belegt, das scheinbar mit dafür sorgte, dass Leeuwenhoek sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren hiermit beschäftigte (ebd. 9.178–181; 11.304–309).

Birch (1756–1757, 3.350; 4.217, 407); Leeuwenhoek (1939–1999, 5.268; 6.18, 312–331). Die Eier von Seidenspinnern waren bereits von Hooke (1665, 181–182) und Malpighi (1687, 2.8, 33–34, 39–42, 44–47) beschrieben worden. Diese Anfrage scheint zumindest kurzzeitig das Interesse Leeuwenhoeks an Eiern wiederbelebt zu haben, denn er erwähnt in diesem Zusammenhang noch weitere Beobachtungen an verschiedenen Insekteneiern (ebd. 6.331–341), dann folgten jedoch erst 1688 wieder Untersuchungen in dieser Richtung (ebd. 8.6–15). Ähnliche Anfragen kamen in den Folgejahren auch von Richard Waller und Hans Sloane (ebd. 9.349; 10.28; 13.151, 229).

Der Gutsbesitzer und Diplomat Frederik Adriaan van Reede van Renswoude schickte 1695 im Zusammenhang mit Schädlingen in seinem Garten eine Raupe an Leeuwenhoek (1939–1999, 10.182). Bei Maarten Etienne van Velden, Professor für Mathematik und Philosophie in Louvain, waren Raupen in ein Zimmer eingedrungen (ebd. 10.262–265; 11.4–7), und der Delfter Bürgermeister Frederik Wolfert van Overschie brachte ihm unbekannte Eier, die er bei sich im Garten gefunden hatte, und die, wie sich 2 Jahre später herausstellte, die Eier von Schnecken waren (ebd. 12.180–189). Verschiedene Fragen ohne einen persönlichen Hintergrund kamen von Pieter Rabus (9.192–201, 210–255, 270–285, 296–311).

Ford (2001, 30–32) geht diesbezüglich von einer Lektüre der Micrographia während eines Besuches in England aus und nennt als weiteres Beispiel die Verwendung eines einfachen Mikroskops, wie es ebenfalls von Hooke beschrieben worden war. Gegen letzteres spricht jedoch, dass diese Beschreibung, die im Gegensatz zum zusammengesetzten Mikroskop ohne Illustrationen auskommen musste, für Leeuwenhoek aufgrund seiner eingeschränkten Sprachkenntnisse kaum zugänglich gewesen sein dürfte (Berkel 1982, 189).

Vgl. Hooke (1665, 112–116) und Leeuwenhoek (1939–1999, 1.112–115). Die ersten erhaltenen Beobachtungen von Pflanzen sind auf den August 1673 datiert und umfassten das Holz von Kiefer, Eiche und Esche (ebd. 1.46–53). Von diesen Hölzern wird bei Hooke (1665, 107) nur die Eiche erwähnt. Für weitere anatomische Analogien siehe ebd. (1.284–289; 3.148–151; 5.318-321; 6.28–33; 9.62, 80–83), für einen weiteren Vergleich zwischen Federkiel und Holz ebd. (9.70). Erste Bemerkungen zum Wachstum im Allgemeinen finden sich schon in den Beobachtungen zu Schimmel im ersten Brief an Oldenburg 1673 (Leeuwenhoek 1939–1999, 1.30), darauf folgten in kurzen Abständen Beobachtungen und Überlegungen zum Wachstum von Stämmen, Wurzeln und Blättern (ebd. 1.50–53, 274, 286; 2.34; 3.150–180, 212–215) aber auch zu Haaren, Nägeln, Haut, Augen, Perlen und Austernschalen (ebd. 1.66–69, 74–77, 112–115, 142, 280, 362–369; 2.348–351, 370–379, 386; 3.350–365, 402–405, 410–415).

Trotz der Unterschiede zu Leeuwenhoek (1939–1999, 2.4–13, Fig. 3) nahm Grew (1682, Tab. 29) keine Änderungen an seiner Darstellung aus der Originalausgabe der Comparative Anatomy of Trunks (1675) vor (LeFanu 1990, 99), sondern vermutete Täuschungen und Artefakte in Leeuwenhoeks Beobachtungen, was diesen jedoch nicht überzeugen konnte (siehe Leeuwenhoek 1939–1999, 2.24–38, 164). Für die erwähnten Anfragen zur Pflanzen-Anatomie siehe ebd. (1.218–221, 281; 6.4, 88–91; 7.358–387; 9.80–107; 10.213; 15.24–42).

Leeuwenhoek (1939–1999, 1.164–166, 330, 346; 2.64, 90). Darüber hinaus sollten die in der Samenflüssigkeit gefundenen Animalcula für medizinische Fragen eine besondere Rolle spielen (s.u. S. 6264).

Die zunächst deskriptive Natur seiner Beobachtungen der Animalcula wurde auch schon im ersten konkreteren Hinweis auf sie im Januar 1676 deutlich: „hier van heb ick verscheijde aenteijckeningen gedaen, soo van haer couleur, gedaente, de delen waer uijt haer lichaem is te samen gestelt, bewegingh, en schielijcke verbrijselingh van haer gantsche lichaem [...]“ — „I made several notes thereon, on their colour, shape, the parts that compose their bodies, their movements and the sudden disruption of the entire body [...]“ (Leeuwenhoek 1939–1999, 1.346–347). Der Bericht vom Oktober 1676 bestand dann fast ausschließlich aus Beschreibungen. Die Beschreibung immer neuer Animalcula-Arten blieb auch später ein zentraler Bestandteil von Leeuwenhoeks Beobachtungen, eine Nomenklatur und Systematisierung für mikroskopische Lebensformen sollten allerdings erst Mitte des 18. Jahrhunderts von anderen Forschern in Angriff genommen werden. Für eine detaillierte Analyse dieses Zeitraumes siehe Ratcliff (2009, 177–215).

Folgende Passage sei als Beispiel angeführt: „Den 6e dito des smorgens de clock ontrent 6 uijren, heb ik een seer groote menigte, ja ongelooflijk veel uijtstekende kleijne diertgens ontdekt die omme haer cleijnheijt geen figuer te geven sijn, als mede een seer groot getal van ronde diertgens, die in mijn oog wel agtmael soo groot scheenen, als de eerste diertgens, die ik boven heb geseijt, daer ik geen figuer aen konde bekennen, dese ronde diertgens jmagineer ik mij meer als 50 mael cleijnder als het oog van een Luijs te sijn, en daer beneffens een derde soort, die tweemael soo lang als breet waren, en ontrent de langte hadde vande ronde diertgens. de vierde soort was de seer kleijne aeltgens [...] en als nu sag ik eenige, dog seer weijnige diertgens, die bij na de langte hadde van het oog van een Luijs, en was seer na in figuer, (maer veel kleijnder) als het diertge gelijk, dat ik hier vooren bij een stuk van een citroen schil heb vergeleken.“ — „On the 6th ditto, about 6 o’clock in the morning, I discovered a great many, nay incredibly many, exceedingly little animalcules to which, because of their smallness, no shape can be given and besides these a very great number of round animalcules, which to my eye seemed about eight times as big as the first animalcules, whose shape I have just said I could not make out. These round animalcules I imagine to be more than 50 times smaller than the eye of a louse. Besides these there was a third sort that were twice as long as broad, and which had about the length of the round animalcules. The forth sort was the very tiny eels [...] and now I saw also some (though very few) animalcules that had very nearly the length of the eye of a louse: in shape they were very much like (only much smaller) the little animals which I have above likened to a piece of lemon peel“ (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.112–113). Eigene Darstellungen von Animalcula finden sich in Leeuwenhoeks Korrespondenz erst im Juli 1683, wohlgemerkt im Zusammenhang mit der Untersuchung von Blut und Samen von Fröschen; beides Themen in denen sehr früh auf Darstellungen zurückgegriffen worden war (ebd. 4.76). Auch von den Animalcula in verschiedenen Samenflüssigkeiten gab es im ersten Brief im November 1677 keine Darstellungen, diese folgten aber schon im März 1678 nach der Anfrage zu weiteren Untersuchungen (ebd. 2.346).

Zu den Größenberechnungen und Extrapolationen der Anzahl siehe Leeuwenhoek (1939–1999, 1.160–163, 2.65–85, 252–255; 3.334–337) sowie die Überlegungen von Egerton (1968), der darin einen Vorläufer der Demographie sieht.

In den ersten ausführlichen Beschreibungen wurde sowohl auf erkennbare Beine (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.92, 102, 122, 144, 248) als auch auf deren scheinbares Fehlen (ebd. 2.98, 146) hingewiesen. Gegenüber Grew machte Leeuwenhoek später klar, dass diese jedoch angesichts der Bewegungen vorhanden sein müssten, auch wenn sie nicht zu beobachten wären (ebd. 2.390). Christiaan Huygens hatte (im Gegensatz zu Leeuwenhoek selbst) bei der Reproduktion der Beobachtungen die ersten Zeichnungen der neu entdeckten Lebewesen angefertigt und diese im Dezember 1676 nach Delft geschickt. Beim Vergleich mit den eigenen Beobachtungen erwähnte Leeuwenhoek u.a. die von Huygens nicht registrierten Beine (ebd. 2.398–403). Im Frühjahr beschäftigte er sich dann ausgehend von einer entsprechenden Nachfrage Huygens' gesondert mit den Bewegungen der Animalcula (ebd. 3.40, 46). Über bestimmte Bewegungen spekulierte Leeuwenhoek noch 1704 (ebd. 15.76–79).

Leeuwenhoek hatte zuerst bemerkt, dass die Animalcula in einer Infusion mit einer größeren Menge zerstampften Pfeffers starben (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.102). Später gab er versuchsweise Nelken, Essig oder Ingwer zu den Pfeffer-Infusionen hinzu, was ebenfalls den Tod der Animalcula zur Folge hatte (ebd. 2.106, 124; 3.192). Diese Herangehensweise findet sich auch bei den kurz darauf folgenden Untersuchungen der Samen-Animalcula, hier reichte allerdings schon Wasser um den Tod herbeizuführen (ebd. 2.362); s.u. S. 108114.

Zur Verbindung von Naturphilosophie und Medizin im 17. Jahrhundert siehe French (1994, 3–10).

Singer (1914, 273) nennt Pierre Borel als ersten Mikroskopiker mit medizinischem Hintergrund, Lüthy (1995, 463) erwähnt Harveys mikroskopische Beobachtungen ebenfalls nicht. Ausgehend von der persönlichen Bekanntschaft mit Francis Bacon und der Verwendung des Begriffes perspicillum bei beiden (vgl. die Zitate oben S. 22, Fn. und unten S. 55, Fn.) kann aber davon ausgegangen werden, dass es sich in Harveys Fall um ein ähnliches Instrument gehandelt haben dürfte, auch wenn Harvey mit Bacons wissenschaftstheoretischen Überlegungen nicht einverstanden war (French 1994, 181–182, 325–328).

„Observavi quoque in omnibus pene animalibus cor vere inesse, & non solum (ut Aristot. dicit) in maioribus, & sanguineis, sed in minoribus, exanguibus, crustatis & testaceis quibusdam, ut limacibus, cochleis, conchis, astacis, gammaris, squillis, multisque aliis; imo vespis, & crabronibus muscis (ope perspicilli ad res minimas discernendas) in summitate illius particulae quae cauda dicitur, & vidi pulsans cor, & aliis videndum exhibui“ (Harvey 1628, 28); man beachte allerdings den positiven Verweis auf Aristoteles im vorangestellten Absatz. Diese erste Erwähnung mikroskopischer Beobachtungen findet sich am Ende des vierten Kapitels, das sich mit der Bewegung der Aurikeln beschäftigt. Das 17. Kapitel enthält insgesamt eher ergänzende Beobachtungen, welche das Konzept der Zirkulation bestätigen sollten. Hier werden zusätzlich auch das Fehlen von Herzen bei Muscheln, Zoophyten oder Plantanimalia sowie dessen Unvollkommenheit bei Schnecken, Mollusken und Schalentieren erwähnt. Hierbei wird hinsichtlich des Vorhandenseins eines Herzens bei allen Tieren, die über Blut verfügen, wiederum auf Aristoteles verwiesen (ebd. 64–65).

„Vidimus secundum processum, sive praeparationem ovi ad foetum, que die tertio observanda venit. [...] De eo Aristoteles: Generationis indicia extare incipiunt in gallinis, post tres dies totidèmque noctes. [...] Quarto itaque die si inspexeris, occurret jam major metamorphôsis, & permutatio admirabilior [...] Jam enim colliquamenti limbus lineâ exili sanguineâ purpurascens rutilat; ejúsque in centro ferè, punctum sanguineum saliens emicat; exiguum adeò, ut in suâ diastole, ceu minima ignis scintilulla, effulgeat; & mox, in systole, visum prorsus effugiat, & dispareat. Tantillum nempe est vitae animalis exordium, quod tam inconspicuis initiis molitur plastica vis Naturae! Observationem hanc, si sub finem tertii diei experiri libuerit; adhibitâ summâ diligentiâ, & clarâ, magnàque luce, vel radiis solaribus adaptatis, aut perspicilli ope, discernere poteris“ (Harvey 1651, 49). Die Beobachtungen standen also auch in engem Zusammenhang mit seiner Forschung zum Blutkreislauf. In einem späteren Abschnitt argumentierte Harvey dafür, dass das Blut der als erstes erzeugte Teil des Körpers sei (ebd. 152–163).

Harvey (1651, 54, 62). Im ersten Fall wird erneut das bereits schlagende Herz erwähnt.

Dies war nach dem sechsten Tag der Fall (Harvey 1651, 62).

Zur Verbindung von Highmore, Harvey und Boyle siehe Lüthy (1995, 463–465). Ruestow (1996, 235–237) sieht die Unterschiede in den Beschreibungen beider Forscher vor allem in ihrer jeweiligen Erwartungshaltung begründet, die aus ihren unterschiedlichen Hintergründen folgen würde.

„Towards the latter end of the third day, you shall finde this Cicatricula to be all clear in the middle Circles [...] circumscribed by a larger resplendent Circle; environed with the outermost yellow round; in which, by the help of Glasses may be discovered the small vessels coming from this dissolved yellow matter, from every side to the middle of the white Circle, which by a Microscope appears now to be the Carina or back and neck of the Chick, and the heart in the midst of it [...] On the fourth day [...] appeared a red sparkling line encompassing the white spot, now red too, and moving: whose motion plainly shew, it was the heart; as afterwards I saw by the help of a Microscope, exactly shewing me the heart perfectly fashioned [...]“ (Highmore 1651, 69–71). Man beachte allerdings, wie zuvor zumindest davon gesprochen wurde, wie sich im Unsichtbaren die Atome des Kükens sammeln würden (ebd. 68). Die Verweise auf mikroskopische Beobachtungen enden wie bei Harvey am sechsten Tag: „The sixth dayes observation shews every part more distinctly, and what before even by the help of Glasses seemed but darkly adumbrated; now begin to confess themselves by their visible shapes and actions“ (Highmore 1651, 74).

Zusätzlich werden auch Beobachtungen an Floheiern erwähnt; wiederum mit besonderem Augenmerk für das Herz (Kircher 1665, 2.335–336, 371).

Kircher (1646, 834), s.o. S. 2324.

Kircher (1658, 39, 42–45, 50–51), vgl. auch Kircher (1665, 2.370–371, 357). Wilson (1995, 155–158) legt nahe, dass Kircher durch eine Schrift von August Hauptmann beeinflusst wurde, in der eher beiläufig auf mikroskopische Beobachtungen verwiesen wurde (Hauptmann 1650, 15), übersieht dabei aber, dass Kircher bereits 1646 entsprechende Ideen formuliert hatte. Die von ihr geschilderten Entwicklungen in Bezug auf das Konzept eines Contagium vivum (Wilson 1995, 140–175, bes. 148–153), legen allerdings nahe, dass Kircher auch in diesem Fall in erster Linie gegen atomistische Überlegungen argumentieren wollte (vgl. o. S. 2324).

„Sunt autem hi vermiculi pestis propagatores tam exigui, tam tenues & subtiles, ut omnem sensus captum eludant, nec non nisi exquisitissimo smicroscopio sub sensum cadant, atomos diceres [...] Rem autem aliter se non habere, ac dixi, me sanguis putridus febribus laborantium sat superque docuit [...]“ (Kircher 1658, 141; s.a. 39). Zur Zensur und Publikation des Scrutiniums siehe Baldwin (2004, 71–72) und Siebert (2004, 82–83).

„In Gonorrhea virulenta militis, seu balano ejus, amicus meus observavit Insectulum limaciformem, sed ferè invisibilem [...]“ (Borel 1656a). Man beachte auch die Erwähnung anderer durch Fäulnis erzeugter Würmer (ebd. I, II, XIV, LXXII) sowie die Erwähnung unsichtbarer, krankheitserzeugender Animalcula in der Luft mit Bezug auf Johann Heinrich Alsted (ebd. LXXIX; vgl. Wilson (1995, 154)). Auch in Borels Sammlung mit medizinischen Beobachtungen waren Würmer im Blut erwähnt worden (Borel 1656b, Cent. III, Obs. IV). Hier wurde jedoch, anders als Singer (1914, 273) behauptet, kein Mikroskop erwähnt. Vielmehr zeigt der fehlende Bezug zu Krankheiten oder Fäulnis, dass es sich um ein gänzlich anderes Phänomen gehandelt haben dürfte.

Hinsichtlich der möglichen praxisbezogenen Anwendungen des Mikroskops siehe Borel (1656a), bezüglich konkreter Krankheiten ebd. (XXX–XXXII, XCV).

Die entsprechenden Beobachtungen bezogen sich entweder auf Insekten (Borel 1656a) oder Eier (ebd. XVIII, XX), die auch in Analogie zu Pflanzensamen gesehen wurden (ebd. XLIV).

„Cor, renes, testiculi, jecur, pulmo, aliaque corporis parenchymata, plexum esse organularum & Fibrarum videbis, seu cribra, quibus variae substantiae à natura secernuntur, juxta pororum figuras, quibus certis certae figurae tantu[m] atomis datur ingressus“ (Borel 1656a). Dementsprechend merkte er auch an, dass sich in der Chyle Partikel fänden, welche dem Urin fehlten, weil sie durch Poren und Klappen in den Venen und anderswo herausgefiltert würden (ebd. LXXV). Für die Haut stellte er einerseits eine netzförmige Struktur fest (ebd. LXXXVIII), andererseits erwähnte er im Zusammenhang seiner Beobachtung von Haaren ihre durch letztere verdeckten Poren (ebd. XIII).

Borel (1656a) hatte jedoch (wie auch Kircher (1646, 834)) keinen expliziten Bezug zu einer Krankheit hergestellt. Dass sich auch in seinen medizinischen Beobachtungen (Borel 1656b) keine entsprechenden Beobachtungen finden, spricht dafür, dass Power (1664, 55–56) sich hier wirklich auf die mikroskopische Centuria bezog.

S.o. S. 3940.

Hooke (1665, 157–158). Ein gewisses medizinisches Interesse mag man auch aus der Beobachtung von Mohn herauslesen (ebd. 154–155).

Meli (1997, 26–28); Meli (2011b, 44).

So schrieb Malpighi schon in den De pulmonibus observationes anatomicae (1661): „De pulmonum usu scio plura ab antiquis haberi, & circa illa plurimum etiam ambigi [...]“ (Malpighi 1687, 2.323). Für ähnliche Äußerungen siehe z.B. ebd. (2.114, 119–120, 165, 171, 206, 208–209, 227, 236–237, 240–243, 320). Und in der Einleitung zu De viscerum structura hieß es zwar: „Ne miraberis, novum me de Cerebro, Hepate, & Renibus assumpsisse laborem, post doctissimorum Willis, Glissoni, Fracassati, & Belloni absolutissimas exercitationes: tantorum enim virorum placita temporis beneficio novis observationibus firmata volui [...]“ (Malpighi 1687, 2.249). Dies bedeutete aber nicht, dass nicht auch diese Forscher mitunter kritisiert werden konnten (z.B. ebd. 2.277, 293). Mit Carlo Fracassati verband Malpighi eine langjährige Zusammenarbeit (Adelmann 1966, 1.171–172, 175, 179, 183, 237, 243, 296, 351, 375).

Dabei scheint die Menge der untersuchten Tiere im Laufe der Zeit stetig angewachsen zu sein: So wird bspw. in De pulmonibus (1661) auf die Strukturen der Lungen von Säugetieren, Fischen, Fröschen und Schildkröten verwiesen (Malpighi 1687, 2.321, 325, 327, 329), in De omento (1665) werden die Fetthäute von Menschen, Hunden, Hirschen, Schweinen, Fischen, Schafen, Rindern, Ziegen und Löwen erwähnt (ebd. 2.228–230), in De viscerum structura (1666) die Lebern von Schnecken, Eidechsen, Fischen und Mäusen (ebd. 2.251–254), die Hirne von Fischen und Vögeln (ebd. 2.269–270), die Nieren von Hunden und Vögeln (ebd. 2.279–280) und die Milzen von Schafen, Rindern, Menschen, Fischen und Eidechsen (ebd. 2.291–292).

Siehe die verschiedenen Erklärungen in De pulmonibus (Malpighi 1687, 2.323–326, 330). Malpighi griff jedoch bei späterer Gelegenheit doch wieder auf seine eigene Erklärung zurück (ebd. 2.317–318). Zur Diskussion zwischen Malpighi und Borelli siehe Adelmann (1966, 1.182, 186–188, 195, 197).

So schreibt (Malpighi 1687, 2.227) in der Einleitung: „Quare diu prae caeteris Fallopiana illa de Omenti usu ingenua ignorantia me in ejus indaginem excitavit [...].“ Wohingegen er später, nachdem er unter mehreren Lehrmeinungen der von Vesalius die größte wahrscheinliche Gültigkeit eingeräumt hatte: „Quare dicere quidem possumus, Mesenterium esse Adiposum, quo è Ventriculo, & tenuibus aliquando Intestinis elabens, seu percolata oleosa substantia per propria vasa, seu ductus transferatur, propriis etiam cellulis conservetur ad usus soli naturae fortè notos“ (ebd. 2.237). In Abschweifungen ging es ferner um den Nutzen des Knochenmarks (ebd. 2.236) sowie einem möglichen Zusammenhang von Fett und den Körperflüssigkeiten (ebd. 2.238–241). Zur Autorenschaft siehe Adelmann (1966, 1.261, 265).

Zwar sind auch hier einzelne Texte für je eines der Organe zu finden, in denen im Anschluss an die Beobachtungen die Funktionen von Leber (Malpighi 1687, 2.261–265), Niere (ebd. 2.287–289) und Milz (ebd. 2.301–310) thematisiert wurden. Für das Gehirn beschränkten sich entsprechende Aussagen auf dessen Rinde (ebd. 2.275–277). Die Kapitel wurden anders als bei den Epistolae zuvor nicht einzeln veröffentlicht, auch ist wenig über die Vorarbeiten bekannt, was nahelegt, dass die Beobachtungen in einem kurzen Zeitraum und in enger Verknüpfung ausgeführt wurden (Adelmann (1966, 1.295–296), Meli (2011b, 114)). Als Ausgangspunkt für diese neuen Studien nannte Malpighi (1687, 2.249) jedoch die Auseinandersetzung mit neueren, themenverwandten Schriften von Willis, Glisson, Fracassati und Belloni.

Beide Untersuchungen wurden ebenfalls Teil der Epistolae. Zum Geschmackssinn und zur Zunge siehe Malpighi (1687, 2.165, 168–170). Als wichtiger Einfluss wurde hier Nicolaus Steno angeführt. Bezüglich des Tastsinnes werden explizit die Beobachtungen der Zunge als Ausgangspunkt genannt, und auch Steno wird erneut erwähnt (ebd. 2.201, 208). Zusätzlich zum Tastsinn (ebd. 206–210) finden sich Überlegungen zum Wachstum von Horn, zur Ursache von schwarzer Haut und zum Wachstum von Haaren (ebd. 2.202–204, 209–210).

Malpighi (1687, 2.53); Adelmann (1966, 2.833–839).

Malpighi (1684); Adelmann (1966, 1.329–330); Meli (2011b, 321–323).

S.o. S. 4344.

Adelmann (1966, 1.267–268), Meli (2011b, 21, 142–149). Weitere Untersuchungen umfassten bspw. kranke Lungen (Malpighi 1687, 2.322), die Haut von unter Aufzehrung Leidenden (2.208–209) und kranke Milzen (ebd. 2.291–292, 300).

„Notum optimè, vetúsque est apud naturae Mystas, quamcumque miscellam, exclusionémque minimis fieri meatibus, ita ut in urinae, salviae, feminis, & aliorum cribratione, sensus, opticis etiam adjustus instrumentis, nequaquam eorum rudem etiam structuram ob exiguitatem, attingat [...]“ (Malpighi 1687, 2.247). Man beachte, dass De polypo cordis schließlich als Anhang zu De viscerum structura veröffentlicht wurde und dass Malpighi auch schon einen Teil von De omento Überlegungen hinsichtlich eines möglichen Zusammenhanges der Körperflüssigkeiten mit dem Körperfett gewidmet hatte. Allerdings erschien ihm eine Untersuchung ihrer selbst nicht erforderlich, da er den Zusammenhang auch auf anderem Wege negieren konnte (ebd. 2.238–241).

Berkel (1982, 190–192) zufolge stellten die Mediziner sogar den einzigen intellektuellen Bezugspunkt in Leeuwenhoeks Heimatstadt Delft dar. Dennoch nahm er ihrer Profession gegenüber schnell einen eher negativen Standpunkt ein (ebd. 194). Leeuwenhoeks Beteuerung vom November 1680, er habe nie einer Sektion beigewohnt (Leeuwenhoek 1939–1999, 3.294), erscheint auch insofern unwahrscheinlich als er im September 1674 eine nicht ganz geglückte Demonstration von Muskelfasern und damit zusammenhängende Instruktionen von Cornelis 's Gravesande erwähnt hatte (ebd. 1.144). Zudem ist Leeuwenhoek inmitten der Delfter Anatomen in einem Gemälde von Cornelis de Man abgedildet, das auf 1681 datiert wird (Berkel 1982, 190–191). Für de Graafs Brief siehe Oldenburg (1965–1977, 9.602).

Leeuwenhoek erwähnte im Januar 1678 gegenüber Hooke ein 9–10 Jahre zurückliegendes Experiment, bei dem de Graaf einem Hund Milch als Ersatz für Blut injiziert hatte (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.310–315). Dazu passend wurde schon in seinen ersten Anmerkungen gegenüber Constantijn Huygens im April 1674 über die Globuli beider Flüssigkeiten ein Zusammenhang zwischen ihnen hergestellt (ebd. 1.66).

Nach den ersten Mitteilungen über die Blut-Globuli (Leeuwenhoek 1939–1999, 1.66, 74, 84–87) musste Leeuwenhoek auf skeptische Nachfragen von Oldenburg, Boyle und Thomas Gale reagieren (ebd. 1.92–96; 2.206; 6.16–19), letztere vermutlich in Zusammenhang mit einem themenverwandten Vortrag von Frederick Slare (Birch 1756–1757, 4.436–443). Später wurde neben dem Blut von Menschen, auch das von Aalen, Fröschen, Fischen, Schrimps, Grashüpfern, Krabben, Muscheln und Spinnen untersucht (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.242–245; 4.72–77; 8.52–55, 110; 9.50; 10.170–173; 11.92, 98; 13.136–151, 320–323, 342–345; 14.8). Mit dem Konzept der im Blut enthaltenen Luft, das vermutlich auf Descartes zurückzuführen ist, beschäftigte er sich ab Ende 1691. Dabei setzte sich seine Ablehnung dieses Konzeptes, die er durch seine Beobachtungen begründet sah (ebd. 8.196–201), auch fort nachdem ihm Richard Waller ergänzende Überlegungen zugeschickt hatte (ebd. 8.335–337) und er daraufhin im 1692 das erste Mal seit 1675 von Versuchen mit einer Luftpumpe berichtete, die schließlich auch Urin mit einbezogen (ebd. 9.14–25, 38–41). Eine ähnliche Untersuchung von Cerumen folgte 1694/1695 (ebd. 11.16–21). Zu weiteren pneumatischen Versuchen s.o. S. 3132.

Dabei scheint die Untersuchung von Speichel im Zusammenhang mit denen von Blut und Milch gestanden zu haben (Leeuwenhoek 1939–1999, 1.110; 2.386–391), die von Urin aber zunächst mit einem allgemeinen Interesse an Flüssigkeiten (ebd. 1.294). Für die Studien von Sputum, Kot und Cerumen wurden hingegen der Gesundheitszustand Leeuwenhoeks bzw. seine Lebensgewohnheiten als Anlass angegeben (ebd. 2.214–319; 3.364–371; 10.6, 12, 16). Ferner wurden untersucht: Tränen (ebd. 1.126), die Gallenflüssigkeit verschiedener Tiere (ebd. 1.170–175, 264–257; 5.324–327) und Chyle (ebd. 3.294; 5.311–315).

„Ik herinner mij, dat ik 3 à 4 jaar geleden, op verzoek van wijlen den Heer Oldenburg, mannelijk teelzaad heb onderzocht en dat ik toen de genoemde diertjes als globulen heb beschouwd; maar aangezien een verder onderzoek en nog meer een beschrijving daarvan mij tegenstond, heb ik toentertijd dat onderzoek achterwege gelaten.“ — „I remember that some three or four years ago I examined seminal fluid at the request of the late Mr. Oldenburg and that I then considered those animalcules to be globules. Yet as I felt averse from making further investigations and still more so from describing them, I did not continue my observations“ (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.290–291). Zu den Besuchen von Ham und Craanen siehe ebd. (2.280–283; 12.254) und Ruestow (1996, 216–217).

S.u. S. 111114.

Auf gemäßigte Kritik an seiner Theorie, wie sie etwa von George Garden oder Martin Lister vorgebracht wurde, folgten weder neue Beobachtung noch ein wirkliches Überdenken der eigenen Position (ebd. 10.34–63, bes. 48, 60–63; 12.213–321). Vielmehr kam es zwischen 1688 und 1700 scheinbar immer wieder zu längeren Pausen zwischen den Beobachtungen von Samenflüssigkeiten (ebd. 7.386–389; 10.28; 11.92; 12.4–9; 13.152, 228–240, 293–301; 14.38–45; 15.50–53, 118–121). Über Untersuchungen der Ovaria verschiedener Lebewesen wurde hingegen sowohl vor als auch nach der Entdeckung der Samen-Animalcula nur sehr vereinzelt berichtet (ebd. 2.328–347; 4.4–9; 5.144–207; 10.52–61, 254). Dabei wurden neben de Graaf auch Harvey und Grew erwähnt. Zur Auseinandersetzung mit de Graaf siehe Lindeboom (1982, 149–151).

Kurz nach der Entdeckung der Samen-Animalcula kam es zu einer Unterbrechung der Beobachtungen an Eiern von Insekten und Fischen, die erst 1680 auf Anfrage der Royal Society wieder aufgenommen wurden, zunächst aber ohne Erfolg (Leeuwenhoek 1939–1999, 1.372, 214; 2.244, 246, 272, 418; 3.146). Im Juli 1683 schrieb Leeuwenhoek dann: „[...] dat veele doiren die eijeren sullen werden, aan het eijernest hangende, ijder een Dierken uijt het Mannelijk zaad, sullen hebben ontfangen, en dat dese dierkens wanneer het eij gebroeijt wert, niet datelijk de figuer van het kuijcken aen neemt maar dat hetselvige in onse oogen in ongeschikte grootheijt toeneemt, te weten, dat wij eerst oordeelen het Hert te sien voort komen. Ik heb verscheijde malen getragt om de dierkens vant Mannelijk zaad vande Haen, in het doir van het eij to ontdecken, maar dit is mij tot nog toe gemist [...]“ — „[...] many [yolks] destined to be eggs, will each of them - while suspended from the ovary - receive an animalcule from the male sperm. I also think that these animalcules, when the egg is being hatched , will not instantly assume the form of the chicken, but will grow in what to us seems an irregular way; that is to say that we believe that we can see the heart originate first of all. I have several times tried to discover the animalcules of the male sperm of a cock in the yolk of the egg, but I have not succeeded in this up till now [...]“ (ebd. 4.64–67; engl. Übersetzung ans Original angepasst).

Zwar wurde auch in diesem Zusammenhang ähnlich wie bei Borel (1656a) zunächst eine Krankheit als Ursache des Samenflusses genannt, die Beschreibung der genauen Umstände unterscheidet sich jedoch in den verschiedenen publizierten Textfassungen (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.280) und wird in den folgenden Briefen nicht mehr erwähnt, weil sich für die Untersuchung des menschlichen Samens in Leeuwenhoeks Fall auch der eheliche Beischlaf als moralisch vertretbarer Umstand der Beobachtungen anführen ließ (Ruestow 1996, 217).

„Men Heeft mij over eenige jaren te gemoet gevoert, datmen binnen Romen levende dieren in het bloet hadde gesien.“ — „A few years ago I was informed that at Rome live animals had been seen in blood“ (Leeuwenhoek 1939–1999, 2.412–413, weiter bis 419). Es kam zu weiteren, aber eher vereinzelten Beobachtungen zu Parasiten von Menschen und verschiedenen Tieren (ebd. 4.70; 7.98–112; 9.150–153, 324–343; 11.162–169; 13.164–173, 192–195), insbesondere an den Leberegeln von Schafen (ebd. 4.124–137; 9.132–140; 12.194).

Dies umfasste: Gicht (Leeuwenhoek 1939–1999, 3.88–101, 114–123, 376–379; 4.284–287; 7.258–269; 8.215–223), Zahnschmerzen u.ä. (ebd. 2.366–371; 12.192–195; 14.152–156; 15.46–61), Fiebererkrankungen (ebd. 2.392–395; 8.182–185), Blasen- und Nierensteine (ebd. 3.96–103; 7.192–239; 8.224–229), Augenverletzungen (ebd. 9.80), Schwerhörigkeit (ebd. 10.6–13), Verdauungsprobleme (ebd. 3.364–375; 5.314–319), Erkältungen (ebd. 2.314–319), Hautkrankheiten (ebd. 2.382–387; 4.170–181, 286–293; 6.38–43; 15.120–123); kurzum Krankheiten, deren Symptome sich auf bestimmte Organe oder Körperteile beschränkten oder zu besonderen Absonderungen oder Bildungen führten, die dann mikroskopisch untersucht werden konnten. Etwas anders gelagert waren dagegen die Beobachtungen an einer Ochsenzunge nach dem Verlust des eigenen Geschmackssinnes (ebd. 1.184) sowie die späteren Untersuchungen von kranken Schafslungen (ebd. 14.86–91) und des Darmes einer erhängten Frau auf Bitte des umstrittenen Anatomen Govert Bidloo (ebd. 15.300–311).

Untersucht wurden das Fieberheilmittel Sal volatile oleosum (Leeuwenhoek 1939–1999, 4.28–37; 5.344–351), Zinnober (verwendet bei Epilepsie; ebd. 5.356–369), Perlen (auf Anfrage von Francesco Corner; ebd. 15.236–253), Teesalz (ein weiteres Fiebermittel; ebd. 8.250–253), Chinarinde (ebd. 7.156–173), verschiedene Korallenarten (ebd. 7.268–277; 15.351) und Moxa (verwendet gegen Gicht; ebd. 2.228–233; 4.280–285). Ferner gab es Untersuchungen zu Giften wie Kalumba (im Auftrag von Cornelis 's Gravesande; ebd. 7.178–193) und dem heute unbekannten Euwane (ebenfalls auf Anfrage eines Arztes; ebd. 15.284–297) und zu Ameisensäure (ebd. 7.62–65). Aber auch Genussmittel wie Kaffee (ebd. 6.236–249) und Tee (ebd. 8.256–261) wurden auf ähnliche Weise untersucht.

S.u. S. 101.

Zur Verdauung, die er als einen rein mechanischen Vorgang verstanden wissen wollte, äußerte sich Leeuwenhoek ab August 1675 (Leeuwenhoek 1939–1999, 1.316–327; 2.134, 140–143; 4.86–91). Untersuchungen von Kalbsmägen und zur Rolle der Gerinnung in der Verdauung folgten aber erst 1696 als Reaktion auf die Ansichten von Cornelis Bontekoe (ebd. 12.72–97).

S.u. S. 143, 145.